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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzBeachte
s. Kundmachung BGBl. 530/1984 am 21. Dezember 1984; vgl. die Anlaßfälle VfSlg. 10281/1984, 10289/1984 und 10290/1984 sowie B143, 144/81, B71/81 und B146, 147/81, alle drei vom 21. Feber 1985.Leitsatz
MRK; der österreichische Vorbehalt zu Art5 umfaßt nicht das FinStrG; Art6 garantiert auch die Effektivität des Rechtsschutzes; Beiziehung eines rechtskundigen Beraters und Vertreters als Aspekt des fairen Verfahrens iS des Art6 FinStrG; Beschlagnahmeverbot der dem Geheimnisschutz (Zeugnisverweigerungsrecht) des berufsmäßigen Parteienvertreters iS der §§99 Abs1 und 102 Abs4 (§104) unterliegenden Beweismittel aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen mit §89 Abs1 und 2 ableitbar; jedoch kein Verfahren zur Verhinderung der Verwendung zu Unrecht (im Rahmen einer Hausdurchsuchung) beschlagnahmter Gegenstände; Verstoß einiger Wendungen in §89 Abs1 und 2 gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens iS des Art6 MRK und des Anklageprozesses in Art90 Abs2 B-VG sowie gegen den GleichheitsgrundsatzSpruch
1. a) Die Gesetzesprüfungsverfahren zu G51/83 und G107/84 werden eingestellt;
b) Die übrigen Gesetzesprüfungsverfahren werden hinsichtlich der Wortfolgen "von verfallsbedrohten Gegenständen" sowie "zur Sicherung des Verfalls" im ersten Absatz des §89 Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958, (FinStrG), ferner hinsichtlich des zweiten Satzes des Abs1 sowie hinsichtlich der Abs3 bis 5 des §89 sowie hinsichtlich §90, §91 und §92 FinStrG, (die §§89 bis 91 idF des BGBl. Nr. 335/1975) eingestellt;
c) Die Gesetzesprüfungsverfahren zu G24/83 und G89/83 werden außerdem hinsichtlich des §89 Abs2 FinStrG eingestellt.
2. Als verfassungswidrig werden aufgehoben:
a) Im ersten Absatz des §89 FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, idF des BG BGBl. Nr. 335/1975 die Wortfolge "und von Gegenständen die als Beweismittel in Betracht kommen können," und die Wortfolge "oder zur Beweissicherung";
b) Der zweite Absatz des §89 FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, idF des BG BGBl. Nr. 335/1975.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Novembers 1985 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Die übrigen Worte des ersten Absatzes des §89 FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, idF des BG BGBl. Nr. 335/1975 werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1 Die Anlaßbeschwerden
1.1 Beim VfGH sind Verfahren aufgrund nachfolgend näher bezeichneter Beschwerden anhängig, die sich gegen Hausdurchsuchungsbefehle von Finanzstrafbehörden erster Instanz bzw. Beschlagnahmen von Unterlagen und Gegenständen durch Organe von Finanzstrafbehörden erster Instanz richten:
1.1.1 Bf. zu B83/80 ist Dr. R B, öffentlicher Notar in K.
Das Finanzamt Wr. Neustadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz hat mit einem auf §93 Abs1 FinStrG gestützten Hausdurchsuchungsbefehl vom 23. Jänner 1980 die Vornahme einer Hausdurchsuchung in der Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörenden Räumlichkeiten sowie in den Wirtschafts-, Gewerbe- und Betriebsräumen des Bf. angeordnet. In der Begründung des Hausdurchsuchungsbefehles wird ausgeführt, daß gegen Klienten des Kanzleivorgängers des bf. Notars verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes von Finanzvergehen nach §§33 ua. FinStrG anhängig seien. Aufgrund von konkreten Feststellungen der Behörde zum obigen Sachverhalt bestehe der begründete Verdacht, daß sich in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten und Behältnissen Gegenstände befänden, die in den obgenannten Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kämen.
Bereits vor Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehles, nämlich im November 1979, hatten sich Beamte des Finanzamtes an den Bf. gewandt, um Auskünfte iZm. der Beurkundung von Kaufverträgen durch den Kanzleivorgänger zu erhalten, doch hatte sich der Bf. auf seine Verschwiegenheitspflicht berufen und erklärt, er werde sich wegen Entbindung von dieser an die Kaufparteien wenden.
In einem Aktenvermerk vom 18. Jänner 1980 hatten Beamte des Finanzamtes festgehalten, daß sich der Bf. bei einer Amtshandlung (offenbar gemeint: Befragung über Umstände eines Kaufvertragsabschlusses) geweigert habe, Namen und nähere Umstände bekanntzugeben. Die Notwendigkeit der Hausdurchsuchung wurde dann wie folgt begründet:
"Diese Beweismittel können daher nur im Wege einer Hausdurchsuchung beschafft werden, zumal Notar Dr. B noch angab, daß ihn sein Klient (M) nicht aus seiner Verschwiegenheitspflicht entlasse, weshalb er keinerlei Auskünfte erteilen könne."
Über Rückfrage des Finanzamtes wurde von einem Beamten des Bundesministeriums für Finanzen "hiezu folgende Rechtsansicht eröffnet" (S 69 des Strafaktes):
"Die gesetzlichen Bestimmungen des FinStrG über Hausdurchsuchungen kennen keine Einschränkungen auf irgendeinen Personenkreis, also auch nicht bezüglich von Rechtsanwälten, Notaren oder Wirtschaftstreuhändern (Steuerberatern).
Die Bestimmungen des §104 FinStrG beziehen sich nur auf Zeugenaussagen und Vorlagen von Geschäftsunterlagen. Dies kann sich jedoch nicht auf die Durchführung einer Hausdurchsuchung beziehen."
