TE Vfgh Erkenntnis 1984/6/28 G36/82, G37/82

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Veröffentlicht am 28.06.1984
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
ASVG §49 Abs3 Z1
ASVG §49 Abs3 Z2 idF der 29. Nov
EStG §68 Abs2

Beachte

vgl. Kundmachung BGBl. 438/1984 am 16. November 1984

Leitsatz

ASVG; Gleichheitswidrigkeit des zweiten Satzes im §49 Abs3 Z1 und der Wendung "oder kollektivvertragliche Regelungen" in §49 Abs3 Z2 aufgrund des ausschließlichen Anknüpfens an eine kollektivvertragliche Regelung

Spruch

Der zweite Satz im §49 Abs3 Z1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. 189/1955, sowie die Wortfolge "oder kollektivvertraglicher Regelungen" im §49 Abs3 Z2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes idF der 29. Nov. zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, BGBl. 31/1973, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Mai 1985 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Anlaß der vorliegenden Anträge des VwGH auf Gesetzesprüfung bilden anhängige Verfahren über Beschwerden, die sich gegen je einen aufgrund eines Einspruchs erlassenen Bescheid eines Landeshauptmannes richten. Gegenstand des Bescheides ist in den Fällen der Antragstellung unter A8/82, A25/83, A29/83, A32/83, A33/83, A38/83 und A4/84, die Beitragsverrechnung bezüglich vom Dienstgeber unter dem Titel "Tages- und Nächtigungsgelder" an den Dienstnehmer geleisteter Zahlungen (Gesetzesprüfungsverfahren G37/82, G48/83, G72/83, G73/83, G80/83, G81/83, G98/84), der Antragstellung unter A7/82, A37/83, A40/83 und A41/83, die Beitragsverrechnung bezüglich Zahlungen unter dem Titel "Schmutzzulage" (Gesetzesprüfungsverfahren G36/82, G84/83, G87/83, G88/83) sowie der Antragstellung unter A3/84 eine Beitragsverrechnung bezüglich Zahlungen unter beiden angeführten Titeln (Gesetzesprüfungsverfahren G76/84).

Der VwGH beantragt anläßlich der ersten Gruppe von Beschwerdesachen den zweiten Satz im §49 Abs3 Z1 ASVG (- der erste Satz dieser Gesetzesbestimmung gilt idF der 29. Nov. zum ASVG, der zweite in der Stammfassung -), anläßlich der zweiten Gruppe von Beschwerdesachen die Wortfolge "oder kollektivvertraglicher Regelungen" im §49 Abs3 Z2 ASVG idF der 29. Nov. sowie anläßlich des letztgenannten Falles beide eben angeführten Gesetzesstellen als verfassungswidrig aufzuheben. Die bezogenen Z1 und 2 im §49 Abs3 ASVG (samt Eingang dieses Abs.) sowie der Abs4 dieses Paragraphen haben folgenden Wortlaut:

"(3) Als Entgelt im Sinne des Abs1 und 2 gelten nicht:

1. Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlaßten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch die auf Grund von Kollektivverträgen oder Arbeits(Betriebs)ordnungen, sofern diese im Rahmen von Kollektivverträgen vorgesehen sind, gezahlten Vergütungen für den mit Arbeiten außerhalb des Betriebes verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen u.ä.;

2. Schmutzzulagen, wenn sie auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen gewährt werden und soweit sie von der Einkommensteuer (Lohnsteuer) befreit sind;

...

(4) Der Hauptverband kann nach Anhörung der Interessenvertretungen der Dienstnehmer und Dienstgeber feststellen, ob und in welchem Ausmaß Bezüge, die in kollektivvertraglichen Regelungen vorgesehen und als Bezüge im Sinne des Abs3 Z1, 2, 6 oder 11 bezeichnet sind, als nicht zum Entgelt im Sinne der Abs1 und 3 gehörend gelten. Derartige Feststellungen sind in der Fachzeitschrift 'Soziale Sicherheit' zu verlautbaren und für alle Sozialversicherungsträger und Behörden verbindlich."

