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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
EStG 1972; denkmögliche Annahme des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des §46 Abs1 Z2 für eine Anrechnung der nachgeforderten Lohnsteuer auf die Einkommensteuer BAO; denkmögliche Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages gemäß §303 Abs1; daher kein Indiz für WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der Bf. ist Geschäftsführer des R und R L-GesmbH (künftig kurz: GesmbH), an der er mit 90 vH beteiligt ist. Er ist Angestellter dieser Gesellschaft und bezieht als solcher von ihr ein Gehalt. Er ist weiters (einziger) Kommanditist der R und R L-GesmbH & CO KG (künftig kurz: KG); als Komplementär der KG tritt die erwähnte GesmbH auf.
Im Zuge einer am 9. und 10. Jänner 1979 durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde festgestellt, daß der Bf. seinem Arbeitgeber (der GesmbH) für die Kalenderjahre 1976 und 1977 keine Lohnsteuerkarte vorgelegt hatte.
Gemäß §82 Abs1 des Einkommensteuergesetzes 1972 (EStG 1972) erließ das Finanzamt Feldkirch daraufhin am 30. Jänner 1979 an die GesmbH einen Bescheid, mit dem sie als Arbeitgeberin für die infolge der Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte zuwenig einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer (§75 Abs1 EStG 1972) zur Haftung herangezogen wurde, und zwar für das Jahr 1976 ein Betrag von 30105,80 S und für das Jahr 1977 ein Betrag von 29438,60 S an Lohnsteuer nachgefordert. Dieser Haftungsbescheid erwuchs in Rechtskraft.
b) Am 13. Feber 1979 stellte der Bf. beim Finanzamt den Antrag, das bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffend seine Einkommensteuerveranlagung 1976 wieder aufzunehmen und sodann den Einkommensteuerbescheid 1976 dahin zu berichtigen, daß um 30105,80 S mehr als bisher an Lohnsteuer angerechnet werde (§46 Abs1 Z2 EStG 1972). Der Umstand der Lohnsteuernachforderung stelle eine neue Tatsache dar.
Das Finanzamt wies mit Bescheid vom 3. Mai 1979 diesen Wiederaufnahmsantrag ab.
Dagegen erhob der Bf. Berufung.
Die Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (künftig kurz: FLD) wies dieses Rechtsmittel ab (Berufungsentscheidung vom 6. Dezember 1979).
Sie begründet ihre Entscheidung im wesentlichen wie folgt:
"Der Berufungsführer vertritt die Auffassung, die Tatsache, daß im Haftungswege von seinem Arbeitgeber Lohnsteuer nachgefordert worden sei, rechtfertige die Anrechnung der nachgeforderten Lohnsteuer auf die veranlagte Einkommensteuer im Zuge der Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens.
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur bei Vorliegen der im §303 der Bundesabgabenordnung umschriebenen Tatbestände zulässig. Solche liegen gegenständlich nicht vor. Die im Haftungswege gemäß §82 Abs1 Einkommensteuergesetz 1972 beim Arbeitgebernachgeforderte Lohnsteuer ist nach §46 Abs1 Z2 letzter Satz Einkommensteuergesetz 1972 im Veranlagungsverfahren nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde. Daß der Berufungsführer die von seinem Arbeitgeber nach geforderte Lohnsteuer diesem ersetzt hat, wird nicht behauptet. Ist somit die Anrechnung der beim Arbeitgeber nachgeforderten Lohnsteuer nach §46 Abs1 Z2 letzter Satz Einkommensteuergesetz 1972 auf die veranlagte Einkommensteuer des Berufungsführers ausgeschlossen, kann diese auch nicht im Zuge der Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens auf die veranlagte Einkommensteuer des Arbeitnehmers angerechnet werden. Soweit sich der Berufungsführer auf das Erkenntnis des VwGH vom 22. Dezember 1966, Z 2328/64, beruft, ist dazu festzustellen:
In diesem Erkenntnis hat der VwGH ausgesprochen, daß die rechtskräftige Veranlagung eines Arbeitnehmers kein Hindernis für die Heranziehung des Arbeitgebers zur Haftung für die Lohnsteuer ist, die auf solche Lohn- und Gehaltsbezüge des Arbeitnehmers entfällt, welche bereits der Veranlagung des Arbeitnehmers unterzogen wurden. In einem solchen Fall ist eine Berücksichtigung der Ergebnisse des Lohnsteuerverfahrens unter den übrigen Voraussetzungen der §§303 und 304 Bundesabgabenordnung im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens möglich. Damit ist aber nicht gesagt, daß im gegenständlichen Fall die Lohnsteuernachforderung im Zuge der Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens angerechnet werden kann. Soweit sich der Berufungsführer auf das Erkenntnis des VwGH vom 13. September 1979, Z 2218/71, beruft, ist damit gegenständlich auch nichts gewonnen. In diesem Erkenntnis