TE Vfgh Erkenntnis 1984/12/12 B424/80

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Veröffentlicht am 12.12.1984
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/02 Kraftfahrgesetz 1967

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art83 Abs2
KFG 1967 §37 Abs1

Leitsatz

KFG 1967; keine Bedenken gegen §37 Abs1; keine Zuständigkeit der Behörde zur Entscheidung über einen Antrag auf Übertragung des früheren Kennzeichens auf den nunmehrigen Zulassungswerber; Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. S K, Versicherungsmakler in Wien, stellte am 26. März 1980 an die Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, folgendes Ansuchen:

"Im Anschluß an das Ansuchen der Frau M A, ..., P-Gasse vom 26. 3. 1980 ersuche ich als Käufer ihres Fahrzeuges um Belassung und Übertragung des Kennzeichens W ..., da ich infolge meiner Kunden u. Vers. Makler-Kollegen dieses aus Repräsentationsgründen benötige. Fr. A ist seit ca. 20 Jahren mit mir persönlich bekannt und hat für das Kennzeichen nichts verlangt bzw. erhalten."

Dieses Schreiben langte am 11. April 1980 zusammen mit dem erwähnten Schreiben der Frau A, in dem auch diese den Wunsch äußerte, das genannte Kennzeichen möge auf den Käufer des Fiat 124 SC, Fahrgestellnummer 0022457, S K, übertragen werden, ein.

Mit Bescheid vom 28. April 1980 wie die Bundespolizeidirektion Wien das Ansuchen des S K auf Übertragung des Kennzeichens W ... gemäß §37 Abs1 zweiter Satz des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. 267, ab. In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß der angeführten Gesetzesstelle iVm. §48 Abs1 erster Satz KFG sei von der Behörde bei der Zulassung eines KFZ ein Kennzeichen zuzuweisen. Ein Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Kennzeichens sei nach dem KFG nur in zwei Fällen gegeben: §43 Abs3 KFG (Freihaltung eines Kennzeichens auf längstens sechs Monate, gerechnet vom Tag der Abmeldung an) und §52 KFG (Hinterlegung des Kennzeichens). Da im vorliegenden Fall somit kein Anspruch auf Übertragung des Kennzeichens W ... vorliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Der gegen diesen Bescheid von S K fristgerecht erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 12. Juni 1980, MA 70-VIII/K 84/80, nicht Folge. Die Behörde berief sich in der Begründung im wesentlichen auf die Begründung des Bescheides erster Instanz. Ergänzend wurde ausgeführt, der im §52 KFG normierte Fall betreffe an und für sich nicht eine neuerliche "Zuweisung" des alten - bestimmten - polizeilichen Kennzeichens, weil ja nicht das "Kennzeichen" bei der Behörde auf ein Jahr hinterlegt werde, sondern die Kennzeichentafeln und der Zulassungsschein. In diesem Fall werde die Zulassung des Fahrzeuges zum Verkehr nicht berührt. Zum Unterschied hievon beinhalte §63 (richtig: 43) Abs3 KFG die Abmeldung des KFZ, also die Beendigung der Zulassung, wobei das Kennzeichen auf Antrag längstens sechs Monate, gerechnet vom Abmeldungstag, freizuhalten und dem Antragsteller, das sei der bisherige Zulassungsbesitzer, für ein anderes Fahrzeug derselben Untergruppe, dessen Zulassung er vor Ablauf der Frist von 6 Monaten beantragt habe, zuzuweisen sei. Im §48 Abs1 KFG werde nur von der Zuweisung eines eigenen Kennzeichens bei der Zulassung gesprochen. Ein Rechtsanspruch auf Zuweisung eines bestimmten Kennzeichens bestehe nicht. So gesehen gingen die Ausführungen der Berufung an der rechtlichen Seite des angefochtenen Bescheides vorbei. Der Sinn des Kennzeichens bestehe darin, der Behörde die Möglichkeit zu geben, anhand einer Kartei der Zulassungen jederzeit ermitteln zu können, wer der Zulassungsbesitzer eines bestimmten KFZ oder Anhängers sei. Gesellschaftliche Werturteile zu schaffen - durch Ausgabe dieses oder jenes Kennzeichens - sei nicht Gegenstand der Überlegungen des Gesetzgebers gewesen. Wenn der Berufungswerber die Vergabe der Kennzeichen kritisiere, selbst aber behaupte, durch ein zugewiesenes vierstelliges Kennzeichen mehr "repräsentieren" zu können, dann soll ihm der Glaube nicht genommen werden. Allein nicht die Stellenzahl eines polizeilichen Kennzeichens sei Beweis des beruflichen Könnens und des korrekten Verhaltens im Straßenverkehr. Hätte der Gesetzgeber dem Käufer eines zugelassenen Kraftfahrzeuges auch dasselbe Kennzeichen zukommen lassen wollen, dann hätte er dies im Gesetz verankert. Auf die Praxis der Vergabe (Zuweisung) von polizeilichen Kennzeichen habe jedenfalls der Landeshauptmann keinen Einfluß.

