TE Vfgh Erkenntnis 1984/10/12 B378/79

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Veröffentlicht am 12.10.1984
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir JagdG 1969 §15 Abs2

Leitsatz

Tir. Jagdgesetz 1969; verfassungskonforme Auslegung des §15 Abs2 - Wählbarkeit der satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe einer juristischen Person in einen Jagdausschuß; Mitgliedschaft der juristischen Person im Jagdausschuß solcherart möglich; Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch Unterstellung eines gegenteiligen Gesetzessinnes

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der neu gewählte Obmann der an dem verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligten Jagdgenossenschaft Imst teilte mit Schreiben vom 21. März 1977 der Bezirkshauptmannschaft Imst mit, daß in der am 18. März 1977 abgehaltenen Vollversammlung der genannten Jagdgenossenschaft ein Jagdausschuß mit folgender Zusammensetzung gewählt worden sei:

...

M P erhob in der Vollversammlung durch ihren bevollmächtigten Vertreter als stimmberechtigtes Mitglied der Jagdgenossenschaft Einspruch und beantragte mit Schreiben vom 25. März 1977 bei der Bezirkshauptmannschaft Imst als Jagdbehörde die Aufhebung der Wahl des Stadtrates E K und des Gemeinderates K G als Mitglieder und des Stadtrates P J als Ersatzmitglied des Jagdausschusses, weil diese Personen nicht Mitglieder der Jagdgenossenschaft Imst seien.

Die genannte Bezirkshauptmannschaft wies mit Bescheid vom 19. Juli 1977 die Beschwerde der M P zurück. Der dagegen von M P erhobenen Berufung gab die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 9. September 1977 Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz. In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß §15 Abs2 des Tir. Jagdgesetzes, LGBl. 19/1969 (im folgenden TJG 1969 genannt), könnten als Mitglieder des Jagdausschusses nur Personen gewählt werden, die in den Gemeinderat wählbar und Mitglieder der Jagdgenossenschaft seien. Juristische Personen als solche könnten daher nicht Mitglieder des Jagdausschusses sein. Die entgegen diesen Bestimmungen als Mitglieder bzw. als Ersatzmitglied gewählten Personen seien daher kraft Gesetzes von der Wahl ausgeschlossen, weswegen die Wahl wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben gewesen sei.

Mit Bescheid vom 23. August 1978 hob die Bezirkshauptmannschaft Imst die Wahl der Gemeinderäte K G und E K zu Mitgliedern des Jagdausschusses sowie des Stadtrates P J zum Ersatzmitglied des Jagdausschusses als gesetzwidrig auf und bestimmte, daß der Obmann der Jagdgenossenschaft die Vollversammlung binnen 2 Monaten, gerechnet ab der Rechtskraft des Bescheides, zur Ergänzungswahl des Jagdausschusses einzuberufen habe. Den gegen diesen Bescheid von der Jagdgenossenschaft Imst und der Stadtgemeinde Imst erhobenen Berufungen gab die Tir. Landesregierung mit Bescheid vom 16. Juli 1979 nicht Folge und wies sie als unbegründet ab. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, nach dem Wortlaut des §15 Abs2 TJG 1969 könnten als Ausschußmitglieder nur Personen gewählt werden, die in den Gemeinderat wählbar und Mitglieder der Jagdgenossenschaft seien. Da jegliche gesetzliche Bestimmungen über die Aufnahme juristischer Personen in den Ausschuß der Jagdgenossenschaft fehlten, müsse davon ausgegangen werden, daß nach der derzeitigen Rechtslage die Wahl von juristischen Personen in den Jagdausschuß ausgeschlossen sei. Den Berufungen sei daher ein Erfolg zu versagen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid vom 16. Juli 1979 wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG bzw. Art7 B-VG geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Tir. Landesregierung erstattete als bel. Beh. eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß §12 Abs1 TJG 1969 bilden die Eigentümer der zu einem Genossenschaftsjagdgebiet gehörigen (einschließlich der angegliederten) Grundflächen eine Jagdgenossenschaft; sie ist eine Körperschaft öffentlichen Rechtes, die der Aufsicht der Bezirkshauptmannschaft untersteht. Das TJG 1969 bestimmt ferner in §15 Abs1, daß der Jagdausschuß aus dem Obmann, dem Obmannstellvertreter und drei weiteren Mitgliedern besteht. Nach Abs2 werden der Obmann, der Obmannstellvertreter und die drei weiteren Mitglieder von der Vollversammlung der Jagdgenossenschaft aus den in den Gemeinderat wählbaren Mitgliedern der Jagdgenossenschaft auf die Dauer von sechs Jahren gewählt. Für jedes der drei Mitglieder ist je ein Ersatzmitglied zu wählen.