hat der VwGH ausgesprochen, daß dann, wenn im Veranlagungsverfahren behauptet werde, der strittige Betrag sei beim ehemaligen Arbeitgeber in dessen betrieblicher Sphäre als Ertrag bereits der Einkommensbesteuerung unterzogen worden, dessen Inanspruchnahme aus dem Titel der Lohnsteuerhaftung nicht mehr zulässig sei. Abgesehen davon, daß im gegenständlichen Fall nicht darüber zu entscheiden ist, ob der Arbeitgeber des Berufungsführers zu Recht zur Lohnsteuerhaftung herangezogen worden ist, trifft der Sachverhalt, der dem genannten Erkenntnis des VwGH zugrundeliegt, auf den gegenständlichen Fall nicht zu. Zum weiteren Vorbringen des Berufungsführers im Vorlageantrag, die Inanspruchnahme aus dem Titel der Lohnsteuerhaftung sei nicht mehr zulässig, wenn ein Betrag bereits der Einkommensbesteuerung unterzogen worden sei, so ist dazu festzustellen, daß der Hinzurechnungsbetrag gemäß §75 Einkommensteuergesetz 1972 bei der Veranlagung nicht zum Tragen kommt und daher keine Rede davon sein kann, daß dieser Betrag bereits der Einkommensbesteuerung unterzogen worden ist. Aus diesem Grunde erweist sich auch die Ansicht des Berufungsführers, er werde mit demselben Betrag doppelt zur Einkommensteuer herangezogen, als irrig.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen."
c) Für das Jahr 1977 erließ das Finanzamt dann an den Bf. den mit 13. Feber 1979 datierten Einkommensteuerbescheid; darin wurde ihm auf die Einkommensteuer die bezahlte Lohnsteuer in der Höhe von 85716 S angerechnet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. fristgerecht Berufung und begehrte, den Einkommensteuerbescheid 1977 dahin gehend zu berichtigen, daß die bisher angerechnete Lohnsteuer "um den aufgrund der Lohnsteuerprüfung nachgeforderten Betrag von 29439 S auf 115155 S erhöht wird".
Die FLD wies die Berufung mit Bescheid vom 6. Dezember 1979 ab und begründete dies wie folgt:
"Unbestritten ist, daß der Berufungsführer" (der Bf. dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) seinem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte nicht vorgelegt hat. Das hatte zur Folge, daß im Zuge der vorgenommenen Lohnsteuerprüfung die Lohnsteuer nach Maßgabe der Bestimmung des §75 Abs1 Einkommensteuergesetz 1972 neu berechnet und für die nachgeforderte Lohnsteuer der Arbeitgeber des Berufungsführers gemäß §82 Abs1 Einkommensteuergesetz 1972 zur Haftung herangezogen wurde. Die im Haftungswege nach der zuletzt genannten Gesetzesbestimmung beim Arbeitgeber nach geforderte Lohnsteuer ist nach §46 Abs1 Z2 letzter Satz Einkommensteuergesetz 1972 im Veranlagungsverfahren nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde. Trägt der im Haftungswege in Anspruch genommene Arbeitgeber die für den Arbeitnehmer entrichtete Lohnsteuer, so ist diese vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer nicht anzurechnen, weil sie der Arbeitnehmer ja nicht selbst getragen hat. Daß der Berufungsführer die im Haftungswege von seinem Arbeitgeber wegen Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte nachgeforderte Lohnsteuer diesem ersetzt hat, wird nicht behauptet. Wenn der Berufungsführer die im Haftungsweg bei seinem Arbeitgeber nachgeforderte Lohnsteuer diesem nicht ersetzt hat, ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des §46 Abs1 Z2 letzter Satz Einkommensteuergesetz 1972 eine Anrechnung der im Lohnsteuerhaftungsverfahren beim Arbeitgeber nachgeforderten Lohnsteuer auf die im Veranlagungsverfahren festgesetzte Einkommensteuer nicht zulässig. Daran ändert nichts, daß im gegenständlichen Fall der Berufungsführer alleiniger Kommanditist der Firma R L & Co und gleichzeitig Hauptgesellschafter der an dieser beteiligten Firma R und R L-GesmbH ist. Wenn der Berufungsführer dazu ausführt, daß deswegen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Bestimmung des §82 Abs2 Einkommensteuergesetz 1972 nicht angewendet werden könne, so ist dazu festzustellen, daß der Haftungsbescheid an den Arbeitgeber des Berufungsführers ergangen ist und daher gemäß §246 Abs1 Bundesabgabenordnung diese Einwendungen vom Berufungsführer im gegenständlichen Verfahren nicht geltend gemacht werden können. Wenn der Berufungsführer vermeint, er werde mit demselben Betrag doppelt zur Einkommensteuer herangezogen, so ist dies nicht richtig. Die Hinzurechnungsbestimmung gemäß §75 EStG 1972 kommt bei der Veranlagung nicht zum Tragen. Daher konnte auf den Hinzurechnungsbetrag bei der Veranlagung des Berufungsführers auch keine Einkommensteuerschuld entfallen.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen."
