Index
44 ZivildienstNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Zivildienstgesetz; keine Verletzung des in §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung durch die Berücksichtigung verwaltungsrechtlicher Vorstrafen bei der Beweiswürdigung; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. begehrte unter Bezugnahme auf §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes, BGBl. 187/1974 (in der für diesen Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Nov. BGBl. 496/1980; im folgenden: ZDG) seine Befreiung von der Wehrpflicht und führte begründend folgendes aus:
"Da ich seit Jahren überzeugter Pazifist bin und jede Waffengewalt ablehne, bitte ich Sie, meinen Antrag zum Zivildienst positiv zu erledigen.
Denn wenn man bedenkt, wieviele Menschen es heute nocht gibt, die um Soldaten, die in den letzten Kriegen gefallen sind, trauern, und versucht, sich in jene Menschen hineinzudenken, wird man bald erkennen, daß es besser ist, Kriege anstatt Völker zu bekämpfen. Ich finde eine sinnvolle Ausbildung, anderen Menschen zu helfen, besser, als sie zu töten."
Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDK) führte sodann Erhebungen über die Person des Bf. durch. Sie ergaben seine strafrechtliche Unbescholtenheit, jedoch insgesamt sieben Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz und der Straßenverkehrsordnung; im übrigen kam Nachteiliges nicht hervor.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat 3 der ZDK bezog sich der Bf. auf seine bisherigen Ausführungen und brachte ergänzend vor:
"Ich könnte es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, daß ich auf Menschen schießen soll oder auch nur, daß ich darauf trainiert werde. Ich habe schon als Kind eine Abneigung gegen Waffen gefunden. Die Abneigung ist von jeher so stark, daß ich das Bundesheer nicht machen könnte. Ich bin bei meiner Grußmutter aufgewachsen, mein Onkel war Jäger, und der hat wiederholt die Katzen, die sich stark vermehrt haben, erschossen. Schon das Erlebnis hat mich dazu gebracht, daß ich keine Waffen anrühren könnte. Ich habe eine solche Empfindung auch immer, wenn ich im Fernsehen etwas vom Krieg sehe.
Bei meiner Stellung habe ich vom ZD noch nichts gewußt und deshalb als Garnisonswunsch Baden genannt, als ich gefragt wurde, wo ich hin will, dies deswegen, weil die Kaserne in der Nähe meines Wohnortes ist. Erst ein paar Wochen danach habe ich von einem Freund über die ZD-Möglichkeit erfahren.
Die Verwaltungsstrafen erfolgten wegen Schnellfahrens mit dem Moped. Das Moped habe ich schon so bekommen. Es war dies ein Verhalten, wie es bei Burschen mit meinem damaligen Alter häufig ist.
Durch einen Angestellten der Fa. Porsche habe ich einmal davon erfahren, daß man beim Roten Kreuz eine Schulung für Erste Hilfe machen kann. Ich habe mich dafür interessiert und diese Schulung durchgemacht. In die Gelegenheit, diese Ausbildung anzuwenden, bin ich bisher nicht gekommen.
Wenn ich bei der Stellung gewußt hätte, daß es den ZD gibt, hätte ich das gleich dort gesagt.
Meine Ablehnung von Waffengewalt habe ich schon von Kindheit an. Ich habe auch niemals Spielzeugrevolver gehabt, weil ich das nicht wollte, daher habe ich mich auch immer mehr von Freunden abgesondert, weil die über mich gelacht haben.
Für den Fall der Stattgebung möchte ich beim Roten Kreuz eingesetzt werden, weil ich hier Menschen direkt helfen kann und möchte ZD so bald wie möglich antreten."
