TE Vfgh Erkenntnis 1985/2/22 B368/79

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Veröffentlicht am 22.02.1985
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2

Leitsatz

Art83 Abs2 B-VG; Aufhebung eines - den ursprünglichen Grundsteuerbescheid seinerseits aufhebenden - Grundsteuerbescheides mittels "Berufungsvorentscheidung" des Bürgermeisters; ursprünglicher Grundsteuerbescheid daher tauglicher Berufungsgegenstand des am selben Tag wie die "Berufungsvorentscheidung" zugestellten Berufungsbescheides des Gemeinderates; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Gemeinde St. Radegund bei Graz erließ an Dipl.-Ing. DDr. J G (als Eigentümer der Liegenschaft EZ ... KG Rinnegg mit dem Grundstück Nr. ...) unter dem 25. Oktober 1977 einen Grundsteuerbescheid ab 1977, gegen den er zeitgerecht eine mit 2. Dezember 1977 datierte Berufung einbrachte.

2. Die Stmk. Landesregierung als Gemeindeaufsichtsbehörde entschied mit Bescheid vom 19. Mai 1978 (ua.) über die von Dipl.-Ing. DDr. J G erhobene Vorstellung gegen einen (in den vorgelegten Verwaltungsakten der Gemeinde St. Radegund nicht enthaltenen) Berufungsbescheid eines Organs dieser Gemeinde vom 6. März 1978; sie gab der Vorstellung gegen den Berufungsbescheid "insoweit Folge ... als er über die Berufung gegen den Grundsteuerbescheid ab 1977 vom 25. 10. 1977 ... abspricht". Zur Begründung wurde im wesentlichen angeführt, daß der Berufungsbescheid deshalb wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben gewesen sei, weil die Berufung im Gemeinderat bisher nicht behandelt worden und diesbezüglich eine unrichtige Bescheidausfertigung ergangen sei.

3. Mit Bescheid vom 11. Oktober 1978 wurde Dipl.-Ing. DDr. J G (neuerlich) die Grundsteuer ab 1977 vorgeschrieben. Dieser als "Berufungsbescheid" bezeichnete, jedoch mit einem für einen erstinstanzlichen Bescheid vorgesehenen Formular ohne inhaltliche Bezugnahme auf das Rechtsmittel ausgefertigte Bescheid weist die Fertigungsklausel "für den Gemeinderat" auf und ist vom Bürgermeister unterzeichnet; er enthält den handschriftlich beigefügten Zusatz:

"Der Bescheid vom 25. 10. 1977 mit 1. 1. 1977 tritt somit außer Kraft."

Auch gegen diesen Bescheid erhob der Adressat rechtzeitig Berufung, die mit 15. November 1978 datiert ist.

4. Unter dem 8. März 1979 ergingen in dieser Grundsteuersache an Dipl.-Ing. DDr. J G zwei ihm am selben Tag zugestellte Bescheide:

a) Ein als "Berufungsvorentscheidung" bezeichneter Bescheid des Bürgermeisters, mit dem der Berufung vom 15. November 1978 Folge gegeben und der Grundsteuerbescheid vom 11. Oktober 1978 aufgehoben wurde. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß der Grundsteuerbescheid vom 11. Oktober 1978 zu Unrecht erlassen worden sei, weil die Voraussetzungen für die amtswegige Erlassung eines neuen Abgabenbescheides nicht vorgelegen seien; darüber hinaus sei der Grundsteuerbescheid von einem unzuständigen Organ, nämlich dem Gemeinderat, erlassen worden.

b) Ein "Berufungsbescheid" des Gemeinderates, mit dem der Berufung vom 2. Dezember 1977 gegen den Grundsteuerbescheid vom 25. Oktober 1977 keine Folge gegeben wurde.

Dipl.-Ing. DDr. J G erhob gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates Vorstellung.

