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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Tir. Bauordnung 1974; mehrmalige Beitragsleistung aufgrund mehrfacher verkehrsmäßiger Erschließung eines Bauplatzes gemäß §21 Abs1 möglich; kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz; keine gleichheitswidrige Vorschreibung eines GehsteigbeitragesSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. In der Zeit vom 6. Juli bis 10. September 1976 wurde in Lienz von der Gemeinde die Schillerstraße samt einem südseitigen Gehsteig neu errichtet. An diese Straße grenzen die im Eigentum des Bf. stehenden Grundstücke Grundparzellen ..., ... und ... nordseitig und das Grundstück Grundparzelle ..., sämtliche KG Lienz, südseitig an. Die nordseitig der Schillerstraße gelegenen Grundstücke des Bf. werden auch durch die Kärntner Straße (eine Bundesstraße) erschlossen, auf der bereits im Jahre 1962 ein Gehsteig errichtet worden war.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Lienz vom 7. August 1980 wurde dem Bf. für die genannten Grundstücke anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gehsteiges auf der Verkehrsfläche Schillerstraße ein Gehsteigbeitrag von 15696,12 S vorgeschrieben. Die vom Bf. gegen diese Vorschreibung erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtrats der Stadt Lienz vom 30. April 1981 ebenso abgewiesen wie die gegen den zweitinstanzlichen Bescheid erhobene Vorstellung durch die Landesregierung.
2. Die Tir. Landesregierung begründet ihren abweisenden Bescheid vom 30. Juni 1981 im wesentlichen wie folgt:
"Wenn die Tiroler Bauordnung von einer Verkehrsfläche spricht, so ist darunter - nach der Legaldefinition desselben Gesetzgebers in §21 Abs1 zweiter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. Nr. 10/1972, in der Fassung der Gesetze, LGBl. Nr. 70/1973, 63/1976 und 12/1979 - eine Grundfläche zu verstehen, die für den öffentlichen Fußgänger- und Fahrzeugverkehr und für die Errichtung jener Verkehrsanlagen bestimmt ist, die der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs unmittelbar dient. Die im Jahre 1976 errichtete Schillerstraße stellt eine solche Verkehrsfläche dar.
Die in Rede stehende Verkehrsfläche erschließt mindestens die unmittelbar angrenzenden Grundstücke Gp. ..., Gp. ... und Gp. ... bzw. Gp. ..., des Vorstellungswerbers. Unter 'Erschließung' ist dabei nicht zu verstehen, daß ab dem Zeitpunkt der Fertigstellung der Verkehrsfläche nur noch über sie zu den Grundstücken zugefahren wird. Entscheidend ist vielmehr, daß über die neu errichtete Verkehrsfläche zu den in Rede stehenden Grundstücken zugefahren werden kann. Der Aktenlage ist zu entnehmen, daß dieser Forderung durch die Schillerstraße entsprochen wird.
Gleichzeitig mit der Errichtung der Schillerstraße wurde auf derselben ein Gehsteig, dh. ein für den Fußgängerverkehr bestimmter und von der Fahrbahn abgegrenzter Teil der Straße, hergestellt. Die Errichtung dieses Gehsteiges ist offenbar die erstmalige Errichtung eines Gehsteiges auf einer Verkehrsfläche, die der Erschließung der Grundstücke des Vorstellungswerbers dient, seit dem Inkrafttreten der Tiroler Bauordnung mit 1. 1. 1975. Die im Jahre 1962 auf der Kärntner Straße erfolgte Errichtung eines Gehsteiges - auch die Kärntner Straße erschließt einen Teil der Grundstücke des Vorstellungswerbers - ist, da es in früheren Rechtsvorschriften keine gleichartige Regelung gegeben hat, unerheblich.
Es wird lediglich verlangt, daß auf einer Verkehrsfläche, die - wie die Schillerstraße im Falle aller oben angeführten Grundstücke des Vorstellungswerbers - der unmittelbaren Erschließung eines Bauplatzes dient, erstmals ein Gehsteig errichtet wird. Es ist unerheblich, ob die Errichtung der Verkehrsfläche oder des Gehsteiges, der ein Teil der Verkehrsfläche ist, gleichzeitig oder nacheinander erfolgt ist. Es entsteht der Gehsteigbeitrag somit auch dann, wenn - wie in der Schillerstraße - die Verkehrsfläche samt Gehsteig errichtet wird.
