Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
MRK Art3; Verletzung im Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch ungerechtfertigtes Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten durch einen SicherheitsbeamtenSpruch
Der Bf. ist am 3. Mai 1984 in Wien im Sicherheitswachzimmer Bechardgasse dadurch, daß ihm der Wachkommandant Bezirksinspektor J T Faustschläge und Fußtritte versetzte, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. A B begehrt in seiner mit Berufung auf Art144 (Abs1) B-VG an den VfGH gerichteten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, er sei am 3. Mai 1984 nachts in Wien als Festgenommener dadurch, daß ihn der Kommandant des Wachzimmers Bechardgasse, Bezirksinspektor J T, mit Faustschlägen und Fußtritten mißhandelt und verletzt habe, demnach durch (der Bundespolizeidirektion Wien als bel. Beh. zuzurechnende) Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Zwangsgewalt, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassen erniedrigender Behandlung (Art3 MRK) verletzt worden.
1.1.2. Die durch die Finanzprokuratur vertretene Bundespolizeidirektion Wien als bel. Beh. erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und vertrat darin die Auffassung, daß der Beschwerde Berechtigung zukomme.
1.2. Aus dem beigeschafften Akt AZ 6d E Vr 5983/84 des LG für Strafsachen Wien geht hervor, daß J T mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Urteil dieses Gerichts vom 5. Juli 1984, AZ 6d E Vr 5983/84-11, wegen der vor dem VfGH in Beschwerde gezogenen Handlungen des Vergehens der Körperverletzung nach §83 Abs1 (iVm. §313) StGB schuldig erkannt und zu einer - bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt wurde. Ihm fiel zur Last, am 3. Mai 1984 in Wien in seiner Eigenschaft als Wachkommandant des Sicherheitswachzimmers Bechardgasse den (im Dienst der Strafjustiz festgenommenen) A B durch ungerechtfertigtes Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten vorsätzlich am Körper verletzt zu haben.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren. Dies trifft (auch) zu, wenn Sicherheitsorgane jemanden im Zuge einer Amtshandlung - wie hier - mißhandeln und damit physischem Zwang unterwerfen (zB VfSlg. 8296/1978, 10052/1984).
2.1.2. Da ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2.2.1. Nach dem zu Punkt 1.2. bezeichneten rechtskräftigen Urteil des LG für Strafsachen Wien wurde der (festgenommene) Bf. vom amtshandelnden Sicherheitswachebeamten J T durch Faustschläge und Fußtritte vorsätzlich am Körper verletzt.
2.2.2. Der VfGH sprach schon wiederholt aus (vgl. ua. VfSlg. 8146/1977), daß eine (iS des Waffengebrauchsgesetzes) unzulässige Anwendung von Körperkraft dann gegen das in Art3 MRK statuierte Verbot erniedrigender Behandlung verstößt, wenn darin eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zum Ausdruck kommt. Das ist hier zufolge der Begleitumstände und Beschaffenheit der bekämpften Akte - unbestrittenermaßen - der Fall. Durch die in Rede stehende Mißhandlung wurde der Bf. darum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art3 MRK verletzt (vgl. VfSlg. 8296/1978).
2.2.3. Angesichts der dargelegten Sach- und Rechtslage war der Beschwerde stattzugeben.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, MißhandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B508.1984Dokumentnummer
JFT_10158877_84B00508_00