TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/9 V26/79

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Veröffentlicht am 09.10.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsmaßstab
10.8.1976. (bzgl Grundstück Nr 35/9) EZ101. KG Heiligenkreuz.
Nö ROG 1974 §1 Abs3 Z7
Nö ROG 1974 §12 Abs2
Nö ROG 1974 §12 Abs4
Nö ROG 1974 §14 Abs3
Nö ROG 1974 §17 Abs2
Nö ROG 1974 §17 Abs3
Nö ROG 1976 §30 Abs3
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Heiligenkreuz vom 15.12.74 und 25.05.76

Leitsatz

Flächenwidmungsplan der Gemeinde Heiligenkreuz 1976; Individualantrag zulässig; ausreichende Berücksichtigung der von einzelnen Liegenschaftseigentümern iS des §17 Nö. Raumordnungsgesetz 1974 abgegebenen Stellungnahmen; keine inhaltliche Gesetzwidrigkeit der V

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft EZ ... der KG Heiligenkreuz mit dem - ortsüblich "Stiegenwiese" genannten, rund 8000 Quadratmeter großen - Grundstück Nr. ..., das im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Heiligenkreuz (Beschlüsse des Gemeinderates vom 15. Dezember 1974 und 25. Mai 1976) als Grünland gewidmet ist. Sie erachten sich durch diese Widmung in ihrem Recht auf Bebauung des Grundstücks verletzt und stellen unter Berufung auf Art139 Abs1 B-VG den Antrag, den Flächenwidmungsplan insoweit als gesetzwidrig aufzuheben, als dieser die erwähnte Widmung ihres Grundstücks festlegt.

2. Die Nö. Landesregierung und der Gemeinderat der Gemeinde Heiligenkreuz erstatteten Äußerungen, in denen die Abweisung des Antrages begehrt wird.

II. Der Antrag ist zulässig (zu den Prozeßvoraussetzungen eines Antrags des Grundeigentümers auf Aufhebung des Flächenwidmungsplans einer nö. Gemeinde s. zB VfSlg. 8850/1980), aber nicht berechtigt.

1. Vorweg ist festzuhalten, daß infolge der Übergangsbestimmung des §30 Abs3 im Nö. Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. 8000-1, nicht etwa dieses Gesetz, sondern das Nö. Raumordnungsgesetz 1974, LGBl. 8000-0, den Maßstab für die Prüfung des angefochtenen Flächenwidmungsplanes auf seine Gesetzmäßigkeit bildet (s. dazu die insoweit gleichgelagerte Fälle betreffenden Erk. VfSlg. 8463/1978 und 8885/1980). Dies erkennen die Einschreiter, welche das Nö. ROG 1976 (insbesondere dessen angeführte Übergangsvorschrift) überhaupt nicht erwähnen, im Ergebnis richtig und nehmen bei ihren Vorwürfen jeweils auf die entsprechende Stelle des Nö. ROG 1974 Bezug.

2. a) §17 Nö. ROG 1974 bestimmt in seinem Abs2 (ua.), daß jedermann berechtigt ist, innerhalb der Auflegungsfrist zum Entwurf des örtlichen Raumordnungsprogramms schriftlich Stellung zu nehmen. Abs3 dieses Paragraphen lautet:

"(3) Die Beschlußfassung des örtlichen Raumordnungsprogramms obliegt dem Gemeinderat; rechtzeitig abgegebene Stellungnahmen sind hiebei in Erwägung zu ziehen."

