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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art26 Abs1Leitsatz
Nö. Landtagswahlordnung 1974; Erfordernis einer bestimmten Anzahl von Unterstützungserklärungen für die Gültigkeit eines Wahlvorschlages in §43 Abs2; kein Verstoß gegen das Verhältniswahlrecht und den Grundsatz des geheimen Wahlrechtes; keine verfassungswidrige Einschränkung des passiven Wahlrechts durch Erfordernis des persönlichen Erscheinens zur Abgabe einer UnterstützungserklärungSpruch
Die Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Die "Partei Neues Österreich (PNÖ)" ficht durch ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter unter Berufung auf Art141 Abs1 lita B-VG und §67 ff. VerfGG 1953 die Nö. Landtagswahl 1983 wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens an und begehrt, diese fürnichtig zu erklären.
1.2. Die Anfechtungswerberin macht geltend, sie sei als wahlwerbende Partei in allen vier Wahlkreisen (in die gemäß §2 der Nö. Landtagswahlordnung 1974, LGBl. 0300-1 (künftig: LWO) das Land für Zwecke der Landtagswahl eingeteilt ist) aufgetreten. Mit Schreiben vom 21. September 1983 sei der von ihr fristgerecht eingebrachte Wahlvorschlag für den Wahlkreis 1, Viertel oberm Wienerwald, von der Kreiswahlbehörde zurückgewiesen worden, weil er nicht die erforderliche Zahl von Unterstützungserklärungen aufwies. Mit Schreiben vom 21. September 1983 sei ihr auch von der Kreiswahlbehörde 2 mitgeteilt worden, daß der eingebrachte Wahlvorschlag für den Wahlkreis Viertel unterm Wienerwald aus gleichen Gründen zurückgewiesen wurde. Mit Schreiben vom 20. September 1983 sei der PNÖ schließlich bekanntgegeben worden, daß auch die Kreiswahlbehörde 3 für den Wahlkreis Viertel oberm Manhartsberg aus eben demselben Grunde den von ihr eingebrachten Wahlvorschlag zurückweise. Die Bezirkshauptmannschaft Korneuburg habe die zeitgerechte Vorlage des Kreiswahlvorschlages für den Wahlkreis 4, Viertel unterm Manhartsberg, bestätigt; auch die Kreiswahlbehörde 4 dürfte den Wahlvorschlag wegen zu geringer Unterstützung zurückgewiesen haben, eine Verständigung hierüber sei jedoch nicht erfolgt.
1.3.1. Die Anfechtungswerberin behauptet die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens, weil die Zurückweisungen der Kreiswahlvorschläge sich auf verfassungswidrige Bestimmungen im §43 LWO stützten; zwar zögen diese Bestimmungen die Bedingungen des passiven Wahlrechts genauso eng wie die Nationalrats-Wahlordnung 1971 (NRWO) und widersprächen daher Art95 Abs2 B-VG nicht; aber die fast wörtlich gleichlautenden Bestimmungen in §45 NRWO zögen die Bindungen des passiven Wahlrechts enger, als dies die Bundesverfassung erlaube.
1.3.2.1 Primär hält die PNÖ die Vorschreibung von Unterstützungserklärungen durch §43 LWO (und ebenso durch §45 NRWO 1971) an sich für verfassungswidrig. Durch Unterstützungserklärungen würde der von der Verfassung vorgesehene eine Wahlvorgang in zwei Elektionsvorgänge zerlegt; etwas Derartiges sei in der Verfassung nirgendwo gedeckt.
1.3.2.2. Zudem verstoße die nach §43 LWO vorgesehene unterschiedliche Behandlung der Wahlparteien, daß nämlich der Wahlvorschlag entweder von wenigstens 3 Mitgliedern des Landtages oder 200 Wahlberechtigten Personen unterschrieben sein müsse, gegen den Gleichheitsgrundsatz.
1.3.2.3. Schließlich enthalte §43 Abs2 LWO eine die wahlwerbenden Parteien willkürlich behindernde, offensichtlich "sinnlose" Bestimmung, indem festgelegt sei, daß Unterstützungswillige zwecks Erlangung der Bestätigung, daß sie am Stichtag in der Wählerevidenz als Wahlberechtigte eingetragen seien, selbst dann vor der Gemeindebehörde persönlich auftreten müßten, wenn von einem öffentlichen Notar oder vom Gericht bestätigt ist, daß sie ihre Unterschrift auf der Unterstützungserklärung eigenhändig geleistet haben.
