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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art12 Abs2Beachte
Kundmachung LGBl. für Tirol 43/1985 am 21. Juni 1985Leitsatz
Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der V des Amtes der Tir. Landesregierung vom 2. Juni 1982 über den Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens für die landwirtschaftlichen Grundstücke von Kleinsöll; bei Bestand einer ein Zusammenlegungsverfahren abschließenden V ist ein Antrag an die Agrarbehörde auf Ausführung des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes unzumutbar - Antragslegitimation gegeben Tir. Flurverfassungs-LandesG; nach dem G aus 1952 eingeleitete Zusammenlegungsverfahren können nach den Bestimmungen des G aus 1978 abgeschlossen werden; nach dem G aus 1952 gebildete Grundbesitzergemeinschaften können nach den für Zusammenlegungsgemeinschaften geltenden Bestimmungen des G aus 1978 aufgelöst werden V des Amts der Tir. Landesregierung vom 2. Juni 1982 über den Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens für die landwirtschaftlichen Grundstücke von Kleinsöll; wesentliche und evidente Abweichungen der tatsächlichen Verhältnisse vom Zusammenlegungsplan, die auf ein Versehen der Agrarbehörde bei Erlassung des Zusammenlegungsplanes zurückgehen - gesetzliche Voraussetzungen für den Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens und die Auflösung der Zusammenlegungsgemeinschaft nicht erfülltSpruch
Die V des Amtes der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 2. Juni 1982 über den Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens für die landwirtschaftlichen Grundstücke von Kieinsöll, kundgemacht im Boten für Tir. vom 11. Juni 1982, amtlicher Teil Nr. 411, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Tir. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Das Tir. Flurverfassungslandesgesetz 1978 - TFLG 1978, Anlage zur Kundmachung der Wiederverlautbarung LGBl. 54/1978, bestimmt in Ausführung der mit der Flurverfassungsnov. 1967, BGBl. 78/1967, vorgenommenen Änderungen und Ergänzungen des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951, Anlage zur Kundmachung der Wiederverlautbarung BGBl. 103/1951, daß die Agrarbehörde das Zusammenlegungsverfahren mit V einzuleiten und mit V abzuschließen hat (§§3, 29 und 72) sowie daß die Eigentümer der Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen werden, die Zusammenlegungsgemeinschaft bilden, welche gleichfalls mit V begründet wird und aufzulösen ist (§§7 und 72).
Mit V vom 2. Juni 1982 über den Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens für die landwirtschaftlichen Grundstücke von Kleinsöll, kundgemacht am 11. Juni 1982 im amtlichen Teil des Boten für Tir. unter Nr. 411, wurde vom Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz
"gemäß §29 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes, LGBl. Nr. 54/1978, das Zusammenlegungsverfahren für die landwirtschaftlichen Grundstücke von Kleinsöll in der KG Breitenbach als abgeschlossen und gleichzeitig gemäß §7 Abs1 leg. cit. die Zusammenlegungsgemeinschaft Kleinsöll als aufgelöst erklärt."
Mit dieser V wurde das aufgrund der seinerzeit geltenden Rechtslage (§4 des Tir. Flurverfassungs-Landesgesetzes - FLG, LGuVBl. 32/1952, in Ausführung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951) mit Bescheid eingeleitete Zusammenlegungsverfahren beendet. Es war dies der Bescheid des Amtes der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 29. Feber 1956, mit dem gemäß §3 Abs1 FLG "die Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke von Kleinsöll der Kat. Gemeinde Breitenbach eingeleitet" worden war und mit dem auch festgestellt worden war, daß "die Gesamtheit der Grundbesitzer der einbezogenen Grundstücke die Grundbesitzergemeinschaft der Zusammenlegung Kleinsöll" bildet; gestützt auf §89 Abs1 FLG ist der Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides mit 25. April 1956 kundgemacht worden.
