TE Vfgh Erkenntnis 1985/2/28 B428/83

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Veröffentlicht am 28.02.1985
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art144 Abs1 / Allg
StGG Art5
Sbg RaumOG 1977 §20, §20 Abs4

Leitsatz

Sbg. RaumordnungsG 1977; Abweisung eines Antrages auf Entschädigung nach §20; durch die in §20 festgelegten Voraussetzungen, unter denen Ansprüche auf Entschädigung für Eigentumsbeschränkungen infolge Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes bestehen, wird der Wesenskern des Eigentumsrechtes nicht berührt; keine unsachliche Einschränkung dieser Ansprüche auf Entschädigung durch die Nov. LGBl. 87/1982 - keine Bedenken gegen §20 idF LGBl. 87/1982; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Kongregation der Schwestern unserer Frau von der Liebe des guten Hirten, Österreichische Provinz, Kloster St. Josef in Sbg. (im folgenden Bf.) ist aufgrund des Kaufvertrages vom 23. September 1892 Eigentümerin der Grundstücke Nr. ...29 Baufläche, ...28 und ...30/1 Garten sowie ...44/5 in EZ, KG Stadt Sbg., Abt. Nonntal.

In der Stammfassung des am 21. September 1965 wirksam gewordenen Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Sbg. wurde für die angeführten Grundstücke die Widmung "Bauland, erweitertes Wohngebiet" nach §14 Abs1 litb des Sbg. Raumordnungsgesetzes 1959 - ROG 1959, LGBl. 110/1959, festgelegt.

Durch die am 16. Jänner 1981 wirksam gewordene 17. Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Sbg. wurde an Stelle der Widmung "Bauland, erweitertes Baugebiet" die Widmung "Verkehrsfläche" nach §13 Abs1 des Sbg. Raumordnungsgesetzes 1977 - ROG 1977, LGBl. 26/1977, festgelegt.

Die Bf. stellte daraufhin am 27. November 1981 den Antrag auf Gewährung einer Entschädigung nach §20 ROG 1977.

Dieser Antrag wurde mit dem Bescheid der Sbg. Landesregierung am 24. Mai 1983 gemäß §20 Abs4 ROG 1977, idF LGBl. 87/1982, als unbegründet abgewiesen.

In der Begründung des Bescheides wird zunächst der Wortlaut des §20 ROG 1959, idF der Nov. LGBl. 87/1982 wiedergegeben und sodann auf den Kaufvertrag vom 23. September 1892 verwiesen. Da in der Stadtgemeinde Sbg. ein Flächenwidmungsplan erst am 21. September 1965 Rechtswirksamkeit erlangt habe, liege es offen auf der Hand, daß der Eigentumserwerb an den Grundstücken, für deren Umwidmung von "Bauland, erweitertes Baugebiet" in "Verkehrsfläche" Entschädigung verlangt werde, unabhängig von den Aussagen des Flächenwidmungsplanes vor sich gegangen sei. Aus diesem Grunde könne bei der Entscheidung über das vorliegende Ansuchen der Bf. die Bestimmung des §20 Abs1 Z2 ROG 1977 keine Anwendung finden.

Einem Ersuchen, unter Vorlage geeigneter Belege darzutun, welche Aufwendungen die Bf. oder auch ein Dritter mit ihrer Zustimmung erbracht habe, um im Vertrauen auf die bauliche Nutzbarkeit der Entschädigungsfläche diese baureif zu machen, sei die Bf. nicht nachgekommen. Die bel. Beh. sei daher zur Überzeugung gekommen, daß der, von der Bf. geltend gemachte Entschädigungsanspruch, sowohl dem Grunde und der Höhe nach nicht zu Recht bestehe.

2. Gegen den Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 24. Mai 1983 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auch durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich der Nov. zum Sbg. Raumordnungsgesetz 1977, LGBl. 87/1982, in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) §20 Abs1, 2 und 4 ROG 1977 idF LGBl. 87/1982 lautet:

"(1) Wenn durch den Flächenwidmungsplan oder dessen Änderung Bauland in Grünland oder Verkehrsfläche umgewidmet und dadurch die Verbauung eines Grundstückes verhindert wird, ist für die dadurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu leisten. Als vermögensrechtliche Nachteile gelten:

1. Aufwendungen des Eigentümers oder Dritter mit seiner Zustimmung, die im Vertrauen auf die bauliche Nutzbarkeit der Grundfläche für deren Baureifmachung erbracht worden sind;

2. jener Teil des Wertes der Grundfläche, der bei ihrem Erwerb wegen ihrer Widmung als Bauland gegeben war, soweit er in der Gegenleistung (Kaufpreis, Tauschgrundfläche, Erbverzicht udgl.) seinen Niederschlag gefunden hat. Hiebei ist der jeweils letzte Erwerb maßgebend, bei dem eine Gegenleistung erbracht wurde. Aufwendungen für die Baureifmachung sowie Erwerbsvorgänge nach der Kundmachung gemäß §16 Abs3 bleiben bei der Feststellung vermögensrechtlicher Nachteile außer Betracht.

