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L5 KulturrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Stmk. Naturschutzgesetz 1976; Auftrag zur Entfernung einer Werbetafel gemäß §4 Abs3 und 7 und §34 Abs1; Bewilligung des Gemeinderates war keine naturschutzrechtliche; denkmögliche Beurteilung der Verjährungsfrage gemäß §34 Abs2; kein in die Verfassungssphäre reichender VerfahrensfehlerSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 2. Juli 1979 wurde J W gemäß §4 Abs3 und 7 sowie §34 Abs1 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. 65 (künftig: NschG 1976), aufgetragen, die an der Kreuzung der Bundesstraße 63 mit der Landesstraße 424 bei der Abzweigung nach S, zirka 50 m nach der Abzweigung an der linken Straßenseite angebrachte Werbetafel mit der Anschrift "Gasthaus W S, Komfortzimmer, gute Küche, herrliche Fernsicht, Seehöhe 740 m" und den Maßen 2,00 m x 1,56 m innerhalb von zwei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides zu entfernen.
1.2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde von der Stmk. Landesregierung mit Bescheid vom 26. März 1980, Z 6-375/IV Ha 71/2-1980, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 "bei Unterstellung des Sachverhaltes unter §4 Abs1 und 7" des NschG 1976 keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Verfügungsfreiheit über Liegenschaften sowie des nach Art18 B-VG festgelegten Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Gemäß §4 Abs1 NschG 1976 dürfen Ankündigungen (Werbeeinrichtungen, Bezeichnungen, Hinweise und nichtamtliche Bekanntmachungen) außerhalb geschlossener Ortschaften nur mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde vorgenommen werden. Nach Abs2 Z2 leg. cit. sind von der Bewilligungspflicht Hinweise ohne Werbezusätze, die zur Auffindung ua. nahegelegener Geschäfts- oder Betriebsstätten dienen, ausgenommen.
Nichtbewilligte aber bewilligungspflichtige Ankündigungen sind gemäß §4 Abs7 NschG 1976 binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch die Bezirksverwaltungsbehörde von demjenigen zu entfernen, der die Ankündigung veranlaßt hat oder, wenn dieser nicht mehr herangezogen werden kann, vom Grundeigentümer (Verfügungsberechtigten), wenn dieser hiezu sein Einverständnis erteilte.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen wurden vom Bf. nicht geltend gemacht; solche Bedenken sind auch aus Anlaß des Beschwerdefalles im VfGH nicht entstanden.
3.2.1. Der Bf. vermeint jedoch, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, weil die Werbetafel, zu deren Entfernung er durch den angefochtenen Bescheid angehalten werde, von ihm mit Bewilligung des Gemeinderates der Gemeinde Pinggau im August 1975 angebracht worden sei. Das NschG 1976 sei erst am 1. Jänner 1977 in Kraft getreten, wobei sich aus §35 (Übergangsbestimmungen) ergebe, daß die nach den bisherigen naturschutzrechtlichen Bestimmungen erteilten Bewilligungen unberührt bleiben. Die bel. Beh. räume selbst ein, "daß diese damalige Bewilligung nach den bisherigen Bestimmungen 'hinlänglich gewesen sein mag' ". Darüber hinaus habe der Bf. aufgrund des Bewilligungsbeschlusses des Gemeinderates vom 31. Juli 1975 und der Zustimmung des Grundeigentümers Rechte zur Aufstellung der in seinem Eigentum befindlichen Werbetafel erworben, in die durch den bekämpften Bescheid verfassungswidrig eingegriffen werde. Dazu komme, daß nach §34 Abs2 leg. cit. eine Beseitigungspflicht nicht mehr bestehe, wenn seit der Beendigung der rechtswidrigen Handlung mehr als drei Jahre verstrichen sind, was für die Frage stehende Ankündigungstafel zutreffe.
3.2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9074/1981).