Die Hausdurchsuchung wurde am 24. Jänner 1980 in der Zeit von 8.28 Uhr bis 12.45 Uhr in den Kanzleiräumen des Bf. durch Organe des Finanzamtes Wr. Neustadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz durchgeführt. Hiebei wurden die in der Niederschrift vom 24. Jänner 1980 angeführten 38 Handakte, 16 Buchungsbelege für Anderkonten und andere schriftliche Unterlagen beschlagnahmt.
Am 28. Feber 1980 erstattete das Finanzamt Wr. Neustadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz in Entsprechung des §54 FinStrG Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim Kreisgericht Wr. Neustadt und wies in dieser Anzeige darauf hin, daß bisherige Erhebungen ergeben hätten, daß der strafbestimmende Wertbetrag über 500000 S liegen dürfte, sodaß gemäß §53 Abs1 litb voraussichtlich die gerichtliche Zuständigkeit zur Ahndung von Finanzvergehen gegeben sei.
Die zu B83/80 protokollierte Beschwerde bekämpft folgende Verwaltungsakte:
a) Den Hausdurchsuchungsbefehl des Finanzamtes Wr. Neustadt vom 23. Jänner 1980,
b) die Hausdurchsuchung vom 24. Jänner 1980 und
c) die am 24. Jänner 1980 erfolgte Beschlagnahme schriftlicher Unterlagen.
Das aus Anlaß dieses Beschwerdefalles eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wird unter G24/83 geführt.
1.1.2 Bf. zu B143, 144/81 ist die V M reg. Genossenschaft mbH.
Wie sich aus den Akten AZ 1661/80 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt ergibt, fand vor diesem Gericht im Zug eines Finanzstrafverfahrens gegen mehrere Beteiligte am 16. Februar 1981 eine Tagsatzung zur Sichtung gerichtlich beschlagnahmter Unterlagen aus dem Besitz der V M reg. Genossenschaft mbH statt. Dabei wurde das Sparbuch Nr. 6030480 samt Verpfändungserklärung Nr. 3048 zunächst dem anwesenden Vertreter der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt übergeben, der zwar Einsicht nahm und seinerseits den von ihm (in Handhabung der Bestimmung des §197 FinStrG) der Tagsatzung beigezogenen Beamten des Finanzamtes Eisenstadt Einsicht gewährte, aber keine diese Urkunden betreffenden Anträge stellte.
Daraufhin faßte der die Amtshandlung leitende Richter einen Beschluß auf Ausfolgung der beiden - mit dem eingangs angeführten Strafverfahren offenbar nicht in Zusammenhang zu bringenden - Urkunden an den Vertreter des genannten Bankinstituts, einen Rechtsanwalt. Im weiteren Verlauf der Amtshandlung wurden sowohl das Sparbuch als auch die Verpfändungserklärung dem Rechtsanwalt gerichtlich ausgefolgt.
In einer "Niederschrift über die Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug gemäß §89 Abs2 Finanzstrafgesetz (FinStrG)", aufgenommen am 16. Feber 1981 von Organen des Finanzamtes Eisenstadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz, heißt es, daß das Sparbuch Nr. ... und die zugehörige Verpfändungserklärung (Nr. ...) gemäß §89 Abs2 FinStrG bei Gefahr im Verzug beschlagnahmt wurden und in Verwahrung der Behörde übernommen werden. Da der Rechtsanwalt die Herausgabe des Sparbuches und der Verpfändungserklärung verweigerte, wurde sein Aktenkoffer beschlagnahmt. Bei Sichtung des Inhaltes des Aktenkoffers stellte sich jedoch heraus, daß sich Sparbuch und Verpfändungserklärung nicht im Koffer befanden.
Da der Staatsanwalt in Ansehung des Sparbuches und der Verpfändungsurkunde keine Anträge stellte, konnte die Beschlagnahme nur wegen des Verdachtes auf Vorliegen eines verwaltungsbehördlichen strafbaren Finanzvergehens erfolgen, worauf auch in der Gegenschrift der bel. Beh. hingewiesen wird.
In der B143, 144/81 protokollierten Beschwerde begehrt das bf. Kreditinstitut die Feststellung, daß es
a) durch die am 16. Feber 1981 erfolgte Beschlagnahme des Sparbuches Nr. ..., Verpfändungserklärung Nr. ..., sowie
b) dadurch, daß die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt dem Finanzamt diese Beschlagnahme erst ermöglichte, indem sie Vertreter des Finanzamtes Eisenstadt zur vom Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Wr. Neustadt zur Z Vr 1661/80 angeordneten Tagsatzung vom 16. Feber 1981 zur Sichtung von Unterlagen beizog und dieses Einsicht in die Unterlagen gewährte und dem Finanzamt Eisenstadt die für die Beschlagnahme erforderlichen Daten zur Verfügung stellte,
demnach durch Ausübung unmittelbarerverwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.
Das aus Anlaß dieses Verfahrens eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wird zu G51/83 geführt.
1.1.3 Bf. zu B71/81 ist Dr. W-D A, Rechtsanwalt in Wien.
Der Bf. vertritt die V M in den Verfahren B143, 144/81. Die von ihm im eigenen Namen erhobene Beschwerde zu B71/81 betrifft im wesentlichen denselben Sachverhalt, der den Beschwerden B143, 144/81 zugrunde liegt. Der bf. Anwalt bekämpft die Beschlagnahme seines Aktenkoffers, welche nach §89 Abs2 FinStrG nach der unter 1.1.2. erwähnten Tagsatzung vom 16. Feber 1981 erfolgte, da die Vertreter des Finanzamtes Eisenstadt meinten, in dem Aktenkoffer des Bf. befänden sich das unter 1.1.2. genannte Sparbuch und die Verpfändungserklärung. Dr. A hatte zuvor die Herausgabe unter Hinweis auf das Anwaltsgeheimnis und das Bankgeheimnis verweigert. Wie sich aus der Niederschrift über die Öffnung des beschlagnahmten Aktenkoffers durch die bel. Beh. ergibt, befanden sich tatsächlich weder das Sparbuch Nr. ... noch die Verpfändungserklärung Nr. ... im gegenständlichen Aktenkoffer.