2. Das in der Zeitspanne zwischen Einleitung und Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens abgelaufene Verwaltungsgeschehen ist in dem eine seinerzeitige Beschwerde der nunmehrigen Antragsteller erledigenden Erk. des VfGH vom 17. Juni 1982 B169/77 (VfSlg. 9430/1982 S 465 bis 467) eingehend dargestellt. Im vorliegenden Zusammenhang ist nur festzuhalten,
daß der in dem Erk. erwähnte, in §15 Abs2 FLG für die Durchführung der gemeinsamen wirtschaftlichen Anlagen vorgesehene Wege- und Verbesserungsplan vom Landesagrarsenat - rechtskräftig - mit Erk. vom 22. Mai 1957 gemäß §15 Abs3 FLG überprüft und bestätigt worden ist, daß jedoch die mit diesem Plan gebildete Wegparzelle ...37 ohne Bewilligung der Agrarbehörde von Nachbarn überbaut und der Weg tatsächlich verlegt worden ist, daß auf diesen Umstand infolge eines Übersehens der Agrarbehörde im Zusammenlegungsplan nicht Bedacht genommen und das Wegnetz in der ursprünglichen Form festgelegt worden ist (siehe auch die Darstellung in dem die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens betreffenden Berufungsbescheid des Landesagrarsenates vom 24. März 1977),
sowie daß das zu dem genannten Erk. des VfGH führende Flurbereinigungsverfahren (Einleitungsbescheid des Amtes der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vom 12. Jänner 1977, Abweisung der dagegen von den nunmehrigen Antragstellern erhobenen Berufung durch Berufungsbescheid des Landesagrarsenates vom 24. März 1977) inzwischen - nach der Aufhebung des Berufungsbescheides des Landesagrarsenates vom 24. März 1977 durch den VfGH - dadurch beendet worden ist, daß entsprechend der Rechtsanschauung des VfGH der Landesagrarsenat als Berufungsbehörde mit neuerlichem Berufungsbescheid vom 11. November 1982 den erstinstanzlichen Bescheid vom 12. Jänner 1977 behoben hat.
Wenige Tage vor der Verhandlung des VfGH und dessen Beschlußfassung über das genannte Erk. ist die nun angefochtene V der Agrarbehörde I. Instanz vom 2. Juni 1982 erlassen worden. Am 23. Juni 1982 richteten die nunmehrigen Antragsteller an den Landesagrarsenat eine Aufsichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Landesagrarsenat möge als zuständige Oberbehörde die V aufheben bzw. der Agrarbehörde I. Instanz iS des Art20 B-VG die Weisung erteilen, die V aufzuheben. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben. Nach Zustellung des genannten Erk. des VfGH vom 17. Juni 1982 haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. Oktober 1982 beim Landesagrarsenat neuerlich auf die Verpflichtung zur Aufhebung der V vom 2. Juni 1982 hingewiesen; eine Erledigung in der Sache ist bisher nicht ergangen.
3. Mit ihrem auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag bekämpfen die Antragsteller die V vom 2. Juni 1982 ihrem gesamten Inhalt nicht als gesetzwidrig und beantragen deren Aufhebung.
