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80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
ForstG; keine kompetenzrechtlichen Bedenken gegen §§1 und 17; Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Rodungsbewilligung wegen beabsichtigter Errichtung eines Neubaues gemäß §17; Interessenabwägung - keine Denkunmöglichkeit, keine WillkürSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. F L und ihre Söhne Dipl.-Ing. Wa. und Dipl.-Ing. Wo. L, wohnhaft in Vöcklabruck, stellten mit Eingabe vom 20. Juni 1977 beim Magistrat der Stadt Sbg. den Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für ihr Grundstück mit der Parzellennummer .../18 KG Aigen, da beabsichtigt sei, dort einen Neubau zu errichten. Das Grundstück sei seit der im Jahre 1930 durchgeführten Parzellierung Bauland. Bei dem Wald handle es sich um eine Kultur, die aus Anflug entstanden sei. Der Wald sei weder ein Schutz- noch ein Bannwald. Durch die Rodung entstünde für die Nachbarn keine Windwurfgefahr. Da es sich um eine kleine Parzelle handle, seien im Falle der Rodung auch sonst keine Nachteile zu erwarten.
Der Magistrat der Stadt Sbg. hat mit Bescheid vom 5. Dezember 1979 diesen Antrag gemäß §17 Abs2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. 440 (im folgenden FG genannt), abgewiesen, wobei allerdings ein zirka 5 m breiter Streifen entlang der Westgrenze des Grundstückes .../17 KG Aigen ausgenommen wurde.
Der gegen diesen Bescheid von den Antragstellern erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Sbg. mit Bescheid vom 19. Mai 1981 nicht Folge.
Der gegen den Bescheid der zweiten Instanz erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Juli 1981, Z 12.325/05-I A2c/81, gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iZm. §§17 ff. und 170 Abs7 FG nicht Folge gegeben.
In der Begründung des Bescheides wurde eingangs hervorgehoben, der Antrag auf Rodungsbewilligung sei damit begründet worden, daß beabsichtigt sei, einen Neubau zu errichten. Weitere Angaben über den Rodungszweck seien nicht gemacht worden. In allen weiteren Ausführungen sei nur von Baulandbeschaffung, Zustimmung der Forstbehörde zur Umwidmung, Siedlungswesen udgl. die Rede gewesen. Die Bf. hätten sich bemüht, die Argumente der Forstbehörden erster und zweiter Instanz zu widerlegen, wonach die Walderhaltung im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegen sei. Andererseits schienen sie von der unrichtigen Meinung auszugehen, bei rechtskräftiger Flächenwidmung als Bauland reiche es aus, in einem Rodungsantrag als Zweck "Errichtung eines Neubaues" anzugeben. Die Behörde vertrat die Auffassung, daß in Anbetracht dieses Verhaltens der Antragsteller die im §17 Abs4 FG zwingend vorgeschriebene Interessenabwägung nicht vorgenommen werden könne. Abzuwägen seien aber das Interesse an der Walderhaltung und ein allenfalls vorliegendes sonstiges öffentliches Interesse, die im §17 Abs3 FG beispielsweise aufgezeigt seien. Ein solches öffentliches Interesse sei im vorliegenden Fall nicht ausreichend dargelegt.
2. Gegen diesen Bescheid erheben die genannten Antragsteller Beschwerde beim VfGH, in der sie die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, und zwar des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und des Gleichheitsgrundsatzes, geltend machen und einen Verstoß gegen die verfassungsmäßige Kompetenzordnung behaupten. Sie regen weiters die Prüfung der §§1 und 17 FG sowie des Sbg. Raumordnungsgesetzes, insbesondere des §19, auf ihre Verfassungsmäßigkeit, vor allem in Hinblick auf die Kompetenzüberschneidungen, an. Schließlich beantragen sie, der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, ferner gegebenenfalls die Beschwerde an den VwGH abzutreten.
3. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft brachte als bel. Beh. eine Gegenschrift ein, in der er die Feststellung beantragte, die Bf. seien durch den angefochtenen Bescheid nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft in dritter Instanz gründet auf §170 Abs7 FG.
