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L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Sbg. LandespolizeistrafG; bei verfassungskonformer Auslegung keine Bedenken gegen §3 auch unter dem Gesichtspunkt des Art8 MRK Art8 StGG; Verhängung einer Arreststrafe in denkunmöglicher Anwendung des §3 Abs2 litd iVm §3 Abs3 Sbg. LandespolizeistrafG; Verletzung der persönlichen FreiheitSpruch
1. Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid insofern im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, als hiedurch der Punkt c des erstinstanzlichen Straferk. der Bundespolizeidirektion Sbg. vom 30. August 1982 bestätigt wird.
In diesem Umfang wird der bekämpfte Bescheid als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
3. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Bundespolizeidirektion Sbg. hat mit Straferk. vom 30. Augsut 1982 Zl. III/St. 12001/82 die Bf. schuldig erkannt, dadurch Verwaltungsübertretungen nach a) §3 Abs1 des Sbg. Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. 58/1975 idF der Nov. LGBl. 48/1981 (im folgenden kurz; SLPStG), b) §3 Abs2 litc SLPStG und c) §3 Abs2 litd iVm. §3 Abs3 SLPStG begangen zu haben, daß sie "am 10. 5. 1982 um zirka 22.15 Uhr in Salzburg, E-Straße, a) sich an einem öffentlichen Orte in einer Weise verhalten habe (durch das Ansprechen des Zeugen zur Durchführung eines DV), die auf die Anbahnung zur Ausübung der Prostitution abzielt, b) in größeren Wohnbauten eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten für Zwecke der Ausübung oder Anbahnung der erwerbsmäßigen Prostitution genützt oder zur Verfügung gestellt habe, c) die beabsichtigte Nutzung oder Zurverfügungstellung einer Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution nicht angezeigt habe".
Über die Bf. wurden Arreststrafen von insgesamt 16 Tagen (zu a) 10 Tage, zu b) 3 Tage und c) 3 Tage) verhängt.
Die Sbg. Landesregierung wies mit Bescheid vom 29. Dezember 1982 die dagegen von der Bf. erhobene Berufung als unbegründet ab.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Die Sbg. Landesregierung als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Über die Bf. wurden Arreststrafen verhängt. Der angefochtene Bescheid greift daher in das durch Art8 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit ein.
Dieser Eingriff wäre nur dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 7679/1975, 8295/1978, 8866/1980).
2. a) Der angefochtene Bescheid wird in erster Linie auf §3 Abs1 bis 3 SLPStG gestützt.
Diese Bestimmungen lauten:
"Prostitution
§3
(1) Wer sich an öffentlichen Orten in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 30000 S oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei Vorliegen von Erschwerungsgründen können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden. Als öffentliche Orte gelten solche, die nach ihrer Bestimmung allgemein zugänglich sind. Dem Verhalten an öffentlichen Orten ist ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht dort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.
(2) Ebenso begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß Abs1 zu bestrafen:
a) wer die öffentliche Ankündigung der Gelegenheit der Prostitution insbesondere in Druckwerken veranlaßt (Angabe der Adresse, der Telefonnummer, des Treffpunktes oder dgl.);
b) wer die Prostitution betreibt, wenn dem eine unzulässige Ankündigung (lita) vorangeht;
c) wer in größeren Wohnbauten eine Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit für Zwecke der Ausübung oder Anbahnung der erwerbsmäßigen Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder diese Verwendung gestattet oder duldet. Als größere Wohnbauten gelten hiebei solche mit über vier Wohnungen;
d) wer die Anzeige gemäß Abs3 nicht erstattet;
e) wer eine Untersagung gemäß Abs3 oder Abs5 zuwiderhandelt.
(3) Wer beabsichtigt, eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen, hat dies der Gemeinde anzuzeigen. Die künftige oder weitere solche Verwendung ist zu untersagen, wenn hiegegen Bedenken der im Abs4 genannten Art bestehen.
(4) ..."
b) Die Bf. zieht die Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Bestimmungen des §3 SLPStG mit Argumenten in Zweifel, die der VfGH in seiner Judikatur zu ähnlichen die Prostitution regelnden Vorschriften als nicht zutreffend erkannt hat (vgl. zB VfSlg. 8445/1978, 8907/1980, 9252/1981, 9413/1982). Auf diese Beschwerdeausführungen braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.
c) Auf den ersten Blick erscheint allerdings verfassungsrechtlich problematisch, wenn in §3 Abs2 litc und im §3 Abs3 von der "erwerbsmäßigen" Prostitution die Rede ist. Würde dieser Gesetzeswortlaut nicht bloß die gewerbsmäßige Prostitution, sondern ebenso die zwar entgeltliche, aber bloß gelegentliche Hingabe des eigenen Körpers an andere Personen zu deren sexueller Befriedigung erfassen, so würde damit auch Sexualverhalten, das nicht öffentlich in Erscheinung tritt, erfaßt werden; ein solches Verhalten aber zählt zur Privatsphäre des Menschen. Insoweit wäre diese Gesetzesbestimmung durch den Vorbehalt zu Art8 Abs2 MRK nicht gedeckt (vgl. VfSlg. 8272/1978).
