TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/24 B468/80

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Veröffentlicht am 24.09.1984
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Index

80 Land-und Forstwirtschaft
80/03 Weinrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
WeinG §19 Abs5
WeinG §42
WeinG §45 Abs1 lita
WeinG §51 Abs3
WeinG §53 Abs2

Leitsatz

Weingesetz; Verkauf aufgezuckerten Weines unter bestimmter Bezeichnung; Frage der Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestandes nach §51 Abs3 lita iVm. §19 Abs5 oder des (strafgerichtlich zu ahndenden) Tatbestandes nach §45 Abs1 lita; Strafbefugnis der Verwaltungsbehörde gegeben; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferk. der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 23. Feber 1978 wurde der Bf. ua. wegen Übertretung des §19 Abs5 litb Weingesetz 1961 (WeinG) gemäß §51 Abs3 lita leg. cit. mit einer Geldstrafe in Höhe von 1400 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit vier Tagen Arrest bestraft, weil er zirka 2800 l als "Müller-Thurgau Beerenauslese 1977" (KI 660/1977) bezeichneten Wein zum Verkauf bereitgehalten habe, obwohl dieser aufgezuckert gewesen sei. Gemäß §53 Abs2 WeinG wurde dieser Wein für verfallen erklärt.

1.2. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Bgld. vom 15. Juli 1980, Z V/1-8896/20-1980, wurde die Berufung des Bf. gemäß §51 VStG und §66 Abs4 AVG iVm. §§19 Abs5 litb, 51 Abs3 lita und 53 Abs2 WeinG als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferk. mit der Maßgabe bestätigt, "daß der nunmehr als 'Müller Thurgau Auslese' zum Verkauf bereitgehaltene Wein aufgezuckert worden ist".

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf ein Verfahren vor einer unabhängigen, unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Behörde (Art6 MRK) behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der Bf., der weiterhin entschieden bestreitet, die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen zu haben, erhebt - unabhängig davon - gegen die bel. Beh. den Vorwurf, über ein Delikt entschieden zu haben, das nicht in ihre Zuständigkeit, sondern in die der Gerichte falle. Die bel. Beh. habe ausdrücklich festgestellt, daß von ihm der "nunmehr als Müller-Thurgau Auslese zum Verkauf bereitgehaltene Wein aufgezuckert worden" sei. Das dermaßen festgestellte Verhalten sei aber nicht unter §51 Abs3 WeinG zu subsumieren, der das Anbieten von Wein unter einer dem Gesetz nicht entsprechenden Bezeichnung zum Gegenstand habe, sondern bilde den Tatbestand des §45 Abs1 lita leg. cit., nämlich der Verfälschung von Wein nach §42 Abs1. Über ein solches Delikt habe aber nicht die Verwaltungsbehörde, sondern das Gericht zu entscheiden. Wenn die bel. Beh. glaubte, den Tatbestand einer unzulässigen Aufzuckerung eines Qualitätsweines besonderer Reife und Leseart sachverhaltsmäßig feststellen zu müssen, hätte sie ihre Zuständigkeit verneinen müssen. Der Bf. sei somit durch den angefochtenen Bescheid in den Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG und auf ein Verfahren vor einer unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Behörde nach Art6 MRK verletzt worden.

3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine Zuständigkeit in Anspruch nimmt, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt, insbesondere, wenn sie eine Strafbefugnis in Anspruch nimmt, für die jegliche Rechtsgrundlage fehlt (vgl. zB VfSlg. 7985/1977).

Nach §45 Abs1 lita WeinG ist gerichtlich zu bestrafen, wer Wein, der für den Verkehr bestimmt ist, verfälscht (§42 Abs1) oder nachmacht (§43). Nach §42 Abs1 WeinG ist Wein ua. dann verfälscht, wenn bei dessen Behandlung der Bestimmung des §6 Abs1 durch Zusetzen von Stoffen zuwidergehandelt wurde. Nach §6 Abs2 ist bei nichtversetzten Weinen (vgl. §1 Abs2 WeinG) der Zusatz von Zucker jedoch nur dann verboten, wenn es sich nicht um eine Lesegutaufbesserung (§9) handelt. Lesegut darf nach §9 Abs2 und 3 mit Zucker nur aufgebessert werden, wenn die Trauben ihre Normalreife durch Witterungseinflüsse nicht erreichen konnten. Wer entgegen der Regelung des §9 Lesegut aufbessert oder sonst nichtversetztem Wein Zucker zusetzt, begeht nach litb, wer einen so behandelten Wein zum Verkauf bereithält, verkauft oder in Verkehr bringt, nach litc des §51 Abs2, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung.

