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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
BAO; Entscheidung gemäß §275, die Berufung gelte als zurückgenommen; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. erklärte mit ihrem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 19. Jänner 1978 die von der bf. Gesellschaft gegen den Umsatzsteuerbescheid 1973 sowie gegen den Körperschafts- und Gewerbesteuerbescheid 1973 des Finanzamtes für Körperschaften erhobene Berufung gemäß §275 BAO als zurückgenommen.
Sie begründete diese Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:
"Die Steuerberatung der berufungswerbenden GesmbH (Bw.) brachte für die Einreichung der Steuererklärungen für 1973 vier, zum Teil verspätete Fristerstreckungsansuchen ein. Auch eine Erzwingungsstrafe von 3000 S führte nicht dazu, daß die Bw. Erklärungen legte. Am 8. Oktober 1975, also über 1 1/2 Jahre nach der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Erklärungen für 1973, erließ das Finanzamt Bescheide gem. §184 BAO im Wege der Schätzung (im übrigen hatte das Finanzamt schon früher hinsichtlich des Jahres 1972 ebenso verfahren müssen). Gegen diese Bescheide wurde durch die Steuerberatung der Bw. fristgerecht Berufung erhoben. Diese enthält keine Begründung.
Anstatt dieser wurde ausgeführt: 'Die Begründung für unsere Berufung werden wir nachreichen.' Am 27. November 1975 wurde der Bw. ein Mängelbehebungsauftrag zugestellt, in dem eine Frist bis 5. Dezember 1975 gesetzt war, innerhalb welcher zu erklären war, welche Änderungen des angefochtenen Bescheides begehrt wurden und mit welcher Begründung; bei Nichteinhaltung der Frist gelte die Berufung als zurückgenommen. Daraufhin stellte die Bw. selbst einen am 3. Dezember 1975 beim Finanzamt eingelangten Antrag, in dem eine Verlängerung der Frist zur Einbringung der Berufungsbegründung erbeten wurde. Auf diesem Antrag befindet sich ein Aktenvermerk des bearbeitenden Referenten vom 4. Dezember 1975: 'verlängert bis 31. Dezember 1975 (fernmündliche Vereinbarung) gilt auch für 1972.'
Eine weitere Notiz des Referenten hält fest, daß anläßlich einer Vorsprache (15. Dezember 1975) des Geschäftsführers der berufungswerbenden GesmbH und seiner Buchhalterin die Frist zur Behebung der Mängel der Berufung letztmalig und unverlängerbar bis 31. Jänner 1976 erstreckt wurde. Sollte dennoch eine weitere Fristverlängerung erwirkt werden wollen, so sei mit dem zuständigen Gruppenleiter zu verhandeln.
Es existiert seitens des damals zuständigen Gruppenleiters keinerlei Aktenvermerk über eine weitere, mündliche gewährte Fristverlängerung.
Vom 4. Mai 1977 liegt folgende Notiz des zuständigen Referenten vor:
'Frau W' (dies ist die Buchhalterin der berufungswerbenden GesmbH) 'behauptet, für Behebung der Mängel sei noch Frist bis 28. Februar 1976 gegeben worden ... unrichtig.' Da die aufgewiesenen Mängel der Berufung nicht behoben wurden, erklärte das Finanzamt mit Bescheid vom 3. März 1976, zugestellt am 5. März 1976, die Berufung als gem. §275 BAO zurückgezogen. Am 19. März 1976 wurde gegen den letztgenannten Bescheid berufen. Die Begründung befaßt sich nur damit, warum die Erklärungen nicht fristgerecht eingebracht werden konnten (Schwierigkeiten mit der Datenverarbeitungsanlage und langdauernde Erkrankungen der Buchhaltungskräfte), sagt aber gar nichts darüber aus, warum kein weiterer Termin zur Einbringung der Mängelbehebung beantragt wurde.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung, gestützt auf §275 BAO, demzufolge eine mangelhafte Berufung, wenn der Mangel in einer angemessenen gesetzten Frist nicht behoben wurde, als zurückgenommen gilt, ab. Es führte weiter aus, daß ihm diese Nachlässigkeit umso unverständlicher erscheine, als die Bw. die Erfahrung der Folgen einer versäumten Mängelbehebung, hinsichtlich des Jahres 1972, schon kannte und auch akzeptiert hatte.
Durch Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz verlor die Berufungsvorentscheidung ihre Wirkung, Auch dieser Antrag bekräftigt die Bereitschaft, erforderliche Unterlagen beizubringen, enthält aber nichts, was als Begründung für die Versäumung eines weiteren Ansuchens zur Fristverlängerung bezüglich der Mängelbehebung angesehen werden könnte.
