TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/10 B668/80

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Veröffentlicht am 10.10.1984
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Nö BauO §4
Nö BauO §10
Nö BauO §17
Nö BauO §21
Nö BauO §22
Nö BauO §47

Leitsatz

Nö. Bauordnung 1976; Abweisung von Anrainereinwendungen gegen eine Baubewilligung; keine Bedenken gegen §§4, 10 und 47; kein Entzug des gesetzlichen Richters, keine Willkür; Anrainerrechte genießen nicht den Schutz des Art5 StGG

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Maria Enzersdorf/Geb. vom 26. Juli 1979 wurde den Eigentümern des Grundstückes ..., KG Maria Enzersdorf/Geb., Ing. P und E M, den beteiligten Parteien des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, die Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses, eines Autoabstellplatzes sowie eines Kanalanschlusses auf dem genannten Grundstück nach dem Ergebnis der am 16. Juli 1979 durchgeführten Bauverhandlung und bei Einhaltung der hiebei getroffenen Auflagen erteilt.

b) Gegen diesen Bescheid haben die Bf. als Anrainer Berufung erhoben und insbesondere die Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides infolge Verletzung der Bestimmungen der Nö. Bauordnung hinsichtlich des Bauwiches behauptet und die Aufhebung des Bescheides beantragt.

c) Der Gemeinderat der Marktgemeinde Maria Enzersdorf hat mit Bescheid vom 27. Dezember 1979 die Berufung als unbegründet abgewiesen.

d) Der gegen diesen Bescheid von den Bf. erhobenen Vorstellung hat die Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 12. Mai 1980 Folge gegeben, den Bescheid des Gemeinderates vom 27. Dezember 1979 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Maria Enzersdorf zurückverwiesen (§61 Abs3 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2).

In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, es stehe fest, daß die Marktgemeinde Maria Enzersdorf für das Gebiet der Gemeinde einen Flächenwidmungsplan erlassen hat, welcher am 8. August 1978 rechtswirksam geworden ist, wonach für das Grundstück ... die Widmungs- und Nutzungsart "Bauland - Wohngebiet" festgelegt wurde. Ferner wird auf den am 11. Juni 1979 rechtswirksam gewordenen Bebauungsplan für das gesamte Gemeindegebiet verwiesen. In diesem sind (in §3) besondere Bebauungsbestimmungen für den Ortsteil "Altort" enthalten, die, soweit sie die Festlegungen über das Ausmaß des Bauplatzes betreffen, lauten:

"Die Abteilung von Bauplätzen unter 600 Quadratmeter Grundfläche darf nicht bewilligt werden. Bei der Abteilung von Bauplätzen hat die Mindestbreite an der vorderen Baufluchtlinie mindestens 16 m aufzuweisen".

Zum Vorbringen in der Vorstellung, daß durch das genehmigte Bauvorhaben der §3 der Bebauungsbestimmungen verletzt worden sei, wird in der Begründung des Bescheides ausgeführt, daß aufgrund ihrer Formulierung die angeführte Bestimmung nur bei Schaffung von Bauplätzen durch Grundabteilung iS des §10 der NÖ Bauordnung 1976 (Nö. BauO) anwendbar sei. Das gegenständliche Grundstück ... sei jedoch in der derzeitigen Figuration keinesfalls nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes und somit der Bestimmung des §3 über das Ausmaß der Bauplätze durch Abteilung geschaffen worden, sodaß die Bestimmung für das gegenständliche Verfahren nicht anwendbar gewesen sei und daher auch nicht habe verletzt werden können. Ferner wird ausgeführt, daß die Behauptung der Nichteinhaltung der Bebauungsbestimmungen über die Einordnung der Gebäude in das Orts- und Landschaftsbild nicht zum Ziele führen könne, da die "schönheitlichen" Rücksichten von der Baubehörde wahrzunehmen seien und keine subjektiv-öffentlichen Anrainerrechte darstellen.

