TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/8 B432/79

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Veröffentlicht am 08.10.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

StGG Art5
Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Reichenau an der Rax vom 21.10.76
Nö ROG 1976 §14

Leitsatz

Nö. Raumordnungsgesetz 1976; keine Bedenken gegen die Widmung bestimmter Grundstücke als "Grünland" im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Reichenau an der Rax; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die auf diese Widmung gestützte Versagung einer Baubewilligung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. 1. Mit den Bescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde Reichenau an der Rax vom 20. August 1959, vom 4. Dezember 1959, vom 13. Feber 1964 und vom 21. Juli 1964 wurde der Bf. die Teilung verschiedener in ihrem Eigentum stehender Grundstücke der KG Grünsting und Reichenau gemäß §§6 bis 14 Nö. Bauordnung (Nö. BauO), LGBl. 36/1883, idF LGBl. 131/1955 unter verschiedenen Bedingungen bewilligt, wobei jedoch jeweils angeführt wurde, daß die baubehördliche Genehmigung der Teilung der Grundstücke weder ein Recht auf die Erteilung der Baubewilligung noch für die Bauausführung selbst gibt. Mit der Bauausführung dürfe erst nach Rechtskraft der Baubewilligung begonnen werden. Zum Teil wurde auch angeführt, daß vor jedem Bauvorhaben gemäß §13 Abs2 Nö. Naturschutzgesetz, LGBl. 40/1952, die Zustimmung der Naturschutzbehörde einzuholen sei.

1.2. Mit V des Gemeinderates der Marktgemeinde Reichenau an der Rax vom 21. Oktober 1976, aufsichtsbehördlich von der Nö. Landesregierung mit Bescheid vom 26. Jänner 1977 gemäß §17 Abs4 Nö. Raumordnungsgesetz 1974 (Nö. ROG), LGBl. 8000-0, genehmigt, kundgemacht an der Amtstafel der Marktgemeinde Reichenau an der Rax vom 3. Feber bis zum 17. Feber 1977, wurde der Flächenwidmungsplan für die Marktgemeinde Reichenau an der Rax erlassen und hiebei die der Bf. eigentümlichen, in der Hinterleiten gelegenen Grundstücke, insbesondere aber die hier in Betracht kommende Grundparzelle .../14 KG Grünsting, als Grünland ausgewiesen. Dem Bericht zum Flächenwidmungsplan ist zu entnehmen, daß im Ortsteil Reichenau 49,80 ha bereits bebaut, 20,11 ha aufgeschlossen, 10,97 ha als zu erschließen, daher 80,88 ha als Wohngebiet ausgewiesen sind. Weiters wurde ausgeführt, die Widmung als Grünland habe sich fast ausschließlich an den Bestand gehalten. Durch sparsame Baulandwidmung soll möglichst viel Grünland erhalten werden, zumal das gesamte Gemeindegebiet unter Landschaftsschutz stehe und ein großer Teil als Wasserschutzgebiet erklärt worden sei. Vor der Erlassung des Flächenwidmungsplanes hatte der Bürgermeister der Gemeinde kundgemacht, der Gemeinderat beabsichtige, für das gesamte Gemeindegebiet einen Flächenwidmungsplan zu erlassen. Der Entwurf werde gemäß §17 Abs1 Nö. ROG, LGBl. 275/1968, durch acht Wochen, in der Zeit vom 3. Feber bis 1. April 1975, im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Jedermann sei berechtigt, innerhalb dieser Frist zum Entwurf schriftlich Stellung zu nehmen. Die Bf. machte von dieser gebotenen Möglichkeit keinen Gebrauch. In den Stellungnahmen anderer Grundstückseigentümer wurde hauptsächlich die Ausweisung von Grundstücken als Bauland anstatt als Grünland begehrt. Diesen Stellungnahmen wurde vom Gemeinderat im beschlossenen Flächenwidmungsplan nicht Rechnung getragen.