Die Antragsgegnerin (die Agrarbehörde I. Instanz) habe entgegen den Bestimmungen des §28 TFLG 1978 die dem rechtskräftigen Zusammenlegungsplan entsprechenden Wege Grundparzelle ...47 und ...37 KG Breitenbach nicht errichtet. Vielmehr habe sie rechtswidrig das Flurbereinigungsverfahren eingeleitet. Wenige Tage vor der Verhandlung des VfGH über dieses Verfahren habe sie mit der angefochtenen V das Zusammenlegungsverfahren abgeschlossen und die Zusammenlegungsgemeinschaft aufgelöst. Sie habe sich zu diesem Zeitpunkt sehr wohl im klaren sein müssen, daß eine Aufhebung des Flurbereinigungsverfahrens die Verpflichtung nach sich ziehen würde, gemäß §28 TFLG 1978 die Wege und Grenzen entsprechend dem rechtskräftigen Zusammenlegungsplan auch tatsächlich durchzuführen, zu errichten und zu vollenden. Dies wäre auch tatsächlich in der Natur möglich gewesen. Seien entgegen den Beschränkungen des §6 TFLG 1978 auf Grundstücken Änderungen vorgenommen oder Anlagen errichtet worden, so sei darauf im Verfahren nicht Bedacht zu nehmen. Hinderten sie die Zusammenlegung, so sei die Wiederherstellung zu verfügen. Durch die bekämpfte V habe sich die Antragsgegnerin dieser gesetzlichen Verpflichtung in unzulässiger Weise entzogen und die Ausführung des Zusammenlegungsplanes entgegen §29 TFLG 1978 vereitelt, wonach das Verfahren erst nach Vollzug des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes abzuschließen sei. Die V sei daher gesetzwidrig. Sie vereitele zudem entgegen den Bestimmungen des §87 Abs2 VerfGG die Herstellung jener materiell-rechtlichen Lage, die dem Erk. des VfGH vom 17. Juni 1982 B169/77 entspreche.
Die Gesetzwidrigkeit dieser V verletze unmittelbar subjektive Rechte der Antragsteller. Die Wege, die über Anordnung der Antragsgegnerin zur Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen im Flurbereinigungsverfahren in der Natur geschaffen worden seien, seien trotz Aufhebung des Flurbereinigungsverfahrens bis heute nicht entfernt und jene Wege, die dem rechtskräftigen Zusammenlegungsplan entsprächen, nicht angelegt. Durch die Tatsache, daß die durch das ungesetzliche Flurbereinigungsverfahren geschaffenen Wege nach wie vor existierten, werde das Recht der Antragsteller auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt. Dadurch, daß der Interessentschaftsweg Grundparzelle ...47, an welchem die Antragstellerin Weginteressenten und Miteigentümer seien, bis heute nicht dem rechtskräftigen Zusammenlegungsplan entsprechend errichtet worden sei, werde ebenfalls das Recht der Antragsteller verletzt.
Weiters stehe den Antragstellern als Mitglieder der Zusammenlegungsgemeinschaft und Anrainern auch das Recht zu, daß der Weg Grundparzelle ...37 (öffentliches Gut) entsprechend dem Zusammenlegungsplan errichtet werde. Schließlich sei durch die Errichtung der Hofstelle "H" an der Grundstücksgrenze ohne agrarbehördliche Genehmigung auch das subjektive Recht der Antragsteller auf Abstand baulicher Anlagen von der Grundstücksgrenze verletzt. Diese Rechtsverletzungen träten für die Antragsteller unmittelbar durch die bekämpfte V ein, da die Antragsgegnerin sich durch die bekämpfte V der Möglichkeit begeben habe, die Rechte der Antragsteller durchzusetzen und den rechtlichen Zustand auch in der Natur durchzuführen.
Die bekämpfte V sei für die Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Es sei weder ein Gericht noch eine Verwaltungsbehörde derzeit zur Durchsetzung der Rechtsansprüche der Antragsteller auf tatsächliche Verwirklichung der Ergebnisse des Zusammenlegungsplanes zuständig. Auch die Antragsgegnerin habe sich durch die bekämpfte V den Weg zur Realisierung dieser Rechte der Antragsteller abgeschnitten. Die Rechte der Antragsteller könnten mangels Zulässigkeit des Rechtsweges weder durch ein Gerichtsurteil und infolge der Aufhebung des Zusammenlegungsverfahrens auch nicht durch einen Bescheid der Antragsgegnerin durchgesetzt werden, da die Antragsgegnerin mangels Anhängigkeit eines Zusammenlegungsverfahrens unzuständig geworden sei.