Das aus Anlaß dieses Verfahrens eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wird zu G50/83 geführt.
1.1.4 Bf. zu B146, 147/81 ist die Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH.
Die Beschwerde richtet sich gegen mehrere Verwaltungsakte:
1.1.4.1 Wie insbesondere aus den Akten AZ 8a Vr 12/81 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt hervorgeht, gab der für diese Strafsache zuständige Richter in einer am 18. Feber 1981 - im Gebäude des Finanzamtes Wr. Neustadt - stattgefundenen Tagsatzung aufgrund einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung - in der Nacht zum 16. Jänner 1981 - bei der Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH beschlagnahmtes Gut frei, und zwar:
a) fünf Sparbücher, bezeichnet mit Überbringer (Konto-Nrn. 30038277, 30038251, 30038244, 30038236 und 30038269) mit Einlagenstand von je 100000 S sowie zugehörigen fünfzehn Sparkonten(blättern) mit Losungswort "B", lautend auf Überbringer, versehen mit den Konto-Nrn. 30038236, 30038244, 30038251, 30038269, 30038277, 30036594, 30035216, 30033948, 30033955, 30033963, 30033971, 30032312, 30032304, 30027775 und 30035448;
b) ein Sparkontenblatt, bezeichnet mit "..." (Konto-Nr. 40020026) und
c) neun Sparkontenblätter, lautend auf "...", versehen mit den Konto-Nrn. 30034888, 30032940, 30032452, 30032999, 30034904, 30034896, 30034870, 30032957 und 40010860.
Diese unter den Punkten a) bis c) bezeichneten Unterlagen wurden im Anschluß an deren gerichtliche Freigabe von Organen des Finanzamtes Wr. Neustadt an Ort und Stelle mit Berufung auf die Bestimmung des §89 Abs2 FinStrG beschlagnahmt, weil sie nach Auffassung der einschreitenden Finanzbeamten als Beweismittel in einem finanzbehördlichen Strafverfahren in Betracht kommen konnten.
1.1.4.2 Ferner beschlagnahmten Organe des Finanzamtes Baden bei Wien aus Anlaß der einleitend angeführten Hausdurchsuchung bei der Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH am 16. Jänner 1981 gemäß §89 Abs2 FinStrG zwei vorgefundene Brillanten, die von einer Kundin des Kreditinstituts als Verwahrstücke Nr. 2856 hinterlegt worden waren und in der Folge offenbar in amtlicher Verwahrung verblieben sind.
1.1.4.3 Außerdem ordnete die Vollstreckungsstelle des Finanzamtes Eisenstadt gleichfalls iZm. der in Rede stehenden Hausdurchsuchung am 16. Jänner 1981 die (amtliche) Verwahrung von zwölfhundert (einfachen) Golddukaten an, die sich in der Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH befunden hatten und laut Vermerk im Vollstreckungsakt Z 370/6587 des Finanzamtes Eisenstadt einer Kundin des Kreditinstituts gehören.
1.1.4.4 Schließlich wurde eine Reihe von Gegenständen, die bei der besagten Hausdurchsuchung bei der Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH beschlagnahmt wurden, unter Berufung auf entsprechende Sicherstellungsaufträge - gegen verschiedene Abgabenschuldner - gemäß §232 BAO finanzbehördlich gepfändet, nämlich
a) ein Sparbuch der Steiermärkischen Bank in Graz, lautend auf "...", Nr. 0011-423258, mit Einlagenstand von 500000 S, ein Raiffeisensparbuch der RAIKA N, lautend auf "...", Nr. 30035042, mit Einlagenstand von 300000 S, ein Raiffeisensparbuch der RAIKA N, lautend auf "...", Nr. 30027445, mit Einlagenstand von 165825,98 S und ein Raiffeisensparbuch der RAIKA N, lautend auf "...", Nr. 30030076, mit Einlagenstand von 52455,55 S (Pfändungsprotokolle vom 2. Feber 1981, AHE-600/6875 des Finanzamtes Wr. Neustadt),
b) vier Sparbücher Nr. 30002257 ("...", Stand 640000 S), Nr. 30033997 ("...", Stand 14727,94 S), Nr. 30035323 ("...", Stand 40269,63 S) und Nr. 40071318 ("...", Stand 54890,86 S); (Pfändungsprotokolle vom 5. Feber 1981, Z 360/1820 des Finanzamtes Eisenstadt),
c) neunzig Stück Silberbarren zu je 1 kg sowie Anleihestücke (mit 36000 S Nominale) und mindestens 200 ITT-Aktien (Pfändungsprotokolle vom 23. Jänner 1981, Z 860/2951 des Finanzamtes Eisenstadt).
1.1.4.5 In einer im Verfahren AZ 8a Vr 12/81 des Kreisgerichtes. Wr. Neustadt am 20. Feber 1981 im dortigen Finanzamtsgebäude fortgesetzten Tagsatzung übergab der Richter den anwesenden Organen des Finanzamtes Wr. Neustadt (auch) ein Sparbuch mit Nr. ... von dem nicht feststand, ob es im Rahmen der seinerzeit gerichtlich verfügten Hausdurchsuchung bei der Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH beschlagnahmt worden war. Dieses Buch wurde daraufhin von Beamten des genannten Finanzamtes gemäß §89 Abs2 FinStrG wegen Gefahr im Verzug als Beweismittel iS des §89 FinStrG beschlagnahmt und amtlich verwahrt.
