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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Tir. Flurverfassungs-Landesgesetz; Rückbehaltung eines Teiles einer Entschädigung vor rechtskräftiger Feststellung von Anteilsrechten; keine Verletzung im Eigentums- und im GleichheitsrechtSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Aus einer für die Längenthalalpe am 28. Dezember 1867 errichteten Servituten-Regulierungs-Urkunde, die am 25. Feber 1868 verfacht wurde, ist ersichtlich, daß die Rechtsvorgängerin des Bf., K N, und der Rechtsvorgänger des H L gleich große Anteilsrechte an der Längenthalalpe hatten.
Für das Gebiet der Agrargemeinschaft Längenthalalpe wurde vom Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz ein Regulierungsverfahren eingeleitet. Während für die übrigen Liegenschaften die Anteilsrechte mit insgesamt 87,5 vH festgestellt wurden, sind die Anteilsrechte der Liegenschaft EZ 150 I KG Haiming des H L und der Liegenschaft EZ 154 I KG Haiming des Bf. noch strittig. Nachdem die Anteilsrechte an der Agrargemeinschaft Längenthalalpe des H L mit 9, des Bf. mit 3,5 mit Bescheid der Agrarbehörde erster Instanz vom 25. Juni 1973 festgelegt und aufgrund der Berufung des Bf. vom Landesagrarsenat beim Amt der Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 22. Feber 1974 mit 8,6 bzw. 3,9 festgelegt worden waren, behob der Oberste Agrarsenat mit Erk. vom 7. Mai 1975 das Erk. des Landesagrarsenates und verwies die Angelegenheit zur Ergänzung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz. Das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz änderte mit Bescheid vom 1. Feber 1978 den Bescheid vom 25. Juni 1973 unter Berufung auf §53 Abs2 litb und Abs3 lita Tir. Flurverfassungs-Landesgesetz 1969, LGBl. 34, in der geltenden Fassung (TFLG) aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wie folgt ab: Punkt III "Parteien und Anteilsrechte" hat hinsichtlich der laufenden Nr. 8 und 12 zu lauten:
8 150 IH L Haimingerberg 10,19
12 154 IA G Haimingerberg 2,31
Der Landesagrarsenat gab der Berufung des Bf. mit Bescheid vom 15. November 1978 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §54 Abs2 litb TFLG 1978 Folge und stellte fest, daß den Liegenschaften 150 I und 154 I je KG Haiming des H L und des A G ein gleich großes Anteilsrecht von je 6,25 an der Längenthalalpe EZ 327 II KG Silz zusteht. Die von H L gegen diesen Bescheid erhobene Berufung war vom Obersten Agrarsenat noch nicht erledigt. Die Anteilsrechte des Bf. an der Längenthalalpe sind bis zur Erlassung des angefochtenen Erk. nicht rechtskräftig festgestellt worden.
2. Im Zuge der Errichtung des Kraftwerkes Sellrain-Silz erhielt die Agrargemeinschaft Längenthalalpe von der Tir. Wasserkraftwerke AG (Tiwag) für die Inanspruchnahme von Teilen des der Gemeinschaft eigenen Grundes eine Entschädigung, die auf die Mitglieder entsprechend ihren Anteilsrechten verteilt wurde. Für die Mitglieder
H L und den Bf. wurde, da die Feststellung der Anteilsrechte im Zuge der Regulierung noch nicht rechtskräftig war, ein gemeinsamer Entschädigungsbetrag festgestellt und dieser Betrag auf einem besonderen Konto bei der Raiffeisenkassa Haiming hinterlegt.
Am 1. Juli 1978 beschloß die Vollversammlung der Agrargemeinschaft Längenthalalpe hinsichtlich der einmaligen Entschädigung durch die Tiwag folgendes:
"Der Vorstand der Agrargemeinschaft erstellt eine Liste, welchen Betrag das einzelne Mitglied zu bekommen hat, und übergibt diese Liste der Tiwag.