Im angefochtenen Bescheid wird davon ausgegangen, daß die Ankündigungstafel des Bf. aufgrund der Zusätze "Komfortzimmer, gute Küche, herrliche Fernsicht" nicht als Hinweis nach §4 Abs2 Z2 NschG 1976 gewertet werden könne, sodaß die in Frage stehende Ankündigungstafel mit Inkrafttreten des NschG 1976, somit seit 1. Jänner 1977, einer Bewilligung durch die Bezirksverwaltungsbehörde bedurft habe. Daran ändere auch nichts, daß dem Bf. vom Gemeinderat der Gemeinde Pinggau am 31. Juli 1975 eine Bewilligung erteilt wurde, möge diese auch bis zum Inkrafttreten des NschG 1976 hinlänglich gewesen sein. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides sei allerdings hinsichtlich des "ebenfalls angezogenen §34 Abs1 NschG 1976 dahin gehend zu korrigieren (gewesen), daß diese Gesetzesstelle zu entfallen hat, da die Auftragserteilung zur Entfernung nichtbewilligter Ankündigungen im §4 Abs7 abschließend geregelt wird".
Der VfGH kann entgegen der Meinung des Bf. nicht finden, daß die bel. Beh. denkunmöglich vorgegangen ist. Insbesondere ist dem Bf. entgegenzuhalten, daß es sich bei der Bewilligung des Gemeinderates vom 31. Juli 1975, auf die er sich unter Hinweis auf §35 Abs1 NschG 1976 beruft, um keinen naturschutzrechtlichen Akt handelt. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß die in Frage stehende Hinweistafel für seinen Gasthof vorerst an der Straßenkreuzung der B 63 mit der L 424 angebracht war, wo sie jedoch über Anordnung der Straßenverwaltung nicht belassen werden durfte. Mit dem Gemeinderatsbeschluß vom 31. Juli 1975 wurde ihm die Bewilligung zur Aufstellung der Ankündigungstafel am nunmehrigen Anbringungsort erteilt, wobei der Beschluß, wie der Bf. selbst im Administrativakt ausführt, folgenden Wortlaut hatte:
"Aufgrund Ihrer schriftlichen Eingabe vom 8. 7. 1975 betreffend die Aufstellung einer Werbetafel hat der Gemeinderat in der Sitzung vom 31. 7. 1975 unter Punkt 4. der Tagesordnung den Beschluß gefaßt, daß die Genehmigung für die Aufstellung einer Werbetafel erteilt wird."
Mit Eingabe vom 8. Juli 1975 war der Gemeinderat vom Bf. unter Hinweis darauf, daß der bisherige Aufstellungsort der Hinweistafeln untersagt worden sei, um Zustimmung zur Aufstellung am nunmehrigen
Aufstellungsort ersucht worden, weil "es sich ... um eine Gemeindestraße handelt ... ".
Beim Gemeinderatsbeschluß vom 31. Juli 1975 handelt es sich somit um keine Bewilligung, die nach naturschutzrechtlichen Bestimmungen erteilt wurde; somit ist für den Bf. hieraus nichts zu gewinnen.
Der bel. Beh. kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie §34 Abs2 leg. cit., wonach ein Entfernungsauftrag zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht mehr erteilt werden kann, wenn seit der Beendigung der rechtswidrigen Handlung mehr als drei Jahre verstrichen sind, im Beschwerdefall nicht herangezogen hat. Auch wenn die bel. Beh. auf diese Bestimmung nicht eingegangen ist, "da die Auftragserteilung zur Entfernung nichtbewilligter Ankündigungen im §4 Abs7 NschG 1976 abschließend geregelt wird" (was der Gegenschrift auf das Erk. des VwGH vom 8. November 1978, Z 1297/78 gestützt wird), ohne sich damit zu befassen, inwieweit eine gleichheitskonforme Auslegung des §34 Abs2 NschG 1976 es erfordert, daß die Bestimmung auch für solche Fälle heranzuziehen ist, so fällt dies der bel. Beh. im Beschwerdefall nicht zur Last, weil die dreijährige Frist jedenfalls erst ab Inkrafttreten des NschG 1976 gerechnet werden kann; im Zeitpunkte der Erlassung des Entfernungsauftrages war die Verjährungsfrist also keinesfalls verstrichen. Im Hinblick auf diese Lagerung des Beschwerdefalles und auf die auch gegebene Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Verjährungsregelung erübrigt es sich, der Frage nachzugehen, ob die Behörde das Gesetz auch richtig angewendet hat; denkmöglich ist sie jedenfalls vorgegangen.
Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.
3.3.1. Der Bf. behauptet weiters, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger dadurch verletzt worden zu sein, daß die Behörde den Begriff des Parteiengehörs "denklogisch verfehlt" angewandt habe. Der Bf. sei lediglich als Auskunftsperson in einem gegen einen Dritten, nämlich seinen Sohn, eingeleiteten Verwaltungsverfahren gehört worden, da die Behörde ursprünglich von der irrigen Annahme ausgegangen sei, daß an diesen der Entfernungsauftrag zu richten sei. Keinesfalls sei die Behörde hiedurch der Verpflichtung enthoben gewesen, ihm Parteiengehör in dem nachfolgend gegen ihn eingeleiteten Verfahren einzuräumen. Dazu komme, daß sich die bel. Beh. im angefochtenen Bescheid auf die Ergebnisse eines Lokalaugenscheines berufe, von dessen Abhaltung er ebenfalls nie in Kenntnis gesetzt worden sei. Im gleichen Maße gelte dies aber auch für den Umstand, daß er zur Frage der angelasteten Verunstaltung des Landschaftsbildes nie Stellung habe nehmen können.
3.3.2. Im Beschwerdefall käme eine Verletzung des Gleichheitsgebotes nur in Frage, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. zB. VfSlg. 8808/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur, VfSlg. 9187/1981).
All dies kann der bel. Beh. nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Das Recht auf Parteiengehör, dessen Verletzung der Bf. zunächst geltend macht, ist kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, sondern lediglich ein in einem einfachen Gesetz (§37 AVG 1950) begründetes prozessuales Parteienrecht. Selbst wenn der Bf. im Recht auf Parteiengehör verletzt worden sein sollte, kann hierin allein die Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht erblickt werden (vgl. VfSlg. 4003/1961, 4394/1963). Was die Nichtzuziehung des Bf. zu einem von der bel. Beh. durchgeführten Lokalaugenschein betrifft, so repliziert die bel. Beh. in der Gegenschrift, daß es sich um eine Standortbeurteilung gehandelt habe und damit um eine Sachverhaltswürdigung, die ausschließlich Sache der Behörde sei. Der VfGH kann der bel. Beh., die sich zur Richtigkeit ihrer Ansicht auf das Erk. VwSlg. 1737 A/1950 beruft, auch insofern kein verfassungswidriges Vorgehen anlasten. Wenn der Bf. der bel. Beh. schließlich vorwirft, er habe zur "Frage der angelasteten Verunstaltung des Landschaftsbildes" nie Stellung nehmen können, geht dies schon deshalb ins Leere, weil eine solche Frage im angefochtenen Bescheid gar nicht zur Beurteilung steht.
Auch sonst finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die bel. Beh. willkürlich vorgegangen wäre. Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, ist vom VfGH nicht zu prüfen. Dies zu beantworten obliegt ausschließlich dem VwGH.
3.4. Inwieweit der Bf. in dem aus Art6 StGG erfließenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, verletzt worden sein könnte, wird in der Beschwerde nicht dargetan. Dem VfGH ist nicht ersichtlich, wie der angefochtene Bescheid in das genannte Grundrecht eingreifen könnte.
3.5. Wenn sich der Bf. schließlich auf Art18 B-VG beruft, nach dessen Abs1 die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf, genügt es, ihn darauf zu verweisen, daß aus der genannten Verfassungsbestimmung kein subjektives öffentliches Recht erfließt (vgl. VfSlg. 1430/1932, 2976/1956, 3769/1960, 4074/1961, 4131/1962, 4363/1963, 4395/1963 ua.).
3.6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in vom ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Naturschutz, Landschaftsschutz, Verjährung, Auslegung verfassungskonforme, Verwaltungsverfahren, Beweise, Sachverständige, Ermittlungsverfahren ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B236.1980Dokumentnummer
JFT_10158877_80B00236_00