TE Vfgh Beschluss 1984/6/29 V19/81

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Veröffentlicht am 29.06.1984
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
GewO 1973 §74 ff
StVO 1960 §1 ff
StVO 1960 §43 Abs1
Verordnung der BH Tulln vom 07.01.81 betr, ein Linkseinbiegeverbot

Leitsatz

B-VG Art139 Abs1; Individualantrag auf Aufhebung einer V betreffend ein Linkseinbiegeverbot; keine Legitimation mangels gänzlicher Absperrung der Zufahrt zur Betriebsstätte der Antragstellerin

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die antragstellende T-A GesmbH betreibt im Bereich der Marktgemeinde Groß Weikersdorf eine Treibstofftankstelle.

Mit V der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 7. Jänner 1981 wurde gemäß §43 Abs1 StVO 1960 "für den Bereich der Marktgemeinde Gr. Weikersdorf folgende dauernde Verkehrsbeschränkung verfügt, bzw. den Verkehrsteilnehmern ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben:

Den Lenkern von Fahrzeugen, die auf der Bundesstraße 4 in Richtung Wien fahren, wird untersagt, links zu der Treibstofftankstelle von Gr. Weikersdorf gegenüber dem Freibad zuzufahren."

Die V wurde durch Aufstellung des Verkehrszeichens gemäß §52 Z3a StVO 1960 ("Einbiegen nach links verboten") mit der Zusatztafel "Tankstelle 2 x" am 18. Jänner 1981 kundgemacht.

2. Mit einem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, die V der BH Tulln vom 7. Jänner 1981 zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

Sie bringt hiezu vor, daß durch die angefochtene V der Antragstellerin ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben würde. Sie könnte sich normwidrig verhalten und auf diese Weise ein Straferk. erwirken, um dieses mit Beschwerde nach Art144 B-VG zu bekämpfen. Die Erwirkung eines solchen Straferk. sei aber für die Antragstellerin mit erheblichen Gefahren verbunden (Strafdrohung bis zu 30000 S, Gefahr der Verursachung eines Verkehrsunfalles mit strafrechtlichen Folgen und mit Schadenersatzverpflichtungen). Aus diesen Gründen sehe es die Antragstellerin für unzumutbar an, die Gesetzwidrigkeit der V anders als durch unmittelbare Anrufung des VfGH zu bekämpfen.

Die in Rede stehende Treibstofftankstelle sei mit Bescheid vom 23. Juni 1966 genehmigt worden. In den Spruch des bezüglichen Bescheides sei das Recht aufgenommen, daß zur Treibstofftankstelle - vom Antragsteller wie vom übrigen Publikum - aus beiden Fahrtrichtungen zugefahren werden könne, soferne sich nicht zeige, daß die Tankanlage nach Fertigstellung der Planungsarbeiten für die neue Umfahrungsstraße in den Kreuzungsbereich der alten Bundesstraße 4 mit der neuen Umfahrungsstraße fallen sollte. Dieser Fall sei nicht eingetreten.

Die Antragstellerin meine, daß durch die Erlassung der angefochtenen gesetzwidrigen V tatsächlich und unmittelbar in ihre Rechte eingegriffen worden sei, da sie durch diese V so gestellt worden sei, "wie durch einen amtswegigen Abänderungsbescheid gem. §68 AVG. Diese Verordnung" wirke "daher in der Weise, daß sie eine Rechtssituation herstellt, die so weit geht, wie dies üblicherweise Bescheiden zukommt".

Damit sei dargetan, daß die V tatsächlich und unmittelbar für die Antragstellerin wirksam geworden sei. Falls die V gesetzwidrig wäre, würde sie Rechte der Antragstellerin verletzen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Tulln und die Nö. Landesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen der Antrag gestellt wird, das Begehren der Antragstellerin auf Aufhebung der V der BH Tulln vom 7. Jänner 1981 mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist grundlegende Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrages auf Aufhebung einer

V nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG, daß die V für den Antragsteller nicht bloß faktische Wirkungen zeitigt, sondern seine Rechtssphäre berührt, also in seine Rechtssphäre eingreift und diese im Fall ihrer Rechtswidrigkeit verletzt. Anfechtungsberechtigter ist also von vornherein nur ein Rechtsträger (Normadressat), an oder gegen den sich die angefochtene Norm wendet (vgl. VfSlg. 8757/1980).

2. Die Antragstellerin macht geltend, daß das in der angefochtenen V enthaltene Verbot, nach links zu ihrer Tankstelle zuzufahren, für sie deshalb wirksam geworden sei, weil einerseits den Lenkern der in ihrem Eigentum stehenden (von den zu ihrer Vertretung berufenen Organwaltern oder ihren Angestellten geführten) Fahrzeuge, andererseits den sonstigen Verkehrsteilnehmern (Lenkern sonstiger Fahrzeuge), die auf der Bundesstraße 4 in Richtung Wien fahren, untersagt werde, zur Tankstelle der Antragstellerin zuzufahren.

Weder aus der StVO noch aus einer sonstigen Vorschrift kann die Antragstellerin für sich (bzw. für die Lenker der in ihrem Eigentum stehenden KFZ) einen Rechtsanspruch auf ein Zufahrtsrecht zu ihrer Tankstelle aus beiden Fahrtrichtungen ableiten. Insbesondere ist es ausgeschlossen, daß aus einem Bescheid, mit dem eine gewerbliche Betriebsanlage genehmigt wird, ein Anspruch des Gewerbeinhabers auf Zufahrt von Fahrzeugen zu seiner im Bereich einer öffentlichen Straße gelegenen Betriebsstätte aus beiden Fahrtrichtungen geltend gemacht werden könnte. Denn Gegenstand dieses Bescheides können ausschließliche Rechte und Pflichten des Gewerbeinhabers in gewerberechtlicher, nicht aber in verkehrsrechtlicher Hinsicht sein. In dieser Hinsicht genießt das Interesse der Antragstellerin an der Teilnahme am Gemeingebrauch (am öffentlichen Verkehr auf der öffentlichen Straße), auch wenn sie durch die bekämpfte V stärker berührt sein sollte als andere Verkehrsteilnehmer, rechtlichen Schutz nur in dem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein (für alle Verkehrsteilnehmer in gleicher Weise) gezogen ist (vgl. VfSlg. 9309/1981).

Damit ist es ausgeschlossen, daß durch die angefochtene V, soweit sie sich auf Lenker von Fahrzeugen der Antragstellerin bezieht, ein Eingriff in Rechte der Antragstellerin bewirkt worden sein konnte.

Soweit die Antragstellerin einen Eingriff in ihre Rechtssphäre durch das an die Verkehrsteilnehmer gerichtete Verbot behauptet, nach links abzubiegen und zu ihrer Tankstelle zuzufahren, ist auf mehrfache Darlegungen des VfGH (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8670/1979, 8757/1980) zu verweisen, nach denen durch ein an die Verkehrsteilnehmer gerichtetes Verkehrsverbot (eine Verkehrsbeschränkung), aus dem (der) sich eine Betroffenheit eines Gewerbebetriebes, dessen Standort sich im Bereich einer Straße befindet, ergibt, in die Rechtssphäre des Gewerbetreibenden nicht eingegriffen wird. Im vorliegenden Fall ist zwar nicht zu verkennen, daß das an die Verkehrsteilnehmer gerichtete Linksabbiegeverbot die Antragstellerin aus wirtschaftlichen Gründen wesentlich härter trifft als einen Anlieger, dessen nur privaten Besuchern durch ein solches Verbot die Zufahrt aus einer bestimmten Richtung unmöglich gemacht wird. Es besteht jedoch keine Norm, die dieser besonderen Betroffenheit im Rechtsbereich Anerkennung verschaffen würde. Weder das Eigentums- noch ein sonstiges Recht der Antragstellerin in bezug auf den Standort ihres Gewerbebetriebes, noch eine gewerberechtliche oder die Stellung von Anliegern regelnde Vorschrift räumen ihr eine Rechtsposition ein, die durch das verordnete Fahrverbot berührt würde. Keine Vorschrift gibt ihr einen Anspruch darauf, daß Straßenbenützer zu ihrem Grundstück aus jeder Richtung zufahren dürfen. Insbesondere ist aus den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung ein Recht dieses Inhaltes nicht ableitbar. Die zu untersuchenden Wirkungen erweisen sich vielmehr als bloße faktische Reflexwirkungen der insoweit an andere Personen gerichteten Norm.

Das bekämpfte Linksabbiegeverbot sperrt die Zufahrt zur Betriebsstätte der Antragstellerin nicht gänzlich ab; ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin iS der Ausführungen in VfSlg. 9089/1981 (S 301) ist sohin nicht gegeben. Mangels eines solchen Eingriffes ist sie zur Antragstellung auf Aufhebung der V des BH Tulln vom 7. Jänner 1981 nicht legitimiert.

Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das Vorbringen in der Äußerung der BH Tulln und der Nö. Landesregierung, wonach mit dem rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 19. Jänner 1981 über Ansuchen der Antragstellerin "eine Erweiterung und Änderung ihrer Betriebsanlage gewerbebehördlich genehmigt und darin ausdrücklich nur mehr der richtungsgebundene Betrieb der Tankstelle gestattet wurde".

Ebensowenig ist bei diesem Ergebnis auf die im Antrag gegebene Anregung einzugehen, ein amtswegiges Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der "von der Straßenmeisterei Stockerau verfügten allgemeinen Verkehrsbeschränkung" (Anbringung einer Sperrlinie im Tankstellenbereich) einzuleiten.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Betriebsanlage, Straßenpolizei, Verkehrsbeschränkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:V19.1981

Dokumentnummer

JFT_10159371_81V00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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