Die Antragsteller (welche durch eine rechtzeitig eingebrachte, ausführlich begründete Eingabe des Erstantragstellers, der sich die beiden anderen Antragsteller anschlossen, gegen die in Aussicht genommene Widmung dieses Grundstücks als Grünland ausgesprochen hatten) sind der Ansicht, daß bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes gegen die eben wiedergegebene Vorschrift verstoßen wurde. Sie entnehmen dieser eine Verpflichtung, welche "die Kenntnisnahme eingebrachter Stellungnahmen, die ernstliche Auseinandersetzung mit darin vorgebrachten Ausführungen und Gründen und die Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften bei der schließlichen Behandlung der Einwendungen (bedingt)" und führen (wobei sie sich als "Beschwerdeführer" bezeichnen) zu ihrem Vorwurf im wesentlichen aus:

"Aus den Akten des gegenständlichen Verfahrens der Gemeinde Heiligenkreuz über das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes ist nicht ersichtlich, daß die Stellungnahme der Beschwerdeführer dem Gemeinderat bzw. einzelnen Mitgliedern des Gemeinderates überhaupt zur Kenntnis gebracht worden ist. Nach den Akten hat sich der Gemeinderat bei seiner Beschlußfassung nicht mit den Einwendungen und rechtlichen Bedenken der Beschwerdeführer auseinandergesetzt. Das Problem 'Stiegenwiese' wurde nicht in der Gemeinderatssitzung zur Beschlußfassung über den Flächenwidmungsplan, sondern - wenn überhaupt - nur anläßlich einer Verhandlung zwecks Besprechung des im Entwurf vorliegenden Flächenwidmungsplanes behandelt.

Jedoch wurden auch bei dieser Besprechung weder die rechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführer noch deren Erklärung, daß sie bereit seien, in Zusammenarbeit mit der Gemeinde ihre persönlichen Interessen in dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausmaß zum Wohl der Gemeinschaft einzuschränken, erörtert."

b) Im Hinblick auf dieses Vorbringen ist in sachverhaltsmäßiger Hinsicht aufgrund der dem VfGH vorliegenden Akten zunächst folgendes festzustellen:

Der Bürgermeister der Gemeinde Heiligenkreuz lud am 15. Oktober 1974 die für Raumplanungsangelegenheiten zuständige Abteilung des Amtes der Nö. Landesregierung, den Naturschutzkonsulenten des Gebietsbauamtes, den planverfassenden Architekten sowie sämtliche Mitglieder des Gemeinderates zu einer "Verhandlung über den neuerstellten Flächenwidmungsplan der Gemeinde und über die inzwischen eingelangten Änderungswünsche" für den 25. Oktober 1974. In der über diese "Verhandlung" (zu der ein Vertreter der Abteilung R/2 des Amtes der Nö. Landesregierung, der Naturschutzkonsulent, der Planverfasser sowie zehn Gemeinderatsmitglieder erschienen waren) aufgenommenen Niederschrift ist ua. ausgeführt:

"Nach Durchführung einer Besprechung im Gemeindeamt aufgrund des derzeit gültigen und des im Entwurf vorliegenden neuen Flächenwidmungsplanes, Prüfung der Eingaben (Erinnerungen) und Durchführung von örtlichen Erhebungen in allen Ortsteilen wurden im wesentlichen folgende Vereinbarungen getroffen:

...

Stiegenwiese: Kehre 2 der B 11. Einbeziehung in das Bauland wegen der Sicht auf das Kloster kulturhistorisch, fremdenverkehrsmäßig und naturschutzbehördlich nicht möglich.

..."

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1974 teilte der Bürgermeister den Einschreitern mit:

"Bei der am 25. 10. 1974 in der Gemeindekanzlei durchgeführten Verhandlung zwecks Besprechung des im Entwurf vorgelegten endgültigen Flächenwidmungsplanes wurde im Beisein der erschienenen Gemeindevertreter sowie von Vertretern der Nö. Landesregierung und des Nö. Gebietsbauamtes II wie auch des planverfassenden Architekten über Ihre Anträge vom 14. und 15. 6. 1974, um Umwidmung der Parz. ... der KG Heiligenkreuz in Bauland wie folgt entschieden:

Stiegenwiese: Kehre 2 der B 11. Einbeziehung in das Bauland wegen Sicht auf das Kloster kulturhistorisch, fremdenverkehrsmäßig und naturschutzbehördlich nicht möglich. (Auszug aus der Verhandlungsniederschrift).