Die einzelnen Mitglieder behalten sich vor, ihren Anteil jederzeit beheben zu können oder das Geld gegen eine Verzinsung von 8% bei der Tiwag liegen zu lassen."
Dieser Beschluß wurde einstimmig gefaßt.
Am 28. Feber 1979 stellte der Bf. den Antrag, diesen Entschädigungsbetrag je zur Hälfte an H L und ihn auszuzahlen. Diesem Antrag gab das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 28. März nicht Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, daß die Anteilsrechte des H L und des Bf. nicht rechtskräftig festgestellt seien, daß 50000 S bereits an den Bf. ausgezahlt seien und daß der Restbetrag von dem am Tage der Auszahlung mit 460738,22 S festgestellten Anteil der beiden am Entschädigungsbetrag nur ausgezahlt werden könne, wenn hierüber ein Einvernehmen erzielt werde oder die Anteilsrechte rechtskräftig festgestellt seien.
Der gegen diesen Bescheid vom Bf. erhobenen Berufung gab der Landesagrarsenat beim Amt der Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 11. Juli 1979, LAS-23/14, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §37 Abs2 TFLG, LGBl. 54/1978, nicht Folge.
In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, gemäß §37 Abs2 TFLG entscheide die Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges "über Streitigkeiten zwischen ihr und einem ihrer Mitglieder, sofern der Streit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis heraus entsteht". Die Berufungsbehörde sei im Gegensatz zum Bf. der Meinung, daß es sich bei dem Streit zwischen dem Bf. und der Agrargemeinschaft Längenthalalpe um einen Streit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis heraus handle. Die Agrargemeinschaft habe dadurch, daß sie das Geld auf einem Sonderkonto bei der RAIKA Haiming hinterlegt und nicht bar ausgezahlt habe, zu erkennen gegeben, daß sie zur Auszahlung nicht gewillt sei. Sie sei zur Auszahlung aber auch nicht verpflichtet. Voraussetzung für die Auszahlung des hinterlegten Geldes in bar an den Bf. wäre nämlich ein festgelegter Anspruch, dh. ein dem Umfang nach feststehendes Anteilsrecht des Bf. Da das Anteilsrecht des Bf. an der Agrargemeinschaft bisher nicht rechtskräftig festgestellt worden sei, scheine kein rechtskräftiger Titel für die Auszahlung des Geldbetrages an den Bf. gegeben zu sein. Die erste Instanz habe daher den Antrag des Bf. zu Recht abgewiesen.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Bf. die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verfassungswidrigkeit beantragt.
4. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Da mit dem angefochtenen Erk. des Landesagrarsenates über Streitigkeiten zwischen der Agrargemeinschaft Längenthalalpe und einem ihrer Mitglieder abgesprochen und überdies der Berufung nicht stattgegeben wurde, handelt es sich nicht um ein abänderndes Erk. in einer der in §7 Abs2 AgrarBehG 1950 idF der Nov. BGBl. 476/1974 angeführten Angelegenheiten, hinsichtlich derer der Rechtszug an den Obersten Agrarsenat offensteht, sofern ein abänderndes Erk. vorliegt, weshalb der Instanzenzug gemäß §7 Abs1 iZm. Abs2 der angeführten Gesetzesstelle beim Landesagrarsenat endete. Der Instanzenzug ist daher iS des Art144 Abs1 letzter Satz B-VG erschöpft.
Da auch die übrigen Voraussetzungen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Der Bf. behauptet, die bel. Beh. habe ihm mit dem angefochtenen Bescheid die Verfügung über sein Miteigentum verwehrt und damit gesetzlos in sein ihm gemäß Art5 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Unversehrtheit des Eigentums eingegriffen.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 6977/1973, 7212/1973, 8401/1978) durch einen in das Eigentum eingreifenden Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn der Bescheid unter Heranziehung einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage erlassen wird oder wenn er gesetzlos ist, wobei die denkunmögliche Anwendung eines Gesetzes ebenfalls als Gesetzlosigkeit angesehen wird.