1.3. Am 20. März 1979 beantragte die Bf. bei der Marktgemeinde Reichenau an der Rax die Genehmigung für den Bau eines Wochenendhauses entsprechend den eingereichten Plänen auf der Grundparzelle .../14 KG Grünsting. Der Bürgermeister der Marktgemeinde Reichenau an der Rax als Baubehörde erster Instanz wies mit Bescheid vom 29. März 1979 den Antrag gemäß §98 Abs2 Nö. BauO 1976, LGBl. 8200-0, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Begründung ab, daß das genannte Grundstück im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Grünland ausgewiesen sei. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Reichenau an der Rax gab mit Bescheid vom 2. Juli 1979 der hiegegen erhobenen Berufung der Bf. nicht Folge. In der Begründung des Bescheides wurde ua. ausgeführt, das von der Bf. bezogene Schreiben des Amtes der Nö. Landesregierung vom 12. November 1971, welches das Ersuchen enthielt, die vom Bundesministerium für Bauten und Technik mit Schreiben vom 11. Oktober 1971 genehmigte Trasse nach Variante 1 des generellen Projektes der Höllentalstraße B 27, Abschn. "Reichenau-Gloggnitz", von Verbauungen freizuhalten, sowie ein weiteres Schreiben des Amtes der Nö. Landesregierung vom 30. April 1973 mit dem Ersuchen, die genehmigte Trasse bei Erstellung bzw. Ausarbeitung des Flächenwidmungsplanes zu berücksichtigen, lägen wohl vor, seien aber für die Widmung der Grundstücke in der sogenannten Kletschkagasse als Grünland nicht von Bedeutung gewesen. Ausschlaggebend seien vor allem die Bestimmungen der Nö. BauO und des Nö. ROG, wie zB über die Bildung eines geschlossenen Baugebietes, gewesen. Die in Rede stehenden Grundstücke seien vom Bauland am Rande des Ortsgebietes mindestens 500 m entfernt und nur über eine schmale, am Anfang sehr steile Zufahrt erreichbar, wobei ein Ausbau aufeinen zweispurigen Fahrweg fast außer Diskussion stehe. Ein weiteres Kriterium sei die fehlende Wasserversorgung, die von der Gemeinde nicht sichergestellt werden könne, da sich die Möglichkeiten im Laufe der Jahre durch die Bautätigkeit im Ortskern entscheidendverändert hätten. Schließlich habe die Gemeinde auch die Zustimmung des Naturschutzkonsulenten zum Flächenwidmungsplan erlangen müssen, da das gesamte Gemeindegebiet im Landschaftsschutzgebiet Rax-Schneeberg gelegen sei. Den Argumenten und Auflagen des Naturschutzkonsulenten, wie etwa die abseitige Lage und die nicht entsprechende Zufahrt, habe von der Gemeinde vollinhaltlich Rechnung getragen werden müssen.

1.4. Die gegen diesen Bescheid von der Bf. erhobene Vorstellung wies die Nö. Landesregierung mit Bescheid vom 24. August 1979, Z II/2-V-79176, gemäß §61 Abs3 Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2, als unbegründet ab. In der Begründung des Bescheides wurde ua. darauf hingewiesen, daß der Flächenwidmungsplan als V den Bürgermeister und den Gemeinderat bei allen Entscheidungen nach der Nö. BauO 1976 binde. Diese Bindung bestehe auch für die Landesregierung als Aufsichtsbehörde. Für letztere sei die Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes mit der Erlassung des Bescheides, mit dem der Plan aufsichtsbehördlich genehmigt worden sei, abgeschlossen. Die Abweisung des Bauansuchens sei aufgrund der Widmung des Grundstückes als Grünland im Flächenwidmungsplan gemäß §98 Abs2 Nö. BauO und iS des §19 Abs4 Nö. ROG 1976, LGBl. 8000-1, erfolgt, weswegen spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid der Nö. Landesregierung richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Bf. die Einleitung eines Verfahrens gemäß Art139 B-VG zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes, allenfalls auch des "Ersuchschreibens" des Amtes der Nö. Landesregierung vom 12. November 1971 und des "Erlasses" derselben Behörde vom 30. April 1973, sofern diese Äußerungen ebenfalls als V aufzufassen seien, begehrt und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und wegen Anwendung gesetzwidriger V kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie Abweisung der Beschwerde beantragte.

4. Auch die Marktgemeinde Reichenau an der Rax erstattete durch ihren Bürgermeister eine Gegenschrift, in der sie ausführte, daß die Beschwerde unbegründet sei.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein (VfSlg. 8281/1978). Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

1.2. Die Bf. äußert gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Vorschriften keine Bedenken. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles weder gegen den Flächenwidmungsplan noch gegen die diesem zugrunde liegenden Bestimmungen des Nö. ROG 1976 Bedenken. (Da der Flächenwidmungsplan zusammen mit dem Nö. ROG 1976 wirksam wurde, ist er an den Bestimmungen des Nö. ROG 1976 zu messen.)

