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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Tir. Flurverfassungs-Landesgesetz (TFLG); Wald- und Weideservitutengesetz (WWSG); Berufung einer (beteiligten) Agrargemeinschaft gegen die Erlassung eines Regelungsplanes; Regulierung noch nicht mit rechtskräftigem Bescheid abgeschlossen; trotzdem Kundmachung des Abschlusses des Verfahrens in Verordnungsform; Zurückweisung der Berufung mangels Parteistellung; kein Entzug des gesetzlichen Richters Zurückweisung der Individualanträge gegen die in Verordnungsform erfolgte Abschlußkundmachung mangels LegitimationSpruch
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Anträge vom 20. und vom 22. August 1979, die Kundmachung des Amtes der Tir. Landesregierung vom 23. (richtig: 28.) Feber 1979, Z IIIb 1-469 R/88, als gesetzwidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Aufgrund Ersitzung und nach der Regulierungsurkunde vom 13. Dezember 1894 ist auf dem südlichen Teil der Grundparzellen ...
und ..., EZ ... der KG St. Johann i. W, die Dienstbarkeit der Weide
für die M Alpinteressentschaft mit 50 Rindern einverleibt. Die
Fraktion U als grundbücherliche Eigentümerin der Grundparzellen ...
und ... stellte bei der Agrarbezirksbehörde Lienz am 3. März 1929 den
Antrag auf Einleitung des Verfahrens zur Ablösung der genannten und anderer Dienstbarkeiten iS des Gesetzes vom 4. Juni 1909, Tir. LGBl. 37/1911. Diesem Antrag gab die genannte Behörde mit Bescheid vom 13. Juli 1929, Z 53/4, Folge und verfügte die Einleitung des Verfahrens. Nach Abweisung mehrerer Berufungen gegen diesen Bescheid durch den Landesagrarsenat mit Erk. vom 11. Oktober 1929, Z VIIIa 238/2, ist die Einleitung des Verfahrens rechtskräftig geworden, worauf am 26. Oktober 1929 die Kundmachung der Agrarbezirksbehörde Lienz über die Einleitung des Verfahrens erlassen wurde. Am 21. Juli 1932 wurde von der berechtigten und von der belasteten Partei vor der Agrarbezirksbehörde ein Übereinkommen geschlossen, nach dem das "Dienstbarkeitsrecht der Weide mit dem aufgetriebenen Vieh einschließlich des Schneefluchtsrechtes und des Brenn-, Bau- und Zaunholzbezugsrechtes auf dem südlichen Teil der Grundparzellen ... und ..., KG St. Johann i. W" in Grund und Boden abgelöst wird. Das Ablösungsgrundstück besteht aus dem südlichen Teil der Grundparzellen ... und ... und ist in dem Übereinkommen näher bezeichnet. Dieses Übereinkommen wurde mit Bescheid des Amtes der Tir. Landesregierung vom 22. Dezember 1932 genehmigt, den dagegen erhobenen Berufungen wurde vom Landesagrarsenat beim Amt der Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 24. November 1933 nicht Folge gegeben. Den dagegen erhobenen und die Gültigkeit des Übereinkommens bekämpfenden Berufungen gab der Oberste Agrarsenat beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit Erk. vom 12. Juni 1936, Z 160-OAS-1936, Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Beratung an die Landeshauptmannschaft Tir. Am 10. Dezember 1936 teilte der Obmann der Agrargemeinschaft M der Landeshauptmannschaft für Tir. als Agrarbehörde mit, daß deren Vollversammlung das Übereinkommen vom 21. Juni 1932 nicht anerkannt hat. Die Vorstehung der Fraktion U betrieb mit Schreiben vom 27. Mai 1937 die Fortsetzung des Servitutsablöseverfahrens.