5. Die Stmk. Landesregierung wies diese Vorstellung mit Bescheid vom 16. Juli 1979 ab. Die Vorstellung werde damit begründet, daß der Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung durch die Einbringung einer Berufung nicht in Rechtskraft erwachsen sei und die Gemeinde daher mit der Festsetzung der Grundsteuer bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch die Finanzlandesdirektion zu warten hätte. Im Hinblick auf §254 BAO und §218 Stmk. Landesabgabenordnung, LGBl. 158/1963, liege es jedoch im freien Ermessen der Gemeinde, ob sie mit der Erlassung des neuen Grundsteuerbescheides bis zur Rechtskraft des zugrundeliegenden Meßbescheides zuwarte oder nicht. Die Gemeinde St. Radegund habe von diesem freien Ermessen dahin Gebrauch gemacht, daß sie, ohne die Rechtskraft des neuen Meßbescheides abzuwarten, einen neuen Grundsteuerbescheid erlassen habe; in dieser Vorgangsweise könne Rechtswidrigkeit nicht erblickt werden. Sollte der Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid im Rechtsmittelverfahren abgeändert werden, so sei die Gemeinde verpflichtet, von Amts wegen einen neuen Grundsteuerbescheid auf der Grundlage des geänderten Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheides zu erlassen.

6. Gegen diesen aufsichtsbehördlichen Bescheid der Stmk. Landesregierung richtet sich die vorliegende VfGH-Beschwerde, in welcher Dipl.-Ing. DDr. J G eine Verletzung des Gleichheitsrechtes sowie des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des Bescheides begehrt.

II. Dipl.-Ing. DDr. J G verstarb am 5. Jänner 1981. Die Liegenschaft ging im Erbweg auf seinen Sohn Dr. F G über, der unter Bedachtnahme auf §9 Abs1 Z1 GrundsteuerG in die Stellung der bf. Partei eintritt.

III. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Unter dem Blickpunkt der behaupteten Grundrechtsverletzungen, der Sache nach jedenfalls als eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (infolge einer unzulässigen Verkürzung des gesetzmäßigen Instanzenzuges - s. dazu VfSlg. 7508/1975), macht die Beschwerde geltend, daß der im durchgeführten Verwaltungsverfahren als Berufungsbehörde eingeschrittene Gemeinderat über eine Berufung gegen einen nicht mehr dem Rechtsbestand angehörenden erstinstanzlichen Bescheid entschieden habe. Dies trifft aber nicht zu. Der Grundsteuerbescheid vom 11. Oktober 1978, demzufolge der (hier als erstinstanzlicher Bescheid in Betracht kommende) Grundsteuerbescheid vom 25. Oktober 1977 außer Kraft treten sollte, erwuchs nicht in Rechtskraft, sondern wurde mit dem als "Berufungsvorentscheidung" bezeichneten Bescheid des Bürgermeisters vom 8. März 1979 aufgehoben; er konnte sohin nur bis zur Zustellung der "Berufungsvorentscheidung" Rechtswirkungen, insbesondere in bezug auf den Grundsteuerbescheid vom 25. Oktober 1977, entfalten. Da die "Berufungsvorentscheidung" jedoch nicht später als der (unter demselben Datum ausgefertigte) Berufungsbescheid des Gemeinderates zugestellt wurde (- die Zustellung beider Bescheide erfolgte am selben Tag -), lag der vom Gemeinderat über die Berufung vom 2. Dezember 1977 getroffenen Entscheidung, also dem durch die Zustellung erlassenen Berufungsbescheid, ein rechtswirksamer erstinstanzlicher Grundsteuerbescheid als tauglicher Berufungsgegenstand zugrunde.

Auch das übrige Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, die Verletzung der geltend gemachten oder anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nachzuweisen, weil es sich überhaupt nicht gegen den Inhalt des angefochtenen Bescheides richtet. Die Beschwerde rügt nämlich, daß die Gemeinde St. Radegund von der Aufsichtsbehörde nicht zur Erlassung eines Flächenwidmungsplans verhalten worden sei, und sieht darin die Ursache für eine zu hohe Bewertung des Grundstücks. Daß dieser Vorwurf am bekämpften Bescheid vorbeigeht, weil dieser seinen Inhalt vom Grundsteuermeßbescheid ableitet, bedarf jedoch keines weiteren Nachweises.

3. Das Beschwerdeverfahren hat auch im übrigen keinen Anhaltspunkt für die Annahme erbracht, daß die bf. Partei in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm stattgefunden habe.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Behördenzuständigkeit, Instanzenzug, Finanzverfahren, Rechtsmittel Finanzverfahren, Verwaltungsverfahren, Berufung, Rechtskraft Bescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B368.1979

Dokumentnummer

JFT_10149778_79B00368_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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