Der Bf. behauptet eine Subsidiarität des Verwaltungsstraftatbestandes gegenüber einem nach anderen Bestimmungen gerichtlich zu ahndenden Tatbild, nämlich gegenüber §42 Abs1 (Verfälschung von Wein) iVm. §45 Abs1 lita WeinG. Er übersieht jedoch §42 Abs3 WeinG, der ausdrücklich festlegt, daß nichtversetzter Wein, bei dessen Herstellung die Vorschriften des §6 Abs2, soweit es sich um den Zusatz von Zucker handelt, und insbesondere (auch) des §9 nicht eingehalten wurden, deshalb allein noch nicht als verfälschter Wein anzusehen ist. Nach §42 Abs3 letzter Satz WeinG kann vielmehr Wein, dem über das gemäß §9 vorgesehene Ausmaß hinaus Zucker zugesetzt wurde, sogar erlaubtermaßen in Verkehr gesetzt werden, wenn er durch Verschnitt mit anderem Wein die Verkehrsfähigkeit wiedererlangt hat.

Der Bf. irrt somit, wenn er vermeint, die Feststellung der bel. Beh., der von ihm zum Verkauf bereitgehaltene Wein sei aufgezuckert gewesen, umschreibe einen Sachverhalt, der gemäß §42 Abs1 WeinG einen gerichtlichen Tatbestand verwirkliche, nämlich die Verfälschung von Wein, dessen Bestrafung gemäß §45 Abs1 lita WeinG den Gerichten vorbehalten sei.

Damit kann es dahingestellt bleiben, ob die nach §51 Abs3 normierten Tatbestände - der Bf. wurde nach lita bestraft - nur subsidiär, wenn die Tat nicht einer strengeren, insbesondere durch das Gericht zu ahndenden Strafe unterliegt, oder kumulativ anzuwenden sind. Zu unterstreichen ist hiebei, daß die Feststellungen der bel. Beh., die zur Bestrafung des Bf. gemäß §51 Abs3 lita führten, weil die Bezeichnung des vom Bf. zum Verkauf bereitgehaltenen Weines nicht der Bestimmung des §19 Abs5 litb WeinG entsprach, keinesfalls das Tatbild des §45 Abs1 litf erfüllen, welche (strafgerichtliche) Bestimmung eine falsche Bezeichnung zum Zwecke der Täuschung zur tatbildlichen Voraussetzung hat.

Die von der bel. Beh. herangezogenen Rechtsvorschriften, nämlich §51 Abs3 lita iVm. §19 Abs5 litb WeinG gaben der bel. Beh. somit eine Strafbefugnis. Sie hat daher nicht eine Strafbefugnis in Anspruch genommen, für die im Gesetz jegliche Grundlage gefehlt hätte (vgl. VfSlg. 5498/1967). Auch zum Ausspruch des Verfalles hat die bel. Beh. ihre Zuständigkeit gemäß §53 Abs2 WeinG rechtmäßig in Anspruch genommen. Ob die Behörde das Gesetz materiell richtig angewendet hat, ist eine Frage, die nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu beurteilen ist. Da die vom Bf. geltend gemachte Verletzung des Art6 MRK nur unter der Prämisse behauptet wurde, daß die bel. Beh. über ein gerichtlich strafbares Verhalten abgesprochen hätte, diese Voraussetzung jedoch nicht zutrifft, erübrigt es sich, hierauf weiter einzugehen.

3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsstrafrecht, Zusammentreffen strafbarer Handlungen, Zuständigkeit Verwaltungsstrafrecht, Verfall, Weinrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B468.1980

Dokumentnummer

JFT_10159076_80B00468_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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