2. Die von der Bf. behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes gemäß Art2 StGG bzw. Art7 B-VG kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8360/1978, 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür geübt hat. In diesem Recht kann auch eine juristische Person verletzt werden (VfSlg. 2088/1951).

3. Die Bf. behauptet nicht, daß der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht. Auch der VfGH ist der Auffassung, daß das Gesetz einer dem Gleichheitsgebot entsprechenden, also verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist. Nach §15 Abs2 TJG 1969 werden der Obmann, der Obmannstellvertreter und die drei weiteren Mitglieder des Jagdausschusses von der Vollversammlung der Jagdgenossenschaft aus den in den Gemeinderat wählbaren Mitgliedern der Jagdgenossenschaft auf die Dauer von sechs Jahren gewählt. Da juristische Personen, zu denen die Bf. zählt, nicht in den Gemeinderat wählbar sind, scheint die bel. Beh. zunächst mit Recht davon ausgegangen zu sein, daß die Bf. nicht als Mitglied des Jagdausschusses wählbar ist. Ein solches Ergebnis würde indes offensichtlich dem Gleichheitsgebot widersprechen, da bei einer solchen Auslegung des Gesetzes juristische Personen grundsätzlich von der Wahl in den Jagdausschuß ausgeschlossen wären. Der VfGH ist daher der Auffassung, daß bei juristischen Personen die Voraussetzungen für die Wählbarkeit in den Jagdausschuß nicht bei der juristischen Person, sondern bei dem satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organ der juristischen Person vorliegen müssen, das sich mit dem entsprechenden Mandat der juristischen Person zur Wahl stellt, wobei auch eine juristische Person nur durch eine Person im Jagdausschuß vertreten sein kann. Daher sind bei verfassungskonformer Auslegung des §15 Abs2 TJG 1969 satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organe einer juristischen Person, die einen entsprechenden Auftrag der juristischen Person haben und bei denen die Voraussetzungen des §15 Abs2 TJG 1969 vorliegen, als Mitglieder oder Ersatzmitglieder eines Jagdausschusses nach dem TJG 1969 wählbar.

4. Die bel. Beh. ging indes in der Begründung des angefochtenen Bescheides von der Rechtsansicht aus, daß juristische Personen grundsätzlich nicht in einem Jagdausschuß nach dem TJG 1969 vertreten sein können, auch wenn sich ein satzungsgemäß zu ihrer Vertretung nach außen berufenes Organ derselben der Wahl stellt, bei dem die Voraussetzungen des §15 Abs2 TJG 1969 vorliegen. Sie hat infolgedessen dem Gesetz fälschlicherweise einen Sinn unterstellt, der den angefochtenen Bescheid mit Gleichheitswidrigkeit belastet, sofern satzungsgemäß zur Vertretung der Gemeinde berufene Organe überhaupt von der Wahl in den Jagdausschuß ausgeschlossen wurden.

Die Bf. ist daher durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden, weswegen der Bescheid aufzuheben war.

Schlagworte

Wahlen, Jagdrecht, Person juristische, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B378.1979

Dokumentnummer

JFT_10158988_79B00378_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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