2. Die Bf. machen zunächst geltend, daß sie durch den angefochtenen Bescheid im Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verletzt seien. Der VfGH verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung zu Art18 B-VG, wonach dem einzelnen kein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zusteht (vgl. VfSlg. 7802/1976). Zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ist der VwGH berufen.
3. Sie behaupten weiters die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums, weil die Behörde ihren Bescheid nur mit einer Scheinbegründung versehen habe. Der angefochtene Bescheid greift in ihr Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Der Bescheid ist offensichtlich nicht ohne jede Rechtsgrundlage erlassen worden. Er läßt vielmehr deutlich erkennen, daß er auf das FG, insbesondere auf §17 FG, gestützt ist.
Die Bf. behaupten aber, daß die §§1 und 17 FG und das Sbg. Raumordnungsgesetz 1977, LGBl. 26/1977, idF 52/1977 und 112/1977, insbesondere dessen §19, wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmungen des B-VG verfassungswidrig seien. Der VfGH teilt indes diese von den Bf. vorgetragenen Bedenken nicht. Er hat in seinem Erk. vom 3. Dezember 1984, G81, 82/84, ausgesprochen, die Bundesverfassung verbiete vermöge der ihr innewohnenden Rücksichtsnahmepflicht dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft, die vom Gesetzgeber einer anderen Gebietskörperschaft wahrzunehmenden Interessen zu unterlaufen. Diese Pflicht verhalte ihn dazu, eine zu einem angemessenen Ausgleich führende Abwägung der eigenen Interessen mit jenen der anderen Gebietskörperschaft(en) vorzunehmen, also keine überschießende Regelung zu treffen. Gerade diese Interessenabwägung schreibt das FG, insbesondere dessen §17, der Forstbehörde vor. Das Raumordnungsgesetz 1977, insbesondere dessen §19 und darauf gestützte V, hatten die bel. Beh. und der VfGH nicht anzuwenden.
In Anbetracht der verfassungsrechtlich unbedenklichen Rechtsgrundlage könnten die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzt sein, wenn der bel. Beh. ein so schwerer Fehler unterlaufen wäre, daß dieser in die Verfassungssphäre reichen würde. Das behaupten die Bf., indem sie darzutun versuchen, die bel. Beh. habe ihre Entscheidung nur scheinbar begründet, sie aber in Wahrheit begründungslos gelassen. Davon kann aber nicht die Rede sein. Durch Sachverständigenbeweis ist dargelegt, daß durch die Errichtung eines Neubaues auf dem Grundstück die Interessen an der Waldausstattung wesentlich beeinträchtigt wären, während für die Beeinträchtigung der Interessen des Siedlungswesens ein derartiger Nachweis fehlt. Ob durch den angefochtenen Bescheid in einfachgesetzlich gewährleistete Rechte eingegriffen wird, hat der VfGH nicht zu prüfen.
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
4. Auch die Behauptung der Bf., daß durch den angefochtenen Bescheid das Recht derselben auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden sei, weil die Forstbehörde auf der einen Seite bei der Raumplanung der Nutzungsart "Bauland" zugestimmt, andererseits aber in dem Rodungsverfahren den gegenteiligen Standpunkt vertreten habe, geht fehl. Es liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, daß eine Regelung unsachlich sein soll, wonach die Berücksichtigung der Interessen des Siedlungswesens im Rodungsverfahren der Bundesbehörden erfolgt.
Daß die bel. Beh. das Gesetz in unsachlicher Weise angewendet oder gar Willkür geübt hätte, ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Insbesondere ist ein willkürliches Vorgehen der bel. Beh. nicht erwiesen, wenn die Behörde in einem anderen Fall bei annähernd gleichen Verhältnissen anders entschieden haben sollte, wie die Bf. in ihrer Mitteilung vom 7. November 1984 an den VfGH darlegen (vgl. VfSlg. 8376/1978).
5. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Bf. in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Forstwesen, Rodung, Kompetenz Bund - Länder, Verwaltungsverfahren, Beweise, Sachverständige, Rechtsbegriffe unbestimmteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B435.1981Dokumentnummer
JFT_10149775_81B00435_00