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55 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Preisgesetz 1976; keine Bedenken gegen den unbestimmten Gesetzesbegriff des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises in §2 unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG; Gesetzwidrigkeit der Milchpreisverordnung vom 30. April 1982; keine in ausreichendem Maß erkennbare und objektiv nachvollziehbare Erarbeitung der in §2 Preisgesetz festgelegten Entscheidungsgrundlagen für eine PreiserhöhungSpruch
Die §§1 und 2 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 30. April 1982 betreffend Preisbestimmung für Milch, kundgemacht im ABl. zur Wr. Zeitung vom 1. Mai 1982 (unter Berücksichtigung der im ABl. zur Wr. Zeitung vom 5. Mai 1982 veröffentlichten "Richtigstellung"), waren gesetzwidrig.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Im landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers wird Milch erzeugt.
Der Antragsteller begehrt gemäß Art139 B-VG die Aufhebung der §§1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 30. April 1982 betreffend Preisbestimmung für Milch, Z 36.560/1-III/7/82, kundgemacht im ABl. zur Wr. Zeitung vom 1. Mai 1982, in eventu die Aufhebung der gesamten V "als gesetzwidrig bzw. verfassungswidrig". Der Antragsteller behauptet, durch die V in seinen Rechten verletzt zu sein; die V sei für ihn ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam.
2. Die §§1 und 2 der genannten V haben - unter Berücksichtigung einer im ABl. zur Wr. Zeitung vom 5. Mai 1982 unter dem Titel "Richtigstellung" veröffentlichten Druckfehlerberichtigung - samt der Präambel folgenden Wortlaut:
"Aufgrund der §§2, 5 und 8 Abs2 des Preisgesetzes, BGBl. Nr. 260/1976, in der Fassung der Preisgesetz-Novelle 1980, BGBl. Nr. 288, wird im Einvernehmen mit den Bundesministern für Finanzen und für Land- und Forstwirtschaft nach Begutachtung durch die Preiskommission verordnet:
§1
Erzeugerpreise
(1) Der Erzeuger erhält für die vom ihm veräußerte Kuhmilch den Basispreis gemäß Abs2 lita und für Milchrahm den Basispreis gemäß Abs3 lita. Wird die veräußerte Milch bzw. der Milchrahm als 1. Qualität oder als 2. Qualität eingestuft, so erhält der Erzeuger neben dem Basispreis für Milch noch den Zuschlag gemäß Abs2 litb und für Milchrahm den Zuschlag gemäß Abs3 litb.
(2) Der Preis für Kuhmilch (ausgenommen bei Abgabe unmittelbar an Verbraucher gemäß §6 dieser Verordnung) beträgt:
a) Basispreis je Liter (bezogen auf einen Fettgehalt
von 3,5%) ................................................ 353,40 g
b) Zuschlag je kg (unabhängig vom Fettgehalt)
für Milch 1. Qualität .................................... 74,- g
für Milch 2. Qualität .................................... 50,60 g
(3) Der Preis für Milchrahm (ausgenommen bei Abgabe unmittelbar an
Verbaucher) beträgt:
a) Basispreis je kg ...................................... 499,- g
Basispreis je Fetteinheit ................................ 51,- g
b) Zuschlag je kg (unabhängig vom Fettgehalt)
für Milchrahm 1. Qualität ................................ 296,- g
für Milchrahm 2. Qualität ................................ 202,40 g
(4) Die Preise gemäß Abs2 und 3 verstehen sich bei Lieferung in Gebinden des Erzeugers.
(5) Mit den Preisen gemäß Abs2 und 3 sind auch die Kosten der Lieferung des Erzeugers an eine Milchsammelstelle, Milchgenossenschaft, an einen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb oder an eine sonstige Übernahmestelle, wie Abstellplätze an Straßen, Plätzen u. ä., bis zu einer Wegstrecke von 2 km abgegolten, soweit nicht andere Anlieferungsbedingungen bisher bestanden haben.
(6) Die Preise gemäß Abs2 und 3 gelten unter der Bedingung, daß bis zum Zeitpunkt der Übernahme der Milch durch den Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb unmittelbar oder durch den von ihm beauftragten Frächter unter Berücksichtigung normaler Transportverhältnisse der Lieferer die Gefahr des Transportes und die Verantwortung für die Qualität trägt.
(7) Die Einstufung der abgelieferten Milch und des abgelieferten Milchrahms als 1. oder 2. Qualität bestimmt sich nach den hiefür jeweils geltenden Verordnungen.
