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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art137 / AllgLeitsatz
B-VG Art137; Feststellungsklage nach §38 VerfGG; Zulässigkeit nur bei bindendem Abspruch über das gesamte Recht oder Rechtsverhältnis; Berechnungsmethode ist nur einzelnes Element, daher kein tauglicher FeststellungsgegenstandSpruch
Die Klage wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Stadt Wien ist Rechtsträger (Spitalserhalter) des "Allgemeinen Krankenhauses" (im folgenden kurz: AKH), in dem der Bund Universitätskliniken betreibt.
Gemäß §55 Z2 des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. 1/1957, (KAG) hat der Bund dem Spitalserhalter die Mehrkosten zu ersetzen, die sich beim Betrieb der zugleich dem Unterricht an medizinischen Fakultäten dienenden öffentlichen Krankenanstalten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben. Eine V des Bundesministers für Unterricht und Kunst gemäß §56 KAG, mit der nähere Vorschriften über die im §55 vorgesehenen Kostenersätze des Bundes erlassen werden, ist bisher nicht ergangen.
Unstrittig ist dem Grunde nach, daß sich beim Betrieb des AKH derartige, vom Bund der Stadt Wien zu ersetzende Mehrkosten (ein sogenannter "klinischer Mehraufwand") ergeben.
Bereits im Jahre 1953 bestand jedoch zwischen der Stadt Wien und dem Bund Streit über die Höhe des durch die Unterrichtsbedürfnisse verursachten klinischen Mehraufwandes. Nachdem das Erk. des VfGH VfSlg. 2604/1953 ergangen war, schlossen die beiden Gebietskörperschaften im Jahre 1957 eine Vereinbarung über die Refundierung des klinischen Mehraufwandes durch den Bund. Die Stadt Wien kündigte im Jahre 1981 diese Vereinbarung, da sie eine Erhöhung des ihr vom Bund zu ersetzenden klinischen Mehraufwandes anstrebte. Die vor und nach Kündigung der Vereinbarung darüber geführten Verhandlungen verliefen ergebnislos.
2. a) Nun erhebt die Stadt Wien beim VfGH gegen den Bund eine auf Art137 B-VG gestützte Feststellungsklage, mit der sie beantragt, folgendes Urteil zu fällen:
"(1) Der VfGH stellt fest, daß die vom Bund gemäß §55 Z2 KAG der Stadt Wien zu ersetzenden Mehrkosten, die sich beim Betrieb des zugleich dem Unterricht an der medizinischen Fakultät der Universität Wien dienenden Allgemeinen Krankenhauses in Wien aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben, durch Vergleich der aus der Finanzbuchhaltung ermittelten Nettoausgaben des AKH mit den Nettoausgaben der städtischen Krankenanstalten Allgemeine Poliklinik, Krankenhaus Floridsdorf, Sophienspital, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Mautner Markhofsches Kinderspital, Krankenhaus Lainz, Kaiser Franz Josef Spital, Preyersches Kinderspital, Wilhelminenspital, Elisabethspital, Pulmologisches Zentrum, Orthopädisches Krankenhaus Gersthof, Semmelweis-Frauenklinik, Neurologisches Krankenhaus Maria Theresien-Schlössl und Kinderklinik Glanzing zu ermitteln sind, wobei die Differenz der Nettoausgaben je Belastung des AKH zu jenen der Vergleichsanstalten die gemäß §55 Z2 KAG zu ersetzenden Mehrkosten je Belagstag ergibt.
(2) Die für den Vergleich maßgebenden Nettoausgaben sind wie folgt zu ermitteln:
Bruttoausgaben laut Rechnungsabschluß abzüglich (alle im folgenden angeführten Beträge ohne Mehrwertsteuer)
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Vorsteuer
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Investition-Gebäude (VRV-Post 010)
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Fahrzeuge/VRV-Post 040)
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Betriebsausstattung (VRV-Post 043)
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Zuführung zu Sonderrücklagen (VRV-Post 298)
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Sonderanlagen (VRV-Post 050)
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Veräußerung von Handelswaren (VRV-Post 803)
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Veräußerung von Betriebsstoffen und Verbrauchsgütern VRV-Post 805)
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Veräußerung von Altmaterial (VRV-Post 806)
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Sonder-, Anstaltsgebühren (VRV-Post 810.005.01)
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Nebenerlöse (VRV-Post 813)
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Kostenbeiträge und -ersätze (VRV-Post 817)
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Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (VRV-Post 824)
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Verschiedene Einnahmen (VRV-Post 829.001)
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Beiträge für die Ausbildung zum praktischen Arzt
(VRV-Post 860.002)
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Bundesbeiträge für Lehranstalten (VRV-Post 860.003 und 860.004)
(3) Der Bund ist schuldig, der Stadt Wien die Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen."
