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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
B-VG Art144 Abs1; Schubhaft und Abschiebung als Maßnahmen zur Vollstreckung eines - rechtskräftigen - Aufenthaltsverbotes; keine selbständige Anfechtung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und ZwangsgewaltSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 10. August 1983 wurde gegen den Bf. gemäß §3 Abs1 und Abs2 lita, c und e iVm §4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954, (FrPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.
Am 28. Dezember 1983 wurde dem in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Bf. im Wege des Amtsgerichtes Garmisch-Partenkirchen eine Zeugenladung des LG für Strafsachen Graz für den 4. Jänner 1984 zugestellt.
Der Bf. reiste - ohne eine Bewilligung nach §6 Abs1 FrPG zu besitzen - von der BRD nach Österreich ein und nahm am 4. Jänner 1984 im LG für Strafsachen Graz an mehreren Verhandlungen teil. Nach deren Beendigung stellte ihm ein Kriminalbeamter um 10.40 Uhr im Gerichtsgebäude den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 4. Jänner 1984 zu. Mit diesem Bescheid wurde gegen den Bf. gemäß §5 Abs1 FrPG iVm. §57 Abs1 AVG mit sofortiger Wirkung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Der Bf. wurde sodann festgenommen und in der Folge im Gefangenenhaus der Bundespolizeidirektion Graz angehalten.
Am 5. Jänner 1984, um 10. 30 Uhr, führte das BG für Strafsachen Graz zu 5 U 48/84 die Hauptverhandlung in der Strafsache gegen den Bf. wegen §14 Abs2 FrPG (wiederholte verbotene Rückkehr) durch. Der Bf. wurde gemäß §259 Z3 StPO freigesprochen. Dagegen erhob der Staatsanwalt Berufung.
Nach Durchführung der Gerichtsverhandlung wurde der Bf. in das Gebäude der Bundespolizeidirektion Graz zurückgebracht und neuerlich im Gefangenenhaus verwahrt. Unter Hinweis auf das freisprechende Gerichtsurteil forderte er die sofortige Freilassung aus der Schubhaft. Diesem Ansinnen wurde nicht stattgegeben. Vielmehr wurde er um 14.15 Uhr mit einem PKW in Begleitung von Sicherheitsorganen zur deutschen Grenze gebracht und um 18.20 Uhr an der Grenzkontrollstelle Salzburg-Saalbrücke der bayrischen Grenzpolizei übergeben.
2. Die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde wendet sich gegen "die Haft nach dem BG-Urteil, die Zwangsmaßnahme der Transportierung von Graz nach Freilassing und die durchgeführte Abschiebung".
Der Bf. erachtet sich durch diese Zwangsmaßnahmen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Der Sache nach beantragt er, diese angenommene Rechtsverletzung kostenpflichtig festzustellen.
3. Die Bundespolizeidirektion Graz als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie begehrt, die Beschwerde zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Außerdem wird der Ersatz der Kosten für die Erstattung einer Gegenschrift beansprucht.
4. Auf die Gegenschrift hat der Bf. repliziert.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der Bf. qualifiziert den angefochtenen Verwaltungsakt als sogenannte "faktische Amtshandlung". Damit ist er nicht im Recht:
Verwaltungsakte, die bloß als Maßnahmen zur Vollstreckung vorangegangener Bescheide anzusehen sind, können nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, als sogenannte "faktische Amtshandlung" gewertet werden; sie können nicht nach Art144 Abs1 B-VG beim VfGH bekämpft werden. Sowohl mit der Schubhaft als auch mit der Abschiebung werden nun vorangegangene Bescheide (mit denen das Aufenthaltsverbot und die Schubhaft verhängt wurden) vollstreckt (vgl. zB den an denselben Bf. ergangenen Beschluß vom 15. März 1984, B600/83-12, und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
Das Urteil des BG für Strafsachen Graz vom 5. Jänner 1984 hat am Rechtsbestand und an der Vollstreckbarkeit des Schubhaftbescheides vom 4. Jänner 1984 nichts geändert.
Der Bf. meint, die Vollstreckbarkeit des Aufenthaltverbotsbescheides sei deshalb weggefallen, weil er "seinerzeit einen Fristerstreckungsantrag gestellt "habe", der lediglich durch einen AVG §57-Bescheid abgewiesen" worden sei; dieser Bescheid sei seinerseits dadurch, daß die Behörde innerhalb der gesetzlichen Frist das Ermittlungsverfahren nicht eingeleitet habe, außer Kraft getreten.
Mit dieser Ansicht ist der Bf. nicht im Recht. Solange kein positiver Bescheid iS des §6 Abs2 leg. cit. ergangen ist, entfaltet nämlich das rechtskräftige Aufenthaltsverbot die im §6 Abs1 FrPG vorgesehenen Rechtswirkungen.
Aus dem Gesagten folgt, daß sich die Beschwerde nur gegen Maßnahmen wendet, die der Vollstreckung vorangegangener Bescheide dienen. Der VfGH ist sohin zur Entscheidung über die gegen die Haft und die Abschiebung gerichtete Beschwerde nicht zuständig.
Die Beschwerde war daher wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
Fremdenpolizei, Verwaltungsvollstreckung, Bescheid Rechtskraft, VfGH / Zuständigkeit, Schubhaft, AufenthaltsverbotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B129.1984Dokumentnummer
JFT_10158997_84B00129_00