2. Der VwGH bezieht sich in seinen - übereinstimmenden - Anträgen zunächst auf die hg. Erk. VfSlg. 3185/1957, 3911/1961, 4207/1962 und 5631/1967 und legt seine verfassungsrechtlichen Bedenken vom Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes aus im wesentlichen folgendermaßen dar:

"Nach Ansicht des VwGH hat sich der VfGH grundsätzlich nur im oben zitierten Erkenntnis Slg. Nr. 3185/1957 mit der gegenständlichen Frage befaßt, während alle anderen dem VwGH bekannten Erkenntnisse mit einem bloßen Hinweis auf dieses Vorerkenntnis operieren. Es möge dahingestellt bleiben, ob der Hinweis auf das Verhältnis von Mittel und Zweck, insbesondere der Hinweis auf das 'Vorbild in der Grundordnung des Arbeitsvertragsrechtes' - welches Vorbild, nämlich die Einrichtung des Kollektivvertrages, ebenfalls nur auf einfachgesetzlicher Grundlage beruht - den Einwand der Unsachlichkeit der Regelung vollständig zu beseitigen vermochte.

Es kann auch die verschiedenartige steuerrechtliche Behandlung einerseits der Schmutzzulagen, andererseits der Überstundenentgelte (§3 der Einkommensteuergesetznovelle 1946, BGBl. Nr. 203; ArtV Abs1 des Steueränderungsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 132; §3 Abs1 Z16, Z17 und Abs2 des Einkommensteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 1/1954; §3 Abs1 Z16 und 17 sowie Abs2 des Einkommensteuergesetzes 1967, BGBl. Nr. 268) dahingestellt bleiben im Hinblick auf die durch das Einkommensteuergesetz 1972 erfolgte Neuregelung.

Hinsichtlich der Schmutzzulagen bestimmt §68 Abs1 EStG 1972, BGBl. Nr. 440, deren Besteuerung mit 15 v.H., sofern die Summe der Zulagen und Zuschläge insgesamt den Freibetrag von 5070 S monatlich übersteigt. Nach Abs2 dieses Paragraphen sind Schmutzzulagen nur begünstigt, soweit sie auf die in den lita bis d genannte Weise gewährt werden. Diese dort genannte Weise der Zulagengewährung geht erheblich über den Kreis 'auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen' hinaus, insbesondere in der litd 'innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern'. Aber auch hinsichtlich der Vergütungen im Sinne des §49 Abs3 Z1 ASVG ist die vom Gesetzgeber der 29. Novelle zum ASVG beabsichtigte Übereinstimmung mit den steuerrechtlichen Vorschriften nicht geglückt. Nach §26 Z7 EStG 1972 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Beträge, die den in privatem Dienst angestellten Personen aus Anlaß einer Dienstreise als Reisewegvergütung, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen. Hinsichtlich dieser tatsächlichen Aufwendungen folgen sodann hinsichtlich von Kilometergeldern ein Verweis auf die Reisegebührenvorschrift für Bundesbedienstete, hinsichtlich der Tages- und Nächtigungsgelder bestimmte, nach dem Bruttojahresarbeitslohn gestaffelte Sätze. Der Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen ist nur insoweit gedacht, als eine Sonderregelung über die Verrechnung anteiliger Tagesgebühren, abweichend von den Vorschriften für Bundesbedienstete, vorliegt, nicht aber hinsichtlich der Pauschalsätze an sich. Eine im privaten Dienst angestellte Person hat also auch dann Anspruch auf steuerfreien Bezug solcher Reisewegvergütungen, wenn ihr Arbeitsverhältnis weder unter einem Kollektivvertrag noch unter einer Betriebsvereinbarung steht.