Auch eine Klage der Antragsteller nach Art137 B-VG wäre unzulässig, da die Anordnung der Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen und die Errichtung der gemeinsamen Anlagen entsprechend dem Zusammenlegungsplan einen Hoheitsakt darstelle und allenfalls weitere Hoheitsakte gemäß §6 TFLG 1978 erfordere. Es handle sich bei den Ansprüchen der Antragsteller auch nicht um vermögensrechtliche Ansprüche, für die weder der ordentliche Rechtsweg noch ein Bescheid der Verwaltungsbehörde unzulässig sei. Vielmehr seien die Ansprüche der Antragsteller aufgrund der Bestimmungen des TFLG durch die Antragsgegnerin im Rahmen des Zusammenlegungsverfahrens zu regeln und durchzuführen. Es verhindere lediglich die bekämpfte V die Verwirklichung dieser Rechte durch die Antragsgegnerin, sodaß hiezu die Aufhebung dieser gesetzwidrigen V notwendig sei. Sodann könne die Antragsgegnerin ihren gesetzlichen Verpflichtungen nach §28 TFLG 1978 nachkommen.
Dadurch, daß die bekämpfte V die Ausführung und den Vollzug des Zusammenlegungsplanes iS der §§28 und 29 TFLG 1978 verhindere, sei sie in einer der Gesetzlosigkeit gleichkommenden denkunmöglichen Anwendung der Bestimmungen der §§28 und 29 TFLG 1978 ergangen.
4. Die Tir. Landesregierung und das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde 1. Instanz haben eine Äußerung erstattet, in der sie beantragen, den Antrag auf Aufhebung der V vom 2. Juni 1982 als unzulässig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen und auszusprechen, daß die genannte V nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von V auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre durch die V selbst in einer nach Art und Ausmaß in der V eindeutig bestimmten Weise, nicht nur potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht; dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (VfSlg. 8058/1977 iVm. 8009/1977, 8060/1977, 9277/1981, 9500/1982).
a) Wie der VfGH zu der vor der Flurverfassungsnov. 1967 gegebenen Rechtslage (gemäß der die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens durch Bescheid zu erfolgen hatte) schon im Erk. VfSlg. 1360/1930 ausgeführt hat, stellte sich die rechtskräftige Einleitung des Verfahrens als Eingriff in das Eigentumsrecht dar, da die Rechtskraft eines solchen Einleitungserk. bezüglich der davon erfaßten Grundstücke die zwangsweise Durchführung des weiteren Operationsverfahrens nach sich zog. Zu der seit der Flurverfassungsnov. 1967 gegebenen Rechtslage (gemäß der die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens durch V erfolgt) hat der VfGH - so etwa auch zum Tir. Flurverfassungslandesgesetz - ausgesprochen, daß die Einbeziehung von Grundstücken in das Zusammenlegungsgebiet durch die ein Zusammenlegungsverfahren einleitende V - zufolge der für ein solches Verfahren kennzeichnenden Gliederung in mehrere Verfahrensabschnitte - spätestens mit einem Rechtsmittel gegen den den Besitzstandsausweis betreffenden Bescheid angefochten werden kann und daß dieser für den Rechtsschutz gegen die
V zumutbare Weg die Möglichkeit einer Anfechtung im Wege eines Individualantrages (Art139 Abs1 B-VG) ausschließt; auch soweit in der Einleitungsverordnung für die einbezogenen Grundstücke Eigentumsbeschränkungen vorgeschrieben sind, eröffnet sich durch die Möglichkeit, Ausnahmen zu beantragen, ein zumutbarer Weg, die Gesetzwidrigkeit der Verordnungsregelung geltend zu machen (zB VfSlg. 9500/1982 mit weiteren Judikaturhinweisen). Dieser Rechtsanschauung liegt die Überlegung zugrunde, daß die in der Einleitungsverordnung enthaltenen Regelungen den in den nachfolgenden Verfahrensabschn. durch Bescheid zu treffenden Erledigungen zugrunde liegen und von deren Rechtskraft umfaßt werden, sodaß die Verordnungsregelungen im Wege von Rechtsmitteln gegen solche Bescheide bekämpft werden können.
