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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art10 Abs1 Z6Beachte
Kundmachung am 7. März 1985, LGBl. für Tir. 44/1985Leitsatz
Gesetz vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für Tir. Nr. 41, von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen; das Gesetz ist insgesamt dem Zivilrechtswesen zuzurechnenSpruch
Das Gesetz vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für Tir. Nr. 41, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 28. Feber 1986 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Der Landeshauptmann von Tir. ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im LGBl. verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Der VwGH beantragt gemäß Art140 Abs1, 135 Abs3 und 89 Abs2 B-VG die Aufhebung des §3 Abs1 und 2 und des §2 des Gesetzes vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für das Land Tir. Nr. 41, als verfassungswidrig.
b) Das Gesetz über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen hat fünf Paragraphen. §1 enthält die Verpflichtung, entlang den angrenzenden fremden Grundstücken - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - einen vier Meter breiten Streifen von Forstpflanzen freizuhalten. §2 erklärt davon abweichende schriftliche Vereinbarungen für zulässig. Nach §3 hat die Gemeinde - im eigenen Wirkungsbereich - den betreffenden Grundeigentümer auf Antrag des Eigentümers des angrenzenden Grundstückes mit Bescheid zur Freihaltung des vier Meter breiten Streifens zu verpflichten (s. hiezu im einzelnen den unten im Antragsvorbringen des VwGH wiedergegebenen Wortlaut dieser Bestimmung). §4 enthält eine Strafbestimmung gegen denjenigen, der entgegen der Vorschrift des §1 Abs1 oder entgegen einer Vereinbarung nach §2 Forstpflanzen anpflanzt oder einer gemäß §3 ausgesprochenen Verpflichtung nicht nachkommt. §5 betrifft den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.
c) Der Antrag wird wie folgt begründet:
"I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 29. Oktober 1982, Zl. St.S. 63/1982, wurde der auf §3 des Gesetzes vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für das Land Tirol Nr. 41, gestützte Antrag des Dr. W K, Eigentümer des Grundstückes .../6 KG Hötting, die Eigentümer der Grundstücke .../7 und .../8 KG Hötting, Dr. K und B K, zu verpflichten, von ihnen an der östlichen Grenze des Grundstückes .../8 angepflanzte Bäume, und zwar Pappeln, Birken, Erlen ua., innerhalb angemessener Frist im Sinne des Gesetzes LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 zu entfernen, gemäß §1 Abs1 leg. cit. abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob Dr. W K die beim VwGH unter der Z 82/07/0245 protokollierte Beschwerde, in der er geltend machte, in seinen Rechten aus §3 des Gesetzes LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 dadurch verletzt worden zu sein, daß die belangte Behörde entgegen seinem Antrag Dr. K und B K als die Eigentümer des Grundstückes, auf dem entgegen den Bestimmungen des zitierten Gesetzes angepflanzt wurde, nicht verpflichtet habe, die auf dem freizuhaltenden Streifen angepflanzten Forstpflanzen innerhalb einer angemessenen, drei Monate nicht übersteigenden Frist zu entfernen. Er begründete diese von ihm behauptete Rechtsverletzung ua. damit, daß nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes Forstplanzen - daß es sich um solche handle, sei vom 'Antragsgegner' nicht bestritten worden - in einem Streifen von vier Meter Breite zum fremden Grundstück nicht geduldet und zu entfernen seien, wenn innerhalb der fünfjährigen Frist durch den Eigentümer des Nachbargrundstückes ein entsprechender Antrag gestellt worden sei, es sei denn, es werde durch eine schriftliche Vereinbarung dieser vier Meter breite Streifen geändert. Eine derartige schriftliche Vereinbarung sei aber nicht geschlossen, die Existenz einer solchen auch vom 'Antragsgegner' nicht behauptet worden.
