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92 LuftverkehrLeitsatz
Luftfahrtgesetz; keine Beschränkung der Verläßlichkeitsprüfung iS des §32 iVm. §7 Zivilluftfahrt-Personalverordnung auf die Wahrnehmung von Zuwiderhandlungen gegen luftfahrtrechtliche Vorschriften; Bedachtnahme auf Verstöße gegen Verkehrsvorschriften in §7 dieser V daher zulässigSpruch
Den Anträgen wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die im folgenden darzustellenden beiden Beschwerdeverfahren beim VwGH und dessen Verordnungsprüfungsanträge nehmen auf den mit "Verläßlichkeit" überschriebenen §32 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. 253/1957, (im folgenden: LFG) und den unter der gleichen Überschrift stehenden §7 der Zivilluftfahrt-Personalverordnung (ZLPV), BGBl. 219/1958, Bezug, die nachstehenden Wortlaut haben:
"Ein Bewerber um einen Zivilluftfahrerschein ist dann als verläßlich anzusehen (§30 Abs1 litb), wenn aufgrund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, daß er den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen wird."
§7 ZLPV:
"(1) Als verläßlich im Sinne der §§28, 32 und 51 des Luftfahrtgesetzes ist in der Regel insbesondere nicht anzusehen, wer beschränkt oder voll entmündigt ist, Alkohol oder Suchtgifte mißbraucht oder wer sich einer schweren Zuwiderhandlung oder wiederholter Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- oder Verkehrsvorschriften oder gegen die Vorschriften zum Schutz der körperlichen Sicherheit schuldig gemacht hat.
(2) Bei Vorliegen von Vorstrafen ist auf die seither verstrichene Zeit und auf das Verhalten des Bewerbers während dieser Zeit Bedacht zu nehmen."
2. Die beim VwGH anhängigen beiden Beschwerdeverfahren habe jeweils einen vom Bundesminister für Verkehr im Instanzenzug erlassenen luftfahrtbehördlichen Bescheid zum Gegenstand.
Mit dem einen Bescheid gab der Bundesminister einem Antrag auf Anerkennung eines ausländischen Zivilluftfahrerscheines nach §39 Abs2 LFG keine Folge und verneinte die Verläßlichkeit des Antragstellers unter Bezugnahme auf §32 LFG und §7 ZLPV wegen mehrerer Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes.
Mit dem anderen Bescheid wies der Bundesminister den Antrag auf Ausstellung eines Privatpilotenscheines unter Berufung auf §30 Abs1 litb und §32 LFG iVm. §7 ZLPV ab. Auch hier verneinte der Bundesminister die Verläßlichkeit des Antragstellers wegen mehrerer Übertretungen des Kraftfahrgesetzes sowie einer Überschreitung der im Straßenverkehr zulässigen Höchstgeschwindigkeit; ein Wohlverhalten iS des §7 Abs2 ZLPV liege derzeit nicht vor.
Aus Anlaß dieser Beschwerdeverfahren stellt der VwGH (zu A1/82 und A5/84) die Anträge, die Wendung "oder Verkehrs-" im §7 Abs1 ZLPV als gesetzwidrig aufzuheben. Er geht in den Anträgen davon aus, daß er die bezeichnete Verordnungsstelle bei seiner Entscheidung in der jeweiligen Beschwerdesache anzuwenden hätte, und legt seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit folgendermaßen dar:
"Gemäß §32 LFG ist ein Bewerber um einen Zivilluftfahrerschein dann als verläßlich anzusehen (§30 Abs1 litb), wenn aufgrund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, daß er den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen wird.
