TE Vfgh Erkenntnis 1985/2/22 B542/80

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Veröffentlicht am 22.02.1985
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Index

32 Steuerrecht
32/04 Steuern vom Umsatz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art20 Abs1
StGG Art5
BAO §184
BAO §303
UStG 1959 §16, §17
UStG 1959 §16 Abs20
UStG 1959 §17 Abs9

Leitsatz

VwGG §63 Abs1; Umfang der Bindung des VfGH an die Rechtsanschauung des VwGH bei Prüfung eines Ersatzbescheides UStG 1959; vertretbare Interpretation des §16 Abs20 und des §17 Abs9 als Spezialnormen gegenüber den Bestimmungen der BAO über die Wiederaufnahme des Verfahrens; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung, keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Bf. ist Holzgroßhändler. Er nahm in den Jahren 1960 bis 1969 dafür, daß er Schnittholz an die US-Armee in der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt hatte, gemäß den §§16 und 17 des Umsatzsteuergesetzes 1959, BGBl. 300/1958 (UStG 1959), Umsatzsteuervergütungen in Anspruch.

Im Zuge eines in der Folge gegen ihn geführten gerichtlichen Strafverfahrens wurde festgestellt, daß er nicht die vollen in Rechnung gestellten Holzmengen geliefert hatte. Daraufhin forderte das Finanzamt für den I. Bezirk in Wien (FA) mit Bescheid vom 23. Oktober 1974 diese zuerkannten Umsatzsteuervergütungen im Gesamtbetrag von 3513448 S vom Bf. zurück.

Über die dagegen erhobene Berufung des Bf. setzte die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgdl. (FLD) mit Bescheid vom 17. Mai 1976 den Rückforderungsbetrag auf 3480659 S herab.

b) Diesen 1. Berufungsbescheid bekämpfte der Bf. beim VwGH, der mit Erk. vom 20. September 1978, Z 1665/76, den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Er begründete dies im wesentlichen wie folgt:

"Gemäß §16 Abs2 Z2 und §17 Abs2 Z1 UStG 1959 liegt hinsichtlich der Ausfuhrhändlervergütung bzw. der Ausfuhrvergütung ein vergütungsfähiger Vorgang vor, wenn der Antragsteller eine Ausfuhrlieferung (§4 Abs1 Z3) bewirkt hat. Die Ausfuhrhändlervergütung ist gemäß §16 Abs3 UStG 1959 nur zu gewähren, wenn jede der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

1. Der Antragsteller muß den Gegenstand im Inland erworben haben. Die Lieferung an ihn muß steuerpflichtig gewesen sein.

2. Der Gegenstand darf vom Antragsteller im Inland nicht bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

3. Die vorstehenden Voraussetzungen, das Vorliegen eines gemäß Abs2 vergütungsfähigen Vorganges und die Art und Höhe der Bemessungsgrundlage der Vergütung müssen buchmäßig (§5 Abs10 UStG 1959) nachgewiesen sein.

Auch für die Gewährung der Ausfuhrvergütung ist gemäß §17 Abs3 Z4 UStG 1959 der Buchnachweis eine unumgängliche Voraussetzung.

Von der belangten Behörde wird nicht bestritten, daß der Beschwerdeführer das von ihm im Inland erworbene Holz in das Ausland geliefert hat, ohne es vorher bearbeitet oder verarbeitet zu haben. Sie geht lediglich davon aus, daß diese Voraussetzungen sowie die Art und Höhe der Bemessungsgrundlage der Vergütung nicht buchmäßig nachgewiesen seien. Es fehle somit die im §16 Abs3 Z3 UStG 1959 bzw. die im §17 Abs3 Z4 UStG 1959 geforderte Voraussetzung für die Gewährung der Umsatzsteuervergütungen, sodaß die bereits gewährten Vergütungen zur Gänze zurückzufordern seien.

