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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.
Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Im Zuge der Auftragsvergabe für das Bauvorhaben zur Sanierung des Bregenzer Festspielhauses, dessen Gesamtauftragswert mit € 26 Millionen im Oberschwellenbereich liegt, schrieb die Landeshauptstadt Bregenz u.a. das Gewerk "Fassadenverkleidung Alu-Platten" aus. Die Nettoauftragssumme dieses Loses lag mit € 150.000,-- im Unterschwellenbereich.
Nachdem die Auftraggeberin die Ausschreibung widerrufen hatte, leitete die Beschwerdeführerin als Bieterin beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (im Folgenden: UVS) ein Nachprüfungsverfahren ein und stellte ferner einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der gemäß §15 des Vorarlberger Landesgesetzes über die Nachprüfung der Vergabe von Aufträgen (Vergabenachprüfungsgesetz), LGBl. Nr. 1/2003 (im Folgenden: VergNPG), abgewiesen wurde.
2. Mit dem angefochtenen Spruchteil des Bescheides wurde der Beschwerdeführerin gemäß §18 VergNPG iVm §1 Abs1 und 2 der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über das Ausmaß der Verwaltungsabgaben und über die Art der Einhebung der Verwaltungsabgaben in Vergabenachprüfungsverfahren (Verwaltungsabgabenverordnung für Vergabenachprüfungsverfahren), LGBl. Nr. 4/2003 (im Folgenden: VerwaltungsabgabenVO), eine Verwaltungsabgabe in Höhe von € 3.726,-- für den Bescheid, in dem über den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung entschieden wurde, auferlegt.
3. In der gegen die Vorschreibung erhobenen, vorliegenden Beschwerde nach Art144 B-VG wird die Verletzung von Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht.
Der UVS hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt, ohne eine inhaltliche Äußerung zu erstatten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit dem am 19. Juni 2006 gefällten Erk. V8/06 hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "Bauaufträge ......... 3.600 Euro" in §1 Abs1 lite VerwaltungsabgabenVO als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig aufgehobene Norm bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Normprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Normprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
3. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 6. September 2005 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des zweiten Spruchpunktes des angefochtenen Bescheides die als gesetzwidrig erkannte Verordnungsbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnungsbestimmung in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf die weiteren vorgebrachten Bedenken der Beschwerdeführerin einzugehen war.
III. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 360,-- sowie eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 180,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B1194.2005Dokumentnummer
JFT_09939075_05B01194_00