(8) Für die zur Erzeugung von Emmentaler, Bergkäse und Parmesan besonders geeignete Milch ist vom Übernehmer ein Zuschlag in der vom Milchwirtschaftsfonds unter Berücksichtigung der Bestimmungen der Milchqualitätsverordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, BGBl. Nr. 145/1955, jeweils bestimmten Höhe zu bezahlen, der jedoch
je kg ..................................................... 0,55 S
nicht übersteigen darf.
(9) Soweit Milch (Milchrahm) gemäß §3 der Milchqualitätsverordnung
noch übernommen wird - ausgenommen Lieferungen von einem
Bearbeitungs- oder Verarbeitungsbetrieb an einen anderen, sofern eine
Ausnahmebewilligung gemäß §6 Abs2 litc des Marktordnungsgesetzes
1967, in der geltenden Fassung, vorliegt - ist der Auszahlungsbetrag
zu kürzen:
a) Abschlag für leicht verschmutzte Milch je kg ............. 5,- g
Abschlag für stark verschmutzte Milch je kg ................. 15,- g
b) Abschlag für Milch mit mehr als 7,5 SH Grad je kg ........ 30,- g
Abschlag für Milchrahm mit mehr als 6,5 SH Grad je FE ....... 5,- g
c) Abschlag für Milch mit Geruchs- und
Geschmacksfehlern je kg ..................................... 30,- g
Abschlag für Milchrahm mit Geruchs- und
Geschmacksfehlern je FE ..................................... 5,- g
(10) Abschläge für Milch gemäß Abs9 lita beziehen sich auf die gesamte im betreffenden Prüfungsmonat abgelieferte Milch, Abschläge nach Abs9 litb und c beziehen sich nur auf die beanstandete Tages- bzw. Teillieferung von Milch (Milchrahm). Soweit Lieferanten an Hartkäsereien auftragsgemäß ungeseihte Milch liefern, finden die Bestimmungen des Abs9 lita keine Anwendung.
(11) Die Ermittlung der Voraussetzungen für Zu- und Abschläge gemäß Abs8, 9 und 10 hat nach den Bestimmungen des §3 Abs1 und 2 der Milchqualitätsverordnung zu erfolgen.
§2
Abrechnung von Milch und Milchrahm
(1) Die Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe übernehmen Milch und Milchrahm gewichtsmäßig, wobei die volumsmäßige Mengenermittlung nach dem Umrechnungsschlüssel 1 Liter Milch = 1,03 kg, 1 Liter Milchrahm = 1 kg erfolgt.
(2) Die Abrechnung hat vom übernehmenden Betrieb nach Grundpreis, Fetteinheitspreis und Zuschlag für die Qualität zu erfolgen. Grundlage für die Abrechnung bilden die vom Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb tatsächlich übernommenen Mengen und Fetteinheiten.
(3) Für Milch beträgt der Grundpreis je kg ................ 164,60 g
und der Fetteinheitspreis ................................. 51,- g
(4) für Milchrahm beträgt der Grundpreis je kg ............ 499,- g
und der Fetteinheitspreis ................................. 51,- g
(5) Bei der Anlieferung von Milch und Milchrahm sind zusätzlich die
Qualitätszuschläge gemäß §1 Abs2 litb bzw. Abs3 litb in folgender
Höhe zu bezahlen:
a) für Milch je kg
1. Qualität .............................................. 74,- g
2. Qualität .............................................. 50,60 g
b) für Milchrahm je kg
1. Qualität .............................................. 296,- g
2. Qualität .............................................. 202,40 g"
Die übrigen Bestimmungen der V betreffen nicht (mehr) die Erzeugerpreise und die Abrechnung von Milch und Milchrahm mit den Erzeugern.
Die bekämpfte V steht nicht mehr in Kraft (aufgehoben durch §12 der V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 1. Juli 1983 betreffend Preisbestimmung für Milch, kundgemacht im ABl. zur Wr. Zeitung vom 3. Juli 1983).
3. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat in einer Äußerung beantragt, den Antrag zurückzuweisen bzw. in eventu abzuweisen.
II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzmäßigkeit von V auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit den Beschlüssen VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
In den §§1 und 2 der bekämpften V sind jene Geldbeträge festgelegt, welche der Antragsteller bei der nach den Vorschriften des Marktordnungsgesetzes 1967 zu erfolgenden Ablieferung der Milch an den zuständigen Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetrieb unter Berücksichtigung des jeweiligen Fettgehaltes, der Qualität sowie anderer Kriterien als Verkaufspreis erhält bzw. bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu erhalten hätte. Durch die verbindliche Festsetzung des Preises für den Verkauf vom Antragsteller hergestellter Produkte wird in die Vertragsfreiheit des Antragstellers, also in seine Rechtssphäre eingegriffen (s. im gegebenen Zusammenhang den Beschluß des VfGH VfSlg. 9221/1981, wonach durch die mittels V des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie erfolgte Festlegung höchstzulässiger Verbraucherpreise für Benzin in die Rechtsstellung der Inhaber von Tankstellen eingegriffen wird, vgl. zur Anfechtungslegitimation der durch eine Preisregelungsverordnung betroffenen Unternehmer Oberdorfer, Strompreisbestimmung aus rechtlicher Sicht, 1979, S 80).