(2) Die Höhe des Aufwandes bzw. der Gegenleistung ist durch den Antragsteller nachzuweisen. Für die Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist der sich nach Abs1 ergebende seinerzeitige Aufwand bzw. Teil der Gegenleistung unter Zugrundelegung des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt letztverlautbarten Verbraucherpreisindexes aufzuwerten. Für Zeiten vor dem Jahre 1967 ist hiebei vom Verbraucherpreisindex I auszugehen.

...

(4) Die Entschädigungssumme ist von der Landesregierung nach Anhörung beeideter Sachverständiger durch Bescheid festzusetzen. Jeder der beiden Teile kann, wenn er sich durch die Entscheidung über die Festsetzung der Entschädigungssumme benachteiligt hält, innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Bescheides die Festsetzung des Betrages der Entschädigung bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich das Grundstück befindet. Wenn die gerichtliche Entscheidung angerufen wird, tritt der Bescheid der Landesregierung hinsichtlich der Höhe der zu leistenden Entschädigung mit dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichtes außer Kraft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Antraggegners zurückgezogen werden."

b) ArtIII der Nov. LGBl. 87/1982 lautet:

"(1) Dieses Gesetz tritt mit dem seiner Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

(2) Entschädigungsverfahren nach §20 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 oder §3 Abs8 des Bebauungsgrundlagengesetzes, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits durch Bescheid entschieden worden ist, sind, was allfällige Verfahren zur Festsetzung des Betrages der Entschädigung durch Gerichte betrifft, noch nach dem Stand der Rechtsvorschriften durchzuführen, der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides gegolten hat."

2. Inhalt des angefochtenen Bescheides ist der Ausspruch, daß eine Entschädigung dem Grunde nach nicht gebührt. Es handelt sich somit nicht um eine Entscheidung über die Festsetzung einer Entschädigungssumme. Eine Anrufung des Gerichtes iS des §20 Abs4 ROG 1977 kann demnach nicht in Betracht kommen. Die Beschwerde ist, da die Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

3. Die Bf. behauptet, daß die durch die Nov. LGBl. 87/1982 geschaffene Fassung des §20 verfassungswidrig sei. Ihre Behauptung begründet die Bf. damit, daß "nach dieser Novelle nur zwei bestimmte Tatbestände als vermögensrechtliche Nachteile, die eine Entschädigung nach sich ziehen, qualifiziert" seien. "Diese Novelle" sehe "also in weiten Bereichen eine von der Verfassung verpönte entschädigungslose Enteignung vor".

Des weiteren wird vorgebracht, daß die Nov. auch aus dem weiteren Grund verfassungswidrig sei, weil sie gemäß ArtIII Abs2 rückwirkende Kraft entfalte und die Rechtslage, wie sie bei Inkrafttreten des Flächenwidmungsplanes in der die Bf. berührenden Fassung, nämlich zum 16. Jänner 1981, bestanden habe, umstoße.

4. Beim Vorwurf, daß §20 ROG 1977 idF der Nov. LGBl. 87/1982 deshalb verfassungswidrig sei, weil sie "in weiten Bereichen eine verpönte entschädigungslose Enteignung" vorsehe, verkennt die Bf. den Inhalt dieser Bestimmung. Ihr Gegenstand ist die Festlegung von Voraussetzungen, unter denen Ansprüche auf Entschädigung für Eigentumsbeschränkungen, die durch den Flächenwidmungsplan oder dessen Änderung bewirkt werden (zu den Eigentumsbeschränkungen vgl. insbesondere VfSlg. 9911/1983, hinsichtlich der Erlassung von Flächenwidmungsplänen vgl. VfSlg. 10354/1985), bestehen. Wie aus dem erstangeführten Erk. des VfGH hervorgeht, sprach er in seiner bisherigen Judikatur zu Art5 StGG und zu anderen Grundrechten mit Gesetzesvorbehalt aus, daß einfache Gesetze verfassungswidrig sein könnten, wenn sie gegen das Wesen des Grundrechtes verstoßen, wenn sie das Grundrecht in seinem Wesen schmälern, wenn sie den Wesensgehalt eines Grundrechtes aushöhlen, oder wenn sie in ihrer Wirkung einer Aufhebung des Grundrechtes gleichkommen (vgl. auch VfSlg. 9998/1984). Ein den Wesenskern des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums berührender Eingriff kann aus der Bestimmung des §20 ROG 1977 bei dem angeführten Inhalt nicht abgeleitet werden.