Wenn festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer das von ihm im Inland erworbene Holz unbearbeitet aufgrund von Lieferungsgeschäften in das Ausland versendet hat, wobei er dem ausländischen Abnehmer größere Mengen verrechnete, als ihm von seinen Lieferern verrechnet wurden, kann die Auffassung der belangten Behörde, daß hinsichtlich der die verbuchten Einkaufsrechnungen übersteigenden Mengen der Nämlichkeitsnachweis nicht erbracht worden ist und daher die darauf entfallenden Umsatzsteuervergütungen zurückzufordern sind, nicht als rechtswidrig erachtet werden. Wie der VwGH bereits in seinem, einen gleichgelagerten Fall betreffenden Erkenntnis vom 16. September 1964, Z 561/62 und 562/62, ausgeführt hat, kommt es für Übermengen (Kubaturdifferenzen), die dem Steuerpflichtigen beim Einkauf nicht in Rechnung gestellt wurden, zu keiner Umsatzsteuervorbelastung, die ja Voraussetzung für die Umsatzsteuervergütung ist. Für die Holzmengen, die aufgrund der Ausgangsfakturen mehr geliefert wurden, als aufgrund der Eingangsfakturen erworben wurde, ist daher keine Umsatzsteuervergütung zu gewähren.

Das gilt jedoch nicht hinsichtlich jenes Teiles der Ausfuhrlieferungen, für den der Nachweis des Erwerbs im Inland erbracht worden ist. Die belangte Behörde hat nicht behauptet, daß der Beschwerdeführer eine Bearbeitung oder Verarbeitung des im Inland erworbenen und ins Ausland gelieferten Holzes vorgenommen hätte. Sie hat lediglich die Auffassung vertreten, daß durch die überhöhten Mengenfakturierungen an den ausländischen Abnehmer der Nämlichkeitsnachweis für die gesamten Lieferungen nicht erbracht sei. Dies trifft aber, wie oben ausgeführt, nur für die überhöht fakturierten Mengen zu, nicht aber für die Mengen, für die der Nachweis des inländischen Erwerbes vom Beschwerdeführer erbracht worden ist. Für die laut Eingangsrechnungen erworbenen Holzmengen hat nämlich das Finanzamt in den Berichten über die jährlichen Umsatzsteuerrevisionen festgestellt, daß der Nämlichkeitsnachweis (nach Stücken) erbracht worden ist. Der Umstand allein, daß das beschwerdeführende Unternehmen nach den Feststellungen im gerichtlichen Strafverfahren mehr fakturiert hat, als aus den Eingangsfakturen hervorgeht, kann nicht dazu führen, den Nämlichkeitsnachweis für die gesamten Ausfuhrlieferungen als nicht erbracht anzusehen.

Darüber hinaus wird in der Beschwerde hinsichtlich eines Teiles der rückgeforderten Umsatzsteuervergütungen die Verjährung des Rückforderungsanspruches geltend gemacht. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß gemäß §207 Abs2 zweiter Satz BAO die zehnjährige Verjährungsfrist zur Anwendung zu kommen habe, weil die Abgabenvergütungen vom Beschwerdeführer erschlichen worden seien. Dieser Auffassung vermag der VwGH nicht zu folgen. Da die Abgabenbehörde in den vergangenen Jahren mit den vom Beschwerdeführer zitierten Bescheiden Kubaturdifferenzen innerhalb einer bestimmten Grenze als unschädlich anerkannt hatte, kann dem Beschwerdeführer nicht Erschleichungsabsicht unterstellt werden, wenn er auch bei der Antragstellung in den Folgejahren angenommen hat, daß die Behörde den Nämlichkeitsnachweis als erbracht ansehen werde, wenn zwischen Einkauf und Verkauf Kubaturdifferenzen infolge Verrechnung größerer Mengen auftreten. Eine Rückforderung von Umsatzsteuervergütungen wäre daher im vorliegenden Fall nur innerhalb der fünfjährigen Verjährungsfrist des §207 BAO zulässig gewesen.