Der Eingriff erfolgt durch die bekämpften Verordnungsbestimmungen unmittelbar; dem Antragsteller steht ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Gesetzwidrigkeit nicht zur Verfügung. Die angefochtenen Bestimmungen berühren nach wie vor unmittelbar die Rechtsstellung des Antragstellers hinsichtlich jener vertraglichen Vereinbarungen, die er während des Zeitraumes der Geltung dieser Bestimmungen abgeschlossen hat. Die Antragslegitimation ist daher gegeben.
2. Aus dem Antragsvorbringen im Zusammenhang ist zu ersehen, daß der Antragsteller die angefochtene V deshalb für gesetzwidrig hält, weil die mit ihr festgelegten Preise nicht kostendeckend seien; die V sei ohne ausreichende Auseinandersetzung mit den Kriterien einer Beurteilung nach §2 Abs2 Preisgesetz 1976 zustandegekommen. Außerdem ließen die Erläuterungen sachlich und fachlich unbestrittene Prämissen außer acht. Eine Preisbestimmung für ein bestimmtes Produkt müsse sich grundsätzlich an den für das betreffende Produkt auflaufenden Selbstkosten und einem auf dieses Produkt bezughabenden, volkswirtschaftlich gerechtfertigten Gewinn orientieren. Zum Nachweis für dieses Vorbringen verweist der Antragsteller auf Berechnungen der Gestehungskosten, welche im Zuge des preisbehördlichen Vorprüfungsverfahrens von bäuerlichen Organisationen vorgelegt worden waren, und legt ausführlich die Kosten seines eigenen bäuerlichen Betriebes dar.
Der vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie in dessen Äußerung vorgebrachte Einwand, im Antrag seien entgegen der Bestimmung des §57 Abs1 VerfGG die gegen die Gesetzmäßigkeit der V sprechenden Bedenken nicht im einzelnen dargelegt, trifft daher nicht zu.
3. Der Antrag ist somit zulässig.
III. In der Sache hat der VfGH erwogen:
1. Die der Erlassung der angefochtenen V zugrundeliegende Gesetzeslage stellt sich - in der hier maßgeblichen Fassung des §2 Preisgesetz 1976 vor der Nov. BGBl. 311/1982 - zusammengefaßt wie folgt dar:
Beim Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie eingebrachte Anträge auf Bestimmung volkswirtschaftlich gerechtfertigter Preise sind nach Anhörung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs und des Österreichischen Arbeiterkammertages einer Vorprüfung zu unterziehen. Nach Abschluß des Vorprüfungsverfahrens ist der Antrag mit allen Unterlagen der Preiskommission zur Begutachtung vorzulegen. Die unter dem Vorsitz des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie gebildete Preiskommission besteht aus je einem Vertreter der Bundesministerien für Land- und Forstwirtschaft, für soziale Verwaltung und für Finanzen sowie aus je einem Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer Österreichs und des Österreichischen Arbeiterkammertages. Der (schließlich vom Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie zu bestimmende) Preis hat sowohl den bei der Erzeugung und im Vertrieb oder bei der Erbringung der Leistung jeweils bestehenden volkswirtschaftlichen Verhältnissen als auch der jeweiligen wirtschaftlichen Lage der Verbraucher oder Leistungsempfänger bestmöglich zu entsprechen.
In §3 Abs2 des Landeswirtschaftsgesetzes 1976, BGBl. 299, ist überdies normiert, daß vor Erlassung von V für landwirtschaftliche Erzeugnisse nach den Bestimmungen des Preisgesetzes die Gestehungskosten rationell geführter landwirtschaftlicher Betriebe in maßgeblichen Produktionsgebieten zu untersuchen sind.
Zu bemerken bleibt, daß der VfGH keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den in §2 Preisgesetz enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriff des volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG hat (s. die Rechtsprechung des VfGH zum im wesentlichen gleichlautenden §3 Preisgesetz 1957, VfSlg. 4988/1965, S 263, und die dort angeführte Vorjudikatur).
