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61 Familienförderung, JugendfürsorgeNorm
B-VG Art10 Abs1 Z17Leitsatz
FLAG 1967; Verhängung einer Geldstrafe wegen Verletzung der Meldepflicht; bloß sprachliche Berichtigung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides; jedoch Entzug des gesetzlichen Richters durch Erlassung des Berufungsbescheides durch die Sbg. Landesregierung in einer Materie des Art10 Abs1 Z17 B-VGSpruch
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. E J lebte seit 1977 getrennt von seiner Frau; seine eheliche Tochter A, geboren am ..., für die er Familienbeihilfe bezog, wohnte bei ihrer Mutter.
Bei einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches gab E J am 22. Mai 1978 im Formblatt Beih. 47 "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" an, daß seine Tochter sich in seinem Haushalt befinde.
2.1. Mit Straferk. des Magistrates Sbg. vom 21. August 1979 wurde E J für schuldig erkannt, er habe auf dem Formblatt "Beih. 47" angegeben, daß sich seine Tochter A in seinem Haushalt befindet, obwohl sie bereits seit 1977 von seiner Familie getrennt lebt. E J sei seiner Meldepflicht nicht nachgekommen und habe hiedurch für die Zeit vom 1. Jänner 1978 bis 31. Jänner 1979 Familienbeihilfe in der Höhe von 11470 S zu Unrecht bezogen und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §25 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (künftig: FLAG) begangen. Gemäß §29 leg. cit. wurde über ihn eine Geldstrafe von 1100 S im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe von 24 Stunden verhängt.
2.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 11. August 1980 keine Folge gegeben und das angefochtene Straferk. bestätigt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, daß der erste Satz des angefochtenen Straferk. zu lauten habe:
"Der Beschuldigte, Herr E J, Abteilungsleiter der 'Firma ...', ..., hat laut Anzeige des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 11. 5. 1979 auf dem Formblatt Beih. 47, 'Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe' vom 22. 5. 1978 angegeben, daß sich seine Tochter A in seinem Haushalt befinde, obwohl er bereits seit 1977 von seiner Familie getrennt lebt."
3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1.1. Der Bf. vermeint, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, da mit dem angefochtenen Bescheid über ihn eine Strafe wegen eines Sachverhalts verhängt worden sei, den er nach dem Straferk. erster Instanz gar nicht begangen habe.
4.1.2. Fiele es der Berufungsbehörde wegen der Abänderung der Beschuldigung zur Last, einen Sachverhalt zum Gegenstand ihrer Berufungsentscheidung gemacht zu haben, der nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz war, so würde dies der Rechtsprechung des VfGH folgend tatsächlich eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bilden (vgl. VfSlg. 6128/1970 und die dort zitierte Vorjudikatur). Der VfGH ist aber der Auffassung, daß nach dem Willen der Behörde sowohl der ersten als auch der zweiten Instanz Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens der Umstand war, daß der Bf. bei Ausfüllung des Formblattes Beih. 47 vom 22. Mai 1978 nicht angab, bereits seit 1977 von seiner Familie getrennt gelebt zu haben. Bei der Änderung der Fassung des Spruches im Berufungsbescheid handelt es sich somit offensichtlich um eine bloß sprachliche Berichtigung einer undeutlichen Ausdrucksweise im erstinstanzlichen Erk. Durch die Ausführungen der Beschwerde wird die behauptete Grundrechtsverletzung somit nicht dargetan (vgl. VfSlg. 8505/1979).
4.1.3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird allerdings durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde auch dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl. VfSlg. 8707/1979). Dieser Vorwurf ist der bel. Beh. in der Tat zu machen.
Der angefochtene Bescheid ist "Für die Landesregierung" unterfertigt; er ist also der Sbg. Landesregierung zuzurechnen. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Sbg. Landesregierung die Zuständigkeit zur Fälligkeit einer Sachentscheidung in Anspruch genommen. Die bel. Beh. behauptet wohl in der Gegenschrift, daß "die gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeiten ... gewahrt worden seien", hiefür findet sich jedoch weder im FLAG noch sonst eine Grundlage. Der angefochtene Bescheid ist in einer Angelegenheit des Familienlastenausgleiches ergangen.
Hiebei handelt es sich um eine Materie, die gemäß Art10 Abs1 Z17 B-VG hinsichtlich Gesetzgebung und Vollziehung in die Zuständigkeit des Bundes fällt. Die Sbg. Landesregierung ist oberstes Vollzugsorgan in Landessachen. Damit erweist sich, daß nicht die zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständige Behörde entschieden hat.
Der angefochtene Bescheid verletzt den Bf. demnach im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
4.2. Der Bescheid war daher aufzuheben.
Schlagworte
Verwaltungsstrafrecht, Berufung, Familienlastenausgleich, Bescheidberichtigung, Behördenzuständigkeit, Landesregierung, Kompetenz Bund - Länder FamilienlastenausgleichEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B547.1980Dokumentnummer
JFT_10158877_80B00547_00