Im Beschwerdeverfahren wurde das TFLG angewendet, der Bescheid ist somit nicht gesetzlos ergangen. Bedenken gegen die gesetzlichen Bestimmungen wurden vom Bf. nicht geltend gemacht, solche sind aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles im Gerichtshof auch nicht entstanden.
Der angefochtene Bescheid könnte gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums somit nur dann verstoßen, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums käme allerdings nicht in Frage, wenn es sich im Beschwerdefall um Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur handelt. Öffentlich-rechtliche Ansprüche unterstehen der Garantie des Art5 StGG nicht (vgl. VfSlg. 5263/1966, 5497/1967 und 8401/1978).
Für das Beschwerdeverfahren kann jedoch dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch privatrechtlicher Natur oder öffentlich-rechtlicher Art (vgl. hiezu VfSlg. 5666/1968) vorliegt, da die bel. Beh. keinesfalls denkunmöglich vorgegangen ist.
Die einschlägigen Beschwerdeausführungen laufen darauf hinaus, daß bis zur Einleitung des Regulierungsverfahrens das Miteigentum des Bf. an der Längenthalalpe nach der "rechtskräftigen" Servituten-Regulierungs-Urkunde aus 1867 mit 6,25 vH unbestritten gewesen sei und daß diese Feststellung so lange gelte, bis für ihn ein anderer Anteil rechtskräftig festgestellt sei.
Damit sucht der Bf. im Hinblick auf Art5 StGG lediglich nachzuweisen, daß die Behörde das Gesetz unrichtig ausgelegt und solcherart rechtsirrig entschieden habe. Damit wird jedoch nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der bel. Beh. aufgezeigt, vielmehr die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber ausschließlich der nach Art129 B-VG zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung berufene VwGH zu befinden hat. Auch die Verwaltungsakten bieten keine Anhaltspunkte für ein denkunmögliches Vorgehen der Behörde.
3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes aller Staatsbürger auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG, die der Bf. ebenfalls geltend macht, kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8823/1980, 9104/1982) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigken Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür übte.
Da verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften nicht bestehen (s. bereits II.2.) und auch jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, daß diesen Normen fälschlicherweise ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt wurde, läge die vom Bf. behauptete Gleichheitsverletzung nur dann vor, wenn die Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 8275/1978, 9104/1981 ua.).
Daß das vom Bf. unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Gleichheitssatzes gerügte Verhalten der bel. Beh. nicht mit einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Denkunmöglichkeit belastet ist, wurde schon zu II.2. festgehalten. Eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehende Wertung scheidet daher bei Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattfand, von vornherein aus (vgl. VfSlg. 7962/1976, 9104/1981).
Der aus den Akten zu ersehende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, insbesondere die Begründung des angefochtenen Bescheides, zeigt, daß sich der Landesagrarsenat nicht von unsachlichen Erwägungen leiten ließ und daß er seine Entscheidung nicht leichtfertig fällte, sondern um eine Prüfung und Würdigung des Falles unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bf. in seiner Berufung bemüht war. Schon ein solches Bemühen um eine gesetzmäßige Lösung schließt Willkür aus, mag es auch nicht von Erfolg begleitet sein (VfSlg. 7860/1976, 9104/1981).
Ob der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt den Gegebenheiten enstpricht und die von der bel. Beh. gewählte Gesetzesauslegung richtig ist, hat der VfGH in einem Beschwerdeverfahren nach Art144 Abs1 B-VG nicht zu untersuchen, wie schon zu II.2. dargetan wurde.
Der Bf. wurde daher nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt.
4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH nicht hervor. Im Hinblick auf die aus der Sicht der Beschwerdesache gegebene verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften wurde der Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt (s. II.1.).
5. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Bodenreform, Flurverfassung, AgrarbehördenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B370.1979Dokumentnummer
JFT_10159078_79B00370_00