Die Behörde und somit auch die Aufsichtsbehörde habe die Frage der Bebaubarkeit eines Grundstückes nach der Rechtslage zur Zeit ihrer Entscheidung über ein Bauansuchen zu beurteilen, sodaß die Erklärung der Marktgemeinde Maria Enzersdorf hinsichtlich der Bebaubarkeit des Grundstückes Nr. ... im Jahre 1976 in diesem aufsichtsbehördlichen Verfahren nicht geprüft bzw. untersucht werden könne.

Den diesbezüglichen Ausführungen in der Vorstellung komme daher aus diesen Erwägungen keine Berechtigung zu.

Der Vorstellung sei aber Folge zu geben gewesen, da die Behauptung der Nichteinhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Bauwiches (§21 Abs4 NÖ BauO 1976) den Hauptvorwurf der Vorstellungswerber darstelle und weil nach Auffassung der Aufsichtsbehörde die Feststellung der Gebäudehöhe des Bauvorhabens im Hinblick auf das Gelände des Bauplatzes einer äußerst genauen, den Bestimmungen des §22 NÖ BauO 1976 entsprechenden Ermittlung bedürfe.

2. a) Nach Durchführung einer örtlichen mündlichen Verhandlung erließ der Gemeinderat der Marktgemeinde Maria Enzersdorf den Bescheid vom 30. Juli 1980, mit dem der Berufung der Bf. gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 26. Juli 1979 insoweit Folge gegeben wurde, "als die ermittelte Gebäudehöhe unter Zugrundelegung der gutächtlichen Stellungnahme des Amtes der Nö. Landesregierung vom 29. 4. 1980 ... mit 5,785 m festgesetzt wird und der Genehmigungsbescheid dahingehend abzuändern ist."

In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf die Festsetzung der Gebäudehöhe aufgrund des angeführten Gutachtens folgendes ausgeführt:

"Hinsichtlich des neuerlich vorgebrachten Einwandes der Vertreter der Berufungswerber über die Bebaubarkeit der Liegenschaft wird auf die rechtsgültig erlassenen Bebauungsbestimmungen für den Ortsteil Altort vom 25. 5. 1979 verwiesen, worin im §3 des cit. Gesetzes nur bei Neuschaffung von Bauplätzen, also Grundteilungen nach §10 der Nö. Bauordnung Mindesnormierungen bezüglich Breite und Flächenausmaß zwingend vorgeschrieben wurden. Da diese Bebauungsvorschriften zum Zeitpunkt der Antragstellung über die Bauführung am 25. 6. 1979 bereits in Geltung standen, war daher nach diesen über die Bebaubarkeit der Parzelle ..., KG Ma. Enzersdorf a. Geb. zu entscheiden. Der Vergleich der straßenseitig gelegenen Grundgrenze laut Grundbuchsstand mit der im Bebauungsplan festgelegten Straßenfluchtlinie gegen die öffentliche Verkehrsfläche der Gießhüblerstraße ergab Übereinstimmung, sodaß ein Parzellierungsverfahren zwecks Baureifgestaltung der Liegenschaft nicht erforderlich war. Eine mögliche Differenz würde außerdem nur im (richtig wohl: ein) Verfahren nach §17 der Nö. Bauordnung nach sich ziehen aber niemals ein Verfahren nach §10 leg. cit. Bezüglich der bekämpften Gebäudehöhe des projektierten Hauses gegenüber den Anwesen der Berufungswerber ist festzustellen, daß der §22 der Nö. Bauordnung eindeutige Vorschriften für Objekte mit zurückgesetzten oder ausgebauten Geschoßen enthält und der Höhenbestimmung ausdrücklich deren Deckenoberkanten des letzten Geschoßes zugrundelegt. Da im gegenständlichen Fall nach dem Ergebnis der gutächtlichen Stellungnahme des Amtes der Nö. Landesregierung vom 29. 4. 1980 eine Gebäudehöhe von 5,785 m ermittelt wurde, erscheint daher die Einhaltung der vorgesehenen und im Bauplan ausgewiesenen Seitenabstände von je 3 m als vollkommen ausreichend."

b) Die von den Bf. gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 30. Juli 1980 erhobene Vorstellung hat die Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 10. November 1980 gemäß §61 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2, als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen den Bescheid der Nö. Landesregierung vom 10. November 1980 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.