Zu diesem Ergebnis kamen die oben angeführten Verhandlungsteilnehmer nach Durchführung eines im Rahmen einer Begehung des Gemeindegebietes erfolgten Ortsaugenscheines (Ihr Antrag vom 16. 9. 1974). Eine mündliche Verhandlung gem. §§40 - 44 AVG 1950 ist in dieser Angelegenheit im Nö. Raumordnungsgesetz 1968 nicht vorgesehen."

Der Flächenwidmungsplan wurde sodann in den Gemeinderatssitzungen vom 15. Dezember 1974 und 25. Mai 1976 behandelt, von denen die erstgenannte die Plandarstellung betraf. Im Protokoll über diese Gemeinderatssitzung ist die Behandlung des Tagesordnungspunktes "Beschlußfassung des Flächenwidmungsplanes gem. Nö. Bauordnung" folgendermaßen dargestellt:

"Herr Bürgermeister berichtet, daß nunmehr der Flächenwidmungsplan für das gesamte Gemeindegebiet fertiggestellt ist. Der Entwurf wurde nach der vorgeschriebenen Einschaufrist von 2 Monaten in einer Verhandlung am 25. 10. 74, zu der alle Gemeindevertreter geladen waren, im Beisein der Vertreter des Landesamtes R/2 (Dipl.-Ing. H) und des Naturschutzkonsulenten des Gebietsbauamtes, Dipl.-Ing. K, unter Berücksichtigung der eingebrachten Abänderungswünsche durchbesprochen und wenn möglich, noch abgeändert.

Diese Besprechungsergebnisse sind in einer Niederschrift festgehalten worden.

Nachdem der Gemeinderat noch zwei kleinen Änderungen zugestimmt hat, und zwar eine Baustelle nördlich des Hauses ..., AM, und eine Baustellenausfahrt vom Grundstück ... zur bestehenden Siedlungsstraße, wodurch sich die Gemeinde die Errichtung einer zirka 200 m langen Straße entlang des Siegenfelder-Baches ersparen kann, genehmigt der Gemeinderat mit allen Stimmen diesen Flächenwidmungsplan.

Der Bürgermeister erläutert noch den weiteren Vorgang bis zur Rechtskräftigwerdung."

c) Der eben geschilderte Sachverhalt erweist einerseits, daß die Mitglieder des Gemeinderates sowohl davon, daß die Antragsteller eine Stellungnahme zum Entwurf des Flächenwidmungsplanes abgegeben hatten, als auch vom Begehren der Stellungnahme Kenntnis hatten, nämlich das Grundstück als Bauland zu widmen. Aus dem Hinweis auf die "Verhandlung" am 25. Oktober 1974, der ausdrücklichen Erwähnung, daß "der Entwurf ... unter Berücksichtigung der eingebrachten Abänderungswünsche durchbesprochen (wurde)" sowie der Bezugnahme auf die Niederschrift vom 25. Oktober 1974 folgt andererseits, daß der Gemeinderat auch die Stellungnahme der Einschreiter behandelte und dabei zu dem in der "Verhandlung" vom 25. Oktober 1974 schon in Aussicht genommenen und ihnen mit Schreiben des Bürgermeisters vom 5. Dezember 1974 mitgeteilten Ergebnis kam. Damit ist aber dem in §17 Abs3 Nö. ROG 1974 festgelegten Erfordernis, eine Stellungnahme "in Erwägung zu ziehen", entsprochen. Das Gesetz gebietet weder die Verlesung der Stellungnahmen in der Gemeinderatssitzung noch eine inhaltlich detaillierte Auseinandersetzung in der den Antragstellern vorschwebenden Weise, und es ist insbesondere - wie der VfGH schon ausgesprochen hat (VfSlg. 8463/1978) - eine obligatorische Wechselrede in öffentlicher Sitzung nirgends vorgesehen.