Die Raiffeisenkasse N reg. Genossenschaft mbH begehrt in ihrer zu B146, 147/81 protokollierten Beschwerde der Sache nach die Feststellung, daß sie durch die Beschlagnahme zu Punkt 1.1.4.1 vom 18. Feber 1981 und zu Punkt 1.1.4.5 vom 20. Feber 1981, ferner ersichtlich durch die finanzbehördlichen Pfändungen zu Punkt 1.1.4.4 sowie dadurch, daß die zu Punkten 1.1.4.2 und 1.1.4.3 bezeichneten Gegenstände nach dem 18. Feber 1981 nicht herausgegeben wurden, demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei.
Das aus Anlaß dieser Verfahren eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wird zu G52/83 geführt.
1.1.5 Der Bf. zu B463/83, Dr. F W K ist - im Gegensatz zu den Bf. aller übrigen Anlaßverfahren - Beschuldigter eines Finanzstrafverfahrens.
Das Finanzamt für den 6., 7. und 15. Wr. Gemeindebezirk hat mit dem auf §89 Abs1 FinStrG gestützten Bescheid vom 18. April 1983 die Beschlagnahme des Inhaltes des Safes Nr. ... der Österreichischen Länderbank, Zweigstelle Philadelphiabrücke, angeordnet; dieser Safe war vom Bf. und seiner Ehefrau gemietet worden. Die Beschlagnahmeanordnung wurde damit begründet, es bestehe die Vermutung, daß im Safe Gegenstände verwahrt würden, die als Beweismittel für das bereits gegen den Bf. und seine Ehefrau eingeleitete Finanzstrafverfahren in Betracht kommen könnten.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. (FLD) hat mit Bescheid vom 9. Juni 1983 die dagegen vom Bf. erhobene (Administrativ-)Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH. Das aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wird zu G89/83 geführt.
1.1.6 Bf. zu B69/84 ist W M, Inhaber einer Schätzstelle für Pretiosen.
Der Bf. betreibt seinen Angaben zufolge seit dem Jahre 1976 diese Schätzstelle, zu der ein Laboratorium für Edelsteinuntersuchungen und Edelsteinbewertung in Wien gehört.
Das Landesgericht Sbg. erließ am 10. November 1983 zu Z 28 Vr 901/83 einen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehl mit folgendem Spruch:
"In der Strafsache gegen J J K wegen des Verdachtes des Schmuggels und der Hinterziehung von Eingangsabgaben und der Abgabenhehlerei, nach den §§35/1, 37/1 FinStrG wird gemäß den §§139, 140 StPO und §197/3 FinStrG, die Durchsuchung des Schätzungslaboratoriums W M, Wien, ... sowie die Beschlagnahme von Belastungsmaterial betreffend das gegenständliche Strafverfahren verfügt.
Mit der Durchführung des gegenständlichen Hausdurchsuchungs- und Beschlagnahmebefehles wird das Zollamt Innsbruck als Finanzbehörde 1. Instanz beauftragt."
Organe des Zollamtes Innsbruck beschlagnahmten der vorgelegten "Quittung über beschlagnahmte Gegenstände" Block Nr. 001776 vom 13. Dezember 1983 zufolge an diesem Tag beim Bf. an der erwähnten Adresse "gemäß §89 des Finanzstrafgesetzes" nachstehende Gegenstände:
"24 Stück Ordner mit Schätzungsgutachten mit lfd. Nr. 45-9533
19 Stück Ordner mit Schätzungsaufträgen mit lfd. Nr. 432-9533"
In der auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Bf. gegen diese Beschlagnahme. Er behauptet, daß die beschlagnahmten Gegenstände mit dem Verfahren gegen J J K weitestgehend nichts zu tun gehabt hätten und daß daher die Beschlagnahme in Überschreitung des Gerichtsauftrages erfolgt sei.
Daß aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wird zu G107/84 geführt.
1.2 Die genannten Gesetzesprüfungsverfahren wurden in sinngemäßer Anwendung des §187 ZPO (§35 VerfGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Gegenstand aller von Amts wegen eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren sind die §§89 bis 92 FinStrG, BGBl. 129/1958 (die §§89, 90 und 91 FinStrG idF des BGBl. 335/1975), welche lauten:
"§89. (1) Die Finanzstrafbehörde hat die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen können, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist. Diese Anordnung ist bei Durchführung der Beschlagnahme vorzuweisen.
(2) Bei Gefahr im Verzug sind die Organe der Abgabenbehörde, der Zollwache und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. Die beschlagnahmten Gegenstände sind, falls nicht nach §90 Abs1 zweiter Satz vorgegangen wird, der Finanzstrafbehörde abzuführen.
(3) Von der Beschlagnahme verfallsbedrohter Gegenstände kann abgesehen und eine bereits erfolgte Beschlagnahme solcher Gegenstände kann aufgehoben werden, wenn ein Geldbetrag erlegt wird, der dem Wert dieser Gegenstände entspricht (Freigabe). Der Geldbetrag tritt an die Stelle dieser Gegenstände und unterliegt nach Maßgabe des §17 dem Verfall. Eine Freigabe hat insbesondere zu unterbleiben,
a) solange die Gegenstände auch für Beweiszwecke benötigt werden,
b) wenn es sich um Monopolgegenstände oder andere Gegenstände handelt, die gesetzlichen Verkehrsbeschränkungen unterliegen,
c) wenn eine gesetzwidrige Verwendung der Gegenstände zu besorgen ist,
d) wenn die Gegenstände auch in einem anderen Verfahren beschlagnahmt sind oder wenn die ihnen in einem anderen Verfahren drohende Beschlagnahme aktenkundig ist.
(4) Verschlossene Briefe oder andere verschlossene Schriftstücke dürfen nur in den Fällen einer Hausdurchsuchung oder Festnahme beschlagnahmt und eröffnet werden.
(5) Postsendungen, die im Gewahrsam der Post sind, dürfen nur beschlagnahmt werden,
a) in den Fällen einer Hausdurchsuchung oder Festnahme, wenn es sich um Sendungen handelt, die der Beschuldigte abschickt oder die an ihn gerichtet werden, oder
b) wenn bezüglich des Inhaltes der Sendungen der Verdacht eines Schmuggels oder einer Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben besteht.