2. Mit Beschluß der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 16. Mai 1944,
Z 202/44/Vi, wurde gemäß §47 Tir. Flurverfassungs-Landesgesetz
(TFLG), LGBl. 42/1935, das Verfahren zur Regelung der
gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte der
Agrargemeinschaft "N U", EZ ... KG St. Johann i. W, eingeleitet. In
der Begründung wurde ausgeführt, mit dem Hauptteilungsplan vom
18. April 1944, Z 202/44/Vi, seien die agrargemeinschaftlichen
Grundstücke EZ ..., ..., ... und ... KG St. Johann i. W aus dem
Gemeindegliedervermögen der Gemeinde St. Johann i. W ausgeschieden
und ins Eigentum der Agrargemeinschaft "N U" übertragen worden. Mit
Bescheid der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 29. Juli 1944,
Z 395/44/Vi, wurde der Regelungsplan betreffend die Agrargemeinschaft
"N U", EZ ... KG St. Johann i. W, mit Haupturkunde und Lageplan
erlassen. In der Haupturkunde waren unter §5 "Dienstbarkeiten" auch
die aufgrund der Regulierungsurkunde vom 13. Dezemeber 1894 auf
Teilen der Grundparzellen ... und ... einverleibten
Weidedienstbarkeiten als richtig zugunsten der Agrargemeinschaft M,
EZ ... KG Schlaiten, "für das auf diese Alpe auftriebsberechtigte
Weidevieh" bestehend angeführt. Am 4. August 1944 erließ die Agrarbezirksbehörde Lienz unter der Z 395/44 eine Kundmachung betreffend die Auflegung des Regelungsplanes über die Agrargemeinschaft "N U", die nachweislich in der Zeit vom 12. bis 26. August 1944 an der Amtstafel der Gemeinde St. Johann i. W angeschlagen war. In dieser wurde kundgemacht, daß der Regelungsplan gemäß §78 TFLG 1935 in der Zeit vom 12. bis 26. August 1944 in der Gemeindekanzlei in St. Johann i. W zur allgemeinen Einsicht aufliege. Gegen diesen Plan könne von den Parteien und den übrigen dinglich Berechtigten, deren Rechte durch die Regelung eine Änderung erfahren haben, bis einschließlich 2. September 1944 bei der Agrarbezirksbehörde Lienz Beschwerde erhoben werden. Eine Beschwerde sei bezüglich solcher Bestimmungen des Planes unzulässig, die den durch frühere Bescheide rechtskräftig festgestellten Grundlagen des Planes oder einem vom Bf. getroffenen Übereinkommen entsprechen. Die Mitglieder der "N U" bestätigten mit eigenhändiger Unterschrift, daß sie von der Auflage des Regelungsplanes Kenntnis erhalten haben. Mit Beschluß der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 2. Oktober 1944, Z 494/44/Vi, wurde gemäß §84 TFLG 1935 das mit Beschluß der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 16. Mai 1944, Z 202/44/Vi, eingeleitete Verfahren betreffend die Regelung der "N U", EZ ... KG St. Johann i. W, infolge gänzlicher Beendigung abgeschlossen. Mit der Abschlußkundmachung der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 3. November 1944, Z 535/44/Vi, wurde gemäß §89 TFLG 1935 kundgemacht, daß der zuletzt genannte Beschluß betreffend den Abschluß des Verfahrens hinsichtlich der Regelung der "N U" am 20. Oktober 1944 in Rechtskraft erwachsen sei. Diese Kundmachung war von 8. bis 21. November 1944 an der Amtstafel der Gemeinde St. Johann i. W angeschlagen.
3. Am 28. Feber 1979 erließ das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz unter Z IIIb 1-469 R/88 mit dem Betreff:
"Agrargemeinschaft U, KG St. Johann i. W; Regulierung" folgende
"Kundmachung
Gemäß §72 Abs2 Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz, LGBl. Nr. 54/1978, (TFLG 1978) und §46 Wald- und Weideservitutengesetz vom 17. März 1952, LGBl. Nr. 21, (WWSG) wird hiemit der
Abschluß
des Verfahrens zur Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte
an der Mühlbachanlage in Ansehung der Grundparzellen ... und ... in
EZ ... KG St. Johann i. W und der Weideservitutenablösung bezüglich
des südlichen Teiles der Grundparzellen ... und ... in EZ ... KG St.
Johann i. W kundgemacht.
