TE Vfgh Beschluss 1984/10/8 B619/84

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Veröffentlicht am 08.10.1984
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Allg
B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung
StPO §183 Abs1
StVG §120ff
VfGG §19 Abs3 Z2 lita
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

B-VG Art144 Abs1; keine Zuständigkeit des VfGH zur Überprüfung der Verweigerung der Akteneinsicht durch Justizverwaltungsorgane StVG; Geltung der Bestimmungen über Beschwerderecht und Instanzenzug gemäß §§120 ff. auch für Untersuchungshäftlinge; daher Nichterschöpfung des Instanzenzuges bei Beschwerde gegen Verhalten von Organen der Gefangenenhausverwaltung

Spruch

1. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. 1. Der Bf. befindet sich seit 4. April 1984 in Untersuchungshaft des Kreisgerichtes Wels.

Mit der vorliegenden Eingabe führt der Einschreiter dagegen Beschwerde, daß ihm vom Untersuchungsrichter Akteneinsicht in seinen Strafakt nur teilweise gewährt und sein Antrag auf Herstellung einer vollständigen Aktenkopie abgewiesen worden sei. Als weiterer Beschwerdepunkt wird vorgebracht, daß ihm von der Gefangenenhausverwaltung verweigert werde, mit seinem Verteidiger ohne Anwesenheit einer Aufsichtsperson Rücksprache zu nehmen, obwohl der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr nicht vorliege und ihm der Untersuchungsrichter die Erlaubnis hiezu erteilt habe; seine Beschwerden dagegen seien mit der Begründung zurückgewiesen worden, die Anwesenheit von Wachebeamten diene dem Schutze der Besucher und Anwälte vor Angriffen durch die Häftlinge, Wachebeamte seien keine Gerichtspersonen, die Vorgangsweise finde in den Verwaltungsvorschriften für Gefangenenhäuser Deckung.

Der Bf. beantragt festzustellen, daß er durch "die Verweigerung der Akteneinsicht in den Strafakt ..., durch die Verweigerung der Herstellung einer kostenlosen vollständigen Aktenabschrift für seinen gemäß §41 Abs2 StPO bestellten Verteidiger sowie durch die Verweigerung einer Besprechung mit seinem Verteidiger unter vier Augen und Ohren, also ohne die Möglichkeit, das Gespräch durch Sichtkontakt und Abhörmöglichkeiten zu überwachen, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten gemäß Art5 und 6 MRK sowie Art2 StGG verletzt wurde."

1.2. Der Bf. beantragt weiters, ihm für das Beschwerdeverfahren die Verfahrenshilfe zu bewilligen.

2.1. Die Beschwerde gegen die Verweigerung der Akteneinsicht und der Herstellung einer kostenlosen vollständigen Aktenabschrift richtet sich gegen Verhaltensweisen von Organen der Justizverwaltung, die auf Anordnungen des Untersuchungsrichters in Ausübung richterlicher Tätigkeit beruhen; die bekämpften Akte sind demnach der Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Weder Art144 noch eine sonstige Vorschrift räumt dem VfGH die Befugnis ein, Akte der Gerichtsbarkeit zu überprüfen. Insofern ist die Beschwerde schon aus diesem Grunde unzulässig.

2.2. Der Einschreiter führt weiters Beschwerde an den VfGH, weil ihm eine Rücksprache mit seinem Verteidiger "unter vier Augen" verweigert worden sei; das bekämpfte Verhalten sei von Sicherheitsorganen gesetzt worden, obwohl ihm vom Untersuchungsrichter die Erlaubnis erteilt worden sei, mit seinem Verteidiger ohne Anwesenheit einer Gerichtsperson zu sprechen. Die Beschwerde richtet sich insofern somit gegen das Verhalten von Organen der Gefangenenhausverwaltung und damit gegen Verwaltungsakte.

Gemäß Art144 Abs1 letzter Satz B-VG kann Beschwerde an den VfGH erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden, sofern ein solcher in Betracht kommt. Nach §183 Abs1 StPO sind die Bestimmungen des StVG über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit 1 Jahr nicht übersteigt, dem Sinn nach auf die Anhaltung in der Untersuchungshaft anzuwenden. Demgemäß ist auch Untersuchungshäftlingen ein Beschwerderecht entsprechend den Bestimmungen der §§120 ff. StVG eingeräumt. Eine Beschwerde an den VfGH ist damit erst nach Ausschöpfung des nach den genannten Bestimmungen eingeräumten Instanzenzuges und nur gegen die letztinstanzliche Entscheidung zulässig. Da sich die vorliegende Beschwerde nicht gegen einen solchen letztinstanzlichen Bescheid, sondern ausdrücklich gegen eine Maßnahme richtet, die tauglicher Gegenstand einer Administrativbeschwerde ist - die, wie der Bf. ausführt, tatsächlich erhoben wurde -, ist die vorliegende Beschwerde auch insofern unzulässig.

3. Im Hinblick auf die vorangehenden Ausführungen war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen offenbarer Aussichtslosigkeit gemäß §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VerfGG) in nichtöffentlicher Sitzung (§72 Abs1 ZPO, §35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.

4. Infolge Unzuständigkeit des VfGH war daher die Eingabe gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Zuständigkeit, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Strafvollzug, Beschwerderecht Strafvollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B619.1984

Dokumentnummer

JFT_10158992_84B00619_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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