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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
EStG 1972; Abweisung eines Antrages auf Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten für Reiseaufwendungen mangels Vorliegens von Reisen über den Ortsbereich hinaus iS der §§4 Abs5 und 16 Abs1 Z9; keine Bedenken gegen diese Bestimmungen im Hinblick auf das Gleichheitsgebot; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Antrag vom 31. Jänner 1979 begehrte der Bf. für das Jahr 1978 die Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten insbesondere für Aufwendungen an Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich beruflich veranlaßten Reisen in Höhe von 18605 S gemäß §16 Abs1 Z9 EStG 1972 unter Zugrundelegung der Tarifansätze gemäß §26 Abs7 leg. cit.
1.2. Mit Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13., 14. und 23. Wr. Bezirk vom 7. Juni 1979 wurde dieser Antrag abgewiesen, da die Reisen, für die erhöhte Werbungskosten begehrt wurden, nur im Ortsgebiet bzw. Einzugsgebiet von Wien erfolgt seien, wohingegen für das Vorliegen einer Reise nach §16 Abs1 Z9 EStG 1972 die Zurücklegung einer größeren Entfernung über das Ortsgebiet hinaus vorausgesetzt werde, und die übrigen geltend gemachten Werbungskosten durch das Werbungskostenpauschale abgegolten seien.
1.3. Die dagegen erhobene Berufung wurde von der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. mit Bescheid vom 6. Mai 1980, Z GA 5-2049/79, im wesentlichen aus der als zutreffend erachteten Begründung des Bescheides erster Instanz abgewiesen. Für Dienstreisen iS des §26 Z7 EStG 1972 habe die zitierte Bestimmung nur insofern Bedeutung, als der Arbeitgeber nicht die vollen Tagessätze ersetze und der Arbeitnehmer lediglich die Differenz gemäß §16 Abs1 Z9 EStG 1972 in Anspruch nehmen wolle, was aber nur in Frage käme, wenn Reisen auf größere Entfernungen über den Ortsbereich hinaus unternommen worden wären, die den Voraussetzungen des §4 Abs5 und §16 Abs1 Z9 EStG 1972 entsprächen.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Eine Verletzung des Gleichheitsgebotes liegt nach Ansicht des Bf. vor, weil trotz wirtschaftlich gleicher Gegebenheiten §16 Abs1 Z9 EStG 1972 von der bel. Beh. ein Inhalt unterstellt werde, der zu einer um die in §26 Z7 leg. cit. genannten Pauschbeträge höheren Bemessungsgrundlage für den Lohnsteuerpflichtigen führe, wenn der Dienstgeber Reisekostenersätze nach §26 Z7 nicht gewähre. Die Anwendbarkeit der einen und der anderen Bestimmung hänge hiebei "einzig und allein von der Auszahlungsmodalität der den gesetzlichen Pauschbeträgen entsprechenden Geldbeträge ab". Nehme der Dienstgeber eine Deklarierung als Reisekostenpauschbeträge vor, so führe dies also zu einem unterschiedlichen (für den Dienstnehmer günstigeren) Besteuerungsergebnis als die Regelung des §16 Abs1 Z9 EStG 1972, die dann Platz greife, wenn bei einem gleichen Gesamtentgelt die Deklarierung der hierin bezahlten Tages- und Nächtigungsgelder unterbleibe, "obwohl die wirtschaftliche Betrachtungsweise ein Grundprinzip des Steuerrechtes" sei. Daß zur Erzielung des günstigsten Ergebnisses eine bestimmte Gestaltung gewählt werden müsse, sei zwar dem Abgabenrecht nicht fremd, die Gleichheit vor dem Gesetz werde jedoch verletzt, wenn der Abgabenpflichtige eine solche Gestaltungsfreiheit nicht habe, "ja vielmehr auf das schlechtere ungleiche Ergebnis durch Umstände fixiert" werde, die in keinem Sachzusammenhang mit den für die Abgabenschuld denkbarerweise in Frage kommenden Kriterien stünden.
Zu verweisen sei schließlich darauf, daß auch gegen die Kilometergeldregelungen nach §20a einerseits und §26 Z7 lita EStG 1972 andererseits Gleichheitsbedenken bestünden. Hinsichtlich des diese Bestimmungen betreffenden Erk. VfSlg. 8457/1978 werde jedoch unterstellt, daß der VfGH seine Entscheidung auf die prinzipielle Möglichkeit von Sachverhaltsunterschieden abgestellt habe; derartiges treffe jedoch auf die im vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen nicht zu.
3.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Mit dem angefochtenen Bescheid wird ein Begehren auf Berücksichtigung erhöhter Werbungskosten für Aufwendungen für beruflich veranlaßte Reisen mit der Begründung abgewiesen, daß die nach §16 Abs1 Z9 EStG 1972 geforderten Voraussetzungen nicht vorliegen, weil es sich nicht um Reisen über größere Entfernungen außerhalb des Ortsbereiches der Betriebsstätte gehandelt hätte.
Der VfGH hat gegen §16 Abs1 Z9 EStG 1972 keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch für den Fall, daß dieser Gesetzesstelle der ihr von der bel. Beh. beigemessene Inhalt zukäme:
Das EStG sieht für Mehraufwendungen bei "Reisen" Pauschalierungsregelungen für unselbständig und selbständig Erwerbstätige in den §§16 Abs1 Z9 und 4 Abs5 in analoger Weise vor. Demzufolge sind für ausschließlich beruflich veranlaßte Reisen Aufwendungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben anzusehen, wenn die in Rechnung gestellten Beträge die in §26 Z7 angeführten Sätze nicht überschreiten. In beiden Pauschalierungsregelungen wird der Begriff "Reise" in gleicher Weise verwendet; in beiden Fällen wird (nur) auf die in §26 Z7 angeführten Sätze verwiesen.