Mit einer V, die ein Zusammenlegungsverfahren abschließt (§29 TFLG 1978, §34 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951), mit der also die Bestimmungen eines Zusammenlegungsgebietes und der darin liegenden Grundstücke sowie allenfalls damit verbundene zeitliche Einschränkungen des Eigentums (§§2, 3 und 6 TFLG 1978; §10 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951) ihr Ende finden, enden unmittelbar die Zuständigkeiten der Agrarbehörden im Zusammenlegungsverfahren (§71 TFLG 1978; §33 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951), und zwar auch die besonderen Zuständigkeiten (§72 TFLG 1978; §34 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951).
Durch diesen zuständigkeitsverändernden (eine andere behördliche Zuständigkeit begründenden) Inhalt einer ein Zusammenlegungsverfahren abschließenden V wird unmittelbar in die Rechtssphäre der Parteien des Zusammenlegungsverfahrens (und zwar in das Recht darauf, daß die Entscheidung über Fragen der Zusammenlegung von der in diesem Verfahren hiefür zuständigen Behörde getroffen wird) eingegriffen und diese Rechtssphäre im Falle der Rechtswidrigkeit der V verletzt; die Antragsteller erachten sich auch ausdrücklich dadurch beschwert, daß sich die Agrarbehörde durch die V der Zuständigkeit zur Entscheidung über behauptete Rechte der Antragsteller begeben habe.
Ein bei Bestand einer solchen V an die Agrarbehörde gestellter Antrag auf Ausführung des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes, allenfalls auf Ergreifung von Maßnahmen nach §6 TFLG 1978, könnte nur mit der Entscheidung erledigt werden, daß die Agrarbehörde dafür nicht (mehr) zuständig ist. Ein derartiges Verfahren stellt aber keinen zumutbaren Weg dar, die Frage der Rechtswidrigkeit der V vor den VfGH zu bringen.
Die Tir. Landesregierung und das Amt der Tir. Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz vertreten in ihrer im Verfahren erstatteten Äußerung die Meinung, den Antragstellern wäre ein anderer zumutbarer Weg offengestanden, die Frage der Rechtmäßigkeit der V an den VfGH heranzutragen. Sie sehen diesen zumutbaren Weg darin, daß die Antragsteller gegen den Zusammenlegungsplan Berufung hätten erheben können mit der Begründung, der Wege- und Verbesserungsplan wäre nicht vollständig ausgeführt gewesen. Die Antragsteller hätten sich auch dagegen wehren können, daß die Nachbarn den vorgesehenen Weg überhaupt hätten. Diese Meinung beruht aber auf einer irrtümlichen Ausgangsposition: Ein - einen Individualantrag ausschließender - zumutbarer Weg für den Rechtsschutz gegen eine als rechtswidrig erachtete generelle Norm kann nicht in der Möglichkeit von Rechtshandlungen gesehen werden, die vielleicht vor Erlassung dieser generellen Norm hätten gesetzt werden können. Im übrigen ist im vorliegenden Fall auf §6 Abs3 TFLG 1978 hinzuweisen, wonach auf Anlagen, die entgegen den vorgeschriebenen Eigentumsbeschränkungen, also ohne Bewilligung der Agrarbehörde, errichtet worden sind, im Zusammenlegungsverfahren nicht Bedacht zu nehmen ist, und, falls solche Anlagen die Zusammenlegung hindern, die Wiederherstellung des früheren Zustandes zu verfügen ist.
b) Mit einer V, die eine Zusammenlegungsgemeinschaft aus den Eigentümern der der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücke auflöst (§7 TFLG 1978; §8 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951), enden unmittelbar die Befugnisse und Zuständigkeiten der Gemeinschaft und die Zugehörigkeit der Grundeigentümer hiezu.
c) Im Sinne der Beschlüsse VfSlg. 8058/1977 iVm. 8009/1977 besteht zur Geltendmachung etwaiger Rechtswidrigkeiten von V über den Abschluß eines Zusammenlegungsverfahrens und über die Auflösung von Zusammenlegungsgemeinschaften kein anderer zumutbarer Weg als ein Individualantrag nach Art139 Abs1 B-VG.
