TE Vfgh Erkenntnis 1985/2/25 B597/83, G65/83, V51/83

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Veröffentlicht am 25.02.1985
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
Vlbg GrünzonenV, LGBl 8/1977 §2 Abs1, §2 Abs3
Vlbg RaumplanungsG §2
Vlbg RaumplanungsG §8
Vlbg RaumplanungsG §12 Abs3
Vlbg BauG 1972 §25, §28

Leitsatz

Vbg. RaumplanungsG; keine Bedenken gegen §8 Vbg. GrünzonenV, LGBl. 8/1977; Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß §2 Abs3; Grundeigentümer durch den an die Gemeinde gerichteten §2 Abs1 nur mittelbar betroffen; kein Entzug des gesetzlichen Richters B-VG Art139 Abs1 und 140 Abs1; Individualanträge auf Aufhebung des §12 Abs3 und des §52 Vbg. RaumplanungsG sowie der GrünzonenV; Stellung eines Bauantrages sowie eines Vorprüfungsantrages gemäß §25 iVm. §28 Vbg. BauG zumutbar; keine Legitimation

Spruch

I. Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die Anträge, §12 Abs3 und §52 des Vbg. Gesetzes über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz-RPG), LGBl. 15/1973, als verfassungswidrig und die V der Vbg. Landesregierung über die Festlegung von überörtlichen Freiflächen in der Talsohle des Rheintales, LGBl. 8/1977, als gesetzwidrig aufzuheben, werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. H H, Höchst, stellte neben anderen Grundeigentümern mit Schreiben vom 21. Oktober 1978 an die Vbg. Landesregierung den Antrag, für die in ihrem Eigentum stehenden Grundparzellen ... und ... KG Höchst eine Ausnahmebewilligung nach §2 Abs3 der V über die Festlegung von überörtlichen Freiflächen in der Talsohle des Rheintales, Vbg. LGBl. 8/1977, (im folgenden GrünzonenV genannt) zu erteilen. Das Amt der Vbg. Landesregierung teilte H H mit Schreiben vom 16. Juli 1979 mit, daß zur Einbringung von Anträgen nach §2 Abs3 der GrünzonenV grundsätzlilch nur die Gemeinde berechtigt sei.

2. Mit Eingabe vom 24. Juni 1983 beantragte H H, 1. das Ansuchen vom 21. Oktober 1978 bescheidmäßig zu erledigen, 2. ihr in diesem Verfahren Parteistellung zuzuerkennen und 3. ihr die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

Mit Bescheid der Vbg. Landesregierung vom 10. August 1983, Z VIIa 310.36, wurden die Anträge der H H gemäß §8 AVG 1950 mangels Parteistellung zurückgewiesen.

In der Begründung des Bescheides wurde ua. ausgeführt, §2 Abs1 der GrünzonenV richte sich ausschließlich an die Gemeinde als die für die Erlassung von Flächenwidmungsplänen zuständige Gebietskörperschaft. Für die Gemeinde ergebe sich daraus iZm. §8 Abs1 des Vbg. Raumplanungsgesetzes, LGBl. 15/1973 (im folgenden RPG genannt), die Verpflichtung, im Bereich der überörtlichen Freiflächen von anderen Widmungen als den dort angeführten Abstand zu nehmen. Der Grundeigentümer werde durch §2 Abs1 der GrünzonenV nur mittelbar durch den Flächenwidmungsplan der Gemeinde berührt. Mit einer Ausnahmegenehmigung nach §2 Abs3 der GrünzonenV könne die Landesregierung die Gemeinde in einzelnen Fällen von der ihr nach §2 Abs1 der V obliegenden Verpflichtung entbinden. Adressat der Ausnahmegenehmigung sei dabei ebenso wie hinsichtlich der Vorschrift des §2 Abs1 die Gemeinde. Daraus folge, daß im Verfahren nach §2 Abs3 der GrünzonenV Parteistellung ausschließlich der Gemeinde zukomme. Dem Grundeigentümer stehe somit Parteistellung in diesem Verfahren nicht zu. Aus den aufgezeigten Erwägungen seien die eingangs angeführten Anträge mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob H H gemäß Art144 B-VG Beschwerde an den VfGH, in der sie die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend machte und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung dieser Rechte und der Anwendung einer gesetzwidrigen V sowie eines verfassungswidrigen Gesetzes beantragte.

4. In demselben Schriftsatz stellte H H ferner gestützt auf die Art139 und 140 B-VG die Anträge, die GrünzonenV als gesetzwidrig und die §§12 Abs3 und 52 RPG als verfassungswidrig aufzuheben.

