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L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Prostitutionsverordnung Freistadt; Individualantrag zulässig; Voraussetzungen des §2 Abs3 Oö. Polizeistrafgesetz für die Erlassung einer Durchführungsverordnung gegeben; Strafbestimmung in §10 Abs1 litb leg. cit. gedeckt; keine Gesetzwidrigkeit der VSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Freistadt/OÖ hat am 29. November 1982 folgende V "betreffend das Verbot der Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken" (im folgenden kurz: "PrV Freistadt") beschlossen:
"Auf Grund des §2 Abs3 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 36/1979, wird verordnet:
§1
Die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken im Hause Freistadt, Heiligengeistgasse 6, ist verboten.
§2
Wer diesem Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50000 S zu bestrafen.
§3
Diese Verordnung tritt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."
Dieser Beschluß wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel in der Zeit vom 30. November bis 15. Dezember 1982 kundgemacht.
2. Die Antragstellerin bringt vor, bis 14. Dezember 1982 in dem von ihr gemieteten Haus Freistadt, Heiligengeistgasse 6, die Prostitution ausgeübt zu haben. Durch den erwähnten Gemeinderatsbeschluß werde ihr die Ausübung der Prostitution verboten, weshalb sie durch die V unmittelbar in ihren Rechten verletzt sei.
Die Einschreiterin begehrt mit der vorliegenden, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Eingabe, die zitierte V zur Gänze aufzuheben.
3. Die Oö. Landesregierung und der Gemeinderat der Stadtgemeinde Freistadt haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Gesetzmäßigkeit der bekämpften V verteidigen, und begehren, dem Antrag keine Folge zu geben.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der angefochtene Beschluß des Gemeinderates der Stadtgemeinde Freistadt vom 29. November 1982 ist eine V (vgl. zB VfSlg. 9253/1981, Punkt II.1.).
b) Die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG ist gegeben, da die bekämpfte V für die Antragstellerin nicht bloß behaupteterweise, sondern tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist (vgl. zB VfSlg. 9253/1981, Punkt II.2.).
Die Oö. Landesregierung und die Stadtgemeinde Freistadt weisen in ihren Äußerungen darauf hin, daß auf S 1 des Antrages B W als Bf. (richtig: Antragstellerin) aufscheint, während auf S 4 die Eingabe maschinschriftlich mit "I M" gefertigt ist. Worauf immer diese Ausführungen hinauslaufen sollen, gehen sie ins Leere. Es handelt sich nämlich hier offenkundig um einen Schreibfehler des einschreitenden Rechtsvertreters; daß B W als Antragstellerin auftritt, geht schon daraus hervor, daß die vorgelegte Vollmacht von ihr unterschrieben ist und ein vom Antragsvertreter schriftlich mit "I M" gefertigt ist. Worauf immer diese Ausführungen hinauslaufen sollen, gehen sie ins Leere. Es handelt sich nämlich hier offenkundig um einen Schreibfehler des einschreitenden Rechtsvertreters; daß B W als Antragstellerin auftritt, geht schon daraus hervor, daß die vorgelegte Vollmacht von ihr unterschrieben ist und ein vom Antragsvertreter eingebrachter ergänzender Schriftsatz in dieser Rechtssache eindeutig in ihrem Namen vorgelegt wurde.
c) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. a) Die PrV Freistadt wird auf §2 Abs3 des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl. 36/1979, (im folgenden kurz: Oö. PolStG) gestützt.
Diese Gesetzesbestimmung lautet:
"Die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken kann von der Gemeinde für den Bereich bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden durch Verordnung untersagt werden, wenn durch diese Tätigkeit die Nachbarschaft unzumutbar belästigt, das örtliche Gemeinschaftsleben gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes, verletzt werden. Wer einem solchen Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung."
b) Die Antragstellerin begründet ihre Behauptung, die PrV Freistadt sei rechtswidrig, damit, daß die im §2 Abs3 Oö. PolStG umschriebenen Voraussetzungen für die Verordnungserlassung nicht gegeben gewesen seien und §2 der V im §2 Abs3 Oö. PolStG keine Deckung finde.
c) Diese Bedenken treffen nicht zu:
aa) Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt, wie er in der Äußerung der Stadtgemeinde Freistadt zusammengefaßt dargestellt wird:
...
Aufgrund dieses Sachverhaltes konnte die Behörde mit Recht annehmen, daß durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution in Freistadt, Heiligengeistgasse Nr. 6, verbunden sind, zumindest die Nachbarschaft unzumutbar belästigt wird und Interessen des Jugendschutzes verletzt werden, dies unabhängig davon, wer dort der Prostitution nachgeht.
Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Durchführungsverordnung nach §2 Abs3 Oö. PolStG lagen daher vor.
bb) Auch der Vorwurf der Antragstellerin, die Strafbestimmung des §2 der PrV Freistadt sei durch §2 Abs3 Oö. PolStG nicht gedeckt, trifft nicht zu. Diese Bestimmung wiederholt nur ohne eigene normative Wirkung den Inhalt der Strafbestimmung des §10 Abs1 litb Oö. PolStG, wonach Verwaltungsübertretungen gemäß §2 des Gesetzes von der Bezirksverwaltungsbehörde (im Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde von dieser) mit Geldstrafe bis 50000 S zu ahnden sind (vgl. zB VfSlg. 8602/1979).
d) Die von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu.
Der Antrag war daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Prostitution, VfGH / Formerfordernisse, Polizeirecht, Sittlichkeitspolizei, Verordnung (Gemeinde-), Zuständigkeit VerwaltungsstrafrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:V106.1982Dokumentnummer
JFT_10158995_82V00106_00