Die Abgabenbehörde ist also rechtswidrig vorgegangen, wenn sie die gesamten Umsatzsteuervergütungen für die in Rede stehenden Lieferungen des Beschwerdeführers an die US-Armee zurückgefordert hat, weshalb der vor dem VwGH angefochtene Bescheid gemäß §42 Abs2 lita VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war."

c) Nun entschied die FLD neuerlich über die Berufung des Bf. gegen den Bescheid des FA vom 23. Oktober 1974. Mit diesem 2. Berufungsbescheid (Ersatzbescheid) vom 5. August 1980 gab sie der Berufung teilweise Folge und setzte den Rückforderungsbetrag mit 206620,61 S fest.

Nach einer Darstellung des bisherigen Geschehens, die mit einer zusammengefaßten Wiedergabe des im ersten Rechtsgang erflossenen Erk. des VwGH vom 20. September 1978 (s. die vorstehende litb) schließt, wird der Ersatzbescheid der FLD wie folgt begründet:

"Die Finanzlandesdirektion ist daher zufolge der Vorschrift des §63 Abs1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes verpflichtet, den dieser - für den gegenständlichen Fall verbindlichen - Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln herzustellen.

Was die ziffernmäßige Größe des Rückforderungsbetrages betrifft, wäre zum Zweck der exakten Bestimmung eine Gegenüberstellung der vom Bw. in dem von der Verjährung nicht betroffenen Vergütungszeitraum fakturierten Holzmengen und der auf den korrespondierenden Einkaufsrechnungen aufscheinenden Holzmengen erforderlich. Der Bw. hat sich jedoch unter Hinweis auf die nach seiner Behauptung zwischenzeitig im Zuge der diversen Verfahren entstandene Unvollständigkeit seiner Unterlagen außer Stande erklärt, die hiefür erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Bei der Ermittlung des zurückzufordernden Betrages ist daher, mangels einer geeigneter erscheinenden sonstigen Vorgangsweise, das Untersuchungsergebnis des Gutachters, wonach in den von diesem im Strafverfahren insgesamt geprüften 609 Fällen die Fehlmenge im Durchschnitt mindestens 9,92% betragen hat, zu verallgemeinern und nach Berücksichtigung der bereits im seinerzeitigen Vergütungsverfahren teilweise ausgeschiedenen Überkubatur ein entsprechender Sicherheitszuschlag anzusetzen.

Soweit der Bw. einwendet, auf dem speziellen Gebiet des Holzexportes entspräche es der Verwaltungsübung, Händlern gegenüber Kubaturdifferenzen bei der Umsatzsteuervergütung bis zu einem gewissen Ausmaß zu tolerieren, genügt es, abermals auf die bereits bezogenen zwingenden Vorschriften des §63 Abs1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes zu verweisen. Zur wiederholt vom Bw. vorgebrachten Rechtsansicht, es mangle an Gründen für eine Verfahrenswiederaufnahme, ist außerdem festzuhalten, daß es zur Vergütungsrückforderung zufolge der Spezialvorschriften des §16 Abs20 bzw. des §17 Abs9 des anzuwendenden Umsatzsteuergesetzes 1959 einer Verfahrenswiederaufnahme überhaupt nicht bedarf. Zur Vermeidung von Wiederholungen darf diesbezüglich ferner auf die Ausführungen 'ad. 6.' der seinerzeitigen Berufungsentscheidung vom 17. Mai 1976 verwiesen werden.

Berechnung:

von der fünfjährigen Verjährungsfrist nicht

    betroffene Vergütung ............................ S 2057741,63

9,92% ............................................... S  204127,92

unter dem Titel 'Kubaturdifferenz' bzw.

    'Nämlichkeitsnachweis' bereits im

    Vergütungsverfahren erfolgte Kürzung .......... - S   16291,-

                                                    --------------

                                                      S  187836,92

10% Sicherheitszuschlag ...........................   S   18783,69

                                                    --------------

Rückforderungsbetrag ..............................   S  206620,61".