2. Gegen die beiden Berufungsbescheide vom 6. Dezember 1979 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Nach einer Darstellung des (oben geschilderten) Sachverhaltes wird in der Beschwerdeschrift ausgeführt:
"... Da alle Kosten, die durch die Entlohnung des Geschäftsführers der R + R L-GmbH ausgelöst werden, von der Firma R L & Co, deren einziger Kommanditist ich bin, zu ersetzen sind, habe ich die Beträge von 30105,80 S + 29438,60 S bezahlt und durch Einbringung von Anträgen und Rechtsmitteln angestrebt, daß ich die Beträge von 30105,80 und 29438,60 S auf meine bereits veranlagten Einkommensteuern 1976 und 1977 (noch nicht rechtskräftig) angerechnet erhalte, nachdem ja mein voller Geschäftsführergehalt zusammen mit meinen Erfolgsanteilen 1976 und 1977 der Einkommensteuer unterworfen worden war. Da ich der einzige Kommanditist bin und die Steuer daher praktisch von mir bezahlt wird, hat mir mein Steuerberater empfohlen, die nachgeforderte Einkommensteuer zu Lasten meines Privatkontos als einziger Kommanditist der Firma R L & Co zu bezahlen. Damit habe ich als Dienstnehmer der R + R L-GmbH die Steuer aus meiner Tasche bezahlt, was bereits in der Berufung angeführt wurde.
Die belangte Behörde läßt die Feststellung, daß ich die Lohnsteuernachzahlung persönlich getragen habe, weil ich sie zu Lasten meines Privatkontos verbuchen ließ, vollkommen unbeachtet und setzt sich auch nicht mit der Tatsache auseinander, daß nur ich als einziger Kommanditist der Gesellschaft die Steuer tragen muß, weil sie den Gewinn, der zu 100% mir zufließt, schmälern würde, wenn die Lohnsteuernachforderung als Aufwand der Kommanditgesellschaft verbucht werden würde. Hiebei ist darauf hinzuweisen, daß die Lohnsteuernachforderung bei der GmbH nur ein Durchläufer ist, weil ich als einziger Kommanditist der GmbH die Lohnsteuernachzahlung voll zu ersetzen habe.
Darüber hinaus ist im gegenständlichen Falle der §21 der BAO heranzuziehen, der besagt, daß für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgeblich ist. Der §21 der BAO ist nicht nur zu Lasten, sondern auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen anzuwenden. Es steht vorliegendenfalls außer Zweifel, daß meine Einkünfte als Arbeitnehmer im Zuge der Veranlagung zur Einkommensteuer voll versteuert wurden. Bei der Veranlagung meiner Lohneinkünfte spielt der Umstand, daß eine Lohnsteuerkarte von mir nicht vorgelegt wurde, überhaupt keine Rolle. Ich habe bei der Veranlagung zur Einkommensteuer sohin meine Lohneinkünfte in vollem Umfange ordnungsgemäß versteuert. Wenn nun für dieselbe Einkunftsart eine weitere Steuer nachgefordert wird, so ist diese Einkunftsart teilweise doppelt mit derselben Steuer besteuert, unabhängig davon, wer die Steuer trägt. Im konkreten Falle muß ich die zusätzliche Steuer auf meine bereits voll versteuerten Lohneinkünfte tragen, weil ich sie als einziger Kommanditist tragen muß, ohne daß sie mir angerechnet wird. Ich hatte das Finanzamt davon in Kenntnis gesetzt, daß die Steuer von mir als Arbeitnehmer voll und persönlich getragen wird, nachdem sie meinem Privatkonto angelastet wurde. Anläßlich einer Betriebsprüfung würde von vornherein auch keine andere Vorgehensweise toleriert werden. Es ist vom Gesichtspunkte der Einkommensteuerung nicht denkbar, daß ich als einziger Kommanditist meine eigene Steuer als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgabe verbuche.
