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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
GSKVG 1971; Verfassungswidrigkeit der Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung" in §18 Abs1 erster Satz im Hinblick auf die dadurch bewirkte Differenzierung im Bereich des Beitragsrechts GSPVG; keine Verfassungswidrigkeit derselben Worte in §17 Abs1 im Hinblick darauf, daß der höheren Beitragspflicht eine höhere Pensionserwartung gegenüberstehtSpruch
1. Die Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §18 Abs1 erster Satz des Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetzes (GSKVG 1971), BGBl. 287/1971 idF BGBl. 706/1976, waren verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruchs verpflichtet.
2. Die Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §17 Abs1 des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes (GSPVG), BGBl. 292/1957 idF BGBl. 705/1976, waren nicht verfassungswidrig.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim VfGH ist ein Verfahren gegen einen Bescheid des Landeshauptmanns von Vbg. anhängig, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Der Bf. war als Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vbg. gemäß §2 Abs1 Z1 GSKVG 1971 in der Krankenversicherung nach dem GSKVG und gemäß §2 Abs1 Z1 GSPVG in der Pensionsversicherung nach dem GSPVG pflichtversichert.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für 1975 nahm der Bf. von den Anschaffungskosten eines für den Betrieb angeschafften Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens neben der nach §7 EStG 1972 zulässigen AfA eine vorzeitigte Abschreibung gemäß §8 EStG 1972 in Anspruch.
Von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft wurde die Höhe der monatlichen Beitragsgrundlagen zur Krankenversicherung und zur Pensionsversicherung für das Kalenderjahr 1978 gemäß §18 Abs1 GSKVG 1971 und gemäß §17 Abs1 GSPVG ausgehend von den für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünften des Bf. laut Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1975 unter Hinzurechnung der im Jahr 1975 vorgenommenen vorzeitigen Abschreibung ermittelt. Mit dem über Antrag des Bf. ergangenen Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 23. März 1978 wurde entschieden, daß die Beitragsvorschreibung der Höhe nach sowohl für die Pensionsversicherung als auch für die Krankenversicherung zu Recht ergangen ist.
Dem vom Bf. gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch gab der Landeshauptmann von Vbg. keine Folge. Gegen diesen Bescheid des Landeshauptmanns richtet sich die erwähnte, unter B399/78 protokollierte Beschwerde an den VfGH.
2. Bei der Beratung über diese Beschwerde sind beim VfGH Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §18 Abs1 erster Satz des Gewerblichen Selbständigen-Krankenversicherungsgesetzes (GSKVG 1971), BGBl. 287/1971 idF BGBl. 706/1976, und gegen die Verfassungsmäßigkeit der Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §17 Abs1 des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes (GSPVG), BGBl. 292/1957 idF BGBl. 705/1976, entstanden. Der Gerichtshof hat daher beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der genannten Worte einzuleiten (Beschluß vom 26. November 1981, B399/78-8).
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen verteidigt und beantragt, diese nicht als verfassungswidrig aufzuheben. In einer über Aufforderung des VfGH erstellten ergänzenden Äußerung hat die Bundesregierung ihre Argumente teilweise näher ausgeführt und die Auswirkungen der in Prüfung gezogenen Bestimmungen quantifiziert.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die in Prüfung gezogenen Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §18 Abs1 erster Satz GSKVG 1971 und in §17 Abs1 GSPVG stehen im folgenden Zusammenhang:
Die in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung der gewerblich selbständig Erwerbstätigen Pflichtversicherten haben als Sozialversicherungsbeiträge einen bestimmten Hundertsatz der Bemessungsgrundlage zu leisten. Diese war für den Bereich der Krankenversicherung nach §18 GSKVG 1971 zu ermitteln, der in der für das Anlaßbeschwerdeverfahren maßgeblichen Fassung der Nov. BGBl. 706/1976 folgendermaßen lautete (die in Prüfung gezogenen Worte sind hervorgehoben):
"§18. (1) Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte gemäß §2 Abs1 Z1 und 2 ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, ein Zwölftel der Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit in dem dem Kalenderjahr, in das der Beitragsmonat (§17 Abs4) fällt, drittvorangegangenen Kalenderjahr heranzuziehen; hiebei sind die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten zuzüglich der auf eine vorzeitige Abschreibung, auf eine Investitionsrücklage, auf einen Investitionsfreibetrag und auf einen nichtentnommenen Gewinn entfallenden Beträge zugrunde zu legen. Den Einkünften aus einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit sind bei Verpächtern von Betrieben die Einkünfte aus Verpachtung gleichzuhalten.
(2) Beitragsgrundlage ist der nach Abs1 ermittelte Betrag, vervielfacht mit dem Produkt aus der Richtzahl (§32a des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes) des Kalenderjahres, in das der Beitragsmonat (§17 Abs4) fällt, und aus den Richtzahlen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre.
(3) Hat der Pflichtversicherte Einkünfte aus mehreren die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeiten, so ist die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten für die Ermittlung der Beitragsgrundlage heranzuziehen.
(4) Die Beitragsgrundlage nach Abs2 beträgt
a) wenn Einkünfte bei Beginn der Versicherung und in den folgenden zwei Kalenderjahren mangels Vorliegens der hiefür notwendigen Nachweise (§19) nicht festgestellt werden können, 3200 S, ab 1. Jänner 1978 4000 S monatlich;
b) in allen übrigen Fällen mindestens 4000 S, ab 1. Jänner 1978 mindestens 5000 S monatlich (Mindestbeitragsgrundlage).
An die Stelle des in lita genannten Betrages von 4000 S und des in litb genannten Betrages von 5000 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 1979, die unter Bedachtnahme auf §32 f des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes mit der jeweiligen Richtzahl (§32a des Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetzes) vervielfachten Beträge.
(5) Die Beitragsgrundlage beträgt monatlich höchstens das 35fache der jeweiligen Höchstbeitragsgrundlage in der Krankenversicherung gemäß §45 Abs1 lita des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes."
(Die Abs6 bis 10 betreffen im vorliegenden Zusammenhang nicht relevante Sonderfragen der Ermittlung der Beitragsgrundlage.)
Im Bereich der Pensionsversicherung war die Beitragsgrundlage nach §17 GSPVG zu ermitteln, der in der für das Anlaßbeschwerdeverfahren maßgeblichen Fassung der Nov. BGBl. 705/1976 folgendermaßen lautete:
"§17. (1) Für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte ist, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, ein Zwölftel der Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeit in dem dem Kalenderjahr, in das der Beitragsmonat (Abs4) fällt, drittvorangegangenen Kalenderjahr heranzuziehen; hiebei sind die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten zuzüglich der auf eine vorzeitige Abschreibung, auf die Investitionsrücklage, auf einen Investitionsfreibetrag und auf einen nichtentnommenen Gewinn entfallenden Beträge zugrunde zu legen.
(2) Beitragsgrundlage ist der nach Abs1 ermittelte Betrag, vervielfacht mit dem Produkt aus der Richtzahl (§32a) des Kalenderjahres, in das der Beitragsmonat (Abs4) fällt, und aus den Richtzahlen der beiden vorangegangenen Kalenderjahre.
(3) Hat der Pflichtversicherte Einkünfte aus mehreren die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Erwerbstätigkeiten, so ist die Summe der Einkünfte aus diesen Erwerbstätigkeiten für die Ermittlung der Beitragsgrundlage heranzuziehen. Bei Witwen (Witwern), die den Betrieb des versicherten Ehegatten (der versicherten Ehegattin) fortführen bzw. die gemäß §61 Abs4 Beiträge zur Pflichtversicherung entrichten, sind für die Ermittlung der Beitragsgrundlage die Einkünfte, die der verstorbene Ehegatte (die verstorbene Ehegattin) erzielt hat, entsprechend heranzuziehen.
(4) Als Beitragsmonat gilt jeweils der Kalendermonat, für den Beiträge zu entrichten sind.
(5) Die Beitragsgrundlage nach Abs2 beträgt
a) wenn Einkünfte bei Beginn der Versicherung und in den folgenden zwei Kalenderjahren mangels Vorliegens der hiefür notwendigen Nachweise (§18 Abs2 und 3, §20) nicht festgestellt werden können, 3500 S, ab 1. Jänner 1978 4000 S monatlich;
b) in allen übrigen Fällen mindestens 4000 S, ab 1. Jänner 1978 mindestens 5000 S monatlich (Mindestbeitragsgrundlage).
An die Stelle des in lita genannten Betrages von 4000 S und des in litb genannten Betrages von 5000 S treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab 1. Jänner 1979, die unter Bedachtnahme auf §32 f mit der jeweiligen Richtzahl (§32a) vervielfachten Beträge.
(6) Beitragsgrundlage für die gemäß §2 Abs4 Pflichtversicherten ist das Dreißigfache des Betrages nach §44 Abs6 lita des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes.
(7) Die Beitragsgrundlage darf die Höchstbeitragsgrundlage nicht überschreiten. Höchstbeitragsgrundlage ist der gemäß §32b jeweils festgesetzte Betrag."
(Die in Prüfung gezogenen Worte sind hervorgehoben.)
2. a) Der VfGH nahm in dem diese Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß an, daß die Beschwerde zulässig ist und daß er die in Prüfung gezogenen Bestimmungen bei der Behandlung der Beschwerde anzuwenden hat. Diesen Annahmen des Gerichtshofs ist im Verfahren nicht entgegengetreten worden; auch im Gerichtshof selbst sind Zweifel an den vorläufigen Annahmen nicht aufgetreten.
b) Gegen den Bescheid des Landeshauptmanns ist gemäß §157 Abs1 iVm.
§159 GSPVG und gemäß §413 Abs1 Z1 und §415 ASVG iVm. §99 GSKVG 1971 ein weiteres Rechtsmittel nicht zulässig. Der Instanzenzug ist daher erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
c) Der Bf. war gemäß §2 Abs1 Z1 GSKVG 1971 in der Krankenversicherung und gemäß §2 Abs1 Z1 GSPVG in der Pensionsversicherung der gewerblich selbständig Erwerbstätigen pflichtversichert. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Höhe der monatlichen Beitragsgrundlagen für die Krankenversicherung und für die Pensionsversicherung für das Kalenderjahr 1978 entschieden. Bei Erlassung des angefochtenen Bescheides waren zur Ermittlung der Beitragsgrundlage die in Prüfung gezogenen Worte anzuwenden und wurden von der Behörde auch angewendet. Auch der VfGH hat bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des Bescheides diese Worte anzuwenden; sie sind daher präjudiziell.
d) Die Gesetzesprüfungsverfahren sind somit zulässig.
3. a) Nach der oben wiedergegebenen Regelung der Abs1 des §18 GSKVG 1971 und des §17 GSPVG ist für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte grundsätzlich (die Modifikationen, die sich aus den weiteren Bestimmungen ergeben, können im vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben) ein Zwölftel der Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung nach dem GSKVG 1971 und dem GSPVG begründenden Erwerbstätigkeit in dem dem Kalenderjahr, in das der Beitragsmonat fällt, drittvorangegangenen Kalenderjahr heranzuziehen. Hiebei sind die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten zugrunde zu legen. Diesem so ermittelten Betrag sind verschiedene im Einkommensteuergesetz vorgesehene Investitionsbegünstigungen, darunter auch die vorzeitigte Abschreibung gemäß §8 EStG 1972, hinzuzurechnen.
Bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, ist gemäß §7 EStG 1972 jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Gewinnermittlung abzusetzen, der bei Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (AfA), wobei sich die Absetzung nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes bemißt. Nach §8 EStG 1972 kann jedoch bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen neben der nach §7 zulässigen AfA eine vorzeitige Abschreibung vorgenommen werden. Dies bewirkt, daß im Jahre der Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens neben der entsprechend der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zulässigen AfA die vorzeitige Abschreibung gewinnmindernd verbucht werden kann. Der der AfA zugängliche Teil der gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten wird auf diese Weise um den Betrag der vorzeitigen Abschreibung vermindert. In den dem Jahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Jahren kann sodann die restliche AfA geltend gemacht werden.
Die Vornahme der AfA und der vorzeitigen Abschreibung wirken sich gewinnmindernd aus. Dies findet bei der Bemessung der Einkommensteuer seinen Niederschlag.
Durch die beschriebene Regelung der Abs1 des §18 GSKVG 1971 und des §17 GSPVG, wonach bei der Ermittlung der monatlichen Beitragsgrundlage zur Kranken- und Pensionsversicherung die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten im drittvorangegangenen Kalenderjahr zuzüglich der auf eine vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge zugrunde zu legen sind, ist ein System begründet worden, in dem die Versicherten im Bereich des Beitragsrechts unterschiedlich behandelt werden:
Bei denjenigen Pflichtversicherten, die bei der Bemessung der Einkommensteuer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens nur im Wege der AfA gewinnmindernd verbuchen, wirken sich die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten - verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes - letztlich auch bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage mindernd aus.
Hingegen wird für Pflichtversicherte dann, wenn sie einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzeitig abschreiben, dieser Teil bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage überhaupt nicht berücksichtigt. Die auf eine vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge erhöhen nämlich im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des betreffenden Wirtschaftsgutes die Beitragsgrundlage, ohne daß diese Beträge aber in den folgenden Kalenderjahren zu einer Verminderung der Beitragsgrundlage führen können.
b) Der VfGH hatte das Bedenken, daß diese unterschiedliche Behandlung derjenigen Pflichtversicherten, welche eine vorzeitige Abschreibung in Anspruch nehmen, und derjenigen Pflichtversicherten, welche die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Weg der (normalen) AfA gewinnmindernd verbuchen, in der durch §18 Abs1 GSKVG 1971 bzw. §17 Abs1 GSPVG bestimmten Weise vor dem Gleichheitsgrundsatz nicht Bestand haben kann. Er führt dazu im Beschluß vom 21. 10. 1981, B240/80-18, auf den in dem diese Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß verwiesen wird, aus:
"Der VfGH geht davon aus, daß das Sozialversicherungsrecht häufig an Regelungen des Steuerrechts anknüpft und daß diese Anknüpfung in der Regel sachlich gerechtfertigt sein wird, daß der Gesetzgeber jedoch weder gehalten ist, im Sozialversicherungsbereich gleiche Regelungen wie im Steuerrecht zu schaffen, noch verpflichtet ist, bei der Ermittlung der Beitragsgrundlagen überhaupt an steuerrechtliche Regelungen anzuknüpfen. Im Gegenteil: Es wird steuerrechtliche Regelungen geben, die etwa unter bestimmten wirtschaftspolitischen Aspekten sachlich gerechtfertigt sind, an die anzuknüpfen im Bereich des Sozialversicherungsrechts jedoch sachlich nicht gerechtfertigt sein könnte. Der VfGH meint, daß dies auch für die aus wirtschaftspolitischen Momenten gerechtfertigte steuerrechtliche Berücksichtigung vorzeitiger Abschreibungen zutrifft."
Durch die genannten Regelungen des §18 GSKVG 1971 und des §17 GSPVG würde - so meinte der Gerichtshof weiters - zunächst an steuerrechtliche Regelungen - nämlich an die Bestimmungen über die Bemessung der Einkommensteuer - angeknüpft. Der Gesetzgeber verlasse diese Anknüpfung jedoch, indem er die für die Einkommensteuer maßgebliche Bemessungsgrundlage bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage ua. durch die Hinzurechnung der auf die vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge adaptiert:
"Hiedurch wird der Charakter der vorzeitigen Abschreibung als vorweggenommene AfA und somit als Betriebsausgabe negiert, was - wie sich aus dem Gesagten ergibt - sachlich durchaus gerechtfertigt zu sein scheint. Gegen eine derartige Regelung bestünden daher dann keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit vorgesehen hätte, diese Beträge für den Zweck der Ermittlung der Beitragsgrundlage in anderer Form, etwa aufgeteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes, abzusetzen. Eine derartige Regelung hat der Gesetzgeber aber nicht vorgesehen. Vielmehr scheint sich die Entscheidung eines Steuerpflichtigen im Einkommensteuerrecht für eine bestimmte Form der Abschreibung in einer Weise auszuwirken, die die Beitragshöhe im Bereich der Sozialversicherung verändert: Wer im Einkommensteuerrecht die Möglichkeit vorzeitiger Abschreibung in Anspruch nimmt, scheint damit verpflichtet zu sein, höhere Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen."
c) Die Bundesregierung zog die Ausgangsposition der Überlegungen des VfGH nicht in Zweifel. Auch bei in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen würden die Einkünfte aus der die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit als Grundlage der Bemessung der Beiträge der Pflichtversicherten zugrunde gelegt. Als Nachweis über die Höhe der Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit komme praktisch nur der Einkommensteuerbescheid in Betracht. In diesem Sinn knüpfe das Sozialversicherungsrecht an Regelungen des Steuerrechts an.
Sodann legt die Bundesregierung dar, daß der Berücksichtigung der (normalen) AfA gemäß §7 EStG 1972 andere Ziele zugrunde lägen, als der neben der AfA gemäß §7 EStG 1972 zulässigen vorzeitigen Abschreibung und führt dazu aus:
"Handelt es sich bei der Regelung des §7 EStG 1972 um eine Rücksichtnahme auf die Tatsache, daß Wirtschaftsgüter, die der Erzielung von Einkünften des Steuerpflichtigen dienen, im Laufe der Zeit eine Substanz- bzw. Wertminderung erfahren und daher ersetzt werden müssen, so wird die vorzeitige Abschreibung anderen Vorstellungen gerecht, weil sie den Abschreibungszeitraum eines Wirtschaftsgutes erheblich verkürzt. Sie stellt daher abweichend von der Berücksichtigung der normalen Substanz- oder Wertverminderung einen Sonderfall dar, der mit einer betriebsgewöhnlichen Verminderung des Wirtschaftsgutes nicht in Zusammenhang gebracht werden kann. Aus diesen Gründen erscheint es der Bundesregierung sachlich gerechtfertigt, wenn die Sozialversicherungsgesetzgebung in Anknüpfung an Regelungen des Steuerrechtes bei Ermittlung der Beitragsgrundlage zwar jene Einkunftsteile außer Betracht läßt, die auf eine Verminderung des Wirtschaftsgutes unter Bedachtnahme auf eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer entfallen, andererseits aber der Beitragsgrundlagenermittlung solche Einkunftsteile zuschlägt, wie sie aus anderen Beweggründen und Vorstellungen auf die vorzeitige Abschreibung entfallen."
Freilich verkennt die Bundesregierung, daß der VfGH gar nicht in Zweifel gezogen hat, daß es sachlich gerechtfertigt ist, die auf die vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge als Vorwegnahme eines Teils der (normalen) AfA bei der Berechnung der Beitragsgrundlage für die Sozialversicherung außer Betracht zu lassen. Der VfGH hatte keine Bedenken dagegen, daß die aus wirtschaftspolitischen Motiven gerechtfertigte steuerliche Berücksichtigung vorzeitiger Abschreibung nicht auch für die Ermittlung der Beitragsgrundlage herangezogen wird. Dem VfGH schien es vielmehr nur bedenklich, daß jene Teile der AfA, die im Wege vorzeitiger Abschreibung steuerrechtlich geltend gemacht werden, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage überhaupt außer Betracht bleiben. Mit anderen Worten: Der VfGH hielt es für gerechtfertigt, daß die im Wege vorzeitiger Abschreibung abgesetzten Beträge nicht als solche (also als vorweggenommene AfA) die Berechnungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge im Jahr ihrer Geltendmachung mindern, hielt es aber für bedenklich, daß diese Beträge - im Gegensatz zu den im Wege der (normalen) AfA geltend gemachten Beträgen - die Beitragsgrundlage überhaupt nicht beeinflussen, somit - auch in späteren Jahren - unberücksichtigt bleiben und dadurch insgesamt zu einer höheren Beitragsgrundlage und damit zu einer höheren Beitragspflicht führen.
Diese Bedenken können aber durch die wiedergegebenen Argumente der Bundesregierung nicht entkräftet werden, da sie der Sache nach nur dartun, was gar nicht in Zweifel gezogen worden ist: nämlich, daß die Nichtberücksichtigung der vorzeitigen Abschreibung in ihrer Qualität als vorgezogene AfA für die Ermittlung der Beitragsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge sachlich durchaus gerechtfertigt werden kann.
d) Die Bundesregierung versucht aber mit weiteren Argumenten, die sachliche Rechtfertigung der durch die in Prüfung gezogene Bestimmung bewirkten unterschiedlichen Behandlung von Pflichtversicherten, die von der Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch machen und von Pflichtversicherten, die das nicht tun, zu verteidigen. Im einzelnen weist die Bundesregierung auf verschiedene Umstände hin, um ihren Standpunkt zu begründen:
aa) Durch die Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung werde deutlich, daß jene Versicherten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, über eine höhere Leistungsfähigkeit verfügten. Es sei daher die unterschiedliche Behandlung sachlich gerechtfertigt, weil der Pflichtversicherte, der in der Lage ist, eine vorzeitige Abschreibung in Anspruch zu nehmen, insofern eine erhöhte Leistungsfähigkeit besitze, weil er, um in dem betreffenden Wirtschaftsjahr die Anwendung von progressiven Tarifsätzen der Einkommensteuer zu vermeiden, die vorzeitige Abschreibung als Steuerkredit in Anspruch nehme. Diese vorzeitige Abschreibung mindere zwar nominell den Betrag der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im einkommensteuerrechtlichen Sinn, stelle aber betriebswirtschaftlich gesehen die Erzielung eines wirtschaftlichen Erfolges und somit eines Gewinnes dar, der für die Bemessung der Beitragsleistung in der Sozialversicherung von Bedeutung sein müsse.
Diese Argumentation der Bundesregierung übersieht zunächst, daß die Inanspruchnahme der Möglichkeit vorzeitiger Abschreibung keineswegs nur von der Gewinnsituation im Jahr der Inanspruchnahme abhängig ist, sondern ebenso von den konkreten Investitionsvorhaben und von der Einschätzung der Gewinnchancen durch den selbständig Erwerbstätigen in den Folgejahren. Aber selbst wenn man die Ausgangsposition der Bundesregierung in diesem Punkt teilte, vermag die Argumentation nicht darzutun, warum ein Pflichtversicherter, für den sich auch unter (hinzuzurechnender) Berücksichtigung der vorzeitigen Abschreibung betriebswirtschaftlich gesehen ein gleich hoher Gewinn ergibt wie für einen Pflichtversicherten, der von der vorzeitigen Abschreibung nicht Gebrauch gemacht hat, insgesamt eine höhere Beitragsleistung zur Sozialversicherung zu erbringen hat, als der, der betriebswirtschaftlich gesehen den gleichen Erfolg hat, von der Möglichkeit zur vorzeitigen Abschreibung aber keinen Gebrauch gemacht hat.
bb) Die Bundesregierung meint weiters, daß durch die Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung eben auch eine andere Vermögenssituation der betreffenden Pflichtversicherten begründet wird. Eine Nichtberücksichtigung dieses Umstandes würde zu einem nicht gerechtfertigten Leistungsabbau für diese Personengruppe führen. Sie führt zu dieser Frage weiters aus:
"Würde man davon ausgehen, daß solche Pflichtversicherte die einkommensteuerrechtlich eine vorzeitige Abschreibung bei Anlagegütern geltend machen, nicht die Möglichkeit haben, die auf eine vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge für die Beitragsgrundlage für die Kranken- und Pensionsversicherung nach dem GSVG heranzuziehen und in den darauffolgenden Jahren infolge subjektiver ungünstiger Betriebseinwirkungen oder Rezessionserscheinungen in der Wirtschaft keine oder nur geringe Gewinne machen, würden diese Versicherten erheblich gegenüber solchen Pflichtversicherten benachteiligt sein, die bei kontinuierlicher Einkommensentwicklung und gleichbleibender Abschreibung die Voraussetzung zur Erlangung von höheren Beitragsgrundlagen für die Kranken- und Pensionsversicherung besitzen, was sicherlich sachlich nicht berechtigt wäre."
Die von der Bundesregierung perhorreszierten Konsequenzen sind allerdings nicht Konsequenzen, die sich aus einer bestimmten Art der vorgenommenen AfA ergeben, sondern Konsequenzen einer allenfalls nicht kontinuierlichen Einkommensentwicklung. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung eine Diskontinuität der Gewinnerzielung begünstigt, denn wie schon unter Punkt II./3./c) dargelegt wurde, hegt der VfGH ja keine Bedenken dagegen, daß die auf eine vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge bei der Berechnung der Beitragsgrundlage für die Sozialversicherung entsprechende Berücksichtigung finden, sondern dagegen, daß für den Fall der vorzeitigen Abschreibung auch nicht die normale AfA in vollem Ausmaß beitragsmindernd wirkt, daß also die Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung - betrachtet man die gesamte Absetzungsperiode - insgesamt zu einer Beitragserhöhung führt.
Die Bundesregierung meint, der VfGH gehe "von dem Sonderfall aus, daß bei der Einkunftsermittlung aus Gewerbebetrieb stets Gewinne von den Pflichtversicherten erzielt werden". Bei der Betrachtung seien aber auch jene zahlreichen Fälle heranzuziehen, wo infolge nicht erfüllter Gewinnerwartungen Verluste oder nur wesentlich geringere Gewinne die Folge seien, sodaß in diesen Fällen eine Reduzierung der Beitragsgrundlage eintrete.
Dem VfGH ist nicht klar, was die Bundesregierung meint, wenn sie den Fall einer konstanten Gewinnerzielung als Sonderfall qualifiziert. Es braucht aber dieser Frage aus folgendem Grund gar nicht nachgegangen zu werden: Geht man nämlich von der Annahme aus, daß die sonstigen Bestimmungsgründe für die Ermittlung der Beitragsgrundlage gleich bleiben, dann wird deutlich, daß die Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung für sich zu einer Erhöhung der Beitragsgrundlage gegenüber jenen Fällen führt, in denen Versicherte die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Weg der (normalen) AfA gewinnmindernd verbuchen. Die völlige Außerachtlassung der AfA wirkt sich so noch wesentlich einschneidender aus als eine - nach Ansicht des Gesetzgeber zu vermeidende - Berücksichtigung der vorweggenommenen Absetzung.
cc) Die Bundesregierung weist weiter darauf hin, daß es der einzelne Pflichtversicherte in der Hand habe, die angeführte Erhöhung seiner Beitragsgrundlage zu erwirken oder nicht, je nachdem ob er die Einrichtung der vorzeitigen Abschreibung in Anspruch nimmt, oder ob er die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens im Wege der AfA gewinnmindernd verbuche. In dieser Wahlmöglichkeit sieht die Bundesregierung ein Indiz für die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung und verweist hier insbesondere auf VfSlg. 8942/1980.
In seinem Einleitungsbeschluß hatte der VfGH von der Einsicht ausgehend, daß in gewissem Umfang die Wahlmöglichkeit des Normunterworfenen eine unterschiedliche Regelung vor dem Gleichheitsgrundsatz zu rechtfertigen vermag, formuliert: "Auch die Tatsache, daß dem Versicherten bei der einkommensteuerrechtlichen Gewinnermittlung die Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung freisteht, läßt eine Rechtfertigung für eine derartig unterschiedliche Behandlung im sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht nicht erkennen."
Die Argumente der Bundesregierung vermögen die Bedenken des VfGH nicht zu zerstreuen. Der Versicherte hat zwar im Regelfall tatsächlich insofern eine steuerlich relevante Gestaltungsmöglichkeit, als er die Wahl hat, von der Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch zu machen oder nicht. Er wird diese Wahl aber gemäß der vom Einkommensteuergesetz intendierten Absicht nach seinen betrieblichen Vorhaben und Erwartungen treffen. Es besteht nun keine Verknüpfung zwischen der einkommensteuerrechtlichen Relevanz derartiger Entscheidungen und allfälligen den Steuerpflichtigen diskriminierenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen, die es zulassen würden, vom Versicherten zu verlangen, daß er bei seinen betrieblichen Entscheidungen auch die Auswirkungen im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Pflichtbeiträge und der Leistungsansprüche mitbedenkt. Der Gerichtshof ist daher nicht der Auffassung, daß die steuerlichen Dispositionsmöglichkeiten allein die sozialversicherungsrechtliche Vorschrift unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes als unbedenklich erweisen würde. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die stärkere beitragsmäßige Belastung von Pflichtversicherten, die von der Möglichkeit vorzeitiger Abschreibung Gebrauch machen, dann nicht gerechtfertigt ist, wenn dem höheren Beitragsaufkommen keine höhere Leistungserwartung gegenübersteht.
c) Die Bundesregierung verweist darauf, daß dem Pflichtversicherten "im Sozialversicherungsrecht die Möglichkeit einer höheren Beitragsleistung bzw. die Verkürzung des Zeitraumes, in dem er nur verminderte Beiträge entrichten kann, unmittelbar in Form einer höheren Pensionsleistung zu gute (kommt), wenn die entsprechende Beitragszeit in den Bemessungszeitraum fällt". Daß durch die in Frage stehende Sonderregelung auch Versicherte getroffen seien, bei denen diese durch höhere Beiträge gedeckte Beitragszeit nicht in den Bemessungszeitraum fällt, tue dem im Hinblick auf den die Sozialversicherung beherrschenden Solidaritätsgedanken keinen Abbruch.
In diese Richtung geht auch die von der Bundesregierung zur Stützung ihrer Auffassung referierte Auffassung von Tomandl (Grundriß des österreichischen Sozialrechts, 1974, 72), der zu der in Frage stehenden Regelung ausführt:
"Das steuerpflichtige Einkommen kann für ein bestimmtes Jahr durch Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung, der Bildung einer Investitionsrücklage oder der Nichtentnahme des Gewinnes oft sehr entscheidend verringert werden, da diese Maßnahmen aus wirtschaftspolitischen Gründen gefördert werden. Bis 1972 schlug aber jede dieser Steuerbegünstigungen auf die Sozialversicherung durch und verringerte nicht nur die Beitragseinnahmen der Träger der Krankenversicherung und Pensionsversicherung, sondern in weiterer Folge auch die Bemessungsgrundlagen und damit die Pensionserwartungen der Versicherten. Seit 1973 ist hier eine entscheidende Änderung eingetreten. Nunmehr sind diese steuerlichen Absetzposten zur Ermittlung der Beitragsgrundlage dem steuerpflichtigen Einkommen zuzuschlagen."
Über Aufforderung des VfGH hat die Bundesregierung in einer ergänzenden Äußerung den Hinweis, daß jene Versicherten, die aufgrund der in Prüfung gezogenen Regelungen höhere Sozialversicherungsbeiträge zu leisten haben, auch in den Genuß höherer Leistungen gelangen können, präzisiert und - im Hinblick auf die Krankenversicherung einerseits und die Pensionsversicherung andererseits - differenziert.
Aus diesen Ausführungen der Bundesregierung geht hervor, daß im Bereich der Krankenversicherung nach dem GSKVG - sieht man von der Möglichkeit des Abschlusses einer freiwilligen Zusatzversicherung auf Kranken-, Tag- und Wochengeld gemäß §9 GSKVG 1971 ab -, der Umfang der Leistungen, da es sich im Bereich dieser Krankenversicherung grundsätzlich um Sachleistungen handelt, von der Höhe der Beitragsgrundlage und damit vom Ausmaß der entrichteten Beiträge unabhängig ist.
Hingegen führt die Bundesregierung für den Bereich der Pensionsversicherung - und zwar zur Situation in der Pensionsversicherung nach dem GSVG, die aber, soweit das hier von Bedeutung ist, von der Rechtslage nach dem GSPVG in der hier zu prüfenden Fassung nicht differiert - aus:
"Völlig anders stellt sich die Rechtslage im Bereich der Pensionsversicherung dar. Maßstab für die Bemessung der Leistungen aus der Pensionsversicherung ist die Bemessungsgrundlage, die nach den einschlägigen Bestimmungen des GSVG (§§122 ff.) aus den in die Bemessungszeit fallenden Beitragsgrundlagen zu ermitteln ist. In allen jenen Fällen, in denen eine Beitragsgrundlage in die Bemessungszeit fällt, findet diese Beitragsgrundlage in der Bemessungsgrundlage und damit in der Höhe der Pensionsleistung ihren Niederschlag. Ein Versicherter, der eine vorzeitige Abschreibung in Anspruch genommen hat und dessen Beitragsgrundlage unter Berücksichtigung des Abschreibungsbetrages den Betrag der Mindestbeitragsgrundlage übersteigt, wird gemäß der Höhe seiner Beitragsgrundlagen auch über eine entsprechend höhere Bemessungsgrundlage verfügen, die letztlich in einer höheren Pensionsleistung zum Ausdruck kommt.
In diesem Zusammenhang ist auf die Erläuterungen der RV der 21. Novelle zum GSPVG (405 der BlgNR XIII. GP.) Bezug zu nehmen, die anläßlich der Einbeziehung der vorzeitigen Abschreibung in die Beitragsgrundlage folgende Aussage treffen:
'Mit der vorliegenden Änderung des §17 Abs1 sollen neben den steuerpflichtigen Einkünften auch die ... von der Steuerpflicht nicht betroffenen Einkunftsteile in die Beitragsgrundlage einbezogen werden.
Durch diese Ausweitung der Beitragsgrundlage werden zunächst Mehreinnahmen erzielt werden, die mit fortschreitender Wirksamkeitsdauer eine Erhöhung der Leistungen und damit des Pensionsaufwandes bewirken werden.'"
In der Folge bemüht sich die Bundesregierung um eine Quantifizierung, legt anhand von Fällen der Beitragsbemessung für 1982 und für 1984 dar, wie sich die Hinzurechnung der vorzeitigen Abschreibung einerseits auf die Versicherungsbeiträge und andererseits auf die Leistungen auswirkt und führt dazu aus:
"Diese Vergleichsrechnung auf Geldwertbasis 1984 simuliert einen Zustand, bei dem die volle Wirksamkeit auch auf der Leistungsseite eingetreten ist. Die Relationen der errechneten Beitrags- bzw. Pensionsverminderungen zum gesamten Beitragsaufkommen bzw. zum gesamten Pensionsaufwand sind bei der vorliegenden Berechnung größenordnungsmäßig gleich.
Hinsichtlich der Auswirkungen der in Prüfungen gezogenen Vorschrift in der Pensionsversicherung für das Jahr 1984 ergab die Prüfung auf der Beitragsseite, daß bei 12% der Versicherten zuzüglich zu den Einkünften eine vorzeitige Abschreibung der Beitragsbemessung zugrunde gelegt wurde. In diesen Fällen betrug der Hinzurechnungsbetrag durchschnittlich 26,04% der Beitragsgrundlage. Bei Nichtanwendung der Hinzurechnungsbestimmung im Jahre 1984 hätte durchschnittlich ein Versicherter, der von der Möglichkeit einer vorzeitigen Abschreibung Gebrauch gemacht hat (12% der Versicherten), einen um 4632 S geringeren Beitrag zu zahlen.
...
Auf der Leistungsseite sind folgende Auswirkungen zu beobachten:
Die Bestimmung über die Hinzurechnung wurde mit der 21. GSPVG-Novelle ab 1. 1. 1973 eingeführt. Aufgrund der Bestimmung, daß die Bemessungsgrundlage für die Pensionen aus der Summe der in die Bemessungszeit der letzten 10 Kalenderjahre fallenden Beitragsgrundlagen errechnet wird und unter der Annahme eines gleichbleibenden Versichertenkreises, der von der Möglichkeit einer vorzeitigen Abschreibung Gebrauch macht, wurde folgende Quantifizierung angenommen.
Für die Neuzuerkennungen im Jahre 1984 werden nach den Schätzungen des Voranschlages folgende Durchschnittspensionen erwartet:
Alterspension 7101 S
Erwerbsunfähigkeitspension 4294 S
Witwen(Witwer)pension 4261 S
Waisenpension 1704 S.
Diese Durchschnittspensionen errechnen sich aus Pensionen, bei denen im Bemessungszeitraum vorzeitige Abschreibungen vorgenommen wurden, und solchen ohne vorzeitige Abschreibung.
Nach der Überprüfung machen aber nur 12% der Versicherten von der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch, sodaß sich eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage nur für diesen Personenkreis auswirkt.
Wurde im Bemessungszeitraum von der Möglichkeit einer vorzeitigen Abschreibung Gebrauch gemacht, hat sich die Bemessungsgrundlage für die Pension entsprechend den Hinzurechnungsbeträgen erhöht. Der Hinzurechnungsbetrag beträgt durchschnittlich 26,04% der Beitragsgrundlage.
Unter diesen Annahmen wurden nunmehr einerseits Durchschnittspensionen für jenen Personenkreis errechnet, der im Bemessungszeitraum vorzeitige Abschreibungen vorgenommen hat, und andererseits für den Personenkreis ohne vorzeitige Abschreibungen.
Durchschnittspensionen bei 12% mit bei 88% ohne
der Neuzuerkennungen Hinzurechnung Hinzurechnung
Alterspension 8679 S 6886 S
Erwerbsunfähigkeitspension 5248 S 4164 S
Witwen(er)pension 5208 S 4132 S
Waisenpension 2083 S 1652 S."
Die Bundesregierung schließt daran die Schlußfolgerung, es zeige sich, "daß die Sonderregelung über die vorzeitige Abschreibung bei Ermittlung der Beitragsgrundlage in der Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherung durch die daran anknüpfenden Auswirkungen im Leistungsrecht eine gebotene sachliche Rechtfertigung aufweist".
Die eben wiedergegebene Darlegung zeigt, daß im Bereich der Pensionsversicherung nach dem GSPVG - anders als im Bereich der Krankenversicherung nach dem GSKVG - die Unterschiede im Leistungsrecht zwischen jenen Pflichtversicherten, die von der einkommensteuerrechtlichen Möglichkeit der vorzeitgen Abschreibung Gebrauch machen und dementsprechend (aufgrund der in Prüfung gezogenen Regelungen) höhere Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten haben, und jenen Pflichtversicherten, die von der einkommensteuerrechtlichen Möglichkeit zur vorzeitigen Abschreibung keinen Gebrauch machen und die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach der (normalen) AfA verbuchen und demnach im Vergleich zu jenen niedrigere Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten haben, beachtliche, finanziell durchaus ins Gewicht fallende Bedeutung erreichen können. Dem Einwand, daß sich die höhere Beitragsleistung nur dann auswirkt, wenn das Jahr, in dem eine höhere Leistung erfolgt ist, für die Berechnung der Höhe der Pension relevant ist, ist mit dem Hinweis auf den in der Sozialversicherung maßgeblichen Solidaritätsgedanken sowie mit dem Hinweis darauf zu begegnen, daß die Relevanz der Höhe der Beitragsleistungen in einem bestimmten Jahr für die Leistungsansprüche - etwa im Hinblick auf die besondere Art der Berechnung der Alterspension oder im Hinblick auf die Erwerbsunfähigkeits- oder Hinterbliebenenpension - nicht vorhersehbar ist.
Jene Pflichtversicherten, die aufgrund der Inanspruchnahme der vorzeitigen Abschreibung zur Leistung von insgesamt höheren Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet sind, können somit im Bereich der Pensionsversicherung in den Genuß höherer Leistungserwartungen gelangen. Solche höheren Leistungserwartungen sind geeignet, die höhere Beitragsleistungspflicht der genannten Gruppen von Pflichtversicherten sachlich zu rechtfertigen. Denn diese Situation ist jener vergleichbar, in der Differenzierungen im Leistungsrecht Differenzierungen im Beitragsrecht gegenüberstehen.
Daß eine solche Differenzierung im Leistungsrecht eine Differenzierung im Beitragsrecht zu rechtfertigen vermag, hat der VfGH in VfSlg. 9365/1982 (betreffend die Differenzierung der Höhe der Sozialversicherungsbeiträge zwischen den nach dem FSVG und den nach dem GSVG Pflichtversicherten) dargelegt. Damals führte der Gerichtshof aus:
"Im Erkenntnis VfSlg. 3721/1960 hat der VfGH ausgesprochen, daß dann, wenn eine Differenzierung von Versicherungsbeiträgen auf ihre sachliche Rechtfertigung untersucht wird, zu prüfen ist, ob innerhalb ihres Systems die Differenzierung sachlich gerechtfertigt ist. Dabei sind verschiedene Rechtfertigungen einer unterschiedlichen Beitragshöhe denkbar (vgl. VfSlg. 3721/1960, 4714/1964). Auch die unterschiedliche Gestaltung des Leistungsrechtes in verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung ist geeignet, eine Differenzierung des Beitragsrechtes in diesen Versicherungszweigen sachlich zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach Auffassung des VfGH nicht darauf an, daß die durch das Leistungsrecht verursachten prognostizierten Mehraufwendungen im Bereich einer Sozialversicherung und die prognostizierten Mehreinnahmen auf Grund höherer Beiträge in diesem Versicherungszweig einander betragsmäßig vollständig entsprechen. Es kommt vielmehr nur darauf an, daß die Unterschiedlichkeit im Leistungsrecht von solchem Gewicht ist, daß sie die Unterschiedlichkeit im Beitragsrecht der betreffenden Sozialversicherung an sich rechtfertigt."
Der VfGH sieht keinen Anlaß, von dieser Ansicht abzugehen. Sie führt auf die vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren bezogen zu folgendem Ergebnis:
Die in Prüfung gezogenen Regelungen im GSKVG 1971 und im GSPVG führen dazu, daß sich für jene Pflichtversicherten im Sozialversicherungsrecht der gewerblich selbständig Erwerbstätigen, die von der einkommensteuerrechtlichen Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch machen, die Bemessungsgrundlage erhöht und sie dadurch höhere Sozialversicherungsbeiträge zu leisten haben.
Dieser höheren Beitragspflicht steht im Bereich der Pensionsversicherung eine durchaus ins Gewicht fallende höhere Pensionserwartung gegenüber, die die höhere Beitragsleistungspflicht sachlich zu rechtfertigen vermag. Die in Prüfung gezogenen Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §17 Abs1 GSPVG verstoßen daher nicht gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz. Im Hinblick darauf, daß das GSPVG bereits außer Kraft getreten ist, führt das zur Feststellung, daß die in Prüfung gezogene Regelung des GSPVG nicht verfassungswidrig war (vgl. VfSlg. 8657/1979).
Hingegen läßt sich im Bereich der Krankenversicherung nach dem GSKVG auch aus der Gestaltung des Leistungsrechts eine sachliche Rechtfertigung für die Differenzierung im Bereich des Beitragsrechts nicht feststellen. Die von jenen Pflichtversicherten, die von der einkommensteuerrechtlichen Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch machen, insgesamt zu entrichtenden höheren Krankenversicherungsbeiträge führen nämlich zu keinen höheren Leistungserwartungen. Da somit für die durch die in Prüfung gezogenen Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," in §18 Abs1 erster Satz GSKVG 1971 bewirkte Ungleichbehandlung von Pflichtversicherten in der Krankenversicherung der gewerblich selbständig Erwerbstätigen keine sachliche Rechtfertigung zu erkennen ist, widerspricht diese Regelung dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz. Da sie bereits außer Kraft getreten ist, ist somit auszusprechen, daß sie verfassungswidrig war.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur Kundmachung dieses Ausspruches gründet sich auf Art140 Abs5 B-VG.
Schlagworte
Sozialversicherung, Beitragsgrundlagen (Sozialversicherung), Beitragspflicht (Sozialversicherung), Pensionsversicherung, Krankenversicherung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / InstanzenzugserschöpfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:G120.1981Dokumentnummer
JFT_10159370_81G00120_00