Weiters legte der Bf. ein Schreiben eines praktischen Arztes vor, in dem zusammenfassend gesagt wird:
"Bei dem Untersuchten besteht eine neurotische Persönlichkeit mit deutlichen Zwangsmechanismen, welche auf eine kindliche Traumatisierung zurückzuführen ist. Die durchgemachte Erkrankung eines Magengeschwürs deutet ebenso auf die Labilität der Persönlichkeit hin, wobei es durch die Streßsituation zu einer psychosomatischen Erkrankung gekommen ist. Bei dieser Persönlichkeitsstruktur würde es bei der Ableistung des Präsenzdienstes mit der Waffe zu neuerlichen Konfliktsituationen kommen, und aller Voraussicht nach würde der Untersuchte mit psychosomatischen Erkrankungen darauf reagieren. Dem Untersuchten wurde daher vom med. Standpunkt aus dringend angeraten, sich für den gesetzlich vorgesehenen Zivildienst zu entscheiden, da er schon bei dem Gedanken, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden, nicht nur in eine schwere Gewissensnot, sondern in eine für ihn ausweglose Situation kommen würde."
Mit Bescheid vom 28. November 1978 wies die ZDK den Antrag ab. Sie begründete ihre Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen:
Gemäß §2 Abs1 ZDG seien Wehrpflichtige von der Wehrpflicht zu befreien, wenn sie es aus schwerwiegenden glaubhaften Gewissensgründen ablehnten, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot gerieten. Gemäß §6 Abs2 ZDG habe der Antragsteller die vorgebrachten Gewissensgründe glaubhaft zu machen. Die ZDK habe bei Würdigung dieser Gründe insbesondere auch auf das bisherige Verhalten des Antragstellers Bedacht zu nehmen. Eine derartige Glaubhaftmachung sei dem Antragsteller nicht gelungen. In seinem - nur sehr kurz gehaltenen - Antrag behauptet er, seit Jahren überzeugter Pazifist zu sein, und daß es erforderlich wäre, angesichts der in den letzten Kriegen gefallenen Soldaten die Kriege zu bekämpfen. In seiner Vernehmung vor der ZDK habe er ein miterlebtes Erschießen junger Katzen als maßgeblich für die Ablehnung von Waffengewalt - selbst in Form der Handhabung von Spielzeugwaffen - dargestellt (auch in dem vorgelegten Gutachten eines praktischen Arztes sei ersichtlich, daß diesem gegenüber eben dieser Umstand als maßgeblich dargestellt worden sei). Die Kommission erachte dieses Vorbringen - möchte sich auch ein derartiges Erschießen von Katzen tatsächlich abgespielt haben - nicht als hinreichend glaubhaften Grund für die behauptete Haltung. Wäre dieses Erleben wirklich so gravierend und für die psychische Entwicklung gerade in bezug auf die Handhabung mit Waffen ausschlaggebend gewesen, dann wäre zu erwarten gewesen, daß darauf mit entsprechender Deutlichkeit bereits im schriftlichen Vorbringen hingewiesen worden wäre.