§90. (1) Die beschlagnahmten Gegenstände sind amtlich zu verwahren. Bereitet die amtliche Verwahrung Schwierigkeiten, so sind die Gegenstände einer dritten Person in Verwahrung zu geben; sie können aber auch dem bisherigen Inhaber belassen werden, wenn hiedurch der Zweck der Beschlagnahme nicht gefährdet wird. In solchen Fällen ist ein Verbot zu erlassen, über die Gegenstände zu verfügen, wobei hinsichtlich der Benützung, Pflege und Wertsicherung der Gegenstände die erforderlichen Bedingungen und Auflagen festzulegen sind. Die Gegenstände können auch durch amtliche Verschlüsse gesichert werden.
(2) Unterliegen die beschlagnahmten Gegenstände raschem Verderben oder einer erheblichen Wertminderung oder lassen sie sich nur mit unverhältnismäßigen Kosten aufbewahren, so können sie von der Finanzstrafbehörde erster Instanz wie finanzbehördlich gepfändete Gegenstände verwertet werden; im Zollgrenzbezirk beschlagnahmte Gegenstände, die raschem Verderben unterliegen, können auch von Organen der Zollgrenzdienststellen im kurzen Weg bestmöglich verwertet werden. Der Beschuldigte und der Eigentümer sind tunlichst vor der Verwertung zu verständigen. Der Erlös tritt an die Stelle der veräußerten Gegenstände und unterliegt nach Maßgabe des §17 dem Verfall. Die Verwertung wegen unverhältnismäßiger Aufbewahrungskosten unterbleibt, wenn rechtzeitig ein zur Deckung dieser Kosten ausreichender Betrag erlegt wird.
(3) Die Verwertung nach Abs2 hat jedoch solange zu unterbleiben, als die verfallsbedrohten Gegenstände für Beweiszwecke benötigt werden.
§91. (1) In allen Fällen, in denen beschlagnahmte Gegenstände abgenommen werden, ist dem bisherigen Inhaber eine Bestätigung auszustellen, in der die Gegenstände nach ihren wesentlichen Merkmalen, wie Stückzahl, Gewicht, Maß und Gattung, genau zu verzeichnen sind.
(2) Beschlagnahmte Gegenstände sind unverzüglich zurückzugeben, wenn die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme nicht gerechtfertigt ist.
§92. (1) Beschlagnahmte Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege sind dem Eigentümer oder einer vor diesem hiezu bevollmächtigten Person auf Verlangen zur Einsicht zugänglich zu machen, sofern hiedurch die Tatbestandsermittlung nicht beeinträchtigt und das Verfahren nicht ungebührlich verzögert wird. Die Abschriftnahme ist zu bewilligen, wenn nicht Verdunklungsgefahr oder Verabredungsgefahr besteht. Gegen die Verweigerung der Einsichtnahme oder der Abschriftnahme ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig."
1.3 Die Bundesregierung hat im Verfahren G24/83 eine Äußerung erstattet, in der sie die Einstellung des Verfahrens mangels Präjudizialität zur Gänze, in eventu hinsichtlich des §89 Abs1, soweit er die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen betrifft, sowie hinsichtlich §89 Abs2 bis 5, §90 Abs2 und 3, §91 Abs2 und §92, beantragt. Für den Fall, daß der VfGH das Verfahren nicht einstellen sollte, beantragte die Bundesregierung, die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des FinStrG nicht als verfassungswidrig auzuheben.
Für den Fall der Aufhebung von in Prüfung gezogenen Bestimmungen beantragte die Bundesregierung, für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.
Die in den übrigen Gesetzesprüfungsverfahren von der Bundesregierung erstatteten Äußerungen beschränken sich im wesentlichen auf den Hinweis auf die zu G24/83 erstattete Äußerung.
Zu den Äußerungen der Bundesregierung gaben die an den Gesetzesprüfungsverfahren beteiligten Bf. der zu B83/80 und B71/81 protokollierten Beschwerdeverfahren Stellungnahmen ab.
2. Zur Zulässigkeit der Gesetzesprüfungsverfahren
Der VfGH hat erwogen:
2.1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens G24/83 (Anlaßverfahren B83/80, siehe 1.1.1)
In seinem Beschluß auf Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens aus Anlaß des zu B83/83 protokollierten Beschwerdeverfahrens ging der VfGH vorläufig davon aus, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen im Anlaßverfahren präjudiziell sind. Dies begründete der VfGH wie folgt:
"Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Novelle BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlung (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für Hausdurchsuchungen in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren zutrifft, die nicht aufgrund eines - sie anordnenden - verwaltungsbehördlichen Bescheides stattfanden.
Der VfGH sprach bereits aus - und wird wohl an dieser Rechtsauffassung festhalten -, daß ein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl nach §93 Abs1 FinStrG - weil die Rechtslage des Betroffenen der Finanzbehörde gegenüber bindend gestaltend - als solcher Bescheid anzusehen ist (zB VfSlg. 7067/1973, VfGH 3. 3. 1982 B357/81; siehe auch die Judikatur des VfGH zur Beschlagnahmeanordnung nach §89 Abs1 FinStrG, zB VfGH 26. 11. 1982 B289/82 und die dort zitierte weitere Rechtsprechung).
Daraus folgt, daß die bekämpfte Durchführung der Hausdurchsuchung vom 24. Jänner 1980 nur dann einer selbständigen Anfechtung vor dem VfGH unterläge, wenn sie nicht durch einen bescheidmäßig verfügten Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt gewesen wäre.