Der vorliegende Individualantrag ist somit zulässig.
2. Für die Entscheidung des vorliegenden Antrages, der ein Zusammenlegungsverfahren betrifft, welches vor der Flurverfassungsnov. 1967, BGBl. 78/1967, begonnen und nach der durch diese Nov. geschaffenen Rechtslage fortgeführt worden ist, stellt sich die Frage, nach welchen Regeln die Verfahrensüberleiteung von der einen in die andere Rechtslage vorgenommen worden ist.
Das Flurverfassungs-Landesgesetz LGBl. 32/1952 (im folgenden FLG 1952) ist mit dem Landesgesetz LGBl. 33/1969 (im folgenden Nov. 1969) an die durch die Flurverfassungsnov. 1967, BGBl. 78/1967, geänderten und ergänzten Grundsätze des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 angepaßt worden, ohne daß der Landesgesetzgeber ausdrücklich eine Überleitung für die schon anhängigen Zusammenlegungsverfahren vorgesehen hat. Aus der neugefaßten (sich in der Stammfassung auf Umlegungsverfahren nach deutschem Recht beziehenden) Übergangsbestimmung des §113 Abs2 FLG 1952, wonach die aufgrund der bisher geltenden Vorschriften bei der Agrarbehörde anhängigen Verfahren zur Regulierung von Teilwäldern nach diesen - bisher geltenden - Vorschriften weiterzuführen und abzuschließen sind, ist jedoch zu ersehen, daß der Nov. 1969 für die anhängigen Zusammenlegungsverfahren der Inhalt zukommt, diese seien nach der neuen Vorschrift weiterzuführen und abzuschließen.
Daraus folgt, daß die aufgrund des FLG 1952 (dessen §4) mit Bescheid eingeleiteten Zusammenlegungsverfahren nunmehr gemäß dem in diesem Punkt der Nov. 1969 entsprechenden TFLG 1978 (der seither zweiten Wiederverlautbarung) mit V abzuschließen ist (dessen §29). Dagegen bestehen keine Bedenken, denn bezüglich des jeweils umschriebenen Zusammenlegungsgebietes läßt sich der Verfahrensablauf nach dem FLG 1952 zwangslos in den Verfahrensablauf nach dem TFLG 1978 überleiten.
Es folgt daraus weiters, daß die aufgrund des FLG 1952 gebildeten Grundbesitzergemeinschaften (dessen §8), deren Name und Sitz im Einleitungsbescheid festzustellen gewesen sind (dessen §4), in rechtliche Beziehung zu den nach der Novelle 1969 (nunmehr §7 TFLG 1978) mit V zu begründenden und aufzulösenden Zusammenlegungsgemeinschaften zu stellen sind. Dies wirft verschiedene Fragen auf. Beide als Körperschaften des öffentlichen Rechtes eingerichteten Gemeinschaften unterscheiden sich nämlich bezüglich des von ihnen erfaßten Personenkreises: während die Grundbesitzergemeinschaft nach dem FLG 1952 die Eigentümer aller innerhalb der Grenzen des Zusammenlegungsgebietes liegenden (einbezogenen) Grundstücke umfaßt (dessen §§8, 7, und 2), wird die Zusammenlegungsgemeinschaft nach dem TFLG 1978 aus den Eigentümern der der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücke gebildet (dessen §7), wobei der Begriff der der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücke enger ist als der Begriff der einbezogenen, das sind die im Zusammenlegungsgebiet liegenden, Grundstücke (dessen §2). Der Unterschied beider Begriffe liegt darin, daß zu den einbezogenen Grundstücken außer den der Zusammenlegung unterzogenen Grundstücken auch die im Zusammenlegungsgebiet liegenden, für die Zusammenlegung in Anspruch genommenen Grundstücke, "das sind nicht land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke, die im Rahmen der Neuordnung nur für Grenzänderungen oder für die Herstellung gemeinsamer Anlagen benötigt werden", gehören (vgl. dazu die Neufassung des §3 des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 durch die Flurverfassungsnov. 1967).