1.3.3. Die behaupteten Verfassungswidrigkeiten der LWO seien nicht gleichrangig: Bejahe man die in Punkt 1.3.2.1. behauptete Verfassungswidrigkeit der Vorschreibung von Unterstützungserklärungen durch einfach-gesetzliche Regelungen an sich, erübrige sich die Behandlung der in Punkt 1.3.2.2. und 1.3.2.3. behaupteten Verfassungswidrigkeiten. Die letzteren Überlegungen würden daher nur für den Fall vorgebracht, daß der VfGH bezüglich der Berechtigung der Vorschreibung von Unterstützungserklärungen durch einfach-gesetzliche Regelungen bei seiner bisherigen Judikatur bleibe.
2. Die Landeswahlbehörde für das Land NÖ hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Wahlanfechtung abzuweisen.
3. Aus den vorgelegten Wahlakten ergibt sich, daß sämtliche von der PNÖ eingebrachte Wahlvorschläge zurückgewiesen wurden, weil keiner derselben die erforderliche Zahl von 200 Unterstützungserklärungen aufwies, und zwar von der Wahlkreisbehörde 1 in der Sitzung vom 21. September 1983 (es waren nur zwölf Unterstützungserklärungen), von der Kreiswahlbehörde für den Wahlkreis 2 in der Sitzung vom 21. September 1983 (der Wahlkreisvorschlag wies keine einzige Unterstützungserklärung auf), von der Kreiswahlbehörde für den Wahlkreis 3 in der Sitzung vom 20. September 1983 (es war lediglich eine Unterstützungserklärung beigebracht) und schließlich von der Kreiswahlbehörde für den Wahlkreis 4 in der Sitzung vom 20. September 1983 (es waren nur zwei Unterstützungserklärungen beigebracht).
4. §43 Abs2 LWO, dessen Verfassungswidrigkeit die Anfechtungswerberin behauptet, hat folgenden Wortlaut:
"(2) Der Kreiswahlvorschlag muß von wenigstens drei Mitgliedern des Landtages unterschrieben oder von wenigstens 200 Personen, die am Stichtag in Gemeinden des Wahlkreises als wahlberechtigt in der Wählerevidenz (Bundeswählerevidenz und Landes-Wählerevidenz) eingetragen waren, unterstützt sein. Hiebei sind dem Kreiswahlvorschlag die nach Muster Anlage 3a ausgefüllten und eigenhändig unterfertigten Unterstützungserklärungen anzuschließen. Die Unterstützungserklärung hat die Bestätigung der Gemeinde zu enthalten, daß die in der Erklärung genannte Person am Stichtag in der Wählerevidenz als wahlberechtigt eingetragen war. Diese Bestätigung ist von der Gemeinde nur dann zu erteilen, wenn die in der Erklärung genannten Personen vor der zur Führung der Wählerevidenz zuständigen Gemeindebehörde persönlich erscheint, ihre Identität durch ein Lichtbild ausgestattetes Identitätsdokument (zum Beispiel Reisepaß, Personalausweis, Führerschein, Postausweis usw.) nachgewiesen hat, die Unterstützungserklärung die Angaben über Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Wohnadresse sowie den Namen der zu unterstützenden wahlwerbenden Partei enthält und die eigenhändige Unterschrift der in der Unterstützungserklärung genannten Person entweder vor der Gemeindebehörde geleistet wurde oder gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Die Gemeinden sind verpflichtet, diese Bestätigung unverzüglich und ohne Einhebung von Verwaltungsabgaben, sonstigen Abgaben oder Gebühren auszufertigen. Eine solche Bestätigung darf für eine Person nur einmal ausgestellt werden."
5. Der VfGH hat erwogen:
5.1. Nach §67 Abs2 VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 18/1958 sind zur Anfechtung der Wahl jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde Wahlvorschläge rechtzeitig vorgelegt haben. In einem Fall, in dem es - wie hier - für die Rechtmäßigkeit des Wahlverfahrens entscheidend ist, ob die Bestimmungen der Wahlordnung über die Rechtswidrigkeit der Einbringung (Vorlage) der Wahlvorschläge verfassungsmäßig sind, ist die Berechtigung zur Anfechtung der Wahl iS des §67 Abs2 VerfGG 1953 nicht davon abhängig, ob der Wahlvorschlag rechtswirksam eingebracht wurde (vgl. VfSlg. 4992/1965, 5166/1965, 6087/1969, 7387/1974). Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Anfechtung zulässig.