Diese Rechtsansicht entspricht der ständigen Judikatur des VfGH über die Unzulässigkeit einer Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG gegen jene Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen, die von Verwaltungsbehörden (oder ihren Hilfsorganen) aufgrund eines richterlichen Befehls durchgeführt werden (vgl. zB VfSlg. 5012/1965, 6815/1972, 6829/1972, 7203/1973 und 8248/1978; VfGH 26. 11. 1981 B650/80). Sie steht aber auch im Einklang mit der in wiederholten Erkenntnissen vertretenen Rechtsanschauung des VfGH, daß eine mitverwaltungsbehördlichen Bescheid verfügte Beschlagnahme nicht unmittelbar Gegenstand einer Beschwerdeführung nach Art144 Abs1 B-VG sein kann (she. zB VfSlg. 2450/1952, 3848/1960, 4947/1965, 5720/1968 und VfGH 11. 6. 1981 B243/80). Die allerdings im Erkenntnis VfSlg. 3592/1959 und, ihm folgend, auch im Erkenntnis VfSlg. 7067/1973 zum Ausdruck kommende abweichende Meinung, die Erlassung und der Vollzug eines Hausdurchsuchungsbefehls nach §93 Abs1 FinStrG bilde keinen einheitlichen normativen Akt, wurde - soweit der Inhalt der Vollzugsmaßnahmen bereits durch den bescheidmäßigen Befehl bindend bestimmt ist - angesichts der eingangs zitierten Rechtsprechung des VfGH bereits mit Erkenntnis vom 3. März 1982, B357/81, aufgegeben.
Die Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls ermächtigt auch zur Durchführung der Beschlagnahme (vgl. VfSlg. 7067/1973 und Beschluß vom 3. 3. 1982 B357/81). Die Modalitäten dieser Durchführung sind jedoch nicht ausdrücklich im Hausdurchsuchungsbefehl genannt. Sie ergeben sich aus dem Gesetz, nämlich den §§89 bis 92 FinStrG, doch ist das Gebot, die Beschlagnahme nur nach den in den §§89 bis 92 FinStrG normierten Modalitäten durchzuführen, eine Wirkung der Erlassung des Hausdurchsuchungsbefehls.
Der VfGH geht dahervorläufig davon aus, daß es nur bei der Anwendung der §§89 bis 92 FinStrG möglich ist, die Durchführung der Beschlagnahme an dem hiezu ermächtigenden Hausdurchsuchungsbefehl zu messen und die Frage zu beantworten, ob die Ermächtigung allenfalls überschritten und der überschießende Akt daher beim VfGH anfechtbar ist. Daher scheinen die genannten Bestimmungen präjudiziell zu sein".
Die Bundesregierung trat dieser vorläufigen Annahme des VfGH mit folgenden Argumenten entgegen:
"Im Zusammenhang mit dieser Annahme verweist die Bundesregierung auf das im Unterbrechungsbeschluß zitierte Erkenntnis vom 3. März 1982, B357/81, in dem der VfGH von seiner Rechtsprechung abgegangen ist, wonach der Hausdurchsuchungsbefehl und der Vollzug desselben keinen einheitlichen normativen Akt bilden und deshalb sowohl der Hausdurchsuchungsbefehl - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - als auch die Durchführung der Hausdurchsuchung als faktische Amtshandlung anfechtbar sind; er hat in diesem Erkenntnis eine Beschwerdeführung nur gegen den Hausdurchsuchungsbefehl nach Erschöpfung des Instanzenzuges für zulässig angesehen.
Der VfGH hat weiters erkannt (VfSlg. 7067/1973), daß der Hausdurchsuchungsbefehl, wenn in ihm die Suche nach Gegenständen verfügt wird, welche im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen, auch den rechtlichen Titel für die Beschlagnahme der Gegenstände bildet. Dies ergibt sich allgemein aus dem mit der Hausdurchsuchung verbundenen Zweck der Suche nach Beweismitteln und im besonderen aus der Bestimmung des §94 Abs2 FinStrG, wonach der Inhaber der Räumlichkeiten aufzufordern ist, das Gesuchte freiwillig herauszugeben, was auf ein Abnahmerecht im Rahmen der Hausdurchsuchung schließen läßt. Da gegen den Hausdurchsuchungsbefehl Beschwerde gemäß §152 Abs1 FinStrG erhoben werden kann und im Beschwerdefall auch erhoben wurde, und da der Befehl überdies den Beschlagnahmeauftrag inkludiert, ist die Beschlagnahme von Gegenständen den im Zuge der Hausdurchsuchung grundsätzlich nicht als beim VfGH anfechtbare faktische Amtshandlung zu qualifizieren, sondern als Teil der Hausdurchsuchung, für die die zur Bekämpfung des Hausdurchsuchungsbefehls vorgesehenen Rechtsmittel zur Verfügung stehen.
Somit bleibt zu prüfen, ob eine im Sinne der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 5012/1965) allenfalls über den Befehl hinausgehende Beschlagnahme vorliegt, welche daher insoweit als faktische Amtshandlung unmittelbar beim VfGH anfechtbar wäre:
Versteht man unter den im Hausdurchsuchungsbefehl des Finanzamtes Wr. Neustadt vom 23. Jänner 1980 genannten Gegenständen - das sind jene, die im konkreten Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen - uneingeschränkt alle Beweismittel - wie dies der VfGH vorläufig annimmt -, so ist die Beschlagnahme zur Gänze völlig zweifelsfrei durch den Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt.
Es wäre dann aber die Beschwerde im Anlaßfall selbst wegen Fehlens der Prozeßvoraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges als unzulässig zurückzuweisen, da ein den Hausdurchsuchungsbefehl "überschießender Akt" keinesfalls vorliegt und daher auch nicht gesondert angefochten werden kann.