Die Anordnung des Gesetzgebers der Nov. 1969, daß die anhängigen Zusammenlegungsverfahren nach den neuen Vorschriften weiterzuführen und abzuschließen sind, kann nun bedeuten, daß eine Zusammenlegungsgemeinschaft neuen Rechtes - weil sie noch nicht besteht - erst zu begründen ist, damit sie ihre Befugnisse ausüben und ihre Aufgaben erfüllen kann; die Anordnung kann aber auch bedeuten, daß die schon bestehenden Grundbesitzergemeinschaften alten Rechtes als Zusammenlegungsgemeinschaften gelten sollen - da sich diese Gemeinschaften voneinander in der Zusammensetzung ja nur geringfügig unterscheiden. Der VfGH hält diese zweite Auslegung für die vom Gesetzgeber gewollte und hat deshalb keine Bedenken, die für die Auflösung der Zusammenlegungsgemeinschaften nach dem TFLG 1978 geltenden Bestimmungen auch auf bestehende nach dem FLG 1952 gebildete Grundbesitzergemeinschaften anzuwenden. Andernfalls wären die nach dem FLG 1952 eingeleiteten und bei Inkrafttreten der Nov. 1969 noch anhängigen Zusammenlegungsverfahren, wenn nicht die Zusammenlegungsgemeinschaften neu begründet worden wären, mangelhaft gewesen und könnte auch eine Auflösung solcher Zusammenlegungsgemeinschaften nicht vorgenommen werden.
Es ist also nach Ansicht des VfGH davon auszugehen, daß die nach dem FLG 1952 eingeleiteten Zusammenlegungsverfahren nach den Bestimmungen des TFLG 1978 abgeschlossen werden können und daß auch die nach dem FLG 1952 gebildeten Grundbesitzergemeinschaften nach den für Zusammenlegungsgemeinschaften geltenden Bestimmungen des TFLG 1978 aufgelöst werden können.
3. Eine V, die das Zusammenlegungsverfahren abschließt, setzt gemäß §29 TFLG 1978 den "Vollzug des rechtskräftigen Zusammenlegungsplanes" voraus. Dieser Vollzug ist in dem unter der Überschrift "Ausführung des Zusammenlegungsplanes" stehenden §28 dieses Gesetzes (s. auch §12 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951) näher geregelt; darunter fällt zB auch, daß die Agrarbehörde nach Rechtskraft des Zusammenlegungsplanes die Durchführung der gemeinsamen Maßnahmen und die Errichtung der gemeinsamen Anlagen anzuordnen hat, so auch die im Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen gemäß §17 des Gesetzes vorgesehenen Anlagen, "die zur zweckmäßigen Erschließung und Bewirtschaftung der Abfindungsgrundstücke notwendig sind oder sonst den Zweck der Zusammenlegung fördern und einer Mehrheit von Parteien dienen, wie Wege, Brücken" udgl.