5.2.2.1. Die anfechtende PNÖ hält eine Bestimmung, wonach Wahlvorschläge eine Mindestanzahl von Unterschriften Wahlberechtigter aufweisen müssen, an sich für verfassungswidrig. Der Rechtsprechung des VfGH - angesprochen sind insbesondere die Erk. VfSlg, 2758/1954, welches von der Anfechtungswerberin ausdrücklich zitiert wird, aber auch VfSlg. 6087/1969, 6207/1970 und 7821/1976 - sei entgegenzuhalten, daß die Grundsätze der Verhältniswahl nur etwas über die Umsetzung der abgegebenen Stimmen in Mandaten aussagten. Keineswegs könne aus den Grundsätzen der Verhältniswahl abgeleitet werden, daß wahlwerbende Gruppen, aus welchem Grunde immer, von der Wahlwerbung um Mandate ausgeschlossen werden dürften. Insbesondere könne auf die Chancen einer Wahlbewerbung nicht aus den Mandatserfolgen geschlossen werden, da hiemit für die Gestaltung der Wahl das Ergebnis vorweggenommen werde. Durch Wahlordnungen, die Unterstützungserklärungen vorschreiben, werde der in der Verfassung vorgesehene eine Wahlvorgang in zwei Elektionsvorgänge zerlegt und damit die tatsächliche Ausübung des passiven Wahlrechtes vom Wollen und Handeln anderer abhängig gemacht. Betrachte man den Vorgang, der die Zu- bzw. Aberkennung der faktischen Wählbarkeit betreffe, als einen Bestandteil der eigentlichen Wahl, so sei zu kritisieren, daß er nicht geheim ist; wenn er aber als getrennter Vorgang bewertet werde, sei er in der Verfassung nirgendwo gedeckt. Im Widerspruch zur Verfassung stehe auch, daß damit nur mehr die Wahl aus einer eingeschränkten Zahl von Kandidaten zulässig sei.
5.2.2.2. Die Anfechtungswerberin hält die bisherige Rechtsprechung des VfGH zur Vorschreibung von Unterstützungserklärungen für die Wahlwerbung wahlwerbender Gruppen für verfehlt und bekämpft Regelungen dieser Art als verfassungswidrig. Der VfGH sieht sich im Ergebnis jedoch auch aufgrund der Ausführungen der vorliegenden Wahlanfechtung zu verfassungsrechtlichen Bedenken nicht veranlaßt:
Für das Wesen des Verhältniswahlsystems ist es charakteristisch, daß die Idee der Proportionalität darauf gerichtet ist, zwar womöglich allen politischen Parteien eine verhältnismäßige Vertretung zu gewähren, jedoch mit Ausschluß jener kleinen Gruppen, welche die Mindestzahl von Stimmen, die sogenannte Wahlzahl nicht erreichen, über die eine Partei verfügen muß, um wenigstens einen Angeordneten zu erhalten; diese Mindestzahl, die Wahlzahl, ist mit dem Verhältniswahlsystem wesensnotwendig verknüpft (vgl. VfSlg. 1381/1931, 1382/1931, 3653/1959, 6087/9169).
Ist nun das Verhältniswahlrecht in diesem Sinne verfassungsgesetzlich verankert, so ist es (da die Verhinderung einer allzu großen Zersplitterung zum Wesen des Verhältniswahlrechts gehört, vgl. VfSlg. 3652/1959) nicht verfassungswidrig zu bestimmen, daß Wahlvorgänge eine Mindestzahl von Unterschriften Wahlberechtigter aufweisen müssen, denn dadurch werden im Interesse der Vereinfachung des Wahlverfahrens und zur Vermeidung einer unnötigen Stimmenzersplitterung solche Gruppen von der Wahlwerbung ausgeschlossen, die nicht einmal eine bestimmte Unterschriftenzahl aufbringen können und daher von vornherein gar keine Aussicht auf Erlangung eines Mandates haben (vgl. VfSlg. 2758/1954).