Mit dem Tage des öffentlichen Anschlages dieser Kundmachung erlischt die der Agrarbehörde gemäß §72 Abs4 bis 7 TFLG und §38 Abs5 und 6 WWSG eingeräumte Zuständigkeit, sodaß die Agrarbehörde in Hinkunft nur mehr in den im §37 und §73 (richtig: TFLG 1978) und §38 Abs2 WWSG angeführten Angelegenheiten zuständig bleibt."
Der Bürgermeister der Gemeinde St. Johann i. W bestätigte den Anschlag dieser Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde in der Zeit vom 5. bis 20. März 1979.
4. Am 9. April 1979 erhob die Agrargemeinschaft "M
Alpinteressentschaft" beim Amt der Tir. Landesregierung als
Agrarbehörde erster Instanz Berufung gegen die Haupturkunde der
Agrarbezirksbehörde Lienz vom 29. Juli 1944, Z 395/4/Vi, an den
Landesagrarsenat. Sie stellte den Antrag, in Stattgebung der Berufung
den angefochtenen Bescheid der Agrarbezirksbehörde Lienz
(Haupturkunde der N U EZ ... KG St. Johann i. W) im Umfang der
Anfechtung dahin abzuändern, daß die Grundparzellen ... und ... je
Wald KG St. Johann i. W vom Regulierungsgebiet der Agrargemeinschaft
"N U" ausgenommen und aufgrund des am 21. Juli 1932 abgeschlossenen
Übereinkommens der Agrargemeinschaft "M Alpinteressentschaft" in
EZ ... KG Schlaiten als Überlandgrundstücke zugeschrieben werden und
die Dienstbarkeit der Weide und des Holzbezugsrechtes hiefür iS des getroffenen Übereinkommens aufgelassen werden; allenfalls die angefochtene Haupturkunde aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Agrarbehörde erster Instanz zurückzuverweisen.
Mit dem nunmehr beim VfGH angefochtenen Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tir. Landesregierung vom 13. Juni 1979, Z LAS-47/2, wies dieser die Berufung gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §74 Abs2 lita TFLG 1978 mangels Parteistellung im Regulierungsverfahren betreffend die Agrargemeinschaft "N U" als unzulässig zurück. In der Begründung führte die Behörde abschließend aus, es möge dahingestellt bleiben, ob aufgrund des Übereinkommens vom 21. Juli 1932 Eigentumsansprüche auf die Grundparzellen ... und ... KG St. Johann i. W geltend gemacht werden können. Jedenfalls könnten solche Ansprüche niemals mit einem Rechtsmittel gegen den Regulierungsplan bzw. gegen die Haupturkunde der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 29. Juli 1944, Z 395/44, verfolgt werden.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der "M Alpinteressentschaft" beim VfGH erhobene Beschwerde, in der die Bf. die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B-VG und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG geltend macht, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und für den Fall der Abweisung der Beschwerde die Abtretung derselben an den VwGH beantragt. In demselben Schriftsatz vom 20. August 1979 beantragt die
"M Alpinteressentschaft" die Aufhebung der Kundmachung des Amtes der Tir. Landesregierung vom 23. (richtig: 28.) Feber 1979, Z IIIb 1-469 R/88, über den Abschluß des Regulierungs- und Weideservitutenablöseverfahrens als gesetzwidrig. Dieser Antrag wird damit begründet, daß sowohl nach §46 WWSG als auch gemäß §72 Abs2 TFLG 1978 der Eintritt der Rechtskraft der Bescheide, die das Verfahren abschließen, öffentlich kundzumachen sei. Solche rechtskräftigen Bescheide lägen jedoch in diesem Fall nicht vor. Da im Verfahren nach dem WWSG ein Bescheid bisher nicht erlassen sei, könne sich die Kundmachung über den Abschluß des Wald- und Weideservitutenablöseverfahrens nicht auf das Gesetz stützen. Da die Kundmachung über den Abschluß des Verfahrens aber eine Zuständigkeitsverschiebung von der Agrarbehörde zum (ordentlichen) Gericht mit sich bringe, sei die Antragstellerin durch die Kundmachung unmittelbar in ihren Rechten verletzt.