Im Anschluß an eine telefonische Rückfrage wurde von der Bw. selbst am 20. Dezember 1977 ein Schreiben folgenden Inhaltes bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz beigebracht:"
(Es folgt die wörtliche Wiedergabe dieses Schriftsatzes, dessen Punkt 4 wie folgt lautet:
"4.) Zur Sache selbst bemerken wir noch einmal, daß keinesfalls am Ende des betreffenden Jahres die Abgabefrist verstrichen ist, sondern ganz im Gegenteil durch Frau W bei dem zuständigen Referenten jeweils telefonisch oder persönlich die weitere Erstreckung der Frist beantragt und auch erteilt wurde.
Dies hat auch der zuständige Referent dem Unterzeichneten im persönlichen Gespräch und im Beisein der Frau W bestätigt, allerdings sind bei der Finanzbehörde hierüber keine Aktennotizen gefertigt worden.")
Weiters wurde zur Begründung ausgeführt:
"Am 23. Dezember 1977 langte bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz ein Schreiben des die Bw. seit 5. Oktober 1976 vertretenden Steuerberaters ein, in dem er auf das obige Schreiben der Bw. verweist und zusichert, 'nach dem 6. Jänner 1978 die diversen Schriftstücke et cetera nachzureichen.'
Es wurde nichts nachgereicht.
...
Gemäß §250 Abs1 BAO muß die Berufung unter anderem eine Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, und eine Begründung enthalten.
Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt. Das Finanzamt erließ daraufhin einen Auftrag gem. 275 BAO mit einer ihm angemessenen erscheinenden Frist. Diese Frist wurde mehrmals, endgültig bis zum 31. Jänner 1976 erstreckt. Es ist dabei zu bedenken, daß die Bw. dazu Unterlagen gebraucht hätte, deren Einreichung ihr grundsätzlich vom Gesetz schon per 31. März 1974 auferlegt war.
Die Stellung eines 'Antrages auf mündliche Verhandlung' ist nicht aktenkundig; dies ist aber auch belanglos, da aus dem Zusammenhang der §§260 und 284 BAO hervorgeht, daß nur bei einer 'Senatsentscheidung' eine mündliche Verhandlung stattfinden kann. Für eine monokratische Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (§260 Abs1 BAO) kennt die Bundesabgabenordnung das Rechtsinstitut einer 'mündlichen Verhandlung' nicht.
Die Bw. hat Unterlagen, die eine weitere Fristgewährung zur Mängelbehebung belegen, nicht beigebracht.
Eventuelle Versäumnisse der damaligen steuerlichen Vertretung sind für die rechtliche Beurteilung dieses Falles irrelevant, dies umsomehr, als der Geschäftsführer und dessen Hauptbuchhalterin sich ja persönlich in das 'Fristverlängerungsverfahren' eingeschaltet hatten.
Gemäß §25 des GesmbHGes. sind Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.
Dazu gehören unzweifelhaft die Sorge für die Einreichung von Erklärungen und Wahrung von Fristen gegenüber dem Finanzamt.
Warum der Geschäftsführer sich nicht um eine Verlängerung der Frist zur Mängelbehebung besorgt hat, führt die Bw. nirgends an. Aber selbst bei persönlicher Verhinderung des Geschäftsführers hätte dieser bei der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes dafür Sorge zu tragen gehabt, daß eine andere Person oder eine zuverlässige Steuerberatung diese Agenden in entsprechender Weise zu tragen gehabt hätte.
Durch sorglose Außerachtlassung der gesetzlich festgelegten Vorschriften und Fristen hat sich die Bw. ihres Berufungsrechtes begeben. Deshalb war die Berufung abzuweisen."
2. Gegen diesen Bescheid der Finanzlandesdirektion richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Bf. eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Im Erk. VfSlg. 8924/1980 hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß eine rechtswidrige Entscheidung nach §275 BAO, eine Berufung gelte als zurückgenommen, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der VfGH bleibt auf diesem Standpunkt und hat daher im vorliegenden Beschwerdefall zu prüfen, ob die bel. Beh. die bezogene Gesetzesstelle richtig handhabte. Daran ist aber nicht zu zweifeln.
Zunächst ist festzuhalten, daß die im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen durchaus der Aktenlage entsprechen. Die bf. Gesellschaft bringt allerdings vor, daß sowohl ihr Geschäftsführer als auch ihre Buchhalterin mehrmals bei der Abgabenbehörde erster Instanz vorgesprochen und dabei eine Fristverlängerung bis 15. März 1976 erwirkt hätten. Dies sei im Berufungsverfahren "im Gespräch" dargelegt und darauf hingewiesen worden, daß bei der Bf. Aktenvermerke über diese Gespräche existierten; auf diese habe sich das Schreiben des Wirtschaftstreuhänders vom 22. Dezember 1977 bezogen.