Wenn auch der Anfechtungswerberin zuzubilligen ist, daß das Erfordernis einer bestimmten Anzahl von Unterstützungserklärungen für die Zulassung wahlwerbender Gruppen mit einer Vermeidung der Zersplitterung von Stimmen - unmittelbar - nicht zu tun hat, wird durch dieses Erfordernis doch bewirkt, daß die Stimmabgabe für aussichtslose Bewerbungen hintangehalten wird, ein Ergebnis also, das zu einer effektiven Gestaltung des Verhältniswahlrechtes beiträgt.
Es ist auch nicht sachfremd, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, daß die Zahl der Unterstützungswilligen und die Mandatschancen der unterstützten Gruppe in einer Beziehung stehen, die es erlaubt, aus der Zahl der abgegebenen Unterstützungserklärungen Schlüsse auf die Mandatschancen der unterstützten Wahlpartei zu ziehen. Damit wird also keineswegs von einem erst künftig eintretenden Ergebnis in unsachlicher Weise darauf (rück-)geschlossen, welche Aussichten einer wahlwerbenden Gruppe zukommen, ein Mandat zu erringen.
Verfehlt ist weiters, wenn die Anfechtungswerberin vermeint, die Anordnung von Unterstützungserklärungen zerlege den Wahlvorgang in zwei Teile. Bei einem Vorgang, der der Feststellung des Vorliegens der geforderten Unterstützungserklärungen dient, handelt es sich nämlich ausschließlich um die Prüfung, ob den geforderten Voraussetzungen einer Wahlbewerbung entsprochen wird.
Es würde allerdings den Grundsätzen einer demokratischen Verhältniswahl widersprechen, so viele Unterschriften auf einem Wahlvorschlag zu fordern, daß dadurch auch ernsthafte (nicht chancenlose) Wahlbewegungen verhindert würden. Verfassungsrechtlich wirksam bekämpfbar wäre es daher, wenn die in der Wahlordnung geforderte Mindestanzahl von Unterschriften auf den Wahlvorschlägen so hoch angesetzt wäre, daß dies einen Ausschluß von Gruppen, die sich andernfalls mit Erfolg an der Wahlwerbung beteiligen könnten, bedeuten würde (vgl. VfSlg. 1932/1950, 3969/1961, 3971/1961).
Mit Erk. VfSlg. 3969/1961 fand der VfGH die Grundsätze der demokratischen Verhältniswahl dann verletzt, wenn Wahlvorschläge für ihre Gültigkeit eine größere Zahl von Unterstützungserklärungen erfordern, als Stimmen nötig sind, um bei einer Wahlzahl nur durchschnittlicher Höhe ein Mandat zu erlangen. Dies besage aber nicht, daß eine Unterschriftenanzahl, die unter der durchschnittlichen Wahlzahl liegt, jedenfalls dem demokratischen Verhältniswahlrecht entspricht; es müßten gegebenenfalls auch sonstige in Betracht kommende Umstände beobachtet werden. Im Erk. VfSlg. 7821/1976, das eine Gemeindewahl betraf, erachtet der VfGH ein Erfordernis an Unterstützungserklärungen im Ausmaß zwischen 55 und 63 vH der für ein Mandat notwendigen Stimmen für verfassungswidrig. Von einem derartigen Mißverhältnis zwischen der Zahl der nach §43 Abs2 LWO geforderten Unterstützungserklärungen und den Wahlzahlen der angefochtenen Wahl in den nö. Wahlkreisen kann jedoch keine Rede sein (§43 Abs2 LWO fordert 200 Unterstützungserklärungen, die Wahlzahl betrug bei der angefochtenen Wahl im Wahlkreis 115756 Stimmen, im Wahlkreis 216292 Stimmen, im Wahlkreis 314145 Stimmen, im Wahlkreis 415855 Stimmen).
Die Anfechtungswerberin ist schließlich darauf zu verweisen, daß das Wesen des Verhältniswahlsytems iS des Art26 Abs1 und 6 B-VG (gleiches ergibt sich aus Art95 Abs1 und Art117 Abs2 erster Satz und Abs5) nicht nur von der Idee der Proportionalität, sondern auch dadurch geprägt wird, daß Träger des Rechtes auf verhältnismäßige Vertretung nicht das Individuum, sondern die wahlwerbende Partei ist (vgl. VfSlg. 1381/1931, 1382/1931, 3653/1959, 6078/1969, 8700/1979, zuletzt VfGH 20. Jänner 1984 G21 - 24/81). Damit wird vom System des Verhältniswahlrechtes vorausgesetzt, daß eine wahlwerbende Gruppe auftritt, woraus sich zwangsläufig ein gewisser Einfluß der Angehörigen derselben auf die Auswahl der Kandidaten ergibt.
