TE Vfgh Beschluss 1984/10/5 G83/84

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Veröffentlicht am 05.10.1984
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
EStG 1972 §25 Abs1 Z3
EStG 1972 §67 Abs8
EStG 1972 §67 Abs10

Leitsatz

B-VG Art140 Abs1; amtswegige Prüfung des §67 Abs8 EStG 1972; Wegfall der Präjudizialität dieser Bestimmung nach Aufhebung des §25 Abs1 Z3 EStG 1972

Spruch

Das Gesetzesprüfungsverfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

1. Beim VfGH ist zu Z B629/80 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (FLD) vom 15. September 1980 anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Der Bf. ist der Sohn des am 25. Feber 1975 verstorbenen P G, der im Zeitpunkt des Todes Pensionsbezieher der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (PVAng) war.

Auf seinen am 25. März 1975 gestellten Antrag wurde dem Bf. mit Bescheid der PVAng vom 26. Feber 1979 eine Waisenpension für den Zeitraum vom 25. Feber 1975 bis 30. April 1977 zuerkannt. Ihre Höhe betrug im Jahre 1975 monatlich 1738,80 S, im Jahre 1976 monatlich 1938,80 S und im Jahre 1977 monatlich 2074,50 S.

Der aufgrund dieses Bescheides gebührende Pensionsrückstand betrug 56654,60 S. Er wurde von der PVAng nach §67 Abs10 EStG 1972 versteuert. Die PVAng behielt einen Betrag von 25710,20 S an Lohnsteuer ein und führte ihn dem Finanzamt für Körperschaften ab. Die Differenz von 30944,40 S wurde dem Bf. am 6. März 1979 ausbezahlt.

Am 14. März 1979 beantragte der Bf. beim Finanzamt für Körperschaften die Rückerstattung dieser - seiner Meinung nach zu Unrecht einbehaltenen - Lohnsteuer. Er begründete dies damit, daß dann, wenn die Waisenrente laufend ausbezahlt worden wäre, er überhaupt keine oder eine wesentlich geringere Lohnsteuer zu entrichten gehabt hätte.

Mit dem oben erwähnten Bescheid der FLD vom 15. September 1980 wurde dieser Rückerstattungsantrag abgewiesen.

Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß gemäß §240 Abs3 BAO nur unrichtig einbehaltene Lohnsteuer rückzuerstatten sei. Die PVAng habe aber die Versteuerung der nachgezahlten Waisenpension richtig vorgenommen, sodaß eine Rückerstattung nicht in Betracht komme: Die Pensionsnachzahlung für abgelaufene Kalenderjahre stelle Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß §25 Abs1 Z3 EStG 1972 dar, die wegen des von der PVAng abzuführenden Verwaltungsverfahrens erst später habe ausbezahlt werden können. Zum Zeitpunkt der Auszahlung sei der Bf. nicht im Genuß einer laufenden Pensionszahlung gestanden, sodaß bei der Steuerbemessung §67 Abs8 ESTG 1972 nicht - wie vom Bf. begehrt - habe angewendet werden können; vielmehr sei der gesamte Nachzahlungsbetrag gemäß §67 Abs10 EStG 1972 wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern gewesen.

2. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §67 Abs8 EStG 1972, BGBl. 440, idF der EStG-Nov. 1974, BGBl. 469, von Amts wegen zu prüfen.

Der VfGH ist im Einleitungsbeschluß vorläufig davon ausgegangen, daß die Beschwerde zulässig und daß bei Entscheidung über sie der §67 Abs8 EStG 1972 zur Gänze anzuwenden, sohin präjudiziell sei.

Diese vorläufige Annahme hat sich als unzutreffend herausgestellt:

a) der VfGH hat aus Anlaß einer anderen Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG vom Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs1 Z3 EStG 1972 eingeleitet und diese Gesetzesstelle mit dem Erk. G101/84 vom 30. Juni 1984 als verfassungswidrig aufgehoben.

Nach §25 Abs1 EStG 1972 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) ua. alle Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren (privat- oder öffentlich-rechtlichen) Dienstverhältnis (Z1) und Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung (Z3).

Der VfGH hat zwar aus Anlaß der zu B629/80 geführten Beschwerde kein amtswegiges Verfahren zur Prüfung des §25 Abs1 Z3 EStG 1972 eingeleitet. Dieses Beschwerdeverfahren war aber zum Zeitpunkt der Ausschreibung der Verhandlung in dem zu G101/84 geführten Gesetzesprüfungsverfahren, das zur Aufhebung dieser Gesetzesbestimmung führte, bereits anhängig. Dieses Beschwerdeverfahren ist daher als Anlaßfall iS des Art140 Abs7 B-VG zu qualifizieren (s. VfSlg. 10067/1984).

Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, bewirkt die Aufhebung einer Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig für den Anlaßfall, daß sie auf ihn nicht mehr anzuwenden ist. Die Beschwerdesache ist daher so zu beurteilen, als ob die aufgehobene Gesetzesstelle bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches und demnach auch in dem der Erlassung des angefochtenen, über die begehrte Rückzahlung der Abgabe absprechenden Bescheides nicht mehr dem Rechtsbestand angehört hätte.

b) Im Anlaßbeschwerdeverfahren B629/80 hat sohin der VfGH die die Steuerpflicht für Pensionen (darunter auch Waisenrenten) begründende Vorschrift des §25 Abs1 Z3 EStG 1972 nicht (mehr) anzuwenden.

Daraus wiederum ergibt sich für den Anlaßfall, daß die Waisenrente nicht der Einkommensteuerpflicht unterliegt, sodaß sich dem VfGH bei Entscheidung über die Anlaßbeschwerde die Frage, welcher Steuersatz (nämlich jener nach §67 Abs8 oder jener nach §67 Abs10 EStG 1972) gilt, nicht (mehr) stellt. Der VfGH hat also im Anlaßbeschwerdeverfahren §67 Abs8 EStG 1972 anzuwenden; diese Bestimmung ist nicht präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1

B-VG.

c) Das Gesetzesprüfungsverfahren war aus diesem Grunde einzustellen.

Schlagworte

VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Präjudizialität, Einkommensteuer, Einkunftsarten Arbeit nichtselbständige, Renten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:G83.1984

Dokumentnummer

JFT_10158995_84G00083_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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