b) In der Klage wird die Berechnungsmethode näher begründet.
Zur Zulässigkeit der Feststellungsklage wird ausgeführt:
"(1) Der Beklagte bestreitet den Anspruch der Klägerin auf Anwendung der oben beschriebenen Berechnungsmethode, er bestreitet damit einen Rechtsanspruch.
(2) Ein Leistungsbegehren betreffend den klinischen Mehraufwand für das Jahr 1982 wird erst nach Vorliegen des Rechnungsabschlusses 1982, also im Sommer 1983, möglich sein.
Ein Leistungsbegehren ist noch nicht möglich. Der Rechtsanspruch der Klägerin auf Anwendung der beschriebenen Berechnungsmethode jedoch wird von der Beklagten bestritten.
(3) Wie der VfGH bereits festgestellt hat (VfSlg 2604/1953), ist der Anspruch der Stadt Wien gegen den Bund auf Ersatz des klinischen Mehraufwandes mit Klage nach Art137 B-VG geltend zu machen.
(4) Im Sinne des §38 VfGG 1953 kann, soweit es sich um einen in Art137 B-VG beschriebenen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, die Klage nach Art137 B-VG auch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses gerichtet werden; und zwar dann, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Recht oder das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt wird (VfSlg 5789, 272, 329, 330, 365 und 2531). Ein solches Feststellungsbegehren ist zulässig, wenn die begehrte Feststellung geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien Klarheit zu schaffen und künftige Leistungsprozesse überflüssig zu machen (VfSlg 4818, 5221). Eine solche Feststellungsklage wäre nur dann ausgeschlossen, wenn im betreffenden Fall bereits Leistungsklage möglich wäre (VfSlg 1356)."
3. a) Der beklagte Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur, hat eine Gegenschrift erstattet, in der er den Antrag stellt, die Klage wegen Unzulässigkeit des gestellten Feststellungsbegehrens zurückzuweisen, in eventu die Klage als unberechtigt abzuweisen, jedenfalls aber die Klägerin zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verhalten.
b) Der Bund bestreitet die Richtigkeit der von der Stadt Wien vorgeschlagenen Berechnungsmethode.
Er wendet die Unzulässigkeit der Klagsführung mit folgender Begründung ein:
"Gemäß Art137 B-VG erkennt der VfGH über 'vermögensrechtliche Ansprüche' an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Der §38 des VerfGG 1953 regelt, daß die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens, eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses, gerichtet werden kann, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Recht oder das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde.
Der Wortlaut des §38 VerfGG 1953 ist zwar allgemeiner gehalten als der des Art137 B-VG, da nicht von 'vermögensrechtlichen Ansprüchen', sondern ganz allgemein vom Bestehen oder Nichtbestehen 'eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses' gesprochen wird. In der VfGH Judikatur wird jedoch - im Sinne einerverfassungskonformen Interpretation des Gesetzestextes - klargestellt, daß andere als die in Art137 B-VG umschriebenen vermögensrechtlichen Ansprüche kein Gegenstand eines Feststellungserkenntnisses im Sinne des §38 des VerfGG 1953 sein können. Es tritt damit durch die prozessuale Vorschrift des VerfGG 1953 keine Erweiterung der Zuständigkeit des VfGH ein, denn auch eine Feststellung ist ein Erkennen über einen vermögensrechtlichen Anspruch im Sinne der Art137 B-VG (VgSlg. 5789, 4818, 2531).
