TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/21 B105/80

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Veröffentlicht am 21.09.1984
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Index

27 Rechtspflege
27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
GebührenanspruchsG 1975 §3 Abs1
GebührenanspruchsG 1975 §20
GEG 1962 §1 Z6
GEG 1962 §2
GEG 1962 §6 Abs1
GJGebG 1962 §19 Abs1 Z4 litb

Leitsatz

Gerichtskosten; Vorschreibung einer Entscheidungsgebühr gemäß §19 Abs1 Z4 litb GJGebG 1962, einer Zeugengebühr gemäß §1 Z6 und §2 und einer Einhebungsgebühr gemäß §6 Abs1 GEG 1962; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Verletzung im Eigentumsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17. Mai 1979 wurde die beklagte Partei für schuldig erkannt, der E & S OHG einen Betrag von 10814,61 S samt 9,5 vH Zinsen seit 5. Juli 1979 und die Prozeßkosten zu bezahlen; ein Zinsenmehrbegehren in Höhe von 0,5 vH pa. wurde abgewiesen.

1.2. Mit Zahlungsauftrag vom 10. Oktober 1979 wurden der OHG eine Zeugengebühr in Höhe von 982 S, die halbe Entscheidungsgebühr im Betrage von 135 S sowie eine Einhebungsgebühr von 10 S, zusammen somit 1127 S vorgeschrieben.

1.3. Dem hiegegen eingebrachten Berichtigungsantrag wurde vom Präsidenten des Handelsgerichtes Wien mit Bescheid vom 9. Jänner 1980, Z Jv 1466-33/79, nicht stattgegeben.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte vorliegende Beschwerde, in der eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Die Bf. behauptet, sie habe mit dem Urteil, für das ihr die halbe Entscheidungsgebühr vorgeschrieben worden sei, in der Hauptsache vollständig obsiegt. Der Gesetzgeber habe "unter vollständigem Obsiegen zweifelsohne das Obsiegen in der Hauptsache verstanden". Für den Anwendungsbereich der ZPO sei dies durch §41 in eben diesem Sinne hinreichend geklärt. Die Durchführung eines Zivilverfahrens sei aber die Voraussetzung für eine Gebührenvorschreibung. Auch die Auslegung des §19 Abs1 Z4 litb Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz 1962 (GJGebG 1962) könne zu keinem anderen Ergebnis führen, da nach Lehre und Rechtsprechung Gesetze "immer im Verständnis aller damit zusammenhängender Gesetze auszulegen und anzuwenden" seien. Auch wenn im gegenständlichen Fall davon auszugehen sei, daß 0,5 vH des Zinsenbegehrens abgewiesen worden seien, handle es sich somit dennoch um ein vollständiges Obsiegen. Die von der bel. Beh. vorgenommene Auslegung erscheine demnach denkunmöglich, weshalb "die beschwerdeführende Partei in diesem Punkte dem gesetzlichen Richter entzogen" worden sei.

Aber auch hinsichtlich der vorgeschriebenen Zeugengebühr sei die Bf. im eben genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, da "vor Auszahlung einer solchen Zeugengebühr das rechtliche Gehör der nachträglich beschwerten Partei zu wahren" gewesen wäre. Durch Nichteinräumung des Parteiengehörs seien verschiedene Vorfragen ungeklärt geblieben. Demnach sei die Ansicht der bel. Beh., es liege bei der beanspruchten Zeugengebühr ein Fall des §3 Abs1 Z2 litc Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG 1975) vor, denkunmöglich; der erhobene Anspruch auf Zeugengebühr sei vielmehr unter litb leg. cit. zu subsumieren, sodaß auch insofern die bf. Partei ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden sei.

3.2. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, daß eine inhaltliche Unrichtigkeit, ebenso aber auch ein etwa unterlaufener Verfahrensmangel einer - positiven oder negativen - Sachentscheidung den für die Frage einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ausschlaggebenden Umstand, daß die Entscheidung - wie hier - von der sachlich zuständigen Behörde getroffen wurde, nicht berührt (vgl. VfSlg. 7645/1975).

3.3.1. Da der angefochtene Bescheid jedoch in das Eigentum eingreift, ist zu erörtern, ob die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde.

Ein solcher Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3.3.2. Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht, was die vorgeschriebene Entscheidungsgebühr betrifft, auf §19 Abs1 Z4 litb GJGebG 1962, hinsichtlich der Zeugengebühr auf §1 Z6 und §2, hinsichtlich der Einhebungsgebühr auf §6 Abs1 Gerichtliches Einbringungsgesetz 1962 (GEG 1962). Verfassungsrechtliche Bedenken wurden gegen diese Rechtsgrundlagen nicht erhoben, solche sind aus Anlaß des Beschwerdefalles im VfGH auch nicht entstanden (vgl. insbesondere VfSlg. 8597/1979, 8794/1980).

Eine Verletzung des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums käme daher nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung in Frage.

3.3.3. Der VfGH kann jedoch auch nicht finden, daß die bel. Beh. das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte. Hinsichtlich der Entscheidungsgebühr genügt es, auf das Erk. VfSlg. 8597/1979 zu verweisen, dessen Begründung auch auf den vorliegenden Fall zutrifft.

Was die Zeugengebühr betrifft, gilt ähnliches, wie im Erk. VfSlg. 8794/1980 ausgesagt wurde: Darüber, ob und in welcher Höhe dem Zeugen ein Gebührenanspruch zustand, hatte gemäß §20 GebAG 1975 der damit betraute Bedienstete des Gerichtes, vor dem die Beweisaufnahme stattfand, in Anwendung des §3 Abs1 GebAG 1975 zu befinden. Die in der Auszahlungsverfügung gelegene Entscheidung wäre für die Bf. durch Ausschöpfung der für einen solchen Streitfall vorgesehenen Rechtsmittel bekämpfbar gewesen. Demgegenüber obliegt dem gerichtlichen Einbringungsorgan, nach §2 GEG nur mehr darüber zu bestimmen, ob eine Partei zum Ersatz von aus Amtsgeldern berichtigten Kosten verpflichtet ist; eine solche Verpflichtung besteht für eine Partei insbesondere dann, wenn sie eine Amtshandlung veranlaßt hat, was hier unbestrittenermaßen auf die Bf. zutrifft.

Die Bf. ist daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

3.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B105.1980

Dokumentnummer

JFT_10159079_80B00105_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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