Hätte diese Haltung in ihrer entschiedenen Ausprägung tatsächlich schon seit langem bestanden, wäre auch zu erwarten gewesen, daß bereits anläßlich der Stellung vorgebracht worden wäre, aus psychischen Gründen oder aus einer Gewissenshaltung heraus keinen Wehrdienst leisten zu können. Etwas derartiges sei aber nicht vorgebracht, im Gegenteil der Wunsch nach einem bestimmten Garnisonsort geäußert und außerdem noch zugewartet worden, bis ein Einberufungsbefehl zugestellt worden sei. Dieses Verhalten lasse sich mit einer - wie behauptet werde - seit früher Kindheit bestehenden entschiedenen Haltung gegen Waffengewalt schwer in Einklang bringen. Die Behauptung, über die Zivildienstmöglichkeit nicht informiert gewesen zu sein, wirke nicht überzeugend. Gerade unter den davon betroffenen jungen Menschen sei diese Möglichkeit durch die Aufklärungsarbeit in den Massenmedien weithin verbreitet worden und es werde jeweils auch in einem Einführungsvortrag anläßlich der Stellung darauf hingewiesen. Mit der Behauptung der strikten Ehrfurcht vor dem Leben anderer ließen sich auch die wiederholten Bestrafungen wegen Verstößen gegen Verkehrsvorschriften nicht recht in Einklang bringen. Es sei jedermann einsichtig, daß derartige Vorschriften dem Schutz menschlichen Lebens dienen. Möge auch konzediert werden, daß eine Übertretung einer Verkehrsvorschrift im Straßenverkehr aus einer Überforderung heraus passieren könne, so zeige doch die Häufung von Verkehrsübertretungen bereits in jungen Jahren und die Wirkungslosigkeit bereits erfolgter Abstrafungen, daß eine gewisse Tendenz zur Vernachlässigung der dem Schutz menschlichen Lebens bestehenden Vorschriften zu Tage trete, die aber wieder mit der behaupteten Gewissenshaltung kaum in Einklang gebracht werden könne. Diese Überlegungen würden auch nicht durch das vorgelegte Privatgutachten entkräftet, da dieses im wesentlichen ebefalls auf das behauptete, schon eingangs erwähnte Kindheitserleben aufgebaut sei und die weiteren dargelegten Umstände nicht behandle.
3. Gegen den Bescheid der ZDK richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher der Bf. eine Verletzung des Gleichheitsrechtes geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Zunächst hält der VfGH eine Prüfung des angefochtenen Bescheides unter dem Blickpunkt geboten, ob der Bf. in dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt wurde.
Eine solche Verletzung liegt dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hat, und weiters - da die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebliche Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Grundrechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen sind oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hat, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980, 9549/1982).
Die bel. Beh. war gemäß §6 Abs2 ZDG verpflichtet, bei der Würdigung der vom antragstellenden Bf. vorgebrachten Gründe insbesondere auf sein bisheriges Verhalten Bedacht zu nehmen; es kann ihr also nicht entgegengetreten werden, wenn sie die verwaltungsrechtlichen Vorstrafen des Bf. berücksichtigt hat. Die von ihr aus dem Vorleben des Bf. abgeleitete Auffassung, er neige dazu, Vorschriften, die zum Schutz des menschlichen Lebens bestehen, zu vernachlässigen, ist nun keineswegs unschlüssig; der belangten ZDK ist - wenn überhaupt - jedenfalls kein wesentlicher Fehler im Bereich der Würdigung von Beweis(Bescheinigungs)mitteln, also im verfahrensrechtlichen Bereich, unterlaufen, wenn sie (schon) aufgrund dieser Überlegungen die vom Bf. behauptete ethische Grundhaltung als nicht glaubhaft angesehen hat (vgl. VfSlg. 8794/1980).
Da bereits aus diesen Erwägungen folgt, daß eine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht stattgefunden hat, ist die Beantwortung der Frage entbehrlich, ob die vom Bf. vorgebrachten Gründe als solche geeignet gewesen wären, die materiellen Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle zu verwirklichen.
2. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsrechtes wendet sich der Bf. dagegen, daß die belangte ZDK die von ihm für die Wehrpflichtbefreiung ins Treffen geführten Gründe nicht als bescheinigt erachtet hat. Auf diese - dem Nachweis von Verfahrensfehlern gewidmeten - Beschwerdebehauptungen braucht der VfGH nach dem Vorgesagten jedoch nicht einzugehen.
Im übrigen bietet das Verwaltungsgeschehen keinen Anhaltspunkt für eine Verletzung des Gleichheitsrechtes, die gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorläge, wenn der angefochtene Bescheid auf einer gleichheitswidrigen Rechtsgrundlage beruhte (was in Ansehung der Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG von vornherein nicht in Betracht kommen kann) oder wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte.
3. Da das Beschwerdeverfahren schließlich weder die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes noch eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm ergab, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsmaßstab, ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B74.1979Dokumentnummer
JFT_10158877_79B00074_00