Die zitierte Wendung kann aber auch durchaus verfassungskonform ausgelegt werden: So deutet schon der allgemeine Sprachgebrauch des Wortes "Prostitution" darauf hin, daß damit nur die gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers zu sexuellen Befriedigung einer anderen Person gemeint ist und das Wort "erwerbsmäßig" nur zusätzlich beigefügt wurde, ohne am üblichen Sinn des Begriffes "Prostitution" etwas zu ändern; offenbar hat sich der Gesetzgeber in der Wortwahl vergriffen. Vor allem aber ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem die Wendung gebraucht wird, daß hier tatsächlich nur die gewerbsmäßige Tätigkeit gemeint ist: Eine Person, die das Verfügungsrecht über eine Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit speziell zu dem Zweck erwirbt, um darin die Prostitution auszuüben, tut dies in der Regel nur dann, wenn sie sich mit dieser Tätigkeit eine regelmäßige, ständige Einnahmsquelle verschaffen will, nicht aber, wenn sie bloß gelegentlich, wenngleich entgeltlich dieser Tätigkeit nachzugehen beabsichtigt.
Bei diesem Inhalt des §3 SLPStG bestehen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen das Gesetz keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
3. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der bei Erlassung des bekämpften Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften könnte die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit durch den bekämpften Bescheid nur durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung verletzt worden sein. In Ansehung der Punkte a und b des durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Straferk. der Bundespolizeidirektion Sbg. haben sich hiefür keinerlei Anhaltspunkte ergeben.
Die behaupteten Verfahrensmängel berühren nicht die Verfassungssphäre.
Durch die erwähnten Teile des angefochtenen Bescheides ist die Bf. also nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
b) Die Bf. behauptet, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Erwerbsfreiheit und auf Niederlassungsfreiheit verletzt worden zu sein.
Bedenken dagegen, daß die angewendeten Rechtsvorschriften gleichheitswidrig wären, bestehen nicht. Ein willkürliches Verhalten der Behörde ist nicht hervorgekommen. Die Behörde hat die Bf. nicht aus in ihrer Person gelegenen oder anderen unsachlichen Erwägungen benachteiligt. Sie hat auch keine groben Rechtsverletzungen begangen, die Willkür indizieren würden. Die Bf. ist sohin nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
Zur Widerlegung des Vorwurfes, die Behörde habe sie in ihren durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen (zur Erwerbsfreiheit zB VfSlg. 5966/1969, 8492/1979, 9233/1981, 9237/1981; zur Niederlassungsfreiheit zB VfSlg. 7135/1973, 9123/1981).
c) im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften ist die Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden. Die Beschwerde war daher, soweit sie sich gegen den die Punkte a und b des erstinstanzlichen Bescheides bestätigenden Teil des bekämpften Berufungsbescheides wendet, abzuweisen.
4. Anders verhält es sich jedoch mit jenem Teil des bekämpften Berufungsbescheides, der den Punkt c des Straferk. der Bundespolizeidirektion Sbg. bestätigt. Mit diesem Bescheidteil wurde die Bf. schuldig erkannt, eine Verwaltungsübertretung nach §3 Abs2 litd iVm. §3 Abs3 SLPStG dadurch begangen zu haben, daß sie die beabsichtigte Nutzung einer Wohnung für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution nicht angezeigt habe. Mit Punkt b des erstinstanzlichen Straferk. wurde die Bf. schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §3 Abs2 litc SLPStG begangen zu haben, daß sie in größeren Wohnbauten eine Wohnung für Zwecke der Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution genützt habe.
Gemäß §3 Abs2 litc SLPStG ist die Ausübung der Prostitution in größeren Wohnbauten ausnahmslos - unter Strafsanktion - verboten. Eine Anzeige nach §3 Abs3 leg. cit. ist daher nur für Wohnungen oder Räumlichkeiten sinnvoll, die nicht in "größeren Wohnbauten" liegen.
Da die Bf. in einer in einem größeren Wohnbau gelegenen Wohnung die Prostitution ausgeübt hat (die Bf. wurde deshalb auch bestraft), ist es ausgeschlossen, daß sie die Verpflichtung getroffen hätte, diese (gesetzlich absolut verbotene) Tätigkeit der Behörde zu melden.
Die Arreststrafe wurde in dieser Hinsicht also in denkunmöglicher Gesetzesanwendung verhängt; die Bf. wurde dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt (s. oben II.1.).
Der den Punkt c des erstinstanzlichen Straferk. bestätigende Teil des angefochtenen Berufungsbescheides war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.
5. Da beide Parteien teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, waren die Kosten gegeneinander aufzuheben (§43 Abs1 ZPO iVm. §35 Abs1 VerfGG 1953).
Schlagworte
Prostitution, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B120.1983Dokumentnummer
JFT_10149773_83B00120_00