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24 StrafrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
B-VG Art140 Abs1; Individualantrag auf Aufhebung des StGB zur Gänze sowie der §§133, 134, 21 bis 23 StGB; kein unmittelbarer Eingriff bzw. Zumutbarkeit einer Beschwerde an die Ratskammer; keine LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Die Antragstellerin begehrt mit näherer Begründung - gestützt auf Art140 Abs1 B-VG - "die §§133, 134, 21, 22, 23 StGB sowie das Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974, BGBl. 60, über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen" (also das StGB zur Gänze) als verfassungswidrig aufzuheben.
Zur Zulässigkeit des Antrages gibt die Einschreiterin den Text des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG wieder und fügt lediglich bei, daß beim LG für Strafsachen Wien gegen sie Verfahren wegen §§133, 146, 153, 154, 156 StGB anhängig seien; Urteile seien noch nicht ergangen.
II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Individualantrages erwogen:
1. Zum Antrag betreffend das ganze StGB
Dem Antrag sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß alle Bestimmungen des StGB derart beschaffen sind, daß sie iS des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG und des §62 Abs1 letzter Satz VerfGG 1953 unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragstellerin eingreifen.
Der auf Aufhebung des ganzen StGB gerichtete Antrag war allein schon deshalb nach §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 zurückzuweisen (vgl. zB VfSlg. 9720/1983).
2. Zum Antrag betreffend einzelne Bestimmungen des StGB
a) Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Bei Prüfung dieser Prozeßvoraussetzungen kommt es primär darauf an, ob die bekämpfte Gesetzesbestimmung die Rechtssphäre der antragstellenden Partei berührt, in deren Rechtssphäre unmittelbar eingreift und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmung - verletzt (vgl. die mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 beginnende Judikatur). Eine Bejahung der Antragslegitimation setzt aber auch voraus (wie im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in der späteren Judikatur zB VfSlg. 8869/1980 bekräftigt worden ist), daß der Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist und die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt. Ein Individualantrag ist dazu bestimmt, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. zB VfSlg. 8890/1980). Bei Prüfung der Antragslegitimation ist lediglich zu untersuchen, ob die angefochtenen Gesetzesstellen dem Antragsteller gegenüber die von ihm ins Treffen geführten Wirkungen haben, bejahendenfalls, ob diese Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 B-VG fordert; nicht zu untersuchen ist hingegen, ob diese Gesetzesstellen für den Antragsteller sonstige (unmittelbare) Wirkungen haben. Es kommt nämlich im vorliegenden Zusammenhang ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das bekämpfte Gesetz seine Rechtssphäre berührt und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes - verletzt (vgl. zB VfSlg. 8060/1977, 9185/1981).
b) Gegen die Einschreiterin ist eine strafgerichtliche Voruntersuchung ua. wegen §133 StGB (Veruntreuung) anhängig; sie befindet sich in Untersuchungshaft.
Der Antragstellerin stand bzw. steht die Möglichkeit offen, gegen die iZm. der Voruntersuchung stehenden Maßnahmen des Untersuchungsrichters gemäß §113 StPO Beschwerde an die Ratskammer zu erheben, die dann ihre Entscheidung in materieller Hinsicht ua. auf §133 StGB zu stützen hätte. Die Ratskammer ist ein Rechtsmittelgericht iS des Art140 Abs1 erster Satz B-VG. Im Fall von Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Gesetzesbestimmung wäre die Ratskammer verpflichtet, einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim VfGH zu stellen (vgl. VfSlg. 9276/1981 und die dort zitierte Literatur).
Diesen Weg zu beschreiten ist der Antragstellerin jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen zumutbar.
c) Die Antragsausführungen lassen nicht erkennen, daß und in welcher Hinsicht §134 StGB (Unterschlagung) die Antragstellerin aktuell beeinträchtigen würde. Insbesondere behauptet sie nicht, daß gegen sie eine Voruntersuchung auch wegen dieser Bestimmung anhängig sei.
d) Wenn überhaupt, könnten die weiters angefochtenen Vorschriften der §§21 bis 23 StGB betreffend die Unterbringung in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher, für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher und für gefährliche Rückfallstäter, nur im Wege eines Gerichtsurteiles gegen die Antragstellerin wirksam werden.
e) Aus diesen Erwägungen war auch der auf Aufhebung bestimmter Vorschriften des StGB (nämlich der §§21, 22, 23, 133 und 134) abzielende Antrag mangels Vorliegens der Antragslegitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Strafrecht, StrafprozeßrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:G133.1984Dokumentnummer
JFT_10158997_84G00133_00