Nach Ansicht des VwGH findet die oben genannte Verordnungsstelle deshalb im zitierten Gesetzestext keine Deckung, weil sie nach dem Wortverständnis des Begriffes 'Verkehrsvorschriften' keineswegs nur solche des Luftverkehrs, sondern auch solche des Straßen- und Eisenbahnverkehrs, ja sogar der Schiffahrt umfaßt (vgl. die Wortfolge im Art10 Abs1 Z9 B-VG: 'Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen und der Luftfahrt sowie der Schiffahrt, soweit diese nicht unter Art11 fällt; Kraftfahrwesen ...'). Dieser weite Begriff der Verkehrsvorschriften, der sich nach Ansicht des VwGH nicht aus einer besonders weiten Auslegung durch den Bundesminister für Verkehr ergibt, sondern schon seiner Wortbedeutung entspricht, läßt sich aber nicht mehr auf §32 LFG zurückführen. Diese Gesetzesstelle stellt vielmehr darauf ab, daß aufgrund des bisherigen Verhaltens des Bewerbers anzunehmen sein muß, daß er den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen nachkommen wird. Zu diesen Verpflichtungen gehört aber keineswegs ein rechtmäßiges Verhalten im Straßenverkehr, dessen Mangel dem Beschwerdeführer vom Bundesminister für Verkehr vorgehalten wird.
Daß sich die angefochtene Verordnungsstelle auch nicht auf die Verordnungsermächtigung des §131 LFG stützen kann, hat der VfGH bereits in seinem Erkenntnis vom 30. Juni 1976, Slg. Nr. 7845, ausgesprochen."
3. Der Bundesminister für Verkehr erstattete Äußerungen, in denen er den Standpunkt einnimmt, daß die behauptete Gesetzwidrigkeit nicht vorliege.
II. Der VfGH hat die Anträge, denen Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und hat über sie erwogen:
§32 LFG dient - ebenso wie ähnliche Vorschriften in anderen Verwaltungsgebieten (zB §66 KFG 1967) - dem Zweck, einer bestimmten, infolge ihrer Persönlichkeitsstruktur ungeeigneten Bewerbergruppe die angestrebte Bewilligung von vornherein zu verwehren. Die hiefür in Betracht kommende (trotz der im Gesetz enthaltenen positiven Umschreibung des Kriteriums ("Verläßlichkeit") der Sache nach nur negativ handhabbare) Methode besteht darin, aus verfahrensmäßig erweisbarem früherem Verhalten des Bewilligungswerbers Schlüsse auf das Vorliegen solcher Persönlichkeitsmerkmale zu ziehen, die Pflichtverletzungen bei der Bewilligungsausübung wahrscheinlich machen. Da es um die Feststellung von Persönlichkeitsmerkmalen geht, kommt es bei Schlußfolgerungen aus Zuwiderhandlungen des Bewilligungswerbers gegen Rechtsvorschriften nicht primär darauf an, welcher Rechtsmaterie diese zuzuordnen sind, sondern ob und welche Schlüsse die Zuwiderhandlung ihrem Typus nach auf die Sinnesart des Zuwiderhandelnden zuläßt. Bei Verstößen gegen Verkehrsvorschriften wird es also in erster Linie darauf ankommen, ob aus dem rechtswidrigen Verhalten des Verkehrsteilnehmers - etwa dem Lenken eines Fahrzeuges in alkoholisiertem Zustand oder dem Zuwiderhandeln gegen eine der körperlichen Sicherheit von Personen dienende Verkehrsregel - ein Schluß auf eine verfestigte negative Grundeinstellung gezogen werden kann, und es wird regelmäßig erst in zweiter Linie von Bedeutung sein, in welchem Verkehrsbereich diese Einstellung manifest wird. §32 LFG muß nach Ansicht des VfGH in der eben dargelegten, am Gesetzeszweck orientierten Weise ausgelegt werden; es trifft daher die den Prüfungsanträgen zugrundeliegende Prämisse nicht zu, daß die Verläßlichkeitsprüfung zufolge der Wendung "den aus diesem Bundesgesetz sich ergebenden Verpflichtungen" auf die Wahrnehmung von Zuwiderhandlungen gegen luftfahrtrechtliche Vorschriften beschränkt wäre.
Den Anträgen war sohin keine Folge zu geben.
Schlagworte
Luftfahrt, Kraftfahrrecht, LenkerberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:V4.1982Dokumentnummer
JFT_10158992_82V00004_00