2. Gegen den 2. Berufungsbescheid der FLD vom 5. August 1980 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die FLD als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der begehrt wird, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Da der angefochtene Bescheid nach einem stattgebenden Erk. des VwGH iS des §63 Abs1 VwGG erging, hatte die bel. Beh. dem Gesetz den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Inhalt beizumessen. Auch der VfGH ist bei Prüfung des Ersatzbescheides aufgrund unveränderter Rechtslage an die im Erk. des VwGH zum Ausdruck kommende Interpretation des von der Verwaltungsbehörde anzuwendenden Gesetzes gebunden, es sei denn, daß er verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz hegt oder daß dem Gesetz ausschließlich aus Gründen verfassungskonformer Interpretation ein anderer als der vom VwGH zugemessene Inhalt zukommen muß (s. VfSlg. 9166/1981, S 587 f., und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).

2. Aus dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalles entstanden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid insgesamt tragenden Rechtsvorschriften (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der §§16 und 17 UStG 1959 vgl. VfSlg. 4705/1964).

Der Bf. deutet lediglich Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des "Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen vom 26. 5. 1959", Z 15.075-10/1959, an, den er als RechtsV qualifiziert und von dem er offenbar annimmt, er sei dem bekämpften Bescheid zugrunde zu legen gewesen.

Diese Ansicht ist verfehlt: Beim zitierten Schreiben handelt es sich um einen schriftlichen Auftrag, den der Bundesminister für Finanzen (BMF) in einer konkreten, eine einzige bestimmte Person betreffenden Angelegenheit der FLD erteilte; darin wird keine generelle Anordnung getroffen. Dieses Schreiben ist daher nicht als V, sondern als - in einer (anderen) bestimmten Verwaltungsangelegenheit erteilte - Weisung zu werten (vgl. zB VfSlg. 2071/1950, 3142/1957, 7717/1975, 8648/1979, 8649/1979).

Sofern die Beschwerdeausführungen als Vorwurf anzusehen sein sollten, die Behörde sei willkürlich vorgegangen, wird darauf unter II.3.b.bb eingegangen.

Vorerst bleibt festzuhalten, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

3. a) Der Bf. wendet ein, die Behörde habe den Gleichheitsgrundsatz und das Eigentumsrecht verletzt, da sie willkürlich und denkunmöglich vorgegangen sei:

aa) Die Rückforderung rechtskräftig zuerkannter Umsatzsteuervergütungen hätte nur erfolgen dürfen, wenn die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß §303 BAO vorgelegen wären; dies sei aber nicht der Fall gewesen, da dem Bf. Erschleichungsabsicht nicht vorzuwerfen sei.

bb) Außerdem habe die Behörde den rückgeforderten Betrag völlig unrichtig berechnet, wenn sie angenommen habe, die Fehlmenge (die Kubaturdifferenz) habe im Durchschnitt 9,92 vH betragen; abgesehen davon, daß der aus einigen Fällen errechnete Durchschnitt nicht auf alle Geschäftsfälle verallgemeinert werden könne, liege die Fehlmenge im wesentlichen innerhalb der branchenüblichen Toleranz von etwa 8 vH. Die Behörde habe dem Bf. gegenüber den Erlaß des BMF vom 26. Mai 1959 (s. oben II.2.) willkürlich nicht angewendet.

b) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften könnte der Bf. im Gleichheitsrecht oder im Eigentumsrecht nur durch eine willkürliche oder denkunmögliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein. Derartige Fehler sind aber der bel. Beh. nicht anzulasten:

aa) Das den angefochtenen Ersatzbescheid determinierende (s. oben II.1.) Erk. des VwGH vom 20. September 1978 (s. oben I.1.b) enthält zur Frage, ob rechtskräftig zuerkannte Umsatzsteuervergütungen nur dann zurückgefordert werden dürfen, wenn Wiederaufnahmsgründe nach §303 BAO vorliegen, keine ausdrückliche Aussage; es geht aber unausgesprochen davon aus, daß §16 Abs20 und §17 Abs9 UStG 1959 über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Steuervergütungen unabhängig von Wiederaufnahmsgründen nach der BAO anzuwenden sind.