5. Die Vbg. Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen, und behauptete, daß §12 Abs3 und §52 RPG verfassungsgemäß und die GrünzonenV gesetzesgemäß seien.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides iZm. der beigegebenen Begründung geht deutlich hervor, daß durch den Bescheid der Antrag auf eine Ausnahmebewilligung nach §2 Abs3 GrünzonenV mangels Parteistellung bescheidmäßig zurückgewiesen wurde. Die Behörde hat daher implizit auch über die Zuerkennung der Parteistellung - abweisend - entschieden.

2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 9105/1982 und die dort angeführte Rechtsprechung) ua. dann verletzt, wenn die Behörde, wie die Bf. behauptet, eine Sachentscheidung gesetzwidrigerweise verweigert.

Der angefochtene Bescheid, mit dem die Anträge der Bf. als unzulässig zurückgewiesen wurden, enthält eine Verweigerung der Sachentscheidung.

Der VfGH hatte daher zu prüfen, ob die bel. Beh. die Anträge der Bf. zu Recht zurückwies.

Die Bf. begehrte eine Ausnahmebewilligung nach §2 Abs3 der GrünzonenV. Diese V stellt einen Landesraumplan für das Vbg. Rheintal gemäß §§7 bis 9 RPG dar. In §8 RPG werden die Wirkungen eines Landesraumplanes so umschrieben, daß V und Bescheide, die in Vollziehung von Landesgesetzen erlassen werden, soweit sich aufgrund des betreffenden Landesgesetzes nichts anderes ergibt, einem Landesraumplan nicht widersprechen dürfen. Damit ist ua. gesagt, daß V betreffend Flächenwidmungspläne der Gemeinden, die gemäß Art118 Abs3 Z9 B-VG im eigenen Wirkungsbereich derselben erlassen werden, sofern das betreffende Landesgesetz nicht anderes vorsieht, einer Landesplanung nicht widersprechen dürfen. Eine unmittelbare Wirkung der Landesraumpläne auf die Rechte und Pflichten der Grundstückseigentümer ist im RPG nicht vorgesehen. Auch die GrünzonenV enthält dafür keinen Anhaltspunkt. Die Anordnungen der GrünzonenV richten sich an die Gemeinde. Dies gilt auch für §2 Abs3 der GrünzonenV, wonach die Landesregierung in einzelnen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Vorschriften nach Abs1 und 2 bewilligen kann. Der bel. Beh. ist daher zuzustimmen, wenn sie der Auffassung ist, daß der Grundeigentümer durch die Vorschrift des §2 Abs1 der GrünzonenV nur mittelbar berührt wird. Seine Rechte werden durch den Flächenwidmungsplan gestaltet, der von der Gemeinde unter Beachtung der Gesetze und V des Bundes und des Landes zu erlassen ist. Die für die Bf. entscheidende Anordnung, welcher Widmung ihre Grundstücke zugeführt werden, wird daher für die Bf. durch den von der Gemeinde erlassenen Flächenwidmungsplan getroffen.

Allein aus diesen Erwägungen folgt, daß die bel. Beh. den Antrag der Bf. gesetzmäßig zurückwies.

Die Bf. wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

3. Der angefochtene Bescheid wird, entsprechend den Ausführungen unter II.2. ausschließlich durch die Vorschrift des §8 RPG getragen, in dem die Wirkungen eines Landesraumplanes abschließend geregelt sind. Daß diese Vorschrift verfassungswidrig sei, behauptet die Bf. nicht. Auch der VfGH hegt aus der Sicht des Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken. Demnach wurde die Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

4. Wies aber die bel. Beh. den in Rede stehenden Antrag aufgrund verfassungsrechtlich unbedenklicher Rechtsvorschriften (s. II.3.) zu Recht zurück, so ist es ausgeschlossen, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde (VfSlg. 9105/1982). Auf das entsprechende Beschwerdevorbringen war unter diesen Umständen nicht einzugehen.

5. Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

III. Über die Anträge, die GrünzonenV gemäß Art139 B-VG als gesetzwidrig, und §12 Abs3 sowie §52 RPG gemäß Art140 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben, hat der VfGH erwogen:

1. Gemäß Art139 Abs1 letzter Satz bzw. Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von V bzw. Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit bzw. Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V bzw. das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation ist danach sowohl nach Art139 Abs1 als auch nach Art140 Abs1 B-VG einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz oder die angefochtene V - im Hinblick auf deren Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz bzw. die V tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Aus dem Zusammenhalt dieser Erfordernisse folgt nach Ansicht des VfGH zunächst, daß derjenige, für den das Gesetz bzw. die V bloß faktische Wirkungen zeitigt, zur Anfechtung nicht berechtigt ist. Grundlegende Voraussetzung ist vielmehr, daß das Gesetz bzw. die V die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, daß die Normen in deren Rechtssphäre eingreifen und diese - im Falle der Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit - verletzen. Anfechtungsberechtigt ist also von vornherein nur ein Rechtsträger, an oder gegen den sich das anzufechtende Gesetz bzw. die anzufechtende V wendet, der diesem gegenüber Normadressat ist. Nicht jedem Normadressaten aber kommt diese Befugnis zu, es ist darüber hinaus erforderlich, daß der Eingriff in die Rechtssphäre der betreffenden Person nicht etwa aufgrund des angefochtenen Gesetzes bzw. der angefochtenen V erfolgt, sondern unmittelbar durch das Gesetz bzw. die V selbst - tatsächlich - erfolgt ist. Ein solcher Eingriff in die Rechtssphäre einer Person ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Norm selbst eindeutig bestimmt ist und die (rechtlich geschützten) Interessen der betreffenden Person nicht nur potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt. Die Entstehungsgeschichte der B-VG-Nov. BGBl. 302/1975 läßt ferner den Schluß zu, daß der durch sie eingeführte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht. Jedenfalls anhand dieser Kriterien wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob ein erwiesener Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers als unmittelbar durch die Norm bewirkt zu qualifizieren und die Antragslegitimation zu bejahen ist (vgl. VfSlg. 8009/1977 und 8156/1977).

2. Im vorliegenden Fall steht der Antragstellerin, die behauptet, ihre Grundstücke vermöge der angefochtenen Gesetzesstellen und der angefochtenen GrünzonenV nicht mehr als Baufläche nutzen zu können, ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungs- bzw. Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Normen zur Verfügung:

Nach §25 des Gesetzes über die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken (im folgenden BauG genannt), LGBl. 39/1972, hätte die Antragstellerin nämlich die Möglichkeit, einen Bauantrag zu stellen. Handelt es sich um die Bewilligung der Errichtung von Gebäuden oder Gebäudeteilen, was die Antragstellerin nach ihren Ausführungen offenbar anstrebt, so kann sie gemäß §28 Abs1 BauG einen Antrag auf Vorprüfung stellen. Einem solchen Antrag auf Vorprüfung sind Unterlagen gemäß §25 Abs3 BauG, zu denen auch die Baupläne gehören, nicht anzuschließen. Kommt die Behörde bei der Vorprüfung zu dem Ergebnis, daß das Bauvorhaben einem Flächenwidmungsplan aufgrund des RPG widerspricht, so ist schon der Antrag auf Vorprüfung gemäß §28 Abs4 abzuweisen. Der Antragstellerin steht es frei, gegen einen solchen Bescheid nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zu erheben. Im Verfahren vor diesen Gerichtshöfen kann nicht nur die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes, sondern auch der GrünzonenV und die Verfassungswidrigkeit der §§12 Abs3 und 52 RPG geltend gemacht werden.

Daraus ergibt sich, daß der Antragstellerin ein durchaus zumutbarer Weg zur Verfügung steht, über die Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gegen einen auf Antrag zu erlassenden baubehördlichen Bescheid, die Überprüfung der angefochtenen Normen auf ihre Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit herbeizuführen (vgl. auch das Erk. des VfGH VfSlg. 9135/1981, das allerdings einen Flächenwidmungsplan nach dem Ktn. Landesplanungsgesetz, LGBl. 47/1959, idF vor der Nov. LGBl. 50/1969 betraf).

Daraus folgt aber, daß der Antragstellerin die Legitimation zur Stellung der Anträge, die von ihr angefochtenen Gesetzesstellen als verfassungswidrig und die von ihr angefochtene GrünzonenV als gesetzwidrig aufzuheben, fehlt. Ihre Anträge waren daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG mangels Legitimation zurückzuweisen, ohne daß zu prüfen war, ob die übrigen, für die Zulässigkeit des Antrages erforderlichen Voraussetzungen (s. III.1.) gegeben sind.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Baubewilligung, Planungsakte (Flächenwidmungsplan), VfGH / Individualantrag, Geltungsbereich (persönlicher) einer Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B597.1983

Dokumentnummer

JFT_10149775_83B00597_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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