6. Mit Schriftsatz vom 22. August 1979, der beim VfGH unter Z V45/79 protokolliert wurde, beantragt die "M Alpinteressentschaft" unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art139 B-VG neuerlich die Aufhebung der ihrer Ansicht nach als V geltenden Kundmachung des Amtes der Tir. Landesregierung vom 23. (richtig: 28.) Feber 1979.
7. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Wenn die Antragstellerin Eigentumsansprüche auf die Grundparzellen ... und ... KG St. Johann
i. W erheben wolle, so hätte dies allenfalls in einem fortzusetzenden Servitutenablöseverfahren zu geschehen.
Auch das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz, das die Kundmachung vom 28. Feber 1979 erlassen hatte, erstattete eine als Gegenschrift bezeichnete Äußerung, in der es sowohl den Bescheid- als auch den Verordnungscharakter der Kundmachung vom 28. Feber 1979 verneinte und behauptete, die Agrargemeinschaft "N U" habe mit Schreiben vom 21. August 1979 den Antrag auf Durchführung des Servitutenablöseverfahrens zurückgezogen, weswegen die Bf. bzw. Antragstellerin klaglos gestellt sei.
8. Die beteiligte Agrargemeinschaft "N U" beantragt in ihrer Gegenschrift, der Beschwerde der "M Alpinteressentschaft" kostenpflichtig nicht stattzugeben und die Kundmachung des Amtes der Tir. Landesregierung vom 23. (richtig: 28.) Feber 1979, Z IIIb 1-469 R/88, als verfassungsgemäß zu bestätigen.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Bei der Zurückweisung der Berufung handelt es sich nicht um ein abänderndes Erk. des Landesagrarsenates, weshalb der Instanzenzug gemäß §7 Abs1 iZm. Abs2 AgrarbehG 1950 idF der Nov. BGBl. 476/1974 beim Landesagrarsenat endete. Der Instanzenzug ist daher iS des Art144 Abs1 letzter Satz B-VG erschöpft.
Da auch die übrigen Voraussetzungen des verfassungsgerichtlichen Verfahrens gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980), etwa, indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (vgl. zB VfSlg. 9105/1981).
Der Bescheid der Agrarbezirksbehörde vom 29. Juli 1944 wurde gegenüber den Mitgliedern der damaligen "N U" erlassen. Er wurde allerdings der Bf. nicht zugestellt. Für die Beurteilung der Frage, ob die Bf. zur Erhebung der Berufung berechtigt war, ist ua. maßgebend, ob ihr nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung Parteistellung zugekommen ist (VfSlg. 9064/1981). Gemäß §95 des Gesetzes vom 6. Juni 1935 betreffend die Regelung der Flurverfassung (Tir. Flurverfassungs-Landesgesetz, TFLG 1935), LGBl. für Tir. 42, kam den an einem Zusammenlegungs-, Teilungs- oder Regelungsverfahren Beteiligten, die nicht gemäß §9 Abs1, §42 Abs2, §44 Abs2 B und §47 Abs1 Partei sind, Parteistellung nur insoweit zu, als ihnen nach dem TFLG besondere Rechte in der Sache selbst oder im Verfahren eingeräumt waren. Im Verfahren zur Regelung der gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte waren gemäß §47 Abs1 TFLG 1935 Teilgenossen die in §44 Abs2 unter A Parteien die dort unter B genannten Rechtspersönlichkeiten. Gemäß §44 Abs2 B TFLG 1935 waren Parteien: 1. die Teilgenossen nach A, 2. die Personen, denen für die Benutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke oder einzelner Teile derselben ein Anspruch auf Gegenleistungen zusteht. Die Bf. behauptet nicht, daß sie Teilgenossin nach §44 Abs2 A TFLG 1935 ist, aber auch nicht, daß sie zu den Personen gehört, denen für die Benutzung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke oder einzelner Teile derselben ein Anspruch auf Gegenleistungen zusteht. Die Akten des Verwaltungsverfahrens bieten hiefür auch keinen Anhaltspunkt. Da die Voraussetzungen für die Parteistellung der Bf. gemäß §47 Abs1 iVm. §44 Abs2 TFLG 1935 demnach nicht vorliegen, käme ihr nur dann Parteistellung zu, wenn ihr nach dem TFLG 1935 besondere Rechte in der Sache selbst oder im Verfahren eingeräumt wären. Auch dafür bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt. Nach §5 Z1 erster Satz der Haupturkunde des Regelungsplanes vom 29. Juli 1944 bleiben übrigens die der Bf. eingeräumten Dienstbarkeiten durch die Regulierung unberührt. Die Bf. wird Gelegenheit haben, im Rahmen des von der Agrarbezirksbehörde Lienz mit Bescheid vom 13. Juli 1929 eingeleiteten, bis heute nicht rechtskräftig mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens zur Ablösung der der Bf. eingeräumten Dienstbarkeiten ihre Rechte geltend zu machen. Da der Bf. aber in dem mit Bescheid vom 29. Juli 1944 abgeschlossenen Regelungsverfahren Parteistellung nicht zukam, hat die bel. Beh. die Berufung der Bf. schon aus diesem Grunde zu Recht zurückgewiesen.
