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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; Unterbleiben einer beabsichtigten Amtshandlung (Beschlagnahme) - kein tauglicher Beschwerdegegenstand; Teilnahme an bzw. Einladung zu einer gerichtlichen Tagsatzung durch Vertreter der Staatsanwaltschaft, Einblickgewährung in Urkunden oder Weitergabe von Personaldaten an Organe einer anderen Behörde - keine Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1. Wie sich aus den Akten AZ Vr 1661/80 des Kreisgerichtes Wr. Neustadt ergibt, fand vor diesem Gericht im Zuge des Finanzstrafverfahrens gegen J G ua. am 16. Feber 1981 eine Tagsatzung zur Sichtung gerichtlich beschlagnahmter Unterlagen aus dem Besitz der Volksbank M reg. Genossenschaft mbH statt. Dabei wurde das Sparbuch Nr. ... samt Verpfändungserklärung Nr. ... zunächst dem anwesenden Vertreter der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt zur Verfügung gestellt, der zwar Einsicht nahm und seinerseits den von ihm (in Handhabung der Bestimmung des §197 FinStrG) der Tagsatzung beigezogenen Beamten des Finanzamtes Eisenstadt Einblick gewährte, aber keine diese Urkunden betreffenden Anträge stellte.
Daraufhin faßte der die Amtshandlung leitende Richter den Beschluß auf Ausfolgung der beiden - mit dem eingangs angeführten Strafverfahren offenbar nicht in Zusammenhang zu bringenden - Urkunden an den Vertreter des genannten Bankinstitutes, den Rechtsanwalt Dr. W-D A (S 21 des Gerichtsprotokolls). Im weiteren Verlauf der Amtshandlung wurden diesem Rechtsanwalt das Sparbuch wie auch die Verpfändungserklärung gerichtlich übergeben (S 23 des Gerichtsprotokolls).
1.1.2. In einer "Niederschrift über die Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug gemäß §89 Abs2 Finanzstrafgesetz (FinStrG)", aufgenommen am 16. Feber 1981 von Organen des Finanzamtes Eisenstadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz, heißt es wörtlich, daß das Sparbuch Nr. ... und die zugehörige Verpfändungerklärung gemäß §89 Abs2 FinStrG "bei Gefahr im Verzug beschlagnahmt wurden" und "in Verwahrung (der Behörde) übernommen werden".
1.2.1. Die Volksbank M reg. Genossenschaft mbH begehrte in ihrer an den VfGH gerichteten Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG der Sache nach die kostenpflichtige Feststellung, daß sie a) durch eine dem Finanzamt Eisenstadt zuzurechnende (faktische) Amtshandlung vom 16. Feber 1981, und zwar durch Beschlagnahme gerichtlich freigegebenen Materials (Sparbuch Nr. ..., Verpfändungserklärung Nr. ...) sowie b) durch der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt zuzurechnende Amtshandlungen, bestehend in der Teilnahme eines Vertreters dieser Behörde an der Tagsatzung, in der Beiziehung von Finanzbeamten zur Amtshandlung, der Gewährung von Einsicht in das besagte Sparbuch und die Verpfändungserklärung und der Nennung von Personaldaten an diese (Finanz-)Beamten (S 25 der Beschwerdeschrift), demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei, nämlich im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZP zur MRK) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG); hilfsweise wurde zugleich die Abtretung der Beschwerde an den VwGH gemäß Art144 Abs2 B-VG idF vor dem BVG BGBl. 350/1981 beantragt.
1.2.2. Das Finanzamt Eisenstadt als erstbel. Beh. und die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt als zweitbel. Beh. erstatteten Gegenschriften; das Finanzamt Eisenstadt begehrte darin die Zurückweisung, die Staatsanwaltschaft die Abweisung der Beschwerde.
1.3. Der VfGH leitete in dieser Beschwerdesache mit Beschluß vom 10. Juni 1983, Z B143, 144/81-13, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§89 bis 92 FinStrG ein; dieses Verfahren wurde jedoch mit Beschluß des Gerichtshofs vom 3. Dezember 1984, Z G51/83, wieder eingestellt.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
2.1.1. Der VfGH stellt zunächst aufgrund des insoweit im wesentlichen übereinstimmenden und unbedenklichen Vorbringens der bf. Volksbank und des erstbel. Finanzamtes Eisenstadt fest, daß es am 16. Feber 1981 zu einem tatsächlichen finanzbehördlichen Zugriff auf das Sparbuch Nr. ... und die Verpfändungserklärung Nr. ..., dh. zu einer Beschlagnahme dieser Sachen gar nicht gekommen war; denn beide Urkunden blieben damals weiterhin im Gewahrsam des Rechtsanwaltes Dr. W-D A, der sie später gemäß §1425 ABGB bei Gericht erlegte.