Werden auf Verkehrsflächen, die die Grundstücke des Vorstellungswerbers unmittelbar erschließen, in Hinkunft weitere Gehsteige errichtet, so wird - mangels des Tatbestandsmerkmales 'erstmals' - kein Gehsteigbeitrag mehr ausgelöst werden können."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die bel. Beh. stützt ihre Entscheidung auf §21 der Tir. Bauordnung, LGBl. 42/1974 (TBO), idF vor der Nov. LGBl. 37/1978 (sowie - was für die vorliegende Entscheidung nicht weiter von Relevanz ist - auf die aufgrund des §19 Abs5 TBO erlassene V des Gemeinderates der Stadt Lienz vom 17. Jänner 1975 über die Festsetzung des maßgeblichen Einheitssatzes für den Erschließungsbeitrag).
§21 Abs1 TBO hatte folgenden Wortlaut:
"Wird auf einer Verkehrsfläche, die der unmittelbaren Erschließung eines Bauplatzes dient oder mit der der Bauplatz durch einen Privatweg verbunden ist, erstmals ein Gehsteig errichtet, so hat der Eigentümer des Bauplatzes neben dem Erschließungsbeitrag nach §19 Abs1 einen Beitrag zu den Kosten der Errichtung dieses Gehsteiges zu entrichten. Der Beitrag beträgt 20% des nach §19 festgesetzten Erschließungsbeitrages. Dieser Berechnung ist der zum Zeitpunkt des Baubeginnes des Gehsteiges geltende Einheitssatz zugrunde zu legen."
2. Der Bf. hält den ersten Satz des §21 Abs1 TBO idF der - nach der Nov. LGBl. 37/1978 - erfolgten Wiederverlautbarung LGBl. 43/1978 für gleichheitswidrig. Der Bf. begründet dies im wesentlichen wie folgt:
Es sei zwar nicht in Zweifel zu ziehen, daß die Gemeinde die Eigentümer von Bauplätzen zur Leistung von Erschließungsbeiträgen für die Verkehrserschließung einschließlich der Errichtung von Gehsteigen verpflichten könne. Es sei aber nicht einzusehen, weshalb die Beitragsleistung zu den Kosten der Verkehrserschließung in §19 TBO völlig anders geregelt sei, als die Beitragsleistung zu den Kosten der Errichtung von Gehsteigen in §21, zumal der Gehsteig eine ebenso für jedermann benützbare Verkehrsfläche sei, wie die übrigen Teile der Verkehrsfläche. Es bestehe überhaupt kein sachliches Unterscheidungsmerkmal, welches eine unterschiedliche Regelung von Beitragslasten, wie dies in den §§19 und 21 TBO der Fall sei, rechtfertige. Da der Gehsteig nur Bestandteil der Verkehrsfläche sei, die Errichtung des Gehsteiges nicht im überwiegenden Interesse des jeweils angrenzenden Baugrundstückes liege, sondern der Allgemeinheit, habe der Gesetzgeber in der verschiedenen Regelung der Voraussetzungen zur Entrichtung von Beiträgen zu den Kosten der Verkehrserschließung iS des §19 TBO einerseits sowie zu den Kosten der Errichtung von Gehsteigen nach §21 TBO andererseits gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstoßen. Noch schwerwiegender sei, daß §21 TBO eine mehrmalige Beitragspflicht zu den Kosten der Errichtung von Gehsteigen hinsichtlich ein und desselben Bauplatzes bewirken könne. Wenn ein Bauplatz durch mehrere Verkehrsflächen erschlossen werde, dann werde der Eigentümer mehrfach beitragspflichtig, obwohl ihm eine Erschließungsmöglichkeit völlig ausreiche und das Vorhandensein mehrerer Erschließungsmöglichkeiten nur eine Folge der tatsächlich gegebenen, vom Grundeigentümer unbeeinflußbaren Verkehrsverhältnisse sei. So wie die Beitragspflicht nach §19 TBO zu den Kosten der Verkehrserschließung eine einmalige sei, könne auch die Beitragspflicht bei Errichtung von Gehsteigen nur einmalig sein.
Wenn man aber §21 Abs1 TBO als verfassungskonform ansehe, dann sei nur eine solche Auslegung zulässig, daß bei Vorhandensein mehrerer Erschließungsmöglichkeiten für einen Bauplatz nur eine entsprechend anteilige Beitragspflicht entstehe. Im vorliegenden Fall sei auf der nördlich angrenzenden Kärntner Straße (Drautal-Bundesstraße) bereits seit langem ein Gehsteig errichtet. Wenn man der Ansicht der bel. Beh. folge, daß nur die erstmalige Errichtung eines Gehsteiges auf einer (direkt oder indirekt erschließenden) Verkehrsfläche die Beitragspflicht auslöse, dann sei hier eine solche Beitragspflicht "bereits verfehlt", weil "auf einer solchen Verkehrsfläche" Gehsteige bereits vor Wirksamkeit der TBO errichtet gewesen seien.