Nach der Stammfassung des §20 des ROG 1977 war auf Antrag eine angemessene Entschädigung zu gewähren, wenn durch den Flächenwidmungsplan die Verbauung eines Grundstückes gänzlich verhindert wurde und dadurch eine Wertminderung entstand, die für den Eigentümer eine unbillige Härte darstellte. Eine unbillige Härte lag (nach §20 Abs2) insbesondere vor, wenn bei Wirksamwerden der Flächenwidmung bereits ein Bebauungsplan das Grundstück erfaßt hat oder für dieses bereits eine Bauplatzerklärung oder Baubewilligung erteilt worden war oder sonst erwiesen war, daß der Eigentümer ein zur Verbauung geeignetes Grundstück für Bauzwecke gewidmet hatte.

Es trifft zu, daß durch die Fassung der Nov. LGBl. 87/1982 eine Einschränkung der Ansprüche auf Entschädigung vorgenommen wurde. Es wird aber in der Beschwerde nicht dargetan, daß der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung eine unsachliche Differenzierung zugrunde läge. Beim VfGH hat sich kein Anhaltspunkt für einen Vorwurf der Unsachlichkeit der vom Gesetzgeber getroffenen Regelung ergeben. Gegen diese bestehen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch in anderer Hinsicht sind diesbezügliche Bedenken nicht hervorgekommen.

Die Behauptung der Bf., daß die Nov. LGBl. 87/1982 deswegen verfassungswidrig sei, weil sie "gemäß ArtIII Abs2 rückwirkende Kraft" entfalte, trifft nicht zu. Nach dieser Bestimmung sind Entschädigungsverfahren nach §20 des Sbg. ROG 1977 oder §3 Abs8 des Bebauungsgrundlagengesetzes, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits durch Bescheid entschieden worden ist, was allfällige Verfahren zur Festsetzung des Betrages der Entschädigung durch Gerichte betrifft, noch nach dem Stande der Rechtsvorschriften durchzuführen, der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides gegeben war.

Dem ArtIII Abs2 der Nov. kommt demnach nur hinsichtlich der vor den Gerichten durchzuführenden Verfahren zur Festsetzung des Betrages der Entschädigung Bedeutung zu. Ab dem Inkrafttreten des Gesetzes (ArtIII Abs1) ist über Anträge auf Gewährung einer Entschädigung, gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf eine solche entstanden ist, nach den Bestimmungen des §20 idF der Nov. LGBl. 87/1982 zu entscheiden. Der Umstand, daß nach der Regelung der Nov. ein Anspruch auf Entschädigung in Fällen nicht mehr besteht, in denen ein solcher nach den bisher geltenden Bestimmungen bestanden hätte, macht die Regelung der Nov., da sie für sich gesehen nach den vorhergehenden Ausführungen verfassungsrechtlich unbedenklich ist, nicht verfassungswidrig.

Der VfGH sieht sich daher nicht veranlaßt, iS der in der Beschwerde gegebenen Anregung von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Nov. LGBl. 87/1982 einzuleiten.

5. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die von der Bf. behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes nur vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 8866/1980, 9047/1981).

In der Beschwerde wird ausgeführt, daß die Rechtsansicht der bel. Beh. wonach der Bf. nach §20 Abs1 Z1 und Z2 ein Anspruch auf Entschädigung nicht zustehe, "unrichtig" sei. Damit wird aber die einfache Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet. Der VfGH findet keinen Anhaltspunkt zur Begründung eines Vorwurfes, daß von der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Gesetz denkunmöglich angewendet worden wäre.

Ob das Gesetz richtig angewendet wurde, insbesondere, ob das Grundstück schon beim Erwerb als "Bauland" anzusehen war und ob durch die Planerlassung die Bebauung des Grundstückes verhindert wurde, wird der VwGH zu prüfen haben.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt nicht vor.

6. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Entschädigung, VfGH / Zuständigkeit, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B428.1983

Dokumentnummer

JFT_10149772_83B00428_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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