Das vorliegende Klagebegehren richtet sich nicht auf die Feststellung eines gegenwärtigen oder erst künftig fälligen 'vermögensrechtlichen' Anspruches, sondern vielmehr auf die Feststellung, daß ein bestimmtes Ermittlungsverfahren Anwendung zu finden habe. Das Begehren auf Feststellung, daß bestimmte Verfahrensgrundsätze Anwendung (oder nicht Anwendung) zu finden haben, hat nicht die Feststellung des Bestehens (oder Nichtbestehens) 'eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses' zum Gegenstand. Wird der Begriff 'Rechtsverhältnis' als 'die bestimmte, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von einer Person zu einem Gegenstand, ferner auch als einzelne rechtliche Folge einer solchen Rechtsbeziehung' verstanden (Fasching, Komm. III 60 und die dort angeführte Literatur und Rechtsprechung), so handelt es sich bei der Frage, auf welche Art und Weise bestimmte Ansprüche zu ermitteln sind, um eine bloße Vorfrage eines Rechtsverhältnisses. Eine derartige Vorfrage könnte aber auch nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemäß §228 ZPO gemacht werden (Fasching aaO).
Es hat demgemäß auch der VfGH mit dem mehrfach in der Klage angeführten Erkenntnis vom 10. 12. 1953, A21/51 (VfSlg. 2604) einen Zwischenantrag der klagenden Partei, mit dem die Feststellung einer für die weiteren Berechnungen der Höhe des damals gestellten Leistungsbegehrens entscheidenden Vorfrage (Anzahl der 'klinisch genutzten' Betten) begehrt wurde, als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat der VfGH angeführt, der Gegenstand dieses Zwischenantrages sei weder als Recht, noch als Rechtsverhältnis zu qualifizieren, Gegenstand sei vielmehr 'nur eine Rechtsansicht in einem von mehreren Streitpunkten'.
Auch im vorliegenden Fall kann das Klagebegehren nicht zum Gegenstand eines Verfahrens gemäß Art137 B-VG gemacht werden, die Klagsführung ist als unzulässig anzusehen."
4. Hierauf hat die Klägerin (die Stadt Wien) repliziert. Sie meint, die Klage sei - entgegen der geschilderten Ansicht des Beklagten - zulässig:
"(1) Es geht ganz eindeutig um einen vermögensrechtlichen Feststellungsanspruch; es geht um unseren Rechtsanspruch darauf, daß die uns zu ersetzenden Mehrkosten in bestimmter Weise zu berechnen sind. Was alles bei Berechnung eines Ersatzanspruches zu berücksichtigen ist und was nicht, das sind nichts anderes als die Komponenten, aus denen sich der vermögensrechtliche Anspruch zusammensetzt - auf deren Berücksichtigung oder Nicht-Berücksichtigung ein Rechtsanspruch besteht.
(2) Wir meinen, einen Rechtsanspruch auf Anwendung einer bestimmten Berechnungsmethode (Berücksichtigung bestimmter Komponenten, Nicht-Berücksichtigung bestimmter andererer) zu haben. Es ist daher geradezu irreführend, von der Feststellung eines 'Ermittlungsverfahrens' und von der Feststellung von 'Verfahrensgrundsätzen' zu sprechen. Auch die Behauptung der Beklagten, es handle sich im prozessualen Sinn (der ZPO bzw. des AVG) um eine 'Vorfrage', ist falsch: Die Frage, was kraft Rechtsanspruchs bei der Berechnung unserer Ersatzforderung zu berücksichtigen ist und was nicht, ist keine Vorfrage im Sinne des §190 ZPO bzw. des §38 AVG. Es handelt sich viel mehr um die Hauptfrage des vorliegenden Verfahrens, und zu ihrer Entscheidung (nicht bloß Beurteilung) ist der VfGH selbst (nicht eine andere Behörde) zuständig.
Der Hinweis auf VfSlg 2604 'paßt' daher hier nicht: Wir behaupten ausdrücklich einen Rechtsanspruch auf die geltendgemachte Berechnungsmethode."
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der VfGH über vermögensrechtliche Ansprüche ua. an den Bund, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Um einen derartigen Anspruch handelt es sich bei jenem des Rechtsträgers einer Krankenanstalt gegen den Bund auf Ersatz des klinischen Mehraufwandes nach §55 Z2 KAG (vgl. VfSlg. 2604/1953).
