TE Vfgh Erkenntnis 1984/9/27 B340/81

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Veröffentlicht am 27.09.1984
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Index

36 Wirtschaftstreuhänder
36/01 Wirtschaftstreuhänder

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §33
VfGG §82 Abs1
Wirtschaftstreuhänder-KammerwahlO §26
Wirtschaftstreuhänder-KammerwahlO §32

Beachte

Anlaßfall zu VfSlg. 10079/1984

Leitsatz

Wirtschaftstreuhänder-Kammerwahlordnung; keine Zuständigkeit der Hauptwahlkommission zur Entscheidung über einen Einspruch nach Aufhebung des §32; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Am 19. April 1980 fand die Wahl des Vorstandes der Kammer der Wirtschaftstreuhänder statt.

Gemäß §32 der Wahlordnung für die Durchführung der Wahlen der Kammerorgane der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, beschlossen in der Sitzung des Kammertages der Kammer der Wirtschaftstreuhänder am 21. März 1959, genehmigt vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau mit Erlaß vom 11. Mai 1959, Z 152443-IV/20/59, idF des Kammertagsbeschlusses vom 11. Dezember 1971, genehmigt mit Erlaß des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 17. Jänner 1972, Z 143909-II/24/71, (künftig: WO) erhob die Interessengemeinschaft für unabhängige Standespolitik der Wirtschaftstreuhänder (künftig: IUS) gegen das Wahlergebnis Einspruch bei der Hauptwahlkommission. Mit Bescheid der Hauptwahlkommission für die Wahlen in die Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 27. Mai 1980 wurde dieser Einspruch abgewiesen. Die dagegen erhobene Administrativbeschwerde wurde mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 24. Juli 1980, Z 38601/3-III/10/80, abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob die IUS Beschwerde an den VfGH.

2.2. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH ein Verfahren zur Prüfung mehrerer Bestimmungen der WO ein und hob gemäß Art139 B-VG mit Erk. V4/81 vom 17. Juni 1981 die Abs6 und 7 des §26 der WO, die gegen die Abweisung eines Einspruches durch die Hauptwahlkommission eine Beschwerdemöglichkeit an den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie eröffneten, als gesetzwidrig auf.

2.3. Mit Erk. vom 1. Juli 1981, B396/80, wurde sodann der im Anlaßverfahren bekämpfte Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 24. Juli 1980, Z 38601/3-III/10/80, wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufgehoben.

3.1. Mit Eingabe vom 15. Juli 1981 begehrte die IUS beim VfGH die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung gegen den nun letztinstanzlich gewordenen Bescheid der Hauptwahlkommission für die Wahlen in die Kammer der Wirtschaftstreuhänder vom 27. Mai 1980 und verband damit eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen diesen Bescheid wegen Verletzung desverfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, wobei sie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrte.

3.2. Aus Anlaß dieser Beschwerde leitete der VfGH ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §32 WO ein und hob gemäß Art139 B-VG mit Erk. V29/82 vom 15. Juni 1984 diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen Art18 Abs2 B-VG als gesetzwidrig auf.

4. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

4.1. Durch die Aufhebung der Abs6 und 7 des §26 WO mit Erk. V4/81 wurde bewirkt, daß der nun bekämpfte Bescheid der Hauptwahlkommission vom 27. Mai 1980 zu einem letztinstanzlichen wurde. Mit Erk. V29/82 wurde bereits ausgesagt, daß in einem solchen Fall die Frist zur Beschwerdeerhebung ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Bescheid von Gesetzes wegen zu einem letztinstanzlichen geworden ist. Der Wiedereinsetzungsantrag wurde am 15. Juli 1981 beim VfGH eingebracht; das Erk. V4/81 wurde am 1. Juli 1981 verkündet und nachfolgend zugestellt. Damit wurde die Frist zur Beschwerdeerhebung in jedem Fall - gleichgültig, ob man sie ab der Verkündung oder der Zustellung des Erk. V4/81 rechnet - eingehalten. Die Beschwerde ist damit rechtzeitig eingebracht.

Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

4.2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG ist eine vom VfGH aufgehobene V im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Da die bel. Beh. ihre Zuständigkeit allein aus dem mit Erk. V29/82 als gesetzwidrig aufgehobenen §32 WO herleiten konnte, ist die Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Fristen, VfGH / Anlaßfall, Wirtschaftstreuhänder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B340.1981

Dokumentnummer

JFT_10159073_81B00340_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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