2. a) Dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ist für die Preisbestimmung durch die oben angeführten Vorschriften ein Ermessensbereich eingeräumt. Der Bundesminister hat sich hiebei innerhalb des Rahmens zu bewegen, der von den Kriterien der volkswirtschaftlichen Rechtfertigung abgesteckt wird (Mayer-Maly in Klang, Kommentar zum ABGB, 1978, IV/2, 2. Auflage, S 284).
b) Der VfGH postuliert in seiner mit dem Erk. VfSlg. 8280/1978 beginnenden Rechtsprechung im Bereich der Raumordnung für einen aufgrund der jeweiligen Raumordnungsgesetze ergangenen Planungsakt in Verordnungsform eine strenge Prüfung der Frage, ob die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sind, wobei auch zu prüfen ist, ob der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise eingehalten hat.
Von diesen Erwägungen ist der VfGH auch im Erk. VfSlg. 9582/1982 bei Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der Bewertungsgrundlagen für das Weinbauvermögen sowie im Erk. VfSlg. 9823/1983 bei Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Trassenfestlegungs-Verordnung nach dem Bundesstraßengesetz ausgegangen.
Die in der angeführten Judikatur für die Prüfung von V, die ihrer Art entsprechend im Gesetz nur im Hinblick auf ein bestimmtes zu erreichendes Ziel (hier: Festsetzung eines Preises, dessen Höhe dem Ziel einer bestmöglichen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Erzeuger und der Verbraucher dient) determiniert werden können, entwickelten Kriterien sind auch im vorliegenden Fall von Bedeutung.
c) Den Akten des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie ist in diesem Zusammenhang folgender Sachverhalt zu entnehmen:
Das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie führte "im Rahmen des preisbehördlichen Vorprüfungsverfahrens" in der Zeit von 17. März bis 29. April 1982 eine Reihe von Beratungen durch. In einer mit 15. April 1982 datierten Zusammenstellung wurden die bisherigen Ergebnisse des Vorprüfungsverfahrens in einer detaillierten, vier Berechnungsvarianten enthaltenden und im einzelnen aufzeigenden Weise samt Erläuterungen hiezu festgehalten.
Sodann fand am 29. April 1982 eine (abschließende) Beratung "im Rahmen des preisbehördlichen Vorprüfungsverfahrens" statt, in deren Protokoll es heißt:
"Nunmehr berichtet der Experte des Milchwirtschaftsfonds über das Ergebnis der Sozialpartnergespräche, welche am 27. 4. 1982 in Anwesenheit des Herrn Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie, Dr. Staribacher, im Parlament stattgefunden haben:
Erzeugermilchpreiserhöhung 22 Groschen/kg und zwar in der Form, daß man den Fetteinheitenpreis von 45,9 auf 51 Groschen je Fetteinheit erhöht und der Grundpreis von 162,7/kg auf 164,6/kg erhöht wird.
Der Siloverzichtszuschlag wird um 5 Groschen/kg angehoben (von 50 auf 55 Groschen)."
Weiters heißt es im Sitzungsprotokoll vom 29. April 1982:
"Der Vorsitzende vertrat und vertritt auch heute noch die Meinung, daß eine unter 25 Groschen/kg liegende Erhöhung des Erzeugermilchpreises volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt erscheint. Der Herr Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat jedoch dem Vorsitzenden am 28. 4. 1982 bekanntgegeben, daß er unter der Voraussetzung, daß die Sozialpartner sich einvernehmlich und vollinhaltlich zu der ausgehandelten Regelung bekennen, einer Erhöhung des Erzeugermilchpreises um nur 22 Groschen/kg die Zustimmung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie erteilen soll."
In der noch am selben Tag (29. April 1982) abgehaltenen Sitzung der Preiskommission fand keine Debatte zur Sache statt. Die Mitglieder der Preiskommission erteilten dem Vorschlag auf Erhöhung des Erzeugerpreises für Milch um 22 Groschen/kg ihre Zustimmung, wobei der Vertreter der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs aber feststellte, daß die Erhöhung nur einen Teil der Kostenerhöhungen abdecke.
Am 30. April 1982 erließ der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie die bekämpfte V.
3. Dieser Sachverhalt ist unter Bedachtnahme auf die oben unter Punkt. 2. b) angeführte Rechtsprechung des VfGH rechtlich wie folgt zu beurteilen:
Der Inhalt der vorgelegten Akten läßt erkennen, daß die an der Begutachtung iS des §2 Preisgesetz beteiligten Mitglieder der Preiskommission sich im Ergebnis nur mehr an der am 27. April 1982 erzielten Einigung der Sozialpartner orientierten, ohne sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen.