Dazu führt die bel. Finanzlandesdirektion in ihrer Gegenschrift im wesentlichen aus, in einem telefonischen Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Bf. und dem Sachbearbeiter der bel. Beh. am 15. Dezember 1977 habe der Geschäftsführer ua. behauptet, daß die abweisende Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes noch vor dem Ablauf der seiner Buchhalterin mündlich zugesagten Frist zur Behebung der Mängel der Berufung ergangen sei. Der Geschäftsführer sei daraufhin aufgefordert worden, unverzüglich Beweise für die Richtigkeit seiner Behauptung, es sei eine Frist bis 31. März 1976 gewährt worden, beizubringen. Es seien jedoch lediglich ein Schreiben vom 17. Dezember 1977 sowie ein vom Steuerberater der Bf. eingebrachter Schriftsatz vom 22. Dezember 1977 eingelangt, in denen kein Nachweis für die behauptete Fristverlängerung angeboten worden sei.
Der VfGH kann es nun auf sich beruhen lassen, ob eine völlig formlos, nämlich bloß fernmündlich an die Berufungsbehörde herangetragene präzisere Behauptung über die Gewährung einer Fristverlängerung (insbesondere der erstmaligen Angabe, bis wann die Mängelbehebungsfrist erstreckt worden sei) die Behörde überhaupt hätte verhalten können, dieses Vorbringen im Detail zu berücksichtigen. Denn selbst wenn man dies annehmen wollte, wäre für die bf. Gesellschaft nichts zu gewinnen, weil sie tatsächlich die ihr als Rechtsmittelwerberin zumutbare Mitwirkung am rund 1 3/4 Jahre anhängigen Berufungsverfahren unterließ und insbesondere weder ihre Aktenvermerke vorlegte noch sonst welche Beweise anbot.
Dem Akt der Berufungsbehörde ist hingegen zu entnehmen, daß diese intensiv bemüht war, trotz der nicht sehr deutlichen Behauptungen der Bf. die notwendigen Klarstellungen vorzunehmen, daß sie umfangreiche fernmündliche Auskünfte beim Finanzamt, insbesondere bei dessen zuständigem Referenten, einholte und sogar Ablichtungen aus dem Notizbuch des Referenten beischaffte, die jedoch insgesamt keinen Hinweis auf eine über den 31. Jänner 1976 hinausreichende Verlängerung der Mängelbehebungsfrist erbrachten.
Vor dem Hintergrund dieses Verwaltungsgeschehens kann keine Rede davon sein, daß der von der bel. Beh. in freier Beweiswürdigung nach §167 Abs2 BAO getroffenen Feststellung, das Finanzamt habe eine Fristerstreckung bloß bis zum 31. Jänner 1976 gewährt, irgendwelche Mängel anhaften.
Auf dem Boden dieser Sachverhaltsfeststellung kann aber auch kein Zweifel daran bestehen, daß der Tatbestand des §275 BAO verwirklicht wurde, zumal der erhobenen Berufung tatsächlich der nach litb bis d in §250 Abs1 BAO geforderte Inhalt (Erklärungen, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden, sowie Begründung) fehlte.
Auf den von der Bf. in diesem Zusammenhang noch gerügten Umstand, daß der Mängelbehebungsauftrag, der Bescheid darüber, daß die Berufung als zurückgenommen gilt, sowie die Berufungsvorentscheidung nicht an ihren Steuerberater, sondern an sie selbst ergangen seien, braucht der Gerichtshof nicht weiter einzugehen. Die bf. Gesellschaft übersieht nämlich, daß der damals von ihr bevollmächtigte Wirtschaftstreuhänder mit Eingabe an das Finanzamt vom 21. Jänner 1974 ausdrücklich begehrte, sämtliche Zustellungen unmittelbar an die Gesellschaft vorzunehmen.
2. Da sich somit der angefochtene Bescheid als rechtmäßig erweist, ist es ausgeschlossen, daß die bf. Gesellschaft durch ihn in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde, insbesondere im geltend gemachten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Eine Erörterung der übrigen Beschwerdeausführungen war sohin entbehrlich, wobei noch anzumerken bleibt, daß sie zum weitaus überwiegenden Teil mit dem normativen Inhalt des bekämpften, ausschließlich verfahrensrechtlichen Bescheides in keinem Zusammenhang stehen.
3. Das Beschwerdeverfahren erbrachte schließlich auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der angefochtene Bescheid auf rechtswidrigen generellen Normen beruht.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
Schlagworte
Finanzverfahren, Rechtsmittel Finanzverfahren, Zustellung, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B205.1978Dokumentnummer
JFT_10158877_78B00205_00