Hier sind dann aber für die Entscheidung des VfGH lediglich die Bestimmungen über die Hausdurchsuchung und über das Verfahren zur Bekämpfung rechtswidriger Hausdurchsuchungen, nicht jedoch die Bestimmungen über die Beschlagnahme präjudiziell. Die §§89 bis 92 des FinStrG sind für die Beurteilung der Frage, ob der Instanzenzug im Anlaßfall erschöpft ist, ohne jeden Belang; somit bilden sie auch nicht die Voraussetzung einer Zurückweisung durch den VfGH und können gemäß Art140 Abs1 B-VG nach Auffassung der Bundesregierung nicht in einem Inzidentalverfahren zum vorliegenden Anlaßfall in Prüfung gezogen werden.
Aus diesem Grunde ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die Prüfung der §§89 bis 92 FinStrG mangels Präjudizialität eingestellt werden müßte".
Der VfGH hat in seinem Beschluß vom 3. März 1982, B357/81 (VfSlg. 9346/1982), unter Bezugnahme auf die Vorjudikatur (VfSlg. 7067/1973) ausgesprochen, daß ein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl nach §93 Abs1 FinStrG - weil die Rechtslage des Betroffenen der Finanzbehörde gegenüber bindend gestaltend - als Bescheid anzusehen ist. Der VfGH folgerte daraus, daß die Durchführung einer Hausdurchsuchung nur dann einen vor dem VfGH selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle, wenn sie durch den bescheidmäßig verfügten Hausdurchsuchungsbefehl nicht gedeckt wäre. Im Erk. vom 26. November 1982, B289/82, meinte der VfGH unter Bezugnahme auf Vorjudikatur, daß auch eine Beschlagnahmeanordnung nach der Vorschrift des §89 Abs1 FinStrG in Bescheidform ergehe, "weil damit eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ geregelt, mithin ein Rechtsverhältnis für den Einzelfall bindend gestaltet wird". Demgemäß ist auch die Durchführung der Beschlagnahme nur dann ein vor dem VfGH selbständig anfechtbarer Akt, wenn sie von der Beschlagnahmeanordnung nicht gedeckt ist.
Die Bundesregierung zieht aus dieser Rechtsprechung, an der der VfGH festhält, den Schluß, daß ein den Hausdurchsuchungsbefehl überschießender und damit beim VfGH bekämpfbarer Akt schon deshalb nicht vorliege, weil der Hausdurchsuchungsbefehl die uneingeschränkte Beschlagnahme aller Beweismittel angeordnet habe.
Die Bundesregierung geht damit unausgesprochen von der Annahme aus, daß der Hausdurchsuchungsbefehl allein die rechtliche Grundlage für die Durchführung der Beschlagnahme sei. In der Tat hat der VfGH in VfSlg. 9346/1982 selbst davon gesprochen, daß Durchsuchungen, die nicht über die Hausdurchsuchungsbefehle hinausgegangen sind, "ihre rechtliche Grundlage allein in den ... Hausdurchsuchungsbefehlen hatten". Diese Aussage ist aber vor dem Hintergrund der damaligen Beschwerdebehauptungen zu sehen. Eine Überschreitung der Grenzen, die das Gesetz für die Durchführung einer allgemein gehaltenen Beschlagnahmeanordnung setzt, war in diesem Fall - wie auch in früher entschiedenen ähnlichen Fällen - gar nicht in Rede gestanden. Daß der Gerichtshof etwa in VfSlg. 5012/1965 nur prüfte, ob die beschlagnahmten Gegenstände vom Hausdurchsuchungsbefehl erfaßt waren, hatte seinen Grund gleichfalls darin, daß die Beschwerde nur in diese Richtung Zweifel an der bescheidmäßigen Deckung vorgetragen hatte. Ob der Akt durch eine behördliche oder gerichtliche Anordnung gedeckt war, untersucht der VfGH nämlich immer nur im Hinblick auf die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen. Konkretisiert der Hausdurchsuchungsbefehl (die Beschlagnahmeanordnung) das Verhalten der durchführenden Organe, so ist er in bezug auf das konkretisierte Verhalten der alleinige Maßstab für die durchführenden Organe. Eine Nachprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung ist den durchführenden Organen verwehrt. Geht es hingegen um die Durchführung eines Hausdurchsuchungsbefehles in bezug auf Gesichtspunkte, die dieser nicht behandelt, kann er auch nicht Maßstab der Rechtmäßigkeit des Aktes sein und einer (abgesonderten) Beschwerde nicht im Wege stehen.
Rügt demnach ein Bf. ein Verhalten der durchführenden Organe in Bezug auf Modalitäten der Durchführung, über die der Hausdurchsuchungsbefehl (die Beschlagnahmeanordnung) nichts enthält, so ist die Beschwerde jedenfalls zulässig, soweit der angefochtene Akt einer Verwaltungsbehörde zuzurechnen ist. Daraus ergibt sich für die Zulässigkeit der Beschwerde und die bei ihrer Beurteilung anzuwendenden Normen folgendes:
Der Spruch des Hausdurchsuchungsbefehles des Finanzamtes Wr. Neustadt vom 23. Jänner 1980 lautet:
"Es geht an die ausgewiesenen Bediensteten des Finanzamtes der Befehl, in der Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten sowie in den Wirtschafts-, Gewerbe- oder Betriebsräumen des Dr. R B, Notar in K, eine Hausdurchsuchung vorzunehmen."
Entgegen der in der Verhandlung geäußerten Ansicht des Vertreters des Bf. nennt der Hausdurchsuchungsbefehl den Adressaten der Hausdurchsuchung. Der Hausdurchsuchungsbefehl wurde dem Bf. auch gemäß §93 Abs1 FinStrG ausgefolgt und von diesem beim VfGH angefochten.
Die Begründung des Hausdurchsuchungsbefehles lautet:
"Gegen A und E M ..., sind Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes von Finanzvergehen nach §33 ua. FinStrG für den Tatzeitraum seit 1968 anhängig.
Aufgrund von konkreten Feststellungen der Behörden zum obigen Sachverhalt besteht der begründete Verdacht, daß sich in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten und Behältnissen Gegenstände befinden, die in den obgenannten Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen ..."