1.3. Die Bf. äußert hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes deshalb Bedenken, weil sich nach ihrer Ansicht die Gemeindeorgane bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes - sei es in Verkennung des Wesens der Gemeindeautonomie, sei es wegen der Verfolgung von Interessen, die sie "beiseite zu lassen gehabt hätten" - an die angeführten Schreiben vom 12. November 1971 und vom 30. April 1973 gebunden glaubten. Das Zusammenwirken der Gemeindebehörden und der Organe der Bundesstraßenverwaltung bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes sei aber auch deshalb gesetzwidrig, weil es sich als Umgehung der strengen Bestimmungen des §14 Bundesstraßengesetz 1971 darstelle. Nach Abs1 dieser Gesetzesstelle dürfe eine V (betreffend den Verlauf einer Bundesstraße) vom Bundesminister für Bauten und Technik nur dann erlassen werden, wenn mit der Bestimmung des Straßenverlaufes in absehbarer Zeit zu rechnen sei. Die mit einer solchen V verbundenen Rechtsfolgen seien gemäß §14 Abs4 des angeführten Bundesgesetzes auf die Dauer von drei Jahren beschränkt, wenn nicht bis dahin die Bestimmung des Straßenverlaufes durch eine weitere V erfolge. Das Bundesministerium für Bauten und Technik habe im Beschwerdefall eine solche V nicht erlassen. Aber auch die weiteren Gründe, die der Gemeinderat der Marktgemeinde Reichenau an der Rax im Bescheid vom 2. Juli 1979 für die Grünlandwidmung ins Treffen geführt habe, lägen in Wahrheit nicht vor. An den örtlichen Gegebenheiten habe sich seit der Genehmigung der von der Bf. im Jahre 1962 eingereichten und erwirkten Grundabteilung nichts geändert. Richtig sei, daß die Liegenschaft nicht unmittelbar im dicht verbauten Ortsgebiet liege. In unmittelbarer Nähe des von der Bf. in Aussicht genommenen Bauplatzes seien aber mehrere Gebäude errichtet, sodaß die lockere Verbauung der Liegenschaft EZ ... KG Grünsting als Ergänzung des bereits vorhandenen Baubestandes zu betrachten wäre. Die Ausschließung und Wasserversorgung wäre unschwer möglich. Daß die Liegenschaft im Landschaftsschutzgebiet Rax-Schneeberg liege, sei kein Grund, sie als Grünland zu widmen. Im Hinblick auf den vorhandenen Baubestand stünden Bedenken des Landschaftsschutzes einer Verbauung nicht entgegen.

Wie dem unter I.1.2. angeführten Sachverhalt zu entnehmen ist, stützte sich der Gemeinderat der Marktgemeinde Reichenau an der Rax bei der Grünlandwidmung überhaupt nicht auf eine von der Bundesstraßenverwaltung vorgesehene Bundesstraße, die die Grundstücke der Bf. durchschneiden würde, sondern führte ins Treffen, daß im Ortsteil Reichenau der Gemeinde bereits 49,80 ha bebaut, 20,11 ha aufgeschlossen und 10,97 ha als zu erschließendes Bauland ausgewiesen seien. Die Widmung im Flächenwidmungsplan habe sich fast ausschließlich an diesen Bestand gehalten. Durch sparsame Baulandwidmung soll möglichst viel Grünland erhalten werden, zumal das gesamte Gemeindegebiet unter Landschaftsschutz stehe. Diese zwar knappe, aber durchaus einleuchtende Begründung für die sparsame Widmung der Flächen des Gemeindegebietes als Bauland entspricht durchaus den Bestimmungen des Nö. ROG 1976, insbesondere des §14 Abs1 und 2 Z1. Dem Vorbringen der Bf. ist entgegenzuhalten, daß vor dem Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes für den hier in Betracht kommenden Bereich keine Widmung als Bauland bestanden hat. Sie bestreitet die Feststellung der Gemeinde nicht, daß ihre Grundstücke etwa 500 m vom verbauten Gebiet entfernt liegen. Daher ist die Widmung der Grundstücke als Grünland, die im Flächenwidmungsplan vorgenommen wurde, durchaus gesetzeskonform. Dem Umstand, daß auch schon in dieser Gegend, wie sich die Bf. ausdrückt, eine "lockere Verbauung" stattgefunden hat, kommt hingegen kein wesentliche Bedeutung zu. Hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes der Marktgemeinde Reichenau an der Rax vom 21. Oktober 1976, in Kraft getreten am 18. Feber 1977, bestehen daher unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken. Aus dem Vorhergegangenen ist ersichtlich, daß sich der Gemeinderat der Marktgemeinde Reichenau an der Rax entgegen der Auffassung der Bf. an die Schreiben vom 12. November 1971 und vom 30. April 1973 nicht gebunden erachtet hat. Die hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes von der Bf. vorgebrachten Bedenken haben sich daher als unberechtigt erwiesen.

1.4. Da die Bf. die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums ausschließlich auf die Anwednung gesetzwidriger V stützt, liegt demnach die geltend gemachte Verletzung dieses Rechtes nicht vor.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. durch den angefochenen Bescheid in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.

3. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B432.1979

Dokumentnummer

JFT_10158992_79B00432_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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