Wenn in dieser Hinsicht das VwGH-Erk. der Behörde bei Erlassung des Ersatzbescheides doch einen Beurteilungsspielraum gelassen haben sollte, hat ihn die FLD keineswegs denkunmöglich oder willkürlich gefüllt. Es ist durchaus vertretbar, die zuletzt zitierten Vorschriften des UStG 1959 gegenüber den Bestimmungen der BAO über die Wiederaufnahme als Spezialnormen anzusehen und daraus zu schließen, daß ein Rückforderungsbescheid einer (vorangehenden) Wiederaufnahme des Verfahrens, das seinerzeit zur Umsatzsteuervergütung geführt hat, nicht bedarf (vgl. die in diese Richtung gehende ständige Judikatur des VwGH, zB VwGH 23. Dezember 1965 Z 1289/65, 25. Feber 1971 Z 1555/69, 25. Mai 1973 Z 2163/71).

bb) Der Behörde ist nicht zur Last zu legen, sie sei willkürlich oder denkunmöglich vorgegangen, wenn sie einem Gutachten gefolgt ist, das ein Sachverständiger im Zuge des gegen den Bf. geführten gerichtlichen Strafverfahrens (das mit - rechtskräftig gewordener - Verurteilung des Bf. endete) abgegeben hatte; darin war der Sachverständige zum Ergebnis gelangt, daß in den von ihm geprüften 609 Fällen die Fehlmenge mindestens 9,92 vH betragen habe.

Der Behörde kann auch kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorgeworden werden, wenn sie Kubaturdifferenzen bis zu 8 vH beim Bf. nicht hinnahm; das Gesetz schreibt dies jedenfalls nicht vor (vgl. das für die Meinung der Behörde sprechende Erk. des VwGH vom 16. September 1964, Z 561, 562/62).

Wenn der Bf. vorbringt, die Behörde sei in vergleichbaren Fällen anders vorgegangen, ist er auf die ständige Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9191/1981, 9197/1981) zu verweisen, wonach aus einem allfälligen Fehlverhalten der Behörde in anderen Fällen ein Recht auf gleiches behördliches Fehlverhalten nicht abgeleitet werden kann.

Der auch hier gegebene Hinweis auf den Erlaß des BMF vom 26. Mai 1959 (s. oben II.2) geht auch schon deshalb ins Leere, weil dort nur davon gesprochen wird, daß Maßdifferenzen die Nämlichkeit der Ware nicht beeinträchtigen; diesen Standpunkt hat die bel. Beh. im angefochtenen Bescheid ohnehin eingenommen. Wie aber die Kubaturdifferenzen festzustellen sind und ob in diesem Zusammenhang eine gewisse Toleranz branchenüblich ist, wird im Erlaß gar nicht erörtert.

Was schließlich den "Sicherheitszuschlag" von 10 vH anlangt, ist bei der gegebenen Sachlage die Annahme der Behörde keineswegs abwegig, daß sie nach §184 BAO ermächtigt sei, die Grundlagen für die Höhe der Steuerrückforderung zu schätzen. Dann aber ist es auch vertretbar, einen Sicherheitszuschlag anzusetzen (vgl. zB VfSlg. 9012/1981; VwGH 17. Dezember 1969 Z 1487/68, 11. März 1970 Z 201/69).

4. Da mithin Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nicht bestehen, die bel. Beh. und der VwGH diesen Normen auch keinen verfassungswidrigen Inhalt unterstellten und die Behörde, soweit sie durch den angefochtenen Ersatzbescheid nicht gebunden war, nicht denkunmöglich oder willkürlich vorgegangen ist, im übrigen der VfGH jedoch an die dem Bescheid der Berufungsbehörde gemäß §63 Abs1 VerwGG zugrundegelegte Rechtsanschauung des VwGH gebunden ist, war die Beschwerde abzuweisen (vgl. VfSlg. 9166/1981).

Schlagworte

Verordnungsbegriff, Weisung, Umsatzsteuer, Finanzverfahren, Wiederaufnahme, lex specialis, Verwaltungsverfahren, Beweise, Sachverständige, Schätzung (Finanzverfahren), Bindung (des VfGH an VwGH)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B542.1980

Dokumentnummer

JFT_10149778_80B00542_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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