Entgegen der Meinung der Anfechtungswerberin verstößt das Erfordernis unterstützender Unterschriften für die Zulassung einer Wahlwerbung auch nicht gegen den Grundsatz des geheimen Wahlrechtes. Wie der VfGH ebenfalls in ständiger Rechtsprechung ausgesagt hat, bezieht sich dieses Gebot nur auf die Stimmabgabe bei der Wahl (vgl. VfSlg. 6087/1969, 6207/1970, 7731/1975, 8694/1979). Bei der Abgabe unterstützender Unterschriften für eine wahlwerbende Gruppe handelt es sich aber nicht um eine Stimmabgabe für eine Wahlpartei, sondern um einen Unterstützungsakt, der die Wahlwerbung durch diese Gruppe und ein Mandat überhaupt erst ermöglichen soll.
5.2.3.1. Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit wird von der Anfechtungswerberin gegen §43 Abs2 LWO entweder von wenigstens 200 Personen unterstützt sein muß aber auch die Unterschriften von 3 Mitgliedern des Landtages genügen. Bei den 3 Mitgliedern des Landtages könne es sich auf um "wilde" Abgeordnete handeln, die während der Legislaturperiode aus ihrer Partei ausgeschlossen wurden und demnach für eine künftige Wahl niemanden repräsentierten. Abgesehen davon sei es bedenklich, Parteien, die nicht bereits im Landtag vertreten sind, die Wahlbewerbung gegenüber den etablierten Parteien zusätzlich zu erschweren. Dies berühre ein Grundproblem der repräsentativen Demokratie schlechthin. Die Volksvertreter hätten in den meisten Fällen ein sehr großes Interesse, im Vertretungskörper zu bleiben. Im Interesse der Demokratie sollte aber das Volk die Vertretungskörper möglichst ohne Hemmnisse erneuern können. Selbst wenn man akzeptierte, daß im Nationalrat vertretene Parteien tatsächlich große Chancen haben, neuerlich Mandate zu erringen, sei es fraglich, ob dies einfachgesetzliche Wahlordnungen durch Erleichterungen bei der Wahlbewerbung auch noch fördern dürften, oder umgekehrt augedrückt, ob sie den nicht etablierten Parteien, die es an sich schwer haben, zu Mandatserfolgen zu kommen, die Wahlbewerbung noch zusätzlich erschweren dürfen.
5.2.3.2. Der VfGH hat bereits in VfSlg. 6201/1970 ausgesagt, daß er keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung hat, wonach ein Wahlvorschlag von mindestens 200 Wahlberechtigten eines Wahlkreises unterstützt oder von mindestens 3 Mitgliedern des Landtages unterschrieben sein muß, da diese Wahlabgeordneten bereits eine nicht unbeträchtliche Zahl von Wahlberechtigten repräsentieren. Daran ändert auch der allfällige Austritt von Abgeordneten aus ihrer Partei nichts, da von ihnen im Hinblick auf das den Mitgliedern der gesetzgebenden Organe nach Art56, 96 und 119 B-VG gewährleistete "Prinzip des freien Mandates (vgl. VfSlg. 3560/1959) der Personenkreis, der sie gewählt hat, auch weiterhin repräsentiert wird. Gegen die in Frage stehende Regelung bestehend daher auch insofern keine verfassungsrechtlichen bedenken (vgl. auch VfSlg. 7387/1974). Solche vermögen auch die von der Anfechtungswerberin allgemein angestellten Überlegungen nicht auszulösen, es sei im Interesse der Demokratie gelegen, daß "das Bundesvolk die Vertretungskörper möglichst ungehemmt erneuern" könne.
5.2.4.1. Die Anfechtungswerberin greift schließlich §43 Abs2 LWO als verfassungwidrig an, soweit darin die offensichtlich "sinnlose" Anordnung enthalten ist, daß Unterstützungswillige selbst dann zwecks Erwirkung der Bestätigung, daß sie am Stichtag in der Wählerevidenz als wahlberechtigt eingetragen sind, vor der zuständigen Gemeindebehörde persönlich zu erscheinen haben, wenn ihre Unterschrift auf der Unterstützungserklärung gerichtlich oder notariell beglaubigt ist. Es handle sich hiebei um eine dem Wesensgehalt der Verfassung widersprechende Behinderung der Ausübung des passiven Wahlrechts.