Hinsichtlich §4 Abs5 wurde in VfSlg. 9475/1982 und neuerlich in VfGH 29. Feber 1984 B103/79 - unter Hinweis auf das zur gleichen verfassungsrechtlichen Frage zur vergleichbaren Vorläuferbestimmung, nämlich §4 Abs6 EStG 1967, ergangene Erk. VfSlg. 6590/1971 - ausgesagt, daß keine Gleichheitsbedenken bestehen, auch wenn §4 Abs5 nur Reisen in größeren Entfernungen, hingegen §26 Z7 auch Reisen im Nahbereich der Dienststelle erfassen sollte. Denn §4 Abs5 schließe nicht aus, daß Aufwendungen für betriebliche Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte (jedoch innerhalb des Ortsbereiches) einzeln nachgewiesen und als Betriebsausgaben in Rechnung gestellt werden können. Die Vergleichbarkeit der Regelung des §4 Abs5 mit §16 Abs1 Z9 bewirkt, daß gleiches auch für letztgenannten Regelungsbereich gilt. Auch Unselbständige können somit in jedem Fall Aufwendungen für ausschließlich beruflich veranlaßte Tätigkeiten außerhalb der Betriebsstätte (jedoch innerhalb des Ortsbereiches) einzeln nachweisen und als Werbungskosten in Rechnung stellen.
Der VfGH verkennt hiebei nicht, daß innerhalb der Gruppe der Unselbständigen §26 Z7 zu günstigeren Ergebnissen führen kann als §16 Abs1 Z9 EStG 1972, worauf der VwGH bereits mit Erk. vom 7. Juli 1977 Z 2298/75 verwiesen hat. Dies kann insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn der Arbeitgeber Tages- und Nächtigungsgelder in einem geringeren Betrag, als dies nach §26 Z7 litb zulässig wäre, bezahlt. Dies wird in der Beschwerde durchaus zutreffend aufgegriffen und darauf der Vorwurf der Gleichheitswidrigkeit gestützt. Dem Bf. ist jedoch entgegenzuhalten, daß es sich bei Werbungskosten um Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen handelt, während die in §26 Z7 geregelte Reisewegvergütung der pauschalierte Ersatz für Aufwendungen ist, die der Dienstnehmer für den Dienstgeber getätigt hat. Welche der beiden Regelungen zur Anwendung zu kommen hat, hängt - entgegen der Meinung des Bf. - keineswegs ausschließlich davon ab, für welche der möglichen Auszahlungsarten sich der Dienstgeber entscheidet; ob der Ersatz für Auslagen neben dem Entgelt zufließt oder im Entgelt enthalten ist, hängt nämlich letzten Endes entscheidend davon ab, welche Vereinbarungen arbeitsrechtlicher Natur getroffen werden. Daß diese im Ergebnis nicht nur von steuerlichen Überlegungen, sondern auch von Faktoren anderer Art, wie wirtschaftlichen Notwendigkeiten oder sozialversicherungsrechtlichen Einschätzungen mitbestimmt werden, ist für die an sich bestehende Sachlichkeit der Werbungskostenregelung (auch wenn dem Begriff Reise der ihm von der bel. Beh. unterstellte Inhalt zukommt) ohne Bedeutung.
Der VfGH kommt auch aus der vom Bf. aufgeworfenen Sicht zu keinen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §16 Abs1 Z9 EStG 1972.
3.3. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen könnte der Bf. im Gleichheitsrecht nur verletzt sein, wenn die Behörde der hier maßgeblichen Regelung einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte. Beides ist im Ergebnis jedoch zu verneinen.
Die bel. Beh. geht davon aus, daß nach §16 Abs1 Z9 EStG 1972 von Reisen nur dann gesprochen werden könne, wenn diese über dienstlichen Auftrag auf größere Entfernungen über den Ortsbereich hinaus unternommen würden; der geltend gemachte Aufwand von 18605 S für beruflich veranlaßte Tätigkeiten im Nahbereich der Dienststelle könne als erhöhte Werbungskosten nicht berücksichtigt werden. Der VfGH hat demgegenüber in dem bereits zitierten Erk. VfSlg. 9475/1982 und neuerlich im Erk. vom 29. Feber 1984, B103/79, ausgesagt, daß §16 Abs1 Z9 EStG 1972 trotz der Pauschalierungsregelung keineswegs ausschließt, daß Aufwendungen für Tätigkeiten im Nahbereich der Betriebsstätte einzeln nachgewiesen und vom Unselbständigen als Werbungskosten in Rechnung gestellt werden können. Die behauptete Gleichheitsverletzung liegt jedoch dennoch nicht vor, weil der Bf. einen Einzelnachweis über die von ihm getätigten Aufwendungen nicht geführt, sondern nur die Tarifsätze nach litb des §26 Z7 EStG 1972 für sein Begehren auf Anerkennung erhöhter Werbungskosten in Anspruch genommen hat. Der Bf. wird demnach durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht nicht verletzt.
3.4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Einkommensteuer, WerbungskostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B450.1980Dokumentnummer
JFT_10159076_80B00450_00