3. Neben §1 Abs1 des Gesetzes vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für das Land Tirol Nr. 41, waren vom Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck - ungeachtet dessen, daß dies weder im Spruch noch in der Begründung des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden ist - bei der Erlassung des bekämpften Bescheides auch die Bestimmungen des §3 Abs1 und 2 und des §2 dieses Gesetzes anzuwenden. Diese Normen sind für den VwGH präjudiziell, da der Gerichtshof seiner Pflicht zur Überprüfung des angefochtenen Bescheides dahin gehend, ob der Beschwerdeführer in jenen subjektiven Rechten verletzt worden ist, deren Verletzung er behauptet, nur dann nachkommen kann, wenn er den Bescheid anhand eben dieser Rechtsnormen überprüft. §3 Abs1 und 2 und §2 des Gesetzes LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 werden somit vom VwGH in der vorliegenden Beschwerdesache anzuwenden sein. Insoweit diese Normen im Beschwerdefall nicht zur Gänze als unmittelbar anzuwendende Vorschriften anzusehen sind, ist der VwGH der Auffassung, daß zwischen den unmittelbar anzuwendenden Teilen und jenen Teilen der vorgenannten Bestimmungen, für welche dies nicht zutrifft (das Zitat 'oder Abs2, und die darauf bezugnehmenden Worte im §3 Abs1; der zweite Tatbestand des §3 Abs2), ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der diese als nicht trennbare Einheit erscheinen läßt mit der Folge, daß die nicht unmittelbar anzuwendenden Normteile - im Fall der unterstellten Aufhebung der als unmittelbar anzuwendend anerkannten Normteile - als Bruchstücke für sich allein keinen Bestand haben können. Der Aufhebungsantrag erstreckt sich demnach auf §3 Abs1 und 2 und §2 in ihrer Gesamtheit.
II.
1. Der VwGH hat gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser landesgesetzlichen Bestimmungen jene Bedenken, die den VfGH in dem dem vorliegenden Fall vergleichbaren Fall des §5 des Gesetzes vom 14. November 1968 über die Mindestpflanzabstände für Kulturpflanzen von fremden Grundstücken, LGBl. für das Land Niederösterreich Nr. 30/1969, veranlaßten, diese Norm nach amtswegiger Prüfung als verfassungswidrig aufzuheben (siehe das Erkenntnis des VfGH vom 15. Dezember 1970, Slg. Nr. 6344).
2. Die vom gegenständlichen Aufhebungsantrag umfaßten Bestimmungen des Gesetzes LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 lauten:
'§3 (1) Wird ein im §1 Abs1 oder Abs2 vorgeschriebener oder nach §2 vereinbarter Streifen entgegen den Bestimmungen des §1 nicht eingehalten, hat die Gemeinde den Eigentümer der Aufforstungsfläche oder des Grundstückes, auf dem Forstpflanzen durch natürlichen Anflug aufgekommen sind, auf Antrag des Eigentümers des angrenzenden Grundstückes mit Bescheid zu verpflichten, die auf dem freizuhaltenden Streifen angepflanzten oder durch Anflug aufgekommenen Forstpflanzen innerhalb einer angemessenen, drei Monate nicht übersteigenden Frist zu entfernen.
(2) Ein Antrag im Sinne des Abs1 ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Zeitpunkt der Anpflanzung fünf Jahre verstrichen sind, oder im Falle des Aufkommens der Forstpflanzen durch natürlichen Anflug Forstpflanzen höher als 50 Zentimeter sind.'
'§2 Von der Vorschrift nach §1 abweichende Vereinbarungen sind zulässig; sie bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.'
3. Die Beantwortung der Frage, welcher Kompetenzbestimmung des B-VG eine bestimmte Angelegenheit zu subsumieren ist, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH grundsätzlich nach dem Inhalt des betreffenden Gesetzes; nur in jenen Fällen, in denen ein Kompetenztatbestand auf den Zweck abstellt, ist der mit der Regelung verfolgte Zweck von Bedeutung.
§3 Abs1 des Gesetzes LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 enthält als einzige Sanktion für die Nichteinhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Streifens (Grenzabstandes) die behördliche, mit Bescheid auszusprechende Verpflichtung des Eigentümers der Aufforstungsfläche, die auf dem freizuhaltenden Streifen angepflanzten Forstpflanzen zu entfernen. Einen solchen Entfernungsauftrag kann die Behörde allerdings nicht von Amts wegen erteilen, vielmehr bedarf es hiezu eines Antrages des Eigentümers des betroffenen Grundstückes. Dem Antragsrecht des betroffenen Grundeigentümers sind jedoch insofern Grenzen gesetzt (§3 Abs2), als er einerseits einen Antrag (auf Einhaltung des gesetzlichen Grenzabstandes) nur innerhalb einer bestimmten Frist einzubringen befugt ist, andererseits ein Antrag (auf Einhaltung des gesetzlichen Grenzabstandes) ausgeschlossen ist, wenn eine auf §2 gegründete - an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundene - (schriftliche) Vereinbarung über einen Grenzabstand, der von dem gesetzlich vorgeschriebenen (§1 Abs1) abweicht, vorliegt. Es ist demnach in zweifacher Hinsicht dispositives Recht gegeben: Die Bindung an den gesetzlich festgelegten Grenzabstand wird zum einen durch das in das Belieben des betroffenen Grundeigentümers gestellte Verstreichenlassen der Antragsfrist, zum anderen durch eine Vereinbarung, deren Zustandekommen und Inhalt zur Gänze der Disposition der Parteien unterliegt, ausgeschlossen. Der Inhalt dieser Regelung besteht somit in der Abgrenzung des Interesses einzelner Personen; öffentliche Interessen sind nicht Gegenstand der in Rede stehenden Normen (siehe des näheren das bereits zitierte Erkenntnis des VfGH vom 15. Dezember 1970, Slg. Nr. 6344).