Der VwGH ist der Ansicht, daß die verschiedene Behandlung von Dienstnehmern, welchen Vergütungen im Sinne des §49 Abs3 Z1 'auf Grund von Kollektivverträgen oder Arbeits(Betriebs)ordnungen' bzw. Schmutzzulagen, die 'auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder kollektivvertraglicher Regelungen' gebühren, gewährt werden im Verhältnis zu solchen Dienstgebern (offenbar gemeint: Dienstnehmern), die sich hinsichtlich solcher Leistungen weder auf einen Kollektivvertrag noch auf eine Arbeitsordnung noch auf das Gesetz berufen können, sachlich nicht gerechtfertigt ist. Sofern man dagegen einwenden könnte, dem Hauptverband stünde doch nach §49 Abs4 ASVG die Möglichkeit - positiver oder negativer - Feststellung hinsichtlich der Beitragsfreiheit von Bezügen im Sinne des Abs3 Z1 und 2 zu, ist auf folgende Ungereimtheiten zu verweisen: Vergütungen im Sinne des §49 Abs3 Z1 ASVG fallen als Tages- und Nächtigungsgelder auch dann in die Beitragsfreiheit, wenn sie auf Grund von Arbeits(Betriebs)ordnungen, sofern diese im Rahmen von Kollektivverträgen vorgesehen sind, gewährt werden. Hinsichtlich solcher Arbeits(Betriebs)ordnungen steht aber dem Hauptverband keine Feststellung im Sinne der obengenannten Gesetzesstelle zu. Hinsichtlich solcher Regelungen kann also nicht auf die kontrollierende Wirksamkeit der Kollektivvertragspartner - die dem VfGH offenbar in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 3185/1957 vorschwebte - vertraut werden.

Dienstgeber und Dienstnehmer, deren gegenseitiges Verhältnis von Kollektivverträgen bestimmt wird, können durch die bloße Bezeichnung einer Vergütung als 'Bauzulage, Trennungsgeld, Zehrgeld, Entfernungszulage, Aufwandsentschädigung, Stör- und Außerhauszulage u. ä.' diese beitragsfrei stellen, solange der Hauptverband keine abweichende Feststellung getroffen hat. Solche Personen, deren gegenseitiges Verhältnis von einer Arbeits(Betriebs)-ordnung bestimmt wird, können dies schlechthin, ohne daß der Hauptverband korrigierend eingreifen könnte. Dienstgeber und Dienstnehmer, deren gegenseitiges Verhältnis bloß auf den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes über den Dienstvertrag beruht, fallen nur unter §49 Abs3 Z1, erster Satz ASVG. Daß in dessen Geltungsbereich die Übereinstimmung gewährter Vergütungen mit den tatsächlich veranlaßten Aufwendungen zu prüfen ist, hat der VwGH jüngst im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1981, Zl. 08/2665/79, ausgesprochen. Die letztgenannten Personen müssen daher gleichsam den Beweis erbringen, daß die gewährte Vergütung auch tatsächlich notwendigerweise aufgewendet wurde. Die erstgenannten Personen müssen dies nicht. Darin liegt eine im Tatsächlichen nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber.

Daß in solchen Fällen jeweils auch die begünstigende Bestimmung im Verdacht der Verfassungswidrigkeit steht, entspricht der Rechtsprechung des VfGH über die Verfassungswidrigkeit einer unterschiedlichen, sachlich nicht gerechtfertigten Gesamtregelung, z. B. Slg. 8871/1979 mit Zitat von Slg. 8539/1979.

Der VwGH ist somit der Ansicht, daß insbesondere durch die Gesetzesänderung durch die 29. Novelle zum ASVG die Frage der sachlichen Rechtfertigung der geschilderten Differenzierungen einerseits im §49 Abs3 Z1, zweiter Satz, andererseits im §49 Abs3 Z2, eingeschränkt auf die Wendung 'oder kollektivvertraglicher Regelungen' vom VfGH neuerlich - nunmehr in einem Verfahren nach Art140 B-VG - geprüft werden möge."

