TE Vfgh Erkenntnis 1984/11/26 B85/80

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Veröffentlicht am 26.11.1984
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

StGG Art5
VStG §9
WRG 1959 §137

Leitsatz

WRG 1959; Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Nichtbefolgung von Anordnungen gemäß §137 WRG iVm. §9 VStG über ein nicht satzungsgemäß zur Vertretung nach außen befugtes Organ einer Gesellschaft; gesetzloses Handeln der Behörde; Verletzung des Eigentumsrechtes

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der A AG, Wien, wurde mit Bescheid vom 4. Juni 1976, Z IX-A-133/8-1976, von der Bezirkshauptmannschaft Baden namens des Landeshauptmannes von NÖ gemäß §§32, 33, 105 und 111 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. 215/1959 idF der Nov. BGBl. 207/1969 (im folgenden WRG genannt) die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Einbringung der mineralölverunreinigten Oberflächenwässer und der mineralölverunreinigten Abwässer des auf den Parzellen .../11 und .../12 der KG Sooß errichteten Tankstellenbetriebes nach vorheriger Reinigung in die Zentralkanalisationsanlage der Marktgemeinde Sooß unter Vorschreibung verschiedender Auflagen erteilt.

2. Mit Straferk. der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 23. März 1979 wurde dem Bf., der als verantwortliches Organ der "A AG" bezeichnet wurde, angelastet, daß bei der Tankstelle in Sooß, Bezirk Baden, durch längere Zeit bis 10. Mai 1977 die Auflagen des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 4. Juni 1976 nicht eingehalten worden seien, da ein Benzinabscheider ohne selbständige Abschlußvorrichtung eingebaut worden sei und näher bezeichnete Bescheidbedingungen nicht eingehalten worden seien. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §137 Abs1 WRG in Verbindung mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden aus 1976 begangen. Gemäß §137 Abs1 WRG wurde gegen ihn eine Geldstrafe von 2000 S bzw. eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von drei Tagen verhängt.

Die erste Verfolgungshandlung gegen den Bf. wegen der genannten Verwaltungsübertretung war von der Behörde im Juni 1977 vorgenommen worden.

3. In der gegen dieses Erk. erhobenen Berufung führte der Bf. aus, er habe alles Zumutbare unternommen, um etwaige Verletzungen von Vorschriften, insbesondere des WRG, bei der Tankstelle in Sooß hintanzuhalten.

4. Der Landeshauptmann von NÖ gab mit Bescheid vom 18. Dezember 1979, Z III/1-19511/1-1979, der Berufung gemäß §66 Abs4 AVG 1950 und §51 VStG 1950 nicht Folge. In der Begründung des Bescheides wurde ua. ausgeführt, die Bestrafung des Bf. sei berechtigterweise erfolgt, da er im Handelsregister (Reg.-Nr. B 12293) beim Handelsgericht Wien als Gesamtprokurist für die A AG aufscheine. Gemäß §9 VStG 1950 treffe bei einer Gesellschaft, wenn eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Verletzung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, "die Strafbestimmung immer auf das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ". Diese Organe seien aus dem Handelsregister zu ersehen.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der geltend gemacht wird, der Bf. sei durch den angefochtenen Bescheid wegen denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden, und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

6. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß §137 Abs1 WRG wird die Nichteinhaltung der in Bescheiden der Wasserrechtsbehörden getroffenen Anordnungen unbeschadet einer allfälligen strafgerichtlichen Ahndung von der örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe bis 20000 S bestraft. Wird die strafbare Handlung beim Betrieb einer Wasseranlage begangen, so trifft gemäß §137 Abs3 WRG die angedrohte Strafe neben dem Täter auch den Wasserberechtigten und seinen Betriebsleiter, wenn und soweit sie es bei der nach den Verhältnissen möglichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes oder bei der Auswahl oder der Überwachung der Aufsichtspersonen an der erforderlichen Sorgfalt haben fehlen lassen oder wenn die strafbare Handlung mit ihrem Vorwissen begangen worden ist.

Trifft eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht, deren Nichterfüllung mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein, so finden gemäß §9 VStG idF vor der Nov. BGBl. 176/1983, sofern die Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung.

2. Im Beschwerdefall ist Wasserberechtigte die A AG. Die Strafbestimmungen des §137 WRG finden daher gemäß §137 Abs3 WRG iVm.

§9 VStG 1950 idF vor der Nov. BGBl. 176/1983 auf den Täter, den Betriebsleiter und, da Wasserberechtigter eine Gesellschaft ist, auf deren satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organen Anwendung. Die Verwaltungsstrafbehörden haben im Beschwerdefall die oben angeführte Strafbestimmung des §137 Abs1 WRG auf den Bf. als Organ der Gesellschaft angewendet.

3. Der angefochtene Bescheid erlegt dem Bf. eine Geldstrafe auf und greift daher in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums ein. Er würde dieses Recht verletzten, wenn das von der bel. Beh. angewendete Gesetz verfassungswidrig wäre oder wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

Daß die von der bel. Beh. angewendeten gesetzlichen Bestimmungen, vorab §137 Abs1 und 3 WRG und §9 VStG 1950 idF vor der Nov. BGBl. 176/1983, verfassungswidrig wären, behauptet der Bf. nicht. Unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles sind auch beim VfGH derartige Bedenken nicht hervorgekommen (vgl. VfSlg. 8273/1978).

Der Bescheid, dessen Anordnungen nicht befolgt zu haben dem Bf. zur Last gelegt wird, ist nur an die A AG gerichtet. Er verpflichtet daher auch nur diese. Der Bf. könnte dafür, daß er die Anordnungen des Bescheides vom 4. Juni 1976 nicht befolgt hat, daher nur über §9 VStG 1950 idF vor der Nov. BGBl. 176/1983 verantwortlich gemacht werden. Die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle hiefür liegen jedoch offenkundig nicht vor. Der Bf. gehört nicht dem Kreis der satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe der AG an. Er ist nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Beschwerde lediglich deren Gesamtprokurist. Seine Bestrafung konnte also denkunmöglich nicht (vgl. den insoweit gleichgelagerten Fall VfSlg. 8273/1978) auf §9 VStG 1950 idF vor der Nov. BGBl. 176/1983 gestützt werden.

Sie kommt somit einem gesetzlosen Handeln gleich und verletzt folglich iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

Verwaltungsstrafrecht, Wasserrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B85.1980

Dokumentnummer

JFT_10158874_80B00085_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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