2. Gegen den angeführten Bescheid des Landeshauptmannes von Wien richtet sich die Beschwerde des S K, in der er behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, "auf gesetzmäßige Entscheidung durch Fehlen einer gesetzlichen Regelung, welche Nummer das zu vergebende Kennzeichen zu tragen hat," und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Die bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichte Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt und damit eine Sachentscheidung verweigert (VfSlg. 8047/1977).

Wie aus der obigen Sachverhaltsdarstellung ersichtlich ist, hat die erstinstanzliche Behörde über den Antrag des Bf. entschieden, ihm das Kennzeichen W ..., das die Vorbesitzerin des zur Zulassung angemeldeten PKW innehatte, zu übertragen. Die erstinstanzliche Behörde lehnte eine solche Übertragung ab. Die bel. Beh. gab mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Bf. nicht Folge. Der zweitinstanzliche Bescheid hatte demnach ebenfalls den Inhalt, daß die Übertragung des Kennzeichens abgelehnt wurde.

Gemäß §37 Abs1 KFG 1967 sind KFZ auf Antrag zuzulassen, wenn bestimmte, im Abs2 des Gesetzes angeführte Voraussetzungen erfüllt sind. Bei der Zulassung ist auch auszusprechen, welches Kennzeichen gemäß §48 KFG 1967 das Fahrzeug zu führen hat.

Der Bf. ist der Ansicht, dem §37 Abs1 KFG 1967 fehle es an der erforderlichen Bestimmtheit, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen sei, welches Kennzeichen dem Zulassungswerber zuzuweisen sei. Diese Bedenken teilt der VfGH nicht, weil das Gesetz an das Kennzeichen (sei es nun eine hohe oder eine niedrige Zahl) keinerlei Rechtsfolgen knüpft. Das Kennzeichen dient auch entgegen der Auffassung des Bf. und einer weit verbreiteten Meinung nicht einem Repräsentationsbedürfnis des Zulassungsbesitzers.

Die bel. Beh. hat für den Bf. das Fahrzeug zugelassen und dem Fahrzeug hiebei entsprechend §37 Abs1 zweiter Satz KFG 1967 ein Kennzeichen zugewiesen. Die Übertragung eines dem Fahrzeug für den Vorbesitzer zugewiesenen Kennzeichens an den nachmaligen Zulassungswerber sieht das Gesetz nicht vor. Die erstinstanzliche Behörde hätte daher über einen Antrag, das für das Fahrzeug früher zugewiesene Kennzeichen anläßlich der Zulassung des Fahrzeuges auf den Zulassungswerber zu übertragen, nicht zu entscheiden gehabt, weil das Gesetz einen solchen Anspruch nicht kennt. Dadurch, daß die bel. Beh. der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid nicht Folge gab, anstatt diesen Bescheid wegen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde zur Erlassung eines Bescheides betreffend die Übertragung des Kennzeichens aufzuheben, hat die bel. Beh. den Bf. in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Schlagworte

Kraftfahrrecht, Kennzeichen Kfz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1984:B424.1980

Dokumentnummer

JFT_10158788_80B00424_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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