3. Mit dem weiteren Vorbringen machen die Antragsteller inhaltliche Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes (soweit dieser ihr Grundstück betrifft) im wesentlichen in der Weise geltend, daß sie bei der Festlegung von Widmungsarten zu beachtende Kriterien des Nö. ROG 1974 mit der gegebenen Situation in Beziehung setzen. Hiezu sind die Einschreiter allerdings darauf aufmerksam zu machen, daß sie diese Methode nur im Fall eines erweislichen Widerspruchs zur betreffenden Vorschrift zum Erfolg führen könnte. Sie verkennen nämlich anscheinend, daß die festzulegende Wirkung eines einzelnen Grundstücks sich nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz ergibt, sondern daß dieses die vom Verordnungsgeber zu erlassenden Planungsnormen vielfach nur final, dh. im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele, determiniert (s. VfSlg. 8280/1978).

a) Zunächst nehmen die Antragsteller unter Hinweis auf §11 Nö. ROG 1974 (wonach die Widmungsarten für alle Flächen entsprechend den räumlich funktionellen Erfordernissen festzulegen sind) auf jene in der Niederschrift vom 25. Oktober 1974 festgehaltenen Gründe Bezug, welche für die ablehnende Haltung zu ihrer Stellungnahme angeführt wurden, und versuchen zu zeigen, daß diese Gründe ("kulturhistorisch, fremdenverkehrsmäßig und naturschutzbehördlich ... ") nicht gegen die Einbeziehung ihres Grundstückes in das Bauland sprächen. Der VfGH braucht jedoch auf ihre Argumentation nicht näher einzugehen, weil es nicht darauf ankommt, ob das klar erkennbare und mit einem keineswegs untauglichen Mittel angestrebte Planungsziel, nämlich das Ortsbild zu erhalten und zu schützen (§1 Abs3 Z7 Nö. ROG 1974 - vgl. zum Begriff "Ortsbild" VfSlg. 7759/1976), in der Niederschrift rechtlich richtig beschrieben wurde. Die Tauglichkeit der planerischen Maßnahme an sich räumen im übrigen die Antragsteller im Ergebnis selbst ein, indem sie (in einem anderen Zusammenhang ihres Antrags) darauf hinweisen, daß oberhalb der "Stiegenwiese" eine die Aussicht auf das Zisterzienserstift Heiligenkreuz ermöglichende Straße verläuft, und überdies betonen, daß ihr Grundstück "unmittelbar im verbauten Gebiet" liegt.

b) Das zu den inhaltlichen Bemängelungen des Flächenwidmungsplans durch die Antragsteller im allgemeinen Gesagte trifft auch auf ihr weiteres Vorbringen zu.

Mit dem Hinweis, daß eine bestimmte, als "Flachbauweise" bezeichnete Bebauung den Zweck der Grünlandwidmung nicht beeinträchtigen würde, wird nicht aufgezeigt, daß das gewählte Mittel, nämlich das gänzliche Bauverbot, zur Entscheidung des Planungszieles inadäquat ist.

Das gleiche gilt für die unter Bezugnahme auf §14 Abs3 Nö. ROG 1974 (wonach im Grünland nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden dürfen, die für eine - an anderer Stelle näher umschriebene - bestimmungsgemäße Nutzung erforderlich sind) aufgestellte Behauptung der Einschreiter, daß "der vorgebliche Schutzzweck ... auch durch die Grünlandwidmung nicht gesichert (sei)", und ihre auf §12 Abs2 und 4 leg. cit. gestützte Ansicht, daß die Erfordernisse für eine Widmung als Bauland gegeben seien.

4. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die von den Antragstellern geltend gemachten Gesetzwidrigkeiten des Flächenwidmungsplans nicht vorliegen. Ihrem Antrag war daher keine Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Verordnungserlassung, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Rechtsüberleitung, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:V26.1979

Dokumentnummer

JFT_10158991_79V00026_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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