TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/21 B534/80

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Veröffentlicht am 21.09.1984
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art119a Abs5
AVG §38
AVG §56
AVG §68 Abs1
Nö BauO §113 Abs2 Z3

Leitsatz

AVG §68 Abs1; Antrag auf (nachträgliche) Baubewilligung nach rechtskräftigem Abbruchbescheid; Zurückweisung wegen entschiedener Sache; Entzug des gesetzlichen Richters durch Verweigerung der Sachentscheidung

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 12. November 1979 wies der Bürgermeister der Marktgemeinde Langenzersdorf einen Antrag der Bf. auf (nachträgliche) baubehördliche Bewilligung eines auf der Liegenschaft ... EZ ... KG Langenzersdorf errichteten Bauwerkes gemäß §68 Abs1 AVG mit der Begründung zurück, daß über die Möglichkeit einer nachträglichen Baubewilligung bereits mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Langenzersdorf vom 8. Juli 1976, Z 1311-2727/76, mit dem den Bf. der Abbruch des Bauwerkes aufgetragen worden war, im verneinenden Sinn abgesprochen worden sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. Jänner 1980, Z 1311-4727/79, bestätigte der Gemeinderat der Marktgemeinde Langenzersdorf die Zurückweisung des Antrages.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. August 1980, Z II/2-V-8038, wies die Nö. Landesregierung mit im wesentlichen gleicher Begründung die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung ab.

2. Die Bf. behaupten, durch diesen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, und beantragen die Aufhebung des Bescheides.

3. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfGH 29. September 1982 B377/79, VfSlg. 8899/1980, VfSlg. 8098/1977 und die dort angeführte Vorjudikatur) ua. dann verletzt, wenn ein Antrag zu Unrecht zurückgewiesen wird und die Vorstellungsbehörde diesen Mangel nicht wahrnimmt (vgl. VfSlg. 9244/1981, 8899/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).

2. Es ist daher zu prüfen, ob die Zurückweisung zu Recht erfolgte.

Dies ist nicht der Fall:

a) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Langenzersdorf vom 8. Juli 1976 war den Bf. aufgetragen worden, ein ohne Baubewilligung errichtetes Bauwerk abzutragen. Voraussetzung dieses Abbruchbescheides war gemäß §113 Abs2 Z3 Nö. BauO 1976, LGBl. 8200, daß auch im Fall der nachträglichen Antragstellung für die Baulichkeit keine baubehördliche Bewilligung erteilt werden könnte. Diese Voraussetzung hatte die Behörde in der Begründung des Abbruchbescheides als gegeben angesehen, da die Baufläche im Grünland liege und das Bauwerk nicht für dessen bestimmungsgemäße Nutzung erforderlich sei.

b) Gemäß §68 Abs1 AVG sind Anträge dann zurückzuweisen, wenn über die den Gegenstand des Antrages bildende Sache gegenüber der Partei bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.

Dies tat die Behörde mit der Begründung, es sei bereits mit dem Abbruchbescheid rechtskräftig darüber abgesprochen worden, daß die Erteilung einer Baubewilligung rechtlich nicht möglich sei.

Die Rechtskraft eines Bescheides umfaßt den Spruch und jene Teile der Begründung, aus denen sich der von der Behörde angenommene maßgebende Sachverhalt, dh. der als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Beurteilung dienende Sachverhalt, ergibt (vgl. zB VwGH 21. März 1980 Z 2534/79). Nicht in Rechtskraft erwächst jedoch die rechtliche Beurteilung einer Vorfrage nach §38 AVG (vgl. Mannlicher - Quell, Verwaltungsverfahren, 8. Aufl., S 373, und die dort angegebene Judikatur).

Wenn man davon ausgeht, daß es sich bei der Beurteilung der Voraussetzung, ob nachträglich eine Baubewilligung erteilt werden könnte, um eine solche Vorfrage handelt, weil diese Beurteilung zwar eine Voraussetzung für die Entscheidung über den Abbruch war, nicht aber Gegenstand des Verfahrens selbst (dies gilt auch für Vorfragen, für die als Hauptfrage - wie hier - die Behörde selbst zuständig wäre, s. das Erk. eines verstärkten Senates des VwGH vom 13. November 1978, Z 822/78, s. auch Walter - Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Wien 1978, S 97), dann konnte diese Frage noch einmal zum Gegenstand eines - nur diese Frage betreffenden - Verwaltungsverfahrens gemacht werden, was die Bf. mit ihrem Antrag auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung taten.

Wenn man aber in dem Erfordernis, daß keine Baubewilligung erteilt werden könnte, nur ein unselbständiges Tatbestandsmerkmal für den Abbruchauftrag sieht, ist umso weniger Rechtskraft eingetreten.

c) Die Behörde wies diesen Antrag der Bf. zurück und verweigerte somit zu Unrecht eine Sachentscheidung. Da die Vorstellungsbehörde diese Rechtswidrigkeit nicht wahrnahm, verletzte ihr Bescheid die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weswegen er aufzuheben war, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

Schlagworte

Vorstellung, Bescheid Rechtskraft, Baurecht, Baubewilligung, Bescheid Trennbarkeit, Verwaltungsverfahren, Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B534.1980

Dokumentnummer

JFT_10159079_80B00534_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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