5.2.4.2. Der VfGH kann sich auch diesen Bedenken nicht anschließen; er wiederholt vielmehr seine schon im Erk. vom 20. Juni 1984, B307/83 zur inhaltlich vergleichbaren Regelung des §45 Abs3 NRWO 1971 dargelegten Erwägungen, die in gleicher Weise - sinngemäß - für den Anwendungsbereich der LWO gelten:
§43 Abs2 Satz 4 LWO besagt, daß die im dritten Satz dieser Gesetzesstelle vorgesehene Bestätigung von der Gemeinde nur dann zu erteilen ist, wenn die in der Erklärung genannte Person vor der zur Führung der Wählerevidenz zuständigen Gemeindebehörde persönlich erscheint. Damit ist - kraft des für Wahlordnungen geltenden Gebotes strikter Wortinterpretation (vgl. VfSlg. 8848/1980 uva.) - unmißverständlich und zwingend festgelegt, daß der Unterstützungswillige vor der Behörde selbst auftreten muß, sich also in dieser Beziehung niemals durch einen Machthaber vertreten lassen kann.
Wie nun der VfGH in seinem Erk. VfSlg. 5166/1965 aussprach, liegt aber in der Unterstützung eines Wahlvorschlages - obgleich sie keinesfalls eine Vorwahl darstellt - bereits eine Wahlentscheidung einzelner Wahlberechtigter. So gesehen kann es im Hinblick auf den in Art95 Abs1 B-VG (über die Wahl in den Landtag) aufgestellten Grundsatz des persönlichen Wahlrechts und angesichts des Umstandes, daß die Überprüfung der Identität der Wahlberechtigten zu den typischen Aufgaben der Wahlbehörden zählt, keinesfalls verfassungswidrig sein, wenn §43 Abs2 Satz 4 LWO ein persönliches Erscheinen (auch) des Unterstützungswilligen vor der Gemeindebehörde vorschreibt, weil es sich hiebei nach den einleitenden Ausführungen um einen der Wahlentscheidung im gedachten Sinn zuzurechnenden - wesentlichen - Akt handelt, der iZm. weiteren Formalakten (Identitätsnachweis, Leistung der Unterschrift) - den Unterstützungswillen des Wahlberechtigten der zuständigen Behörde verbindlich zur Kenntnis bringt.
Daß das Erfordernis der eigenhändigen Unterschriftsleistung vor der Gemeindebehörde entfällt, wenn die Unterschrift (bereits) gerichtlich oder notariell beglaubigt wurde, macht die weitere Voraussetzung (der gemeindeamtlichen Bestätigung über die Eintragung in die Wählerevidenz), nämlich das persönliche Erscheinen des Unterstützungswilligen vor der Behörde, der in der Anfechtung verfochtenen Rechtsauffassung zuwider keinesfalls unsachlich (Art7 Abs1 B-VG), weil es dabei - wie dargetan - um einen der - hier zu treffenden - Wahlentscheidung immanenten höchstpersönlichen Schritt des Wahlberechtigten geht. Sollte die Bf. aber schließlich behaupten wollen, §43 Abs2 Satz 4 LWO verstoße gegen das Prinzip der Freiheit der Wahl (Art8 des Staatsvertrages von Wien und Art31. ZP EMRK iVm. Art26 B-VG), könnte dieser Rechtsmeinung allein deshalb nicht gefolgt werden, weil die für Unterstützungserklärungen normierten Erfordernisse - im hier maßgeblichen Kontext - durchaus nicht strenger als die für den Wahlakt im engeren Sinn selbst geltenden Voraussetzungen sind.
5.3. Da nach den vorstehenden Darlegungen die in der behaupteten Verfassungwidrigkeit von Bestimmungen der LWO liegende Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht gegeben ist, war der Wahlanfechtung nicht stattzugeben.
Schlagworte
Wahlen, Wahlvorschlag, VfGH / WahlanfechtungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:WI8.1983Dokumentnummer
JFT_10158997_83WI0008_00