Vor Ausführung des Zusammenlegungsplanes iS des §28 TFLG 1978 ist also ein Abschluß des Verfahrens durch die Agrarbehörde iS des §29 TFLG 1978 rechtmäßig nicht möglich. Dies ist im Hinblick darauf sinnvoll, daß nach Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens weder eine allgemeine noch eine besondere - sonst bei anderen Behörden liegende - Zuständigkeit der Agrarbehörden für die den Gegenstand des Verfahrens bildenden und die zum Zwecke der Durchführung der Zusammenlegung notwendigen Maßnahmen mehr gegeben ist (§§71 und 72 sowie auch §7 TFLG 1978; §§33 und 34 Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951). Mit der Regelung der §§28 und 29 TFLG 1978 wird somit gesichert, daß ein einmal eingeleitetes Zusammenlegungsverfahren bis zum Vollzug des Zusammenlegungsplanes von den Agrarbehörden durchgeführt wird, womit auch der Anordnung des Verfassungsgesetzgebers (in Art12 Abs2 B-VG), entsprochen ist, daß für die Vollziehung in Angelegenheiten der Bodenreform eigene Behörden einzurichten sind.
Gegebenenfalls ist vor Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens von der Agrarbehörde auch auf die Bestimmungen des §6 Abs2 und 3 TFLG 1978 zurückzugreifen: Nach Abs2 leidet, solange für eine in Abs1 genannte Maßnahme die erforderliche Bewilligung der Agrarbehörde nicht vorliegt, eine nach anderen landesrechtlichen Vorschriften - etwa baurechtlicher Art - erteilte Bewilligung (Genehmigung, Zustimmung) an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler iS des §68 Abs4 litd AVG 1950. Nach Abs3 ist, wenn Maßnahmen entgegen den Eigentumsbeschränkungen des §6 Abs1, also ohne Bewilligung der Agrarbehörde, getroffen worden sind, darauf im weiteren Zusammenlegungsverfahren nicht Bedacht zu nehmen, und falls solche Maßnahmen die Zusammenlegung hindern, die Wiederherstellung des früheren Zustandes zu verfügen.
Der VfGH hat im vorliegenden Fall keine Aussage darüber zu machen, ob und allenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens gemäß §29 TFLG 1978 rechtlich zulässig ist, wenn die tatsächlichen Verhältnisse in der Natur (noch) nicht mit dem rechtskräftigen Plan der gemeinsamen Maßnahmen und Anlagen (früher Wege- und Verbesserungsplan) in Einklang gebracht sind; in diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß auch nach Abschluß des Zusammenlegungsverfahrens die nach §7 TFLG 1978 zur Durchführung der sich aus der Zusammenlegung ergebenden Maßnahmen zu bildende Zusammenlegungsgemeinschaft noch fortbestehen kann (s. 237 BlgNR XI. GP, S 14). Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch um evidente und wesentliche Abweichungen, die auf ein Versehen der Agrarbehörde bei Erlassung des Zusammenlegungsplanes zurückgehen (s. vorstehenden Pkt. I.2.). Die Agrarbehörden haben auf mehrfachem Wege versucht, ihr Versehen zu beheben; diese Versuche sind - wie das Erk. des VwGH vom 2. Feber 1976 Z 1593/75 und das Erk. des VfGH vom 17. Juni 1982 B169/77 (VfSlg. 9430) erweisen - rechtlich erfolglos geblieben. Damit sind jedoch die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen für die Erlassung einer das Zusammenlegungsverfahren abschließenden, aber auch einer die Zusammenlegungsgemeinschaft auflösenden V nicht erfüllt.
4. Die angefochtene V ist daher gemäß Art139 Abs3 B-VG idF BGBl. 302/1975 und §59 VerfGG 1953 als gesetzwidrig aufzuheben.
Die Verpflichtung der Tir. Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG in der genannten Fassung und §60 VerfGG 1953 idF BGBl. 311/1976.
Schlagworte
Bodenreform, Flurverfassung, Agrarbehörden, Zuständigkeit Agrarbehörden, Behördenzuständigkeit, VfGH / Individualantrag, Rechtsüberleitung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines GesetzesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:V2.1983Dokumentnummer
JFT_10149774_83V00002_00