TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/20 B96/79

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Veröffentlicht am 20.09.1984
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Oö NaturschutzG §1 Abs2

Leitsatz

Oö. Naturschutzgesetz; keine Bedenken gegen §1 Abs2; Feststellung der Verletzung öffentlicher Interessen durch ein Bauprojekt iS des §1 Abs2; keine Verletzung im Eigentums- und im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. stellte am 17. Juli 1978 beim Amt der Oö. Landesregierung den Antrag auf Feststellung, daß durch die Errichtung einer Garage zur Unterbringung von zwei PKW öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, welche alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden. Er verwies hiebei darauf, daß sein nunmehr eingereichtes Projekt von dem im Jahre 1974 von der Behörde bereits abgelehnten Projekt wesentlich verschieden sei.

In einem Aktenvermerk des genannten Amtes vom 7. August 1978 wurde festgehalten, daß sich das vorliegende Projekt von dem mit Bescheid vom 10. Juli 1974 abgelehnten lediglich dadurch unterscheide, daß die Lage der Garage um 35 m nach Westen verlegt worden sei. Die negativen Wirkungen auf das Landschaftsbild seien die gleichen geblieben. Keinesfalls handle es sich um die bei der mündlichen Verhandlung vom 20. November 1972 vorgeschlagene Verlegung in den Bereich der Einfahrt.

Der Landschaftsbeauftragte für Naturschutz führte am 6. Dezember 1978 folgendes aus:

"Aufgrund der Äußerung des Antragstellers in seiner Eingabe vom 25. Oktober 1978 wurde anläßlich mehrerer Außendienste in letzter Zeit ein neuerlicher Augenschein an Ort und Stelle vorgenommen und wird festgehalten, daß in dem für die Beurteilung maßgeblichen Bereich, nämlich im Norden beginnend beim Gebäude Lettner bis zu dem südlich der geplanten Garage seit jeher bestehenden landwirtschaftlichen Anwesen, keine Bauten errichtet wurden bzw. Um- und Zubauten durchgeführt wurden, die irgendeinen Rückschluß auf die geplante Garage zuließen. Vielmehr sind die im Gutachten vom 4. August 1972 erwähnten Schilfwiesen unverändert geblieben."

Mit Bescheid der bel. Beh. vom 17. Jänner 1979, Z Agrar 450003-3346-I/Re-1978, wurde der Antrag auf Feststellung, daß durch die Ausführung der Doppelgarage auf dem Grundstück 1979/3, KG Rabenschwand, nach dem vorgelegten Projekt solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt werden, gemäß §1 Abs2 des Oö. Naturschutzgesetzes, LGBl. 58/1964, Oö. NSchG 1964) abgewiesen. Nach ausführlicher Darstellung des Sachverhaltes wurde ua. ausgeführt, es liege auf der Hand, daß in einer im übrigen von störenden Eingriffen, insbesondere von Baulichkeiten, freien Landschaft eine mehr oder minder geschlossene Reihe von drei Bauobjekten bereits als Siedlungssplitter von großer Ausdehnung angesprochen werden könne. Durch den größeren Abstand der Garage von den beiden bestehenden Häusern werde der räumliche Zusammenhang unterbrochen und die Wirkung eines störenden Siedlungssplitters verringert bzw. ausgeschaltet. Offenbar aus dieser Überlegung sei auch anläßlich der Verhandlung vom 20. November 1972 vorgeschlagen worden, die Garage im Bereich der Einfahrt von der Gemeindestraße zu errichten. Dieser Vorstellung entspreche der vorgelegte Lageplan nicht, da die Garage etwa in der Mitte zwischen dem westlichen der beiden Gebäude und der Einfahrt geplant sei. Nach dem vorgelegten Lageplan liege die Ostfront der geplanten Garage 65 m vom westlichen der beiden bestehenden Gebäude entfernt, während die Westfront der Garage von der Einfahrt bei der Gemeindestraße - wie ein Nachmessung im Lageplan ergebe - ungefähr 85 m entfernt gelegen sei. Bei Abwägung der einander widerstreitenden Interessen, nämlich der öffentlichen Interessen an der Erhaltung der Seeuferlandschaft und jener des Antragstellers, sei die Behörde zu der Überzeugung gekommen, daß letztere Interessen nicht so schwer wiegen, daß die öffentlichen Interessen nicht verletzt würden. Der Antragsteller könne nämlich eine Ausnahmegenehmigung iS der am 20. November 1972 ihm unterbreiteten Vorschläge beantragen, ohne daß ihm dadurch ein wesentlicher Nachteil erwachsen würde. Darüber hinaus könnten auch keine besonders gewichtigen Interessen für die Errichtung der Garage durch den Antragsteller erblickt werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz "in Verbindung mit Willkür und Denkunmöglichkeit" und der Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §1 Abs2 Oö. NSchG 1964, Anlage zur Kundmachung der Oö. Landesregierung, LGBl. 58/1964, über die Wiederverlautbarung des Oö. NSchG 1964. Danach ist jeder Eingriff in das Landschaftsbild an allen Seen samt ihren Ufern bis zu einer Entfernung von 500 m landeinwärts verboten, solange nicht ausdrücklich von der Landesregierung durch V oder Bescheid festgestellt wird, daß solche öffentliche Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes, die alle anderen Interessen überwiegen, nicht verletzt sind.

Daß gegen diese Bestimmungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, hat der VfGH schon wiederholt ausgesprochen (zB VfSlg. 5552/1967, 6834/1972, 7443/1974, 7656/1975, 7657/1975, 8266/1978 und 8267/1978).

2. Die Behauptung, im Eigentumsrecht verletzt zu sein, begründet der Bf. damit, es sei denkunmöglich, wenn die bel. Beh. einerseits den Begriff der freien Landschaft für "Landschaftsbild" verwende, es aber andererseits als eine Störung des Landschaftsbildes werte, wenn eine kleine Garage hinzugebaut wird, obwohl dort bereits zwei Häuser in einem Abstand von 25 m stehen. In diese "freie Landschaft" sei ja schon durch die beiden bestehenden Häuser in einem solchen Maße eingegriffen worden, daß durch die Aufführung der Garage keine weitere Störung des Landschaftsbildes erfolgen könne. Mit den Denkgesetzen sei es auch nicht in Einklang zu bringen, bei Bestand von zwei Wohnhäusern im Bereich der Schutzzone gemäß §1 Abs2 Oö. NSchG 1964 die Errichtung einer Garage für eines dieser Häuser als Schaffung eines "Siedlungssplitters" zu werten, der einen Eingriff in das Landschaftsbild darstelle. Denkunmöglich sei es, im vorliegenden Fall durch die Errichtung der Garage das Entstehen eines Siedlungssplitters erst anzunehmen, zumal dieser Siedlungssplitter ja auch ohne die Garage bereits gegeben sei.

3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 8267/1978).

Mit dem ausführlichen Vorbringen wendet sich der Bf. der Sache nach nur gegen die einfachgesetzliche Rechtswidrigkeit des Bescheides, sein Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, das Verhalten der Behörde als denkunmöglich erkennen zu lassen. Ob die von der bel. Beh. vorgenommene Interessenabwägung auch dem Gesetz entspricht, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.

Der Bf. ist demnach durch den angefochtenen Bescheid nicht in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

4. Der Bf. macht weiters geltend, in dem durch Art7 Abs2 B-VG bzw. Art2 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.

5. Da verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften nicht bestehen (s. II.1.) und es an jeglichem Anhaltspunkt dafür fehlt, daß diesen Normen fälschlicherweise ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt wurde, läge die vom Bf. behauptete Gleichheitsverletzung nur vor, wenn die Behörde bei Erlassung des bekämpften Bescheides Willkür geübt hätte.

6. Daß das vom Bf. unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitssatzes gerügte Verhalten der bel. Beh. nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon unter II.3. ausgeführt. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (VfSlg. 9104/1981). Der aus den Akten ersichtliche Ablauf des Verwaltungsgeschehens zeigt, daß die Behörde sich keineswegs von unsachlichen Erwägungen leiten ließ, sondern um eine Prüfung und Würdigung des Falles bemüht war. Schon ein solches Bemühen schließt Willkür aus, mag es auch nicht von Erfolg begleitet sein. Ob der von der bel. Beh. zugrunde gelegte Sachverhalt und die von ihr gewählte Gesetzesauslegung richtig waren, hat der VfGH nicht zu prüfen (s. II.3.).

Der Bf. wurde aus den dargelegten Gründen durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

7. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Landschaftsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B96.1979

Dokumentnummer

JFT_10159080_79B00096_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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