Der die bekämpfte V erlassende Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie hat sich somit in Wahrheit nicht auf die Entscheidungsvorbereitung durch das neue §2 Preisgesetz dazu berufene Gremium gestützt. Der Bundesminister hat vielmehr, wie der oben in Punkt 2. c) dargestellte zeitliche Ablauf zeigt, bereits vor Abschluß des in §2 Preisgesetz vorgesehenen Begutachtungsverfahren - aufgrund einer mit anderen Personen am 27. April 1982 abgehaltenen Beratung - dem Vorsitzenden der Preiskommission seine schon feststehende Auffassung über den volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preis in der Erwartung zur Kenntnis gebracht, daß die Preiskommission sich dieser Auffassung anschließt.
Nach §2 Preisgesetz hat sich die Preiskommission nicht bloß darauf zu beschränken, dem Bundesminister das Ergebnis ihrer Willensbildung nach Art eines Sachverständigengutachtens mitzuteilen, sondern hat dem Bundesminister beratend zur Seite zu stehen. Die personelle Zusammensetzung der Preiskommission soll gewährleisten, daß sachkundige Personen dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie behilflich sind, die Grundlagen für seine Entscheidung zu schaffen. Die Preiskommission hat zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes und zur rechtlichen Beurteilung (insbesondere zur Auslegung der in Betracht kommenden unbestimmten Rechtsbegriffe, deren Interpretation vielfach spezielle Sachkunde erfordert) beizutragen und den Bundesminister auch mit der bestehenden Interessenlage vertraut zu machen. Das Gesetz verhält den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie dazu, erst dann eine V iS des §2 Preisgesetz zu erlassen, wenn er über ausreichende Informationen verfügt, zu deren Gewinnung er zwingend die Preiskommission (samt Vorprüfungsverfahren) einzuschalten hat (vgl. in diesem Zusammenhang die ähnlichen Erwägungen des VfGH im Erk. VfSlg. 9582/1982 sowie Korinek, Beiräte in der Verwaltung, in: Rill (Red.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979 S 463 ff.).
Es kann aufgrund dessen dahingestellt bleiben, ob dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie ungeachtet der Einhaltung der gegebenen Empfehlung (die Erhöhung des Milchpreises um 22 Groschen/kg erfolgte schließlich - formal gesehen - aufgrund der Empfehlung der Preiskommission) bei der Verordnungserlassung eine Gleichheitsverletzung durch leichtfertiges, auch keinerlei Grundlagen beruhendes Vorgehen (vgl. VfSlg. 9823/1983, für den Bereich der Bescheiderlassung vgl. etwa VfSlg. 8808/1980) zur Last gelegt werden könnte; ebenso kann dahingestellt bleiben, ob die Vorgangsweise im preisbehördlichen Vorprüfungsverfahren im einzelnen den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat. Es steht nämlich fest, daß die Entscheidungsgrundlagen, welche zu einer Preiserhöhung um 22 Groschen/kg geführt haben, nicht nur nicht in ausreichendem Maß erkennbar und objektiv nachvollziehbar sind, sondern - sofern solche überhaupt vorhanden waren - jedenfalls nicht in der in §2 Preisgesetz festgelegten Weise erarbeitet worden sind.
Der Vorwurf des Antragstellers, die bekämpfte V sei ohne ausreichende Auseinandersetzung mit den Kriterien des §2 Abs2 Preisgesetz zustandegekommen (die Entscheidungsgrundlagen für die vorgenommene Preiserhöhung seien also nicht vorhanden oder zumindest nicht erkennbar), trifft daher im Ergebnis zu. Es erübrigt sich somit, auf einzelne Argumente einzugehen, welche in der im verfassungsgerichtlichen Verfahren abgegebenen Äußerung des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie zur Untermauerung der Behauptung enthalten sind, der mit der bekämpften V bestimmte Preis sei an sich volkswirtschaftlich gerechtfertigt. Ebenso erübrigt sich bei diesem Ergebnis ein Eingehen auf das weitere Antragsvorbringen.
4. Der VfGH hat aufgrund dessen auszusprechen, daß die (nicht mehr in Kraft stehenden, s. oben unter Punkt I. 2.) §§1 und 2 der bekämpften
V (und zwar im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang auch jener Bestimmungen, die nicht unmittelbar Preisfestsetzungen zum Inhalt haben, zur Gänze) gesetzwidrig waren.
Schlagworte
Preisrecht, Verordnungserlassung, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Individualantrag, Milchpreis, Ermessen, Rechtsbegriffe unbestimmte, volkswirtschaftlich gerechtfertigter PreisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1984:V46.1982Dokumentnummer
JFT_10158788_82V00046_00