3. Beim VfGH ist zu B658/80 ein Beschwerdeverfahren anhängig, das inhaltlich der oben unter I/1 dargestellten zweiten Gruppe von Beschwerdesachen des VwGH entspricht. Anläßlich dieses Beschwerdeverfahrens beschloß der VfGH, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "oder kollektivvertraglicher Regelungen" im §49 Abs3 Z2 ASVG idF der 29. Nov. einzuleiten, und bezog sich dabei auf den entsprechenden Teil der vom VwGH dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken (Gesetzesprüfungsverfahren G127/84).

4. Die Bundesregierung erstattete Äußerungen, in denen sie die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Gesetzesvorschriften verteidigt und begehrt, diese nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Der VfGH hat die Verfahren über die vorliegenden Anträge sowie das von Amts wegen eingeleitete Prüfungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und hat erwogen:

1. Es haben sich keine Anhaltspunkte gegen die Annahme beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergeben, daß sie die jeweils in Prüfung gezogene Gesetzesstelle in den bei ihnen anhängigen Beschwerdeverfahren anzuwenden hätten. Die Prüfungsverfahren sind, da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.

2. Die Anträge des VwGH sind im Ergebnis auch begründet. (Wenn hier und im folgenden auf die Anträge des VwGH Bezug genommen wird, so ist stets das vom VfGH von amtswegen eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren mitgemeint.)

a) Zur Wortfolge "oder kollektivvertraglicher Regelungen" im §49 Abs3 Z2 ASVG idF der 29. Nov.:

Wenn der VwGH das hg. Erk. VfSlg. 3185/1957 (und damit die darauf aufbauende weitere Rechtsprechung) als unzutreffend kritisiert, so muß der VfGH betonen, daß er im grundsätzlichen auf der Linie seiner Judikatur bleibt. Er hält daran fest, daß die arbeitsvertragliche Gestaltung des einzelnen Dienstverhältnisses durch die Festlegung eines geringern Grundlohnes, jedoch einer höheren sonstigen Entlohnung auf die Umgehung der Steuervorschriften (und ebenso der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften) abzielen kann, sodaß dagegen ergriffene gesetzgeberische Maßnahmen - vom Zweck her gesehen - nicht unsachlich sind. Der VfGH bleibt auch dabei, daß der Gesetzgeber zur Erreichung dieses verfassungsrechtlich erlaubten Zwecks taugliche Mittel verwenden kann, sofern sie sachlich sind. Den im Erk. VfSlg. 3185/1957 (und der einschlägigen folgenden Judikatur) daran anschließenden (hier der Übersichtlichkeit wegen wörtlich wiedergegebenen) Gedanken kann der Gerichtshof jedoch nicht mehr in der ausgesprochenen Allgemeinheit aufrecht erhalten: "Aber wenn der Gesetzgeber zur zweckmäßigen Regelung von Fragen des Steuerrechtes an die Einrichtung des Kollektivvertrages anknüpft und danach differenziert, findet dies sein Vorbild in der Grundordnung des Arbeitsvertragsrechtes, das eine verschiedene Behandlung arbeitsvertragsrechtlicher Fragen je nachdem, ob ein Kollektivvertrag besteht oder nicht, durchaus kennt." Auszugehen ist davon, daß es dem Steuer- oder Sozialversicherungsgesetzgeber gestattet sein muß, zur Erreichung des angestrebten Zwecks ein für die Rechtsunterworfenen und die Vollziehung unschwer handhabbares Kriterium festzulegen, das den begünstigten Bereich relativ eindeutig abhebt. Der Gerichtshof erinnert in diesem Zusammenhang an seine ständige Rechtsprechung, daß der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und etwaige Härtefälle in Kauf nehmen kann (zB VfSlg. 8871/1980 S 593) sowie daß Gründe der Verwaltungsökonomie es erlauben, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (zB VfSlg. 9258/1981). Dies gestattet zwar an sich, arbeitsrechtliche Grundsätze und Einrichtungen für Zwecke des Steuer- und Sozialversicherungsrechtes nutzbar zu machen, doch kann nicht gesagt werden, daß ausschließlich das Anknüpfen an eine kollektivvertragliche Regelung geeignet ist, ein taugliches Differenzierungskriterium zu liefern, weil hiedurch - wie etwa §68 Abs2 zweiter Satz EStG 1972 zeigt - eine erhebliche Anzahl von Dienstnehmergruppen in gleicher Lage ausgeschlossen würde. Der Gesetzgeber ist, wenn er sich an arbeitsrechtlichen Regelungen orientiert und an sie anschließt, gehalten, auch die neben dem Kollektivvertrag zur Verfügung stehenden sonstigen Kriterien möglichst auszuschöpfen, um die sozialversicherungsrechtliche Gleichbehandlung der Dienstnehmer in weitestreichendem Umfang zu gewährleisten. So sei auf die lita bis c im schon erwähnten zweiten Satz des §68 Abs2 EStG 1972 hingewiesen, welche folgende Kriterien der (einkommensteuerlichen) Zulagenbegünstigung anführen:

"a) auf Grund gesetzlicher Vorschriften, von Gebietskörperschaften erlassener Dienstordnungen, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder der vom Österreichischen Gewerkschaftsbund für seine Bediensteten festgelegten Arbeitsordnung oder

b) durch Kollektivverträge oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind, oder

c) durch Betriebsvereinbarungen, die wegen Fehlens eines kollektivvertragsfähigen Vertragsteiles (§4 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974) auf der Arbeitgeberseite zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und dem kollektivvertragsfähigen Vertragsteil auf der Arbeitnehmerseite abgeschlossen wurden, ..."

Nur dann, wenn eine allgemeine, ohne besondere Schwierigkeiten handhabbare Abgrenzung nicht verfügbar ist, kann der Gesetzgeber einer pauschalen Regelung nicht zugängliche Fälle annehmen. Hiezu ist noch anzumerken, daß es in bestimmten Fällen überhaupt fraglich sein wird, ob eine solche Abgrenzung zwischen dem Grundlohn und der darüber hinausgehenden Entlohnung mit zureichender Genauigkeit gefunden werden könnte.

Die in Prüfung stehende Wendung "oder kollektivvertraglicher Regelungen" ist sohin mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar.

b) Zu §49 Abs3 Z1 zweiter Satz ASVG:

Die vorstehenden Ausführungen treffen sinngemäß auch für den zweiten Satz im §49 Abs3 Z1 ASVG zu. Dies mit der Maßgabe, daß die sachlich nicht begründbare Differenzierung insofern besteht, als die Prüfungspflicht, ob Tages- und Nächtigungsgelder den tatsächlichen Aufwand nicht übersteigen, ausschließlich bei Gewährung aufgrund von Kollektivverträgen oder Arbeits(Betriebs)ordnungen (sofern diese im Rahmen von Kollektivverträgen vorgesehen sind) entfällt, nicht aber bei Gewährung auf einer anderen arbeitsrechtlichen Grundlage einschließlich einer gesetzlichen Vorschrift.

3. Der zweite Satz im §49 Abs3 Z1 ASVG (in der Stammfassung) sowie die Wortfolge "oder kollektivvertraglicher Regelungen" im §49 Abs3 Z2 ASVG idF der 29. Nov. waren sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das weitere Antragsvorbringen einzugehen.

4. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.

Der Ausspruch, daß frühere Gesetzesbestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG.

Schlagworte

Sozialversicherung, Beitragspflicht (Sozialversicherung), Arbeitsverfassung, Kollektivvertrag, Einkommensteuer

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:G36.1982

Dokumentnummer

JFT_10159372_82G00036_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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