Die Beschlagnahmeanordnung ist daher dem Hausdurchsuchungsbefehl nur implizit zu entnehmen.
Der Hausdurchsuchungsbefehl bezeichnet in seinem Spruch die Räumlichkeiten, in denen die Hausdurchsuchung durchzuführen ist, nicht aber Gegenstände, die beschlagnahmt werden sollen. Bloß in der Begründung werden die zu beschlagnahmenden Gegenstände allgemein, nämlich lediglich durch Wiedergabe des Wortlautes des §89 Abs1 FinStrG umschrieben. Der Hausdurchsuchungsbefehl konkretisiert somit die zu beschlagnahmenden Gegenstände nicht selbst, sondern überläßt es den durchführenden Organen, zu bestimmen, welche "Gegenstände als Beweismittel in Betracht kommen können". Die die Beschlagnahme durchführenden Organe hatten daher selbst §89 Abs1 FinStrG anzuwenden und im konkreten Fall ua. zu beurteilen, ob die einem beruflichen Parteienvertreter erteilte Information "als Beweismittel in Betracht kommt".
Dazu kommt noch, daß in einem Fall, in dem das Vorliegen eines Beweismittelverbotes von der Geltendmachung bestimmter Rechte durch einen Betroffenen abhängt, wie etwa bei Berufung auf ein etwaiges Recht, bestimmte Gegenstände nicht herausgeben zu müssen, bis zur Durchführung der Beschlagnahme gar nicht endgültig feststeht, ob der Betroffene von seinem Recht überhaupt Gebrauch machen will und ob daher überhaupt ein Beweismittelverbot vorliegt. Folglich obliegt aber die Beachtung eines Beweismittelverbotes dieser Art erst den die Beschlagnahme durchführenden Organen. Als Beweismittel kommen iS des §89 Abs1 FinStrG nur solche in Betracht, hinsichtlich derer kein Beweismittelverbot besteht. Der Bf. behauptet, daß ein Beweismittelverbot bestehe und nicht beachtet worden sei. Er wirft damit eine Frage auf, die der Hausdurchsuchungsbefehl nicht behandelt. Seine Beschwerde ist somit zulässig. Eine Prüfung der Frage, ob der angefochtene Akt ein Beweismittelverbot verletzt hat, ist nur bei Anwendung des §89 Abs1 erster Satz FinStrG möglich, sodaß diese Bestimmung präjudiziell ist.
In diesem Anlaßverfahren war der Beschlagnahme ein Hausdurchsuchungsbefehl (und implizit eine Beschlagnahmeanordnung) vorausgegangen, sodaß nur §89 Abs1, soweit diese Bestimmung Gegenstände betrifft, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuwenden sein wird. Im übrigen war - unter Berücksichtigung der Ausführungen zu 2.7 und 2.8 - das aus diesem Anlaß eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen.
2.2 Zur Zulässigkeit des Verfahrens G50/83 (Anlaßverfahren B71/81, s. 1.1.3):
Da die Beschlagnahme des Aktenkoffers des Bf. nicht aufgrund einer vorherigen Beschlagnahmeanordnung der Finanzstrafbehörde, sondern nach §89 Abs2 FinStrG (Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug) durchgeführt wurde, ist §89 Abs2 FinStrG präjudiziell. Hinsichtlich der zu beschlagnahmenden Gegenstände verweist §89 Abs2 auf §89 Abs1 erster Satz, sodaß auch diese Bestimmung präjudiziell ist, soweit sie Gegenstände betrifft, die als Beweismittel in Betracht kommen. Im übrigen war - unter Berücksichtigung der Ausführungen zu 2.7 und
2.8 - das aus diesem Anlaß eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen.
2.3 Zur Zulässigkeit des Verfahrens G51/83 (Anlaßverfahren B143, 144/81, s. 1.1.2):
Aufgrund des insoweit im wesentlichen übereinstimmenden und unbedenklichen Vorbringens der bf. Volksbank und des erstbelangten Finanzamtes Eisenstadt wurde festgestellt, daß es am 16. Feber 1981 zu einem tatsächlichen finanzbehördlichen Zugriff auf das Sparbuch Nr. ... und die Verpfändungserklärung Nr. ..., dh. zu einer Beschlagnahme dieser Sachen gar nicht gekommen war, denn beide Urkunden blieben damals weiterhin im Gewahrsam des Rechtsanwaltes Dr. A, der sie später gemäß §1425 ABGB bei Gericht erlegte.
Damit fehlt hier aber ein mit Beschwerde nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. 302/1975 vor dem VfGH anfechtbarer Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie er nach der ständigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in einer - nach §89 Abs2 FinStrG unter bestimmten Voraussetzungen zulässigen - nicht aufgrund eines verwaltungsbehördlichen Bescheides durchgeführten Beschlagnahme, dh. einer zwangsweisen Entziehung einer Sache zum Zweck der Verwahrung, zu erblicken ist (zB VfSlg. 4947/1965, 9099/1982; VfGH 25. Feber 1982, B88/81).
Die Abfassung der einleitend erwähnten Niederschrift gemäß §89 Abs2 FinStrG vom 16. Feber 1981, die offenbar nur der Vorbereitung einer zwar beabsichtigten, dann jedoch - in Beziehung auf das Sparbuch Nr. ... und die Verpfändungserklärung Nr. ... - unterbliebenen Amtshandlung (Beschlagnahme) diente, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung des Falles nichts zu ändern, weil dieses Protokoll nicht den Tatsachen entspricht, insofern darin eine (vollzogene) Beschlagnahme bestätigt wird, und keinesfalls Bescheidcharakter besitzt, soweit sie die (nur als Ankündigung einer bevorstehenden faktischen Beschlagnahme zu verstehende) schlichte mündliche Mitteilung einer Maßnahme nach §89 Abs2 FinStrG beurkundet.
In diesem Umfang wird die Beschwerde