3. a) Zunächst ist festzuhalten, daß die bel. Beh. im Hinblick auf den Zeitpunkt der Errichtung des Gehsteiges im Jahre 1976 im vorliegenden Fall der Abgabenvorschreibung zutreffenderweise die Bestimmung des §21 TBO idF vor der - mit 1. September 1978 in Kraft getretenen - Nov. LGBl. 37/1978 zugrunde gelegt hat (s. hiezu §3 Abs1 und 3 der Tir. Landesabgabenordnung, wonach ein Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabenpflicht knüpft).
Der Umstand, daß sich die vom Bf. geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken auf eine hier nicht anzuwendende Fassung des ersten Satzes des §21 Abs1 TBO beziehen, ist aber deshalb nicht von Belang, weil sich diese Bedenken inhaltlich auch auf die - weitgehend gleiche - Fassung dieser Bestimmung vor der Nov. LGBl. 37/1978 erstrecken.
b) Es steht dem Landesgesetzgeber im Rahmen des Rechtes, neue Abgaben zu finden (vgl. VfSlg. 5859/1968, S 850) zu, eine Beitragspflicht an die Gemeinden zu den Kosten der Verkehrserschließung festzulegen (s. zuletzt VfSlg. 9874/1983), ebenso wie ihm das Recht zur Festsetzung einer Beitragsleistung anläßlich der erstmaligen Errichtung von Gehsteigen zukommt. Dies wird vom Bf. an sich auch nicht in Zweifel gezogen. Wenn es dem Landesgesetzgeber aber freisteht, einerseits einen (allgemeinen) Beitrag zu den Kosten der Verkehrserschließung und andererseits einen (besonderen) Beitrag im Falle der erstmaligen (konkreten) Errichtung eines Gehsteiges vorzusehen, ist der Landesgesetzgeber - ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen - auch berechtigt, für diese verschiedenartigen Beitragspflichten auch verschiedene Voraussetzungen zu statuieren. Der VfGH kann sich also der Behauptung des Bf., zwischen der Beitragsleistung nach §19 und jener nach §21 TBO bestehe überhaupt kein sachliches Unterscheidungsmerkmal, nicht anschließen.
Die Formulierung des ersten Satzes des §21 Abs1 TBO, wonach ein Beitrag zu entrichten ist, wenn auf einer Verkehrsfläche ... erstmals ein Gehsteig errichtet wird, kann nur so verstanden werden, daß die Beitragspflicht durch die erstmalige Errichtung eines Gehsteiges auf einer bestimmten, der Erschließung dienenden Verkehrsfläche ausgelöst wird. Hiebei kann sich das Wort "erstmals" nur auf die erstmalige Errichtung des Gehsteiges auf dieser bestimmten Verkehrsfläche beziehen, nicht jedoch auf die - zeitlich gesehen - erstmalige Errichtung eines Gehsteiges auf einer von allenfalls mehreren der Erschließung eines Bauplatzes dienenden Verkehrsflächen. Es trifft somit die Auffassung des Bf. zu, daß §21 Abs1 TBO auch eine mehrmalige Beitragsleistung zu den Kosten der Errichtung von Gehsteigen hinsichtlich ein- und desselben Bauplatzes auslösen kann. Dies steht nicht im Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz, weil eine mehrfache verkehrsmäßige Aufschließung eines Bauplatzes dem Eigentümer in der Regel auch mehr Möglichkeiten bei der Verwendung und Verwertung des Bauplatzes bietet. Ob das in jedem Einzelfall zutrifft, ist für die Sachlichkeit der Regelung nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Der VfGH hat daher unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die Bestimmung des §21 Abs1 TBO in der hier angewendeten Fassung keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
c) Aufgrund der oben angestellten Erwägungen ist es für die anläßlich der erstmaligen Errichtung eines Gehsteiges in der Schillerstraße entstandene Beitragspflicht des Bf. unerheblich, daß einige der bezughabenden Grundstücke auch durch die Kärntner Straße erschlossen werden, auf welcher seit 1962 ein Gehsteig vorhanden ist. Es kann daher auch unerörtert bleiben, welche Bedeutung ansonsten dem Umstand zukäme, daß die Kärntner Straße eine Bundesstraße ist.
Da auf der Schillerstraße im Jahre 1976 überhaupt zum ersten Mal ein Gehsteig errichtet wurde, erübrigt sich auch eine Untersuchung darüber, ob die in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Auffassung der Behörde mit dem Sachlichkeitsgebot in Einklang zu bringen wäre, daß unter einer "erstmaligen" Errichtung eines Gehsteiges nur eine solche seit dem Inkrafttreten der TBO mit 1. Jänner 1975 zu verstehen sei.
Der behauptete Verstoß gegen das Gleichheitsgebot liegt somit ebenfalls nicht vor.
4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Bescheiderlassung, Abgaben Landes-, Baurecht, Gehsteigherstellung, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B411.1981Dokumentnummer
JFT_10158874_81B00411_00