Sie stellen den Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (vgl. zB VfSlg. 9105/1981).

Eine Verletzung dieses Rechtes könnte auch dann gegeben sein, wenn von den Gemeindebehörden ein Abspruch über Einwendungen der Bf. verweigert worden wäre und wenn die Aufsichtsbehörde bei der Entscheidung über die Vorstellung diese Verweigerung nicht wahrgenommen hätte.

Ein solcher Fall liegt aber offenkundig nicht vor, sodaß die Behauptung der Bf., durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, nicht zutrifft. Dieses Recht wird durch eine unrichtige Entscheidung der Behörde nicht berührt (vgl. VfSlg. 9104/1981, 9121/1981, 9169/1981).

2. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (vgl. VfSlg. 8823/1980, 9186/1981).

b) In der Beschwerde wird nicht behauptet, daß die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften, insbesondere die Bestimmungen der §§4, 10 und 47 der Nö. BauO 1976, verfassungswidrig wären. Auch gegen den Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplan (mit den besonderen Bebauungsbestimmungen für den Ortsteil "Altort") werden Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit nicht geltend gemacht.

Beim VfGH sind solche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden.

Die von den Bf. behauptete Verletzung im Gleichheitsrecht könnte bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsnormen nur vorliegen, wenn die bel. Beh. willkürlich angenommen hätte, daß die Bf. durch den Bescheid über die Erteilung der Baubewilligung an die beteiligten Parteien des vorliegenden Beschwerdeverfahrens in subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt worden wären.

Das Vorbringen in der Beschwerde wiederholt aber im wesentlichen die bereits in der Vorstellung enthaltenen Behauptungen, daß bei richtiger Anwendung des Gesetzes ein Verfahren zur Bewilligung einer Grundabteilung nach §10 Nö. BauO 1976 für die Erteilung der Baubewilligung erforderlich gewesen wäre und daß nicht - wie die bel. Beh. meinte - allenfalls eine Verpflichtung nach §17 leg. cit. zum Erwerb einer Ergänzungsfläche in Betracht käme. In gleicher Weise wird in den Ausführungen über das Ausmaß des Bauwiches nach §21 leg. cit. und über die Festsetzung der Höhe der Baulichkeit nach §22 leg. cit. iZm. der Regelung des Lichteinfalles nach §47 Abs4 der Nö. BauO 1976 eine allfällige unrichtige Anwendung dieser Vorschriften durch die bel. Beh. geltend gemacht. Eine Begründung für ein unsachliches (willkürliches) Vorgehen der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Für ein solches Vorgehen ist im Verfahren vor dem VfGH ein Anhaltspunkt nicht hervorgekommen.

Insbesondere kann im Hinblick auf die ausführliche Begründung nicht davon gesprochen werden, daß der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stünde, was dazu führen würde, daß der bel. Beh. ein willkürliches Verhalten zum Vorwurf gemacht werden müßte (vgl. VfSlg. 9147/1981).

3. Mit der - im übrigen nicht näher begründeten - Behauptung, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden wären, braucht sich der VfGH nicht weiter auseinanderzusetzen, weil es sich bei den von ihnen geltend gemachten Anrainerrechten nicht um private Vermögensrechte, sondern um der Sphäre des öffentlichen Rechtes angehörende Rechte handelt, die den Schutz des Art5 StGG nicht genießen.

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Baubewilligung, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B668.1980

Dokumentnummer

JFT_10158990_80B00668_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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