Ein solcher Anspruch kann daher vom Spitalserhalter (hier von der Stadt Wien) mit Klage nach Art137 B-VG gegen den Bund geltend gemacht werden.
2. a) Die Stadt Wien erhebt nun aber keine Leistungsklage, sondern eine Feststellungsklage und beruft sich hiebei auf §38 VerfGG 1953.
Danach kann die Klage (nach Art137 B-VG) auch auf Feststellung des Bestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses gerichtet werden, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Recht oder das Rechtsverhältnis alsbald festgestellt werde.
Die klagende Stadt Wien macht geltend, es handle sich hier um ihren Rechtsanspruch darauf, daß die ihr vom Bund zu ersetzenden Mehrkosten in bestimmter Weise zu berechnen seien; sie habe einen Rechtsanspruch auf Anwendung einer bestimmten Berechnungsmethode, nämlich auf Berücksichtigung bestimmter Komponenten und Nicht-Berücksichtigung anderer.
b) Eine Feststellungsklage ist nur soweit zulässig, als es sich um die Feststellung eines nach Art137 B-VG klagbaren Anspruches handelt (vgl. zB VfSlg. 2531/1953, 5789/1968).
Wie soeben dargetan wurde, ist der Anspruch auf den Ersatz des klinischen Mehraufwandes nach der zitierten Verfassungsbestimmung einklagbar. Wenn jedoch in diesem Zusammenhang ein Feststellungsbegehren gestellt wird, muß dieses auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses gerichtet sein (VfSlg. 5789/1968).
Ob die Voraussetzungen für eine Feststellungsklage nach §38 VerfGG 1953 vorliegen, ist nach denselben Kriterien zu beurteilen wie für eine Feststellungsklage nach §228 ZPO (VfSlg. 1356/1930).
§38 VerfGG 1953 setzt - ebenso wie §228 ZPO - ein "alsbaldiges Feststellungsinteresse" voraus. Ein Bedürfnis nach Zulassung der Feststellungsklage besteht nur dann, wenn das Feststellungsurteil tatsächlich den Zweck erfüllt, den Streitfall bindend zu klären. Das ist dann nicht der Fall, wenn sich die Feststellung nicht auf das ganze Rechtsverhältnis, sondern nur auf einzelne Elemente erstreckt und schon deshalb nicht bindend über das gesamte Recht oder Rechtsverhältnis abspricht (vgl. Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, III. Band, Anm. 6 zu §228 ZPO). Die Berechnungsmethode kann sohin nicht Feststellungsgegenstand sein (vgl. VfSlg. 2604/1953, 475; s. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, 1984, S 513, RZ 1094).
Hier begehrt die Klägerin keine Feststellung, die sich auf das ganze Rechtsverhältnis (den Anspruch auf Ersatz des klinischen Mehraufwandes) bezieht. Das Klagebegehren ist vielmehr der Sache nach ausschließlich auf die Klärung der Frage gerichtet, welche Technik praktisch anzuwenden ist, um die Höhe des tatsächlichen klinischen Mehraufwandes zu eruieren, sohin nicht einmal darauf, nach welcher grundsätzlichen Formel der Aufwandersatz zu berechnen ist.
c) Die vorliegende Feststellungsklage ist also unzulässig. Sie ist daher zurückzuweisen (vgl. Fasching, Kommentar, Anm. 7, 8, 9 zu §228 ZPO).
3. Kosten werden nicht zugesprochen, da der Beklagte den Zuspruch von Kosten zwar begehrt, aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (vgl. VfSlg. 9280/1981).
§27 VerfGG 1953 wurde durch die Nov. BGBl. 297/1984 dahin ergänzt, daß "regelmäßig anfallende Kosten, insbesondere für den Antrag (die Beschwerde) und für die Teilnahme an Verhandlungen, nicht ziffernmäßig verzeichnet werden" brauchen. Diese Ergänzung des Gesetzes bezieht sich nach Wortlaut und Sinngehalt nicht auf Klagen nach §§37 ff. VerfGG 1953.
Schlagworte
Krankenanstalten, VfGH / Klagen, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:A1.1982Dokumentnummer
JFT_10158999_82A00001_00