Es ist m. E. in einem Rechtsstaat undenkbar und stellt einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht dar, wenn ein und dieselben Einkünfte zum Teil zweimal mit derselben Steuer besteuert werden und wirtschaftlich von demselben Steuerpflichtigen zu tragen sind."
3. Die FLD als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch von Kosten begehrt.
II. Der VfGH hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
A) Zum Einkommensteuerbescheid 1977
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsvorschriften wäre der Bf. im Eigentumsrecht nur durch eine denkunmögliche Gesetzeshandhabung verletzt worden.
Davon kann jedoch keine Rede sein:
Nach §46 Abs1 Z2 EStG 1972 werden auf die Einkommensteuerschuld die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge angerechnet, "soweit sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. ... Lohnsteuer, die im Haftungswege (§82 Abs1) beim Arbeitgeber nachgefordert wurde, ist nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde".
Dem bezogenen §82 Abs1 EStG 1972 zufolge ist der Arbeitnehmer beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner. Der Arbeitgeber haftet aber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuer.
Der Bf. hat nun im Administrativverfahren nicht behauptet, daß er die im Haftungswege bei seinem Arbeitgeber (der GesmbH) nachgeforderte Lohnsteuer diesem ersetzt habe. Wenn die bel. Beh. von Amts wegen diesem Umstand nicht nachgegangen ist, kann ihr damit kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorgeworfen werden.
Die Behörde konnte sohin zumindest denkmöglich annehmen, die Voraussetzungen des §46 Abs1 Z2 EStG 1972 für eine Anrechnung der nachgeforderten Lohnsteuer auf die Einkommensteuer lägen nicht vor.
3. Der Bf. ist sohin durch den die Einkommensteuer 1977 betreffenden Bescheid im Eigentumsrecht nicht verletzt worden.
B) Zum Bescheid betreffend den Wiederaufnahmsantrag bezüglich der Einkommensteuer 1976
1. Mit dem angefochtenen Bescheid wird ein erstinstanzlicher Bescheid bestätigt, in dem ein Antrag des Bf. auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen wird. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird durch einen solchen Bescheid, dem nur verfahrensrechtliche Wirkung zukommt, in das Eigentum nicht eingegriffen (vgl. zB VfSlg. 8740/1980, 9037/1981).
Es ist daher ausgeschlossen, daß der Bf. durch diesen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde.
2. Es war jedoch zu untersuchen, ob der Bf. etwa im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde.
a) Dieses Recht kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8856/1980, 9015/1981) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
b) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften könnte der Bf. durch den Bescheid im Gleichheitsrecht nur bei willkürlichem Vorgehen der Behörde verletzt worden sein.
Ein solches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus in seiner Person gelegenen oder anderen unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 8783/1980, 9024/1981).
c) Ein derartiger Vorwurf kann der Behörde aber nicht gemacht werden:
Zwar hat der VwGH im Erk. vom 22. Dezember 1966, Z 2328/64, dargetan, daß dann, wenn das Veranlagungsverfahren im Zeitpunkt der Beendigung des Lohnsteuerverfahrens bereits abgeschlossen ist, die Berücksichtigung der Ergebnisse des Lohnsteuerverfahrens unter den übrigen Voraussetzungen der §§303 und 304 BAO im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens, also namentlich nach §303 Abs1 litc und Abs4 BAO möglich sei. Aber auch wenn diese Ausgangsposition eingenommen wird, ist für den Bf. nichts zu gewinnen. Die bel. Beh. nimmt nämlich zumindest denkmöglich an, daß die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme nicht vorgelegen seien:
Gemäß §303 Abs1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist, bestimmte, näher bezeichnete Umstände vorliegen und "die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte".
Die Behörde vertritt der Sache nach die Meinung, daß es hier an der zuletzt genannten Voraussetzung mangle; es sei ausgeschlossen, daß sie die Einkommensteuer 1976 dann anders festzusetzen gehabt hätte, wenn ihr die Lohnsteuernachforderung im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides 1976 bereits bekannt gewesen wäre.
Diese Rechtsmeinung ist - wie sich aus den obigen Ausführungen unter
II. A. 2. ergibt - keinesfalls derart verfehlt, daß dies Willkür indizieren würde.
Anhaltspunkte dafür, daß die Behörde den Bf. aus subjektiven Gründen diskriminieren wollte, hat das Verfahren nicht ergeben. Auch der Bf. behauptet solches nicht.
Der Bf. ist sohin durch den den Wiederaufnahmsantrag ablehnenden Bescheid auch nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
C Zu bei den angefochtenen Bescheiden
1. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher insgesamt abzuweisen.
Schlagworte
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Finanzverfahren, WiederaufnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B20a.1980Dokumentnummer
JFT_10158990_80B00020_00