TE Vfgh Beschluss 1984/12/4 B727/83

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Veröffentlicht am 04.12.1984
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

ABGB §1324
VfGG §19 Abs3 Z2 litb
VfGG §33
ZPO §39
ZPO §146 Abs1
ZPO §149 Abs2

Leitsatz

ZPO; §146 Abs1 idF BGBl. 135/1983; Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Beschwerdeerhebung gemäß Art144 B-VG; kein nur minderer Grad des Versehens seitens des Beschwerdevertreters durch versehentliche Adressierung der Beschwerde an den VwGH; Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nicht erfüllt

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit Bescheid der Grundverkehrslandeskommission für das Bgld. vom 26. Juli 1983 wurde der Übertragung des Eigentums an einer Liegenschaft an die (die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzenden) Bf. die Genehmigung versagt. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der VwGH mit Beschluß vom 11. Oktober 1983 unter Hinweis auf Art133 Z4 B-VG als unzulässig zurück.

Am Tage nach der Zustellung des zurückweisenden Beschlusses des VwGH brachten die Bf. beim VfGH einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein und führten die Beschwerde mit gleichem Wortlaut an den VfGH aus. Diese sei nur irrtümlich infolge eines Übertragungs- oder Hörfehlers durch die Kanzlei ihres Vertreters an den VwGH adressiert worden. Der Fehler sei einer Angestellten unterlaufen, die seit 1946 in der Kanzlei beschäftigt sei, ohne jemals einen solchen Fehler gemacht zu haben. Der Text der beim VwGH eingebrachten Beschwerde zeige, daß diese wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes erhoben worden sei; der Entwurf sei auch an den VfGH adressiert gewesen.

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet. Die Versäumung der Beschwerdefrist ist nicht auf ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zurückzuführen (§146 Abs1 ZPO idF der Nov. 1983 iVm. §35 VerfGG).

1. Die Einsicht in die vorgelegte Urkunde und die Eingabe an den VwGH sowie die Vernehmung des Rechtsanwaltes Dr. K B und der Kanzleiangestellten A S haben ergeben:

Die Reinschrift der Eingabe an den VwGH wurde von der langjährig beschäftigten und verläßlichen Kanzleiangestellten aufgrund eines Diktates nach Tonband hergestellt. Es wäre für sie der erste Fall einer VfGH-Beschwerde gewesen. Ein Konzept hatte sie nicht geschrieben. Die sodann vom Anwalt in der üblichen Weise auf der ersten Seite gefertigte Eingabe enthält im Eingangssatz die Wendung "... wegen Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes", nimmt aber nicht auf den Artikel des Bundes-Verfassungsgesetzes bezug, aufgrund dessen der Gerichtshof angerufen wird, und nennt kein bestimmtes verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht. Auch die Begründung läßt nicht erkennen, welches verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht sie als verletzt erachten könnte. Der als Entwurf zu dieser Beschwerde dem Gerichtshof vorgelegte - nicht in üblicher Weise abgeschlossene - Schriftsatz enthält ein vollständiges Rubrum mit der Adresse des VfGH, weicht aber in der Gestaltung dieses Rubrums weitgehend und im Text der Beschwerde vollkommen von der Eingabe an den VwGH ab; wann und wie er hergestellt wurde, ist nicht feststellbar. Entwürfe werden in dieser Kanzlei normalerweise nicht mit Einschluß eines vollständigen Rubrums geschrieben.

2. Nach §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrensnov. 1983, BGBl. 135/1983, ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Hiebei hindert ein Verschulden der Partei an einer Versäumung die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob bei Abfassung des an den VwGH adressierten Schriftsatzes überhaupt eine Beschwerde an den VfGH beabsichtigt war. Hätte nämlich tatsächlich eine solche Beschwerde erhoben werden sollen, so müssen dem Beschwerdevertreter - dessen Verschulden einem Verschulden der Partei gleichzuhalten ist (§39 ZPO) - gleich zwei Fehler unterlaufen sein: er muß falsch diktiert und er muß die Kontrolle der Reinschrift unterlassen haben. Dabei würde es sich nicht mehr bloß um einen minderen Grad des Versehens handeln:

Gerade der Umstand, daß eine VfGH-Beschwerde in dieser Kanzlei noch nie oder doch zumindest ganz selten verfaßt wurde, hätte in diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit erfordert. In einem vollständigen Diktat einer solchen Beschwerde mußte (besonders dann, wenn ein schon fertig vorliegendes Rubrum zugleich weitgehend verändert worden sein sollte) dem einleitenden Wort "Verfassungsgerichtshof" die entscheidende Bedeutung zukommen. Aus eben diesem Grund wäre bei einigermaßen klarer Artikulation ein Hörfehler auszuschließen gewesen. Ein Versehen oder eine Nachlässigkeit im Ausdruck hätte daher besonders schwer gewogen. Es wäre sodann nötig gewesen, die ungewöhnliche, der Kanzleikraft offenkundig nicht geläufige Adressierung an den VfGH auf der Reinschrift zu überprüfen. Schon die Vergewisserung von der Identität des unterschriebenen Schriftsatzes hätte bei Fertigung der Beschwerde einige Zentimeter unterhalb der Adresse den Fehler erkennen lassen. Die Sorglosigkeit wäre daher auffallend (§1324 ABGB).

Mithin sind die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung nicht erfüllt. Dem Antrag ist nicht Folge zu geben (§149 Abs2 ZPO iVm. §35 VerfGG) und die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 litb VerfGG).

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B727.1983

Dokumentnummer

JFT_10158796_83B00727_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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