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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
BAO; Abweisung eines Ansuchens um Erlassung fälliger Abgaben gemäß §236; kein Eigentumseingriff; kein Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit; keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Das Finanzamt Graz Stadt wies mit Bescheid vom 4. September 1979 den Antrag der Bf. "um Erlassung sämtlicher Säumniszuschläge und Exekutionsgebühren, die mit ... zu Unrecht vorgeschriebenen und dann berichtigten Steuerbeträgen zusammenhängen" (es handelt sich um 10186 S) ab.
1.2. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Stmk. vom 27. November 1979, Z B 124-5/79, wurde die von der Bf. erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.
2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit geltend gemacht, die Prüfung der gesetzlichen Bestimmungen über die Gebührenpflicht von Stundungsansuchen im Hinblick auf zu Unrecht vorgeschriebene Steuern sowie jener gesetzlichen Bestimmungen, welche Säumniszuschläge und Exekutionsgebühren für zu Unrecht vorgeschriebene Steuern vorschreiben, angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §236 Abs1 BAO. Nach dieser Bestimmung können fällige Abgaben auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zT durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Verfassungsrechtliche Bedenken wurden gegen diese Regelung nicht erhoben, solche sind auch aus Anlaß des Beschwerdefalles im VfGH nicht entstanden (vgl. insbesondere VfSlg. 5337/1966, 5877/1968, 6379/1971, 7806/1976).
Soweit die Bf. die Prüfung der Bestimmungen über die Gebührenpflicht von Stundungsansuchen im Hinblick auf zu Unrecht vorgeschriebene Steuern sowie jener gesetzlichen Bestimmungen, welche Säumniszuschläge und Exekutionsgebühren für zu Unrecht vorgeschriebene Steuern vorschreiben, analog zur seinerzeitigen Prüfung der Bestimmungen über Stundungszinsen anregt (so versteht der VfGH die Ausführungen der Beschwerde, mit dem Bemerken, daß in Verfahren nach Art144 B-VG Anträge auf Gesetzes-(Verordnungs-)Prüfung nicht zulässig sind), ist darauf schon deshalb nicht einzugehen, weil diese Regelungen in einem auf Nachsicht gerichteten Verfahren nicht präjudiziell sind.
3.2. Die Bf. behauptet jedoch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums.
Eine solche Verletzung hat aber zur Voraussetzung, daß durch den angefochtenen Bescheid überhaupt ein Eingriff in das Eigentum der Bf. erfolgt ist. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Bf. hat mit dem Antrag auf Nachsicht aus Billigkeitsgründen eine Maßnahme des öffentlichen Rechts begehrt. Da nach ständiger Rechtsprechung des VfGH nur Privatrechte den Schutz des Art5 StGG genießen, ist es ausgeschlossen, daß die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde (vgl. VfSlg. 4352/1963, 5337/1966, 7806/1976).
3.3. Die Bf. behauptet weiters, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt zu sein.
Eine Verletzung des Grundrechtes auf Erwerbsausübung setzt voraus, daß einem Staatsbürger durch verwaltungsbehördliche Bescheide der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit untersagt wird (zB VfSlg. 1372/1931, VfGH 29. Juni 1982 B65/81).
Dem VfGH ist nicht verständlich, wie durch einen Bescheid, mit dem die Nachsicht einer Abgabenschuldigkeit verweigert wird, in das genannte Grundrecht eingegriffen werden könnte.
3.4.1. Der VfGH hat sich schließlich mit der Frage befaßt, ob die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit verletzt wurde.
In diese Richtung zielt jedenfalls das Vorbringen der Beschwerde, es sei denkunmöglich, das Gesetz dahin auszulegen, daß die Stundungszinsen von später als fehlerhaft erkannten Steuervorschreibungen abzuschreiben seien, dies aber bei gleicher Sachlage für Säumniszuschläge und Exekutionsgebühren zu verweigern sei, da diese nur "reine Amtshandlungsgebühren" wären. Verfehlt sei es, wenn im angefochtenen Bescheid dem Nachsichtsbegehren der Bf. entgegengehalten werde, es ginge nicht an, in einem auf Nachsicht abzielenden Verfahren beweislos Vorbringen nachzuholen, die im Abgabenfestsetzungsverfahren zu tätigen gewesen wären, da das Rechtsmittel der Bf. gegen die Steuervorschreibung zum Erfolg geführt hat. Auch die Ausführungen des angefochtenen Bescheides, daß das Steuerkonto der Bf. einen Rückstand von 185205,80 S ausweise, sodaß eine Abschreibung von 10186 S zu keiner bedeutsamen Rückstandsminderung führen könne, seien verfehlt, da es der Bf. gelungen sei, den Rückstand auf 116178,80 S herunterzuführen, was zu einem erheblichen Teil darauf beruhe, daß die Vorschreibungen zu Unrecht erfolgt waren.
3.4.2. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen käme eine Gleichheitsverletzung nur dann in Frage, wenn die bel. Beh. dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie die Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (vgl. zB VfSlg. 8783/1980, 9024/1981).
All dies liegt im Beschwerdefall offensichtlich nicht vor. Daß die bel. Beh. sich bei der angefochtenen Entscheidung von unsachlichen Beweggründen leiten hätte lassen, wird auch von der Bf. nicht behauptet. Im Hinblick auf die Rechtskraft der Vorschreibung der Gebühren, deren Nachlaß von der Bf. begehrt wird, hatte sich die bel. Beh. mit Ausführungen auch nicht zu befassen, die die Rechtmäßigkeit dieser Verpflichtungen in Frage stellen; insbesondere ist die von der bel. Beh. vertretene Auffassung, daß Säumniszuschläge mit dem Wegfall der Abgabenschuld nicht ex tunc beseitigt werden, denkmöglich, da der Abgabenanspruch hinsichtlich des Säumniszuschlages bereits vorher durch eine entstandene formelle Abgabenzahlungspflicht verwirklicht worden ist (vgl. VfSlg. 6915/1972). Auch wenn die (teilweise) Fehlerhaftigkeit der Abgabenfestsetzung die bel. Beh. nicht dazu veranlaßte, die Einhebung von Säumniszuschlägen für die Abgabenzahlungsschuld als unbillig zu werten, ohne auf die eventuelle Besonderheit des Einzelfalles - das Vorbringen der Bf. brachte schon im Administrativverfahren zum Ausdruck, daß sie nicht einmal in der Lage gewesen sei, die Gebühren für Stundungsansuchen aufzubringen - einzugehen (vgl. VwGH 7. November 1958 Z 447/55, 7. Mai 1965 Z 2251/64), reicht eine allenfalls darin gelegene Mangelhaftigkeit des Verfahrens jedenfalls nicht in die Verfassungssphäre. Die Prüfung, ob der angefochtene Bescheid richtig ist, obliegt ausschließlich dem VwGH.
Auch eine Gleichheitsverletzung liegt somit nicht vor.
3.5. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, VfGH / Präjudizialität, Finanzverfahren, Nachsicht (von Abgabenschuldigkeiten), SäumniszuschlagEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:B26.1980Dokumentnummer
JFT_10158797_80B00026_00