TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/5 V1/83

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Veröffentlicht am 05.10.1984
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4005 Prostitution, Sittlichkeitspolizei

Norm

B-VG Art18 Abs2
Oö PolStG §2 Abs3
ProstitutionsV des Gemeinderates der Gemeinde Lenzing vom 14.12.82

Leitsatz

Prostitutionsverordnung Lenzing/OÖ; Individualantrag zulässig; Voraussetzungen des §2 Abs3 Oö. Polizeistrafgesetz LGBl. 36/1979, für die Erlassung einer Durchführungsverordnung gegeben; keine Gesetzwidrigkeit der V

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Gemeinde Lenzing/OÖ hat am 14. Dezember 1982 nachstehende "Verordnung betreffend das Verbot der Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken" beschlossen:

"Aufgrund des §2 Abs3 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979, wird verordnet:

§1

Die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken im Hause Kraimsthalstraße Nr. 1, in der Gemeinde Lenzing, ist verboten.

§2

Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 50.000,- zu bestrafen.

§3

Diese Verordnung tritt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."

Dieser Beschluß wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel in der Zeit vom 27. Dezember 1982 bis 13. Jänner 1983 kundgemacht.

2. Den Antragsausführungen ist zu entnehmen, daß die Antragstellerin in dem von ihnen gemieteten Haus Lenzing, Kraimsthalstraße Nr. 1, zumindest bis zum Inkrafttreten der zitierten V der Prostitution nachgegangen seien. Durch den Gemeinderatsbeschluß werde ihnen die Ausübung der Prostitution verboten, weshalb sie durch die V unmittelbar in ihren Rechten verletzt seien.

Die Antragstellerinnen begehren mit der auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Eingabe, die zitierte V zur Gänze aufzuheben.

3. Die Oö. Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Lenzing haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Rechtmäßigkeit der angefochtenen V verteidigen, und begehren, dem Antrag keine Folge zu geben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Der bekämpfte Beschluß des Gemeinderates der Gemeinde Lenzing vom 14. Dezember 1982 (im folgenden kurz: PrV Lenzing) ist eine V (vgl. zB VfSlg. 9253/1981, Punkt II.1.).

b) Die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist gegeben, da die bekämpfte V für die Antragstellerinnen nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (vgl. zB VfSlg. 9253/1981, Punkt II.2.).

c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Individualantrag zulässig.

2. a) Die PrV Lenzing wird auf §2 Abs3 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. 36/1979, (im folgenden kurz: Oö. PolStG) gestützt.

Diese Gesetzesbestimmung lautet:

"Die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken kann von der Gemeinde für den Bereich bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden durch Verordnung untersagt werden, wenn durch diese Tätigkeit die Nachbarschaft unzumutbar belästigt, das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes, verletzt werden. Wer einem solchen Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung."

Dem §10 Abs1 litb Oö. PolStG zufolge sind Verwaltungsübertretungen gemäß §2 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser, mit Geldstrafe bis 50.000 S zu ahnden.

b) Die Antragstellerinnen begründen ihre Behauptung, die PrV Lenzing sei rechtswidrig, damit, daß die Voraussetzungen nach §2 Abs3 Oö. PolStG für die Verordnungserlassung nicht vorgelegen seien, zumal das Haus mehrere hundert Meter von Wohnhäusern entfernt liege. Die Behörde habe überhaupt nicht untersucht, ob die vom Gesetz verlangten Umstände gegeben gewesen seien.

c) Diese Bedenken treffen nicht zu: Dem Gemeinderat der Gemeinde Lenzing lag bei Beschlußfassung über die bekämpfte V ein Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Lenzing vom 15. Oktober 1982 vor, aus dem hervorgeht, daß es seit der am 15. Feber 1982 erfolgten Eröffnung des Prostituiertenlokals "Royal" in Lenzing, Kraimsthalstraße Nr. 1, iZm. der Ausübung der Prostitution und dem damit verbundenen Zuhälterwesen zu zahlreichen, konkret bezeichneten, gerichtlich strafbaren Gewaltakten gekommen ist. Aber auch später wiederholten sich den Berichten des GPK Lenzing vom 5. Feber und 22. März 1983 zufolge gehäuft derartige Vorfälle.

In der Äußerung der Oö. Landesregierung und des Gemeinderates der Gemeinde Lenzing wird darauf hingewiesen, es entspreche nicht den Tatsachen, daß das Haus Kraimsthalstraße 1 "mehrere hundert Meter von Wohnhäusern entfernt liegt". Etwa 25 Meter vom Eingang des Hauses Royal entfernt befinde sich der Eingang eines Wohn- und Geschäftshauses (Atterseestraße 16) und etwa 35 Meter weiter lägen die ersten Wohnobjekte der Bahnhofstraße, denen sich eine ganze Ortschaft mit etwa 20 Objekten anschließe. Dies wird durch vorgelegte Pläne unter Beweis gestellt.

Aufgrund dieses Sachverhaltes konnte die Behörde mit Recht annehmen, daß durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution in Lenzing, Kraimsthalstraße 1, verbunden sind, zumindest die Nachbarschaft unzumutbar belästigt wird und öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, verletzt werden.

Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Durchführungsverordnung nach §2 Abs3 Oö. PolStG lagen sohin vor.

d) Die von den Antragstellerinnen vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu.

Der Antrag war daher abzuweisen.

Schlagworte

Prostitution, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:V1.1983

Dokumentnummer

JFT_10158995_83V00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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