Dem VwGH scheint es, daß eine Regelung, wie sie §3 Abs1 und 2 und §2 des Gesetzes vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung von Nichtwaldflächen, LGBl. für das Land Tirol Nr. 41, enthalten, nach dem Stand der einfachgesetzlichen Rechtslage im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Kompetenzbegriffes 'Zivilrechtswesen' als Angelegenheit des Zivilrechtes anzusehen ist. Diese Subsumtion unterstellt, ist es rechtlich unerheblich, welcher Zweck mit dieser Regelung - nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage sollte damit bei der Aufforstung bisher landwirtschaftlich genützter Flächen immer wieder auftretenden 'unerquicklichen Grenzstreitigkeiten zwischen den beteiligten Grenznachbarn' begegnet werden - verfolgt wurde, da der Kompetenztatbestand, 'Zivilrechtswesen' nicht auf den 'Zweck' der Regelung als Abgrenzungsmerkmal verweist.
4. An dieser Wertung der in Rede stehenden Regelung als einer zivilrechtlichen vermag nach Ansicht des VwGH das der Strafbestimmung des §4 lita des zitierten Gesetzes innewohnende öffentlich-rechtliche Element nichts zu ändern, da andernfalls jede unter Außerachtlassung des Art10 Abs1 Z6 B-VG getroffene landesgesetzliche Regelung zivilrechtlichen Inhaltes diesen Charakter allein schon durch Anfügung einer Strafnorm wieder verlieren müßte. Dies aber würde bedeuten, daß der Landesgesetzgeber durch den Einbau einer Strafbestimmung in ein ansonsten ausschließlich zivilrechtliches Regelungsgefüge die verfassungsgesetzlich grundgelegte Kompetenzordnung in einem wesentlichen Teilbereich unterlaufen könnte. Dem VwGH scheint eine derartige 'Regelungstechnik' durch die Verfassung nicht gedeckt zu sein.
5. Auch das in einem Verfahren gemäß Art138 Abs2 B-VG ergangene Erkenntnis des VfGH vom 9. Oktober 1972, Slg. Nr. 6862 (Kundmachung BGBl. Nr. 59/1973) führt nach Auffassung des VwGH zu keinem anderen Ergebnis, da sich der damals den Gegenstand des Kompetenzfeststellungsverfahrens bildende Entwurf eines NÖ Landesgesetzes über die Mindestpflanzabstände von fremden Grundstücken wesentlich von der hier angefochtenen Regelung unterscheidet.
Der dem VfGH zur Beurteilung vorgelegene nö. Gesetzesentwurf (mit dem das in der Folge beschlossenen und auch noch derzeit in Kraft stehende Gesetz vom 5. April 1973, LGBl. für das Land Niederösterreich 6140-0, übereinstimmt) enthält eine Regelung dahin gehend, daß die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat, um den geschaffenen Zustand so weit zu ändern, daß er den 'Bestimmungen dieses Gesetzes' entspricht, es also für das behördliche Tätigwerden keines Antrages eines Anrainers bedarf, weiters das behördliche Vorgehen auch nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen werden kann, und schließlich das Zuwiderhandeln gegen 'die Vorschriften dieses Gesetzes' für strafbar erklärt wird. Aus dem Zusammenhalt dieser Regelung folgerte der VfGH, 'daß es sich bei der im vorgelegten Entwurf enthaltenen Regelung nicht nur um die Abgrenzung des Interesses einzelner Personen handelt, sondern daß öffentliche Interessen im Vordergrund stehen', weshalb eine Zuordnung zum Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' auszuschließen sei. Im kundgemachten Rechtssatz kommt zudem zweifelsfrei zum Ausdruck, daß dem Kriterium des amtswegigen Einschreitens der Behörde, somit des Unabhängigseins von der Initiative eines Privaten, vorrangige Bedeutung für die kompetenzrechtliche Zuordnung beigemessen wurde:
'Die gesetzliche Regelung amtswegiger behördlicher Maßnahmen betreffend einen Mindestabstand, der bei nichtforstlichen Neupflanzungen gegenüber landwirtschaftlichen Grundstücken einzuhalten ist, fällt gemäß Art15 Abs1 B-VG in die Zuständigkeit der Länder ...' Schließlich manifestierte sich der öffentlich-rechtliche Charakter der Entwurfsregelung darin, daß - so der VfGH - 'das durch den Entwurf geschützte Objekt die Landwirtschaft schlechthin (sei)'.
Demgegenüber fehlen in dem Gesetz LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 - abgesehen von der Strafbestimmung des §4 lita - sämtliche im vorgenannten nö. Gesetzentwurf enthaltenen und vom VfGH für die Nichtunterstellung seines Inhaltes unter dem Kompetenztatbestand 'Zivilrechtswesen' als wesentliche angesehenen Regelungskomponenten. Darüber hinaus läßt sich dem Gesetz - auch außerhalb der angefochtenen Bestimmungen - (im übrigen auch den Materialien hiezu) nicht der geringste Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß es den Schutz von (der dargestellten niederösterreichischen Regelung vergleichbaren) öffentlich-rechtlichen Interessen zum Gegenstand hat. Ausschließliches Schutzobjekt der von der Anfechtung umfaßten Bestimmungen sind vielmehr die privaten (nachbarrechtlichen) Interessen der jeweils betroffenen Grundeigentümer.
6. Da das 'Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluß von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlichen Beschränkungen unterwerfen' gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG in der Fassung des ArtI des BVG BGBl. Nr. 27/1969 Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung ist, scheint dem Landesgesetzgeber die Zuständigkeit gefehlt zu haben, eine Regelung, wie sie im §3 Abs1 und 2 und §2 des Gesetzes LGBl. für das Land Tirol Nr. 41/1969 enthalten ist, zu treffen.
7. Der VwGH stellt deshalb, gestützt auf die Art140 Abs1, 135 Abs4, 89 Abs2 zweiter Satz B-VG und auf §62 VerfGG 1953 den Antrag, die im Begehren genannten Gesetzesstellen als verfassungswidrig aufzuheben, wobei das Schwergewicht der Bedenken des VwGH - ungeachtet des Umstandes, daß seiner Ansicht nach alle vom Aufhebungsantrag umfaßten Bestimmungen präjudiziell sind - auf §3 Abs1 und 2 lastet."
2. Die Tir. Landesregierung hat in ihrer Äußerung die Zurückweisung des Antrages hinsichtlich des §3 Abs1, soweit er den Tatbestand des Aufkommens von Forstpflanzen durch natürlichen Anflug betrifft, des Abs2 sowie des §2 des genannten Gesetzes mangels Präjudizialität dieser Bestimmung begehrt. Hinsichtlich des §3 Abs1, soweit er den Tatbestand der Aufforstung von Grundstücken betrifft, beantragt die Landesregierung die Abweisung des Begehrens des VwGH. In eventu stellt die Landesregierung den Antrag, gemäß Art140 Abs5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, damit rechtzeitig Vorsorge für eine Neuregelung getroffen werden könne.
III. Der VfGH hat erwogen:
1. Es ist nichts hervorgekommen, was gegen die Annahme des VwGH spräche, er habe im Anlaßbeschwerdeverfahren Bestimmungen des Gesetzes LGBl. 41/1969 anzuwenden. Ob alle angefochtenen Gesetzesstellen präjudiziell sind, ist im Hinblick auf das Ergebnis (s. den folgenden Punkt 4.) nicht zu prüfen.
Der Antrag ist zulässig.
2. Die Tir. Landesregierung hält den Bedenken des VwGH im wesentlichen entgegen, das Gesetz LGBl. 41/1969 unterscheide sich zwar in einigen Punkten von jenem Gesetzesentwurf, der dem vom VwGH herangezogenen Kompetenzfeststellungserk. VfSlg. 6862/1972 zugrunde gelegen ist. So habe dieser Gesetzesentwurf nicht die Ermächtigung enthalten, durch Vereinbarung zwischen den betreffenden Grundeigentümern geringere als die gesetzlich festgesetzten Abstände festzulegen. Weiters sei in jenem Gesetzesentwurf vorgesehen gewesen, daß ein Auftrag zur Beseitigung vorschriftswidriger Anpflanzungen nur von Amts wegen hätte erlassen werden können, während nach §3 Abs1 des vorliegenden Gesetzes ein solcher Beseitigungsauftrag nur auf Antrag des Eigentümers des angrenzenden Grundstückes ergehen könne. Entgegen der Ansicht des VwGH komme es jedoch bei der Beurteilung der Frage, ob das angefochtene Gesetz den Schutz öffentlich-rechtlicher Interessen zum Gegenstand