2.1.2.1. Damit fehlt hier aber ein mit Beschwerde nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. 302/1975 vor dem VfGH anfechtbarer Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie er nach der ständigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in einer nicht aufgrund eines verwaltungsbehördlichen Bescheides durchgeführten Beschlagnahme, dh. einer zwangsweisen Entziehung einer Sache zum Zweck der Verwahrung, zu erblicken ist (zB VfSlg. 4947/1965, 6754/1972, 9099/1981; VfGH 25. 2. 1982 B88/81).
2.1.2.2. Die Abfassung der einleitend erwähnten Niederschrift "gemäß §89 Abs2 FinStrG" vom 16. Feber 1981, die offenbar nur der Vorbereitung einer zwar beabsichtigten, dann jedoch - in Beziehung auf das Sparbuch Nr. ... und die Verpfändungserklärung Nr. ... - unterbliebenen Amtshandlung (Beschlagnahme) diente, vermag an dieser rechtlichen Beurteilung des Falles nichts zu ändern, weil dieses Protokoll nicht den Tatsachen entspricht, insofern darin eine (vollzogene) Beschlagnahme bestätigt wird, und keinesfalls Bescheidcharakter besitzt, soweit es die (nur als Ankündigung einer bevorstehenden faktischen Beschlagnahme zu verstehende) schlichte mündliche Mitteilung einer Maßnahme nach §89 Abs2 FinStrG beurkundet.
2.1.3. In diesem Umfang war die Beschwerde daher - schon in Ermangelung eines tauglichen Beschwerdegegenstandes - als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfGH 3. 12. 1984 G51/83); dies abgesehen davon, daß dann, wenn die mit der Protokollabfassung einhergehende mündliche Ankündigung der beabsichtigten Beschlagnahme - wie die bf. Genossenschaft zu meinen scheint - als Bescheid iS des §89 Abs1 FinStrG zu werten wäre, angesichts des gegen bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnungen nach §89 Abs1 FinStrG (s. VfGH 27. 9. 182 B192/81 ua.) offenstehenden administrativen Rechtsmittels der Beschwerde (§152 FinStrG) gleichermaßen ein Prozeßhindernis, und zwar der Unzuständigkeitsgrund der Nichterschöpfung des Instanzenzuges vorläge (s. VfGH 25. 2. 1982 B88/81 ua.).
2.2.1. Desgleichen fehlt ein tauglicher Beschwerdegegenstand, soweit sich die Beschwerde gegen Verwaltungsakte der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt wendet, nämlich dagegen, daß ein Vertreter dieser Behörde an der gerichtlichen Tagsatzung am 16. Feber 1981 teilnahm sowie finanzbehördliche Organe beizog, ihnen Einblick in Unterlagen (Sparbuch, Verpfändungserklärung) ermöglichte und Personaldaten (offenbar des Sparbuchinhabers) zur Verfügung stellte.
Denn weder die Teilnahme an noch die Einladung zu einer Tagsatzung, die Einblickgewährung in Urkunden oder die Weitergabe von Personaldaten an Organe einer anderen Behörde sind als Befehle mit unverzüglichem Befolgungsanspruch oder als Anwendung physischen Zwangs und damit als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person, hier gegen Organe bzw. Vertreter der bf. Volksbank zu beurteilen, wie sie eine Beschwerdeführung vor dem VfGH nach Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF BGBl. 302/1975 zwingend voraussetzt (s. VfGH 29. 11. 1977 B140/77; auch VfSlg. 9125/1981).
2.2.2. Die Beschwerde war infolgedessen auch in diesen Punkten zurückzuweisen (vgl. abermals VfSlg. 10291/1984).
2.3. Mit Rücksicht auf die in der Beschwerdeschrift dargelegten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Erlasses des Bundesministers für Finanzen vom 3. Dezember 1979, Z FS 130/1-III/9/79, bleibt abschließend beizufügen, daß der VfGH diesen Verwaltungsakt bei Prüfung der Prozeßvoraussetzungen nicht anzuwenden hatte. Dieser Erlaß ist daher in der vorliegenden Beschwerdesache nicht iS des Art139 Abs1 B-VG präjudiziell, so daß auf die entsprechenden Beschwerdeausführungen nicht näher eingegangen werden konnte.
2.4. Der Eventualantrag auf Beschwerdeabtretung an den VwGH war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur im - vorliegend nicht gegebenen - Fall einer abweisenden Sachentscheidung des VfGH in Betracht kommt, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. zB VfGH 30. 11. 1978 B530/78).
2.5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 353/1981 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Finanzstrafrecht, Beschlagnahme, Bescheidbegriff, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B143.1981Dokumentnummer
JFT_10149779_81B00143_00