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
3. Der Inhalt des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf die (verfahrensrechtliche) Zurückweisung der gegen den Bescheid der Agrarbezirksbehörde Lienz vom 29. Juli 1944 erhobenen Berufung. Durch diesen verfahrensrechtlichen Bescheid wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH in das Eigentumsrecht nicht eingegriffen (vgl. VfSlg. 8121/1977, 8230/1977 und 8599/1979). Auf das Vorbringen der Beschwerde betreffend die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes braucht daher nicht eingegangen zu werden.
4. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
III. Über die Anträge, die Kundmachung vom 23. Feber (richtig: 28. Feber) 1979, Z IIIb 1-469 R/88, als gesetz- und verfassungswidrig aufzuheben, hat der VfGH erwogen:
1. Die Kundmachung vom 28. Feber 1979 stellt eine V dar, wofür folgende Erwägungen maßgebend sind:
Wie der Sachverhaltsdarstellung unter I.3. zu entnehmen ist, stützte das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde die Kundmachung vom 28. Feber 1979 auf §72 Abs2 TFLG 1978, LGBl. 54/1978, und §46 WWSG, LGBl. 21/1952.
§72 Abs2 TFLG 1978 hat folgenden Wortlaut:
"Der Eintritt der Rechtskraft der Bescheide über die Einleitung und über den Abschluß von Flurbereinigungs-, Regulierungs- oder Teilungsverfahren ist an der Amtstafel der Agrarbehörde und in jenen Gemeinden, in denen die Grundstücke liegen, auf die sich das Verfahren bezieht, durch zwei Wochen öffentlich bekanntzumachen."
§46 WWSG lautet:
"Nach Richtigstellung des Grundbuches ist mit Bescheid auszusprechen, daß das Verfahren abgeschlossen wird. Der Eintritt der Rechtskraft des Bescheides ist kundzumachen. Hievon sind dieselben Behörden wie bei der Einleitung des Verfahrens zu verständigen."
Für die rechtliche Beurteilung der Kundmachung könnte auch §34 Abs1 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes idF der Nov. BGBl. 78/1967 von Bedeutung sein, der folgenden Wortlaut aufweist:
"Die Einleitung und der Abschluß eines Zusammenlegungsverfahrens haben durch Verordnung, die Einleitung und der Abschluß eines Teilungs- oder Regulierungsverfahrens haben durch Bescheid zu erfolgen. Der Eintritt der Rechtskraft dieser Bescheide ist kundzumachen. Die Einleitung und der Abschluß eines Zusammenlegungs-, Teilungs- oder Regulierungsverfahrens sind den zuständigen Grundbuchsgerichten, Bezirksverwaltungsbehörden und Vermessungsämtern mitzuteilen."
Die Kundmachung des Eintrittes der Rechtskraft von bestimmte Verfahren abschließenden Bescheiden gemäß §72 Abs2 TFLG 1978 und §46 WWSG wendet sich nicht an einen individuellen, sondern an einen generellen Adressatenkreis. Maßgebend für die Qualifikation eines behördlichen Aktes mit generellem Adressatenkreis als V ist, daß er - seinem Inhalt nach - einen generellen behördlichen Befehl (so VfSlg. 5798/1968), eine Vorschrift, die die Rechtslage der Betroffenen gestaltet (so VfSlg. 8875/1980), darstellt.
Die in §72 Abs2 TFLG 1978 und §46 WWSG vorgesehene Kundmachung über den Eintritt der Rechtskraft von Bescheiden weist keinen normativen Inhalt im dargelegten Sinn auf, der die Rechtslage der Betroffenen gestaltet. Die in diesen Bestimmungen genannten Verfahren werden nicht durch die Kundmachung beendet, sondern durch den Eintritt der Rechtskraft der die entsprechenden Verfahren abschließenden Bescheide.
Mit dem zur Erlassung der jeweiligen Abschlußbescheide hinzutretenden deklaratorischen Akt der Kundmachung über den Eintritt der Rechtskraft trägt der Gesetzgeber nur einem Publizitätsbedürfnis Rechnung: Von der Einleitung bis zur Beendigung der entsprechenden Verfahren ist gemäß §72 Abs4 TFLG 1978 und §38 Abs3 WWSG die Agrarbehörde zur Verhandlung und Entscheidung über alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die zum Zweck der Durchführung der jeweiligen Verfahren einbezogen werden müssen, berufen. Während dieses Zeitraumes ist in diesen Angelegenheiten die Zuständigkeit der Behörden ausgeschlossen, in deren Wirkungskreis die Angelegenheiten sonst gehören. Mit dem Abschluß eines Verfahrens nach dem TFLG 1978 bzw. dem WWSG enden demnach jene Zuständigkeiten der Agrarbehörde, die außerhalb eines solchen Verfahrens in die Zuständigkeit anderer Behörden fallen. Weil der Eintritt der Rechtskraft der Abschlußbescheide für diesen Zuständigkeitsübergang eine maßgebende Bedeutung besitzt, hat der Landesgesetzgeber jeweils eine öffentliche Kundmachung sowie auch die Verständigung bestimmter Behörden vorgesehen (vgl. §72 Abs3 TFLG 1978 und §46 iVm. §40 WWSG).
Im vorliegenden Fall hat die Agrarbehörde - was den ersten Abs. der Kundmachung betrifft - nicht, wie im Gesetz vorgesehen, den Eintritt der Rechtskraft der die Verfahren abschließenden Bescheide, sondern den "Abschluß" des Regulierungs- und des Weideservitutenablöseverfahrens kundgemacht.
Der Wille der Behörde, welche die Kundmachung erlassen hat, war
demnach darauf gerichtet, nicht den Abschluß von
verwaltungsbehördlichen Verfahren mit Bescheid - solche die Verfahren
abschließenden Bescheide wurden nach der Aktenlage nicht erlassen -
einem generellen Adressatenkreis mitzuteilen, sondern deutlich
erkennbar darauf, die Verfahren zur Regulierung der Benützungs- und
Verwaltungsrechte im Hinblick auf die Grundparzellen ... und ... in
EZ 16 II KG St. Johann i. W und zur Weideservitutenablösung bezüglich
des südlichen Teiles der Grundparzellen ... und ... durch die
Kundmachung - ohne Erlassung der im Gesetz vorgesehenen Bescheide - abzuschließen. Die Kundmachung vom 28. Feber 1979 ist demnach schon aus diesem Grunde als V zu qualifizieren.
Auch der zweite Abs. der Kundmachung, wonach mit dem Tage des öffentlichen Anschlages die der Agrarbehörde gemäß §72 Abs4 bis 7 TFLG 1978 und §38 Abs5 und 6 WWSG eingeräumte Zuständigkeit erlösche, sodaß die Agrarbehörde in Hinkunft nur mehr in den in §37 TFLG 1978 und §38 Abs2 WWSG angeführten Angelegenheiten zuständig bleibe, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die ausdrückliche Bezugnahme auf §72 Abs2 TFLG 1978 und §46 WWSG in der Überschrift zur Kundmachung spricht zwar dafür, daß der Wille der Behörde - den Gesetzen entsprechend - nicht auf die Erlassung einer V gerichtet war, sondern sich auf eine bloße öffentliche Bekanntmachung beschränkt hat. Entgegen der Gesetzeslage wird jedoch festgestellt, daß der Übergang der Zuständigkeit gemäß §72 Abs4 TFLG 1978 bzw. §38 WWSG nicht auf den Tag der Rechtskraft der - nicht erlassenen - Bescheide, sondern auf den Tag der Kundmachung des Abschlusses der Verfahren abstellt.
2. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit einer V auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam wird.
Bei Prüfung der Prozeßvoraussetzungen kommt es primär darauf an, ob die bekämpfte V die Rechtssphäre der antragstellenden Partei berührt, in deren Rechtssphäre unmittelbar eingreift und diese - im Falle der Gesetzwidrigkeit der V - verletzt (vgl. VfSlg. 8009/1977). Eine Bejahung der Antragslegitimation setzt aber auch voraus, daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers nach Art und Ausmaß durch die V eindeutig bestimmt ist und die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt. Ein Individualantrag ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8890/1980). Bei Prüfung der Antragslegitimation ist lediglich zu untersuchen, ob die angefochtenen Bestimmungen der V die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen haben, bejahendenfalls, ob diese Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 B-VG fordert. Nicht zu untersuchen ist hingegen, ob die angefochtenen Verordnungsstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen haben. In diesem Zusammenhang kommt es nämlich ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht die bekämpfte V seine Rechtssphäre berührt und diese - im Falle der Gesetzwidrigkeit der V - verletzt (s. VfSlg. 8060/1977 und 8974/1980).
3. Die Antragstellerin behauptet, durch die V vom 28. Feber 1979 dadurch in ihren Rechten verletzt zu sein, daß durch sie das Regulierungs- und das Weideservitutenverfahren gesetzwidrig abgeschlossen worden seien.
4. Wie den Ausführungen unter II.2. zu entnehmen ist, blieben die der Antragstellerin an den Grundparzellen ... und ... KG St. Johann i. W eingeräumten Dienstbarkeiten durch das nach dem TFLG durchgeführte Regulierungsverfahren unberührt. Demnach ist die Antragstellerin durch die V, soweit mit ihr das Verfahren zur Regulierung der Benützungs- und Verwaltungsrechte nach dem TFLG abgeschlossen wurde, nicht in ihrer Rechtssphäre berührt (vgl. VfSlg. 9185/1981).
5. Der VfGH hat bereits unter II.2. ausgeführt, daß das von der Agrarbezirksbehörde Lienz mit Bescheid vom 13. Juli 1929 eingeleitete, bis heute nicht gesetzmäßig mit Bescheid rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zur Ablösung der der Antragstellerin auf den Grundparzellen ... und ... KG St. Johann i. W eingeräumten Dienstbarkeiten der Antragstellerin Gelegenheit geben wird, ihre Rechte geltend zu machen. Hiebei wird sie im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gemäß Art144 B-VG auch Gelegenheit zur Anregung eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der V vom 28. Feber 1979 haben. Demnach steht der Antragstellerin ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung ihrer Rechte im Rahmen dieses noch nicht gesetzmäßig beendeten Weideservitutenablöseverfahrens offen.
6. Demnach war der Antrag der Antragstellerin vom 20. August 1979, die V vom 28. Feber 1979 als gesetzwidrig aufzuheben, gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG mangels Legitimation der Antragstellerin zur Stellung des Antrages zurückzuweisen, weil die V zT ihre Rechtssphäre nicht berührt, zT aber der Antragstellerin ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung ihrer Rechte im Rahmen des fortzusetzenden Weideservitutenablöseverfahrens offensteht.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Behördenzuständigkeit, Agrarbehörden, Landesagrarsenat, Bodenreform, Flurverfassung, Agrargemeinschaft, Bescheiderlassung, Servitutenregulierung, Verwaltungsverfahren, Parteistellung, Verordnungsbegriff, Bescheid Rechtskraft, Bescheidbegriff, Kundmachung, Zuständigkeit Agrarbehörden, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B356.1979Dokumentnummer
JFT_10159078_79B00356_00