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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Sbg. Raumordnungsgesetz 1977; Versagung einer Ausnahmegenehmigung gemäß §19 Abs3; willkürliches Verhalten durch Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit infolge verfehlter Annahme der Bindung an die Entscheidung im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren Sbg. Gemeindeordnung 1976; keine Bedenken gegen die ausschließliche Parteistellung der Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren gemäß §72b Abs2Spruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die Bf. hat mit Schreiben vom 19. Dezember 1980 bei der Gemeinde Strobl ein Ansuchen um Ausnahmebewilligung nach §19 Abs3 des Sbg. Raumordnungsgesetzes 1977 - ROG 1977, LGBl. 26/1977 (das ROG idF der Kundmachung LGBl. 52/1977 und der Nov. LGBl. 112/1977), zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf einer Teilfläche des Grundstückes 272 KG Strobl eingebracht.
Am 8. April 1981 beschloß die Gemeindevertretung der Gemeinde Strobl, die beantragte Ausnahmebewilligung zu erteilen, und legte diesen Beschluß der Landesregierung gemäß §19 Abs3 ROG 1977 zur Genehmigung vor.
b) Mit dem Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 21. Juli 1981 wurde dem Beschluß der Gemeindevertretung der Gemeinde Strobl vom 8. April 1981 gemäß §19 Abs3 iVm. §17 Abs3 lita, b und c ROG 1977 die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt.
In der Begründung dieses Bescheides wurde insbesondere auf ein Gutachten eines Amtssachverständigen verwiesen, in dem festgestellt worden war, daß die beabsichtigte Baumaßnahme einen planwidrigen Eingriff in ein geschlossenes Grünlandgebiet darstelle und nicht im Einklang mit den gegebenen Strukturverhältnissen stehe.
2. a) Mit dem Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Strobl vom 4. August 1981 wurde sodann dem von der Bf. gestellten Ansuchen vom 19. Dezember 1980 gemäß §19 Abs3 ROG 1977 nicht stattgegeben. In der Begründung des Bescheides wurde im wesentlichen auf die Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Beschlusses der Gemeindevertretung vom 8. April 1981 durch den Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 21. Juli 1981 verwiesen.
b) Die von der Bf. gegen den Bescheid der Gemeindevertretung vom 4. August 1981 erhobene Vorstellung hat die Sbg. Landesregierung mit dem Bescheid vom 21. Oktober 1981 als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid ist wie folgt begründet:
"Gemäß Artikel 119a der Bundesverfassung, Absatz 1 übt das Land das Aufsichtsrecht gegenüber der Gemeinde dahin aus, 'daß diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt.'
Gemäß Absatz 8 der vorzitierten Verfassungsbestimmung 'können einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu treffende Maßnahmen, durch die auch überörtliche Interessen in besonderem Maß berührt werden, durch die zuständige Gesetzgebung an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden werden. Als Grund für die Versagung der Genehmigung darf nur ein Tatbestand vorgesehen werden, der die Bevorzugung überörtlicher Interessen eindeutig rechtfertigt.'
In Entsprechung der vorzitierten Verfassungsbestimmungen hat der zuständige Salzburger Landesgesetzgeber im §17 Abs3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, LGBl. Nr. 26/1977 in der gegenwärtigen Fassung, jene Kriterien der von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgenden Aufgaben der örtlichen Raumplanung beschrieben, deren Fehlen bzw. Nichtbeachtung überörtliche Interessen in besonderem Maße berührt. Als solches Kriterium ist gemäß §17 Abs3 lita ROG 1977, das 'Fehlen der Bedachtnahme auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse oder die sonstigen bei der Aufstellung des Flächenwidmungsplanes zu beachtenden Bestimmungen des Raumordnungsgesetzes' zu werten.
Ob und inwieweit eine Maßnahme der örtlichen Raumplanung mit den Bestimmungen des §17 Abs3 ROG 1977 übereinstimmt, also auch die Beurteilung der Frage, ob die von der Gemeindevertretung Strobl beschlossene gegenständliche Ausnahmebewilligung mit den vorbezeichneten Kriterien in Einklang zu bringen ist, muß nach den Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 beurteilt werden. Wenn sohin die Salzburger Landesregierung als Aufsichtsbehörde zur Beurteilung dieser Frage das Gutachten eines Amtssachverständigen einholte und die Aussagen desselben ihrer aufsichtsbehördlichen Entscheidung zugrundelegte, so handelte sie völlig gesetzeskonform und im Einklang mit den Bestimmungen der Bundesverfassung.
Die Salzburger Landesregierung konnte nicht finden, daß die Vorstellungswerberin durch die angefochtene Entscheidung in ihren gesetzlichen Rechten verletzt worden wäre. Es war daher wie im Spruche zu entscheiden."
3. Gegen den Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 21. Oktober 1981 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
In der von der bel. Beh. erstatteten Gegenschrift wird begehrt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Hingegen stellt die beteiligte Gemeinde Strobl den Antrag, der Beschwerde Folge zu geben.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach §19 Abs1 ROG 1977 können Maßnahmen, die sich auf den Raum auswirken und die aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften einer Bewilligung, Genehmigung oder dgl. der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich bedürfen, vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Flächenwidmungsplanes an nur in Übereinstimmung mit der Flächenwidmung, insbesondere Bauplatzerklärungen und Baubewilligungen nur innerhalb des Baulandes (§12) und entsprechend der festgelegten Nutzungsart bewilligt, genehmigt oder sonst zugelassen werden.
Die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung der Bewilligung einer Ausnahme von den Bestimmungen des §19 Abs1 ROG 1977 stützt sich im wesentlichen auf §19 Abs3 ROG 1977. Diese Bestimmung lautet:
"(3) Ausnahmen von den Bestimmungen des Abs1 können, wenn es sich nicht um Appartementhäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, von der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg vom Gemeinderat) über Ansuchen des Grundstückseigentümers und nach Anhörung der Anrainer durch Bescheid bewilligt werden, wenn das Vorhaben der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Landesregierung; die Genehmigung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Einlangen des Beschlusses der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg des Gemeinderates) bei der Landesregierung von dieser versagt wird. Die Genehmigung darf von der Landesregierung nur versagt werden, wenn die Ausnahme gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des §17 Abs3 bewirken würde. Wird ein die Genehmigung der Landesregierung versagender Bescheid auf Grund eines hiegegen eingebrachten Rechtsmittels aufgehoben, so beginnt mit der Zustellung des betreffenden Erkenntnisses die dreimonatige Frist neu zu laufen. Abs1 letzter Satz gilt für Ausnahmeansuchen sinngemäß. Eine erteilte Ausnahme kann bekanntgemacht werden; sie wird unwirksam, wenn nicht binnen drei Jahren ab Rechtskraft die Bewilligung, Genehmigung oder dgl. erwirkt wird, auf die sie abgestellt ist, oder wenn deren Wirksamkeit entsprechend den hiefür geltenden Bestimmungen erlischt."
Nach der im §19 Abs3 ROG 1977 angeführten Bestimmung des §17 Abs3 ROG 1977 hat die Landesregierung die Genehmigung eines Flächenwidmungsplanes zu versagen:
"a) bei Fehlen der Bedachtnahme auf die gegebenen oder angestrebten Strukturverhältnisse oder die sonstigen bei der Aufstellung des Flächenwidmungsplanes zu beachtenden Bestimmungen dieses Gesetzes;
b) bei Fehlen der Übereinstimmung des Flächenwidmungsplanes mit Entwicklungsprogrammen;
c) bei Fehlen der Übereinstimmung des Flächenwidmungsplanes mit Planungen der angrenzenden Gemeinden.
Der Ausweisung eines Zweitwohnungsgebietes oder eines Gebietes für Einkaufszentren ist insbesondere dann die Genehmigung zu versagen, wenn sie den überörtlichen strukturellen Entwicklungszielen zuwiderläuft. Bei Einkaufszentren hat als solches Ziel insbesondere die Aufrechterhaltung und Sicherung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern zu gelten."
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §19 Abs3 ROG 1977 sind beim VfGH unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles Bedenken nicht entstanden (vgl. die Rechtsprechung zu der im wesentlichen mit §19 Abs3 ROG 1977 übereinstimmenden Vorschrift des §19 Abs3 ROG 1968 VfSlg. 6494, 6510, 6550/1971, 8150/1977).
2. §72b Abs2 der Sbg. Gemeindeordnung 1976, LGBl. 56/1976, lautet:
"(2) Im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren kommt ausschließlich der Gemeinde Parteistellung zu."
Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bestehen deswegen nicht, weil das aufsichtsbehördliche Genehmigungsverfahren für das Verfahren über die Erteilung einer Bewilligung von Ausnahmen von den Bestimmungen des §19 Abs1 ROG 1977 keine Bindungswirkung entfaltet und die Entscheidung der Landesregierung im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren die Partei nicht hindert, die Entscheidung der Gemeinde (über das Ansuchen des Grundstückseigentümers) in jeder Richtung zu bekämpfen (vgl. VwGH 26. 6. 1980 Z 651/78).
3. Die von der Bf. gegen den Bescheid der Gemeindevertretung vom 4. August 1981 erhobene Vorstellung hat die bel. Beh. mit dem angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit dem Hinweis auf das im vorangegangenen Genehmigungsverfahren eingeholte und der aufsichtsbehördlichen Entscheidung vom 21. Juli 1981 zugrunde gelegte Gutachten eines Amtssachverständigen als unbegründet abgewiesen. Damit hat die bel. Beh. offenbar in der verfehlten Ansicht, an die Entscheidung des vorangegangenen Genehmigungsverfahrens gebunden zu sein, bei der Entscheidung im Vorstellungsverfahren jegliche Ermittlungstätigkeit für eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der Vorstellung unterlassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in entscheidenden Punkten des Verfahrens als willkürliches Verhalten zu beurteilen, durch das eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bewirkt wird (vgl VfSlg. 9311/1982).
In diesem Recht ist die Bf. durch den angefochtenen Bescheid verletzt worden.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Bindung (der Verwaltungsbehörden an behördliche Entscheidungen), Gemeinderecht, Aufsichtsrecht (Gemeinde), Vorstellung, Raumordnung, Parteistellung RaumordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B650.1981Dokumentnummer
JFT_10159371_81B00650_00