TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/21 B477/80

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Veröffentlicht am 21.09.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8230 Abwasser, Kanalisation

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Nö BauO §56
Nö KanalG §17

Leitsatz

Nö. Kanalgesetz; Unzulässigkeit der (nachträglichen) Zurückziehung eines nach §17 eingebrachten Ansuchens um Baubewilligung zur Errichtung eines Hauskanals zum Anschluß an einen Hauptkanal; keine Verletzung im Eigentums- und im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Obritzberg-Rust (NÖ) war dem Bf. A E gemäß §17 Abs1 und 3 Nö. KanalG, LGBl. 8230-0, und §56 Nö. Bauordnung (Nö. BauO), LGBl. 8200-0, für das Grundstück L der Anschluß an den Mischwasserhauptkanal aufgetragen und darauf hingewiesen worden, daß binnen vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides um die Baubewilligung zur Errichtung des Hauskanals (bis zur Liegenschaftsgrenze) beim Bürgermeister anzusuchen sei.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Obritzberg-Rust vom 18. Juli 1979 wurde unter Bezugnahme auf ein entsprechendes Ansuchen vom 29. Jänner 1979 beiden Bf. die baubehördliche Bewilligung iS des genannten Ansuchens erteilt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf. Berufung, in der es ua. heißt, die Bewilligung sei aufgrund eines "erzwungenen Antrages" erfolgt, und der Antrag vom 29. Jänner 1979 werde zurückgezogen.

Der Gemeinderat von Obritzberg-Rust gab der Berufung mit Bescheid vom 14. Dezember 1979 keine Folge.

Die gegen den Bescheid des Gemeinderates von den Bf. erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der Nö. Landesregierung vom 31. Juli 1980 als unbegründet abgewiesen. Die Landesregierung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, ein auf §17 Abs1 und 3 Nö. KanalG beruhendes Ansuchen könne nicht mehr zurückgezogen werden, da aufgrund der Gesetzeslage zu seiner Einbringung im Gegensatz zu den sonstigen nach der Nö. BauO für bewilligungspflichtige Bauvorhaben erforderlichen Ansuchen, welche allein der Willensentscheidung des Antragstellers überlassen seien, hier eine gesetzliche Verpflichtung bestehe. Die durch die Einschreiter in ihrer Berufung erklärte Zurückziehung ihres Ansuchens um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung sei daher für die Entscheidung der Berufungsbehörde ohne Bedeutung gewesen.

2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Bf. in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt erachten. Sie beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Nach §17 Abs3 Nö. KanalG, LGBl. 8230-0, hat der Bürgermeister bei Neuanlegung eines Hauptkanales der Gemeinde den Liegenschaftseigentümern, für die dadurch eine Anschlußpflicht eintritt, rechtzeitig durch Bescheid den Anschluß aufzutragen. Die Liegenschaftseigentümer sind nach Rechtskraft des Bescheides verpflichtet, binnen vier Wochen um die baubehördliche Bewilligung anzusuchen und unverweilt für den rechtzeitigen Anschluß der Hauskanäle Vorsorge zu treffen. Mit der Bauführung muß spätestens zwei Wochen nach Zustellung der baubehördlichen Bewilligung begonnen und diese längstens drei Monate nach Baubeginn beendet sein.

2. In der Beschwerde wird die Verletzung des Gleichheitssatzes damit begründet, die Behörde habe jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, und sodann ausgeführt:

"Wenn der Gesetzgeber quasi im voraus einen Einbringer eines Antrages bestimmt, ohne daß es sein Wille ist, so erscheint auch diese Diktion des Gesetzes gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen, weil alle Staatsbürger aufgrund ihrer Eigenberechtigung nur dann Anträge an die Behörde zu stellen haben, wenn sie aufgrund materiell-rechtlicher Bestimmungen ein Recht beanspruchen. Im gegebenen Fall haben die Beschwerdeführer kein Recht von der Gebietskörperschaft Gemeinde verlangt, sodaß sie auch nicht verpflichtet werden können, ein Ansuchen zu stellen."

Ebenso müsse es als Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes erachtet werden, wenn nur eine Minderheit von maximal 90 Haushalten an den Kanal angeschlossen werden solle und könne, wogegen die Kläranlage für zirka 400 Anschlüsse ausgerichtet sei.

Eine Verletzung des Eigentumsrechtes erblicken die Bf. darin, daß im vorliegenden Fall "in das Recht auf einen Eigenwillen" eingegriffen werde, ohne daß das Gesetz dafür die entsprechenden Enteignungsbestimmungen enthalte. Wenn es sich bei der Errichtung von Kanalanschlüssen um ein öffentliches Interesse handle, dann habe der Gesetzgeber dafür die entsprechenden Enteignungsbestimmungen betreffend die Anschlüsse der Hauskanäle zu erlassen.

3. a) Bei der unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) nur verletzt worden sein, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur, 9187/1981).

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981).

b) Die bel. Beh. hatte im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen, ob überhaupt ein Ansuchen um Baubewilligung vorlag, sondern (lediglich), ob ein bereits eingebrachtes Ansuchen noch aufrecht ist. Der VfGH kann nicht finden, daß die Rechtsansicht der bel. Beh., wonach ein nach §17 Nö. KanalG eingebrachtes Ansuchen nicht mehr zurückgezogen werden kann, in einer in die Verfassungssphäre reichenden Weise mit den Denkgesetzen nicht in Einklang zu bringen wäre (was im übrigen von den Bf. auch nicht behauptet wird). Ebensowenig kann der VfGH finden, daß die bel. Beh. in einem zur Fällung ihres Bescheides entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hätte. Die Bf. haben nicht einmal ansatzweise dargelegt, welches Ermittlungsverfahren in welchem entscheidenden Punkt durchzuführen gewesen wäre. Daß im vorliegenden Fall von einer Enteignung keine Rede sein kann, bedarf keiner näheren Begründung.

Auch das übrige, reichlich unklare Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, einen iS der oben angeführten ständigen Rechtsprechung des VfGH in die Verfassungssphäre reichenden Fehler der bel. Beh. aufzuzeigen.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in ihren Rechten verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG abzuweisen.

Schlagworte

Kanalisation, Baurecht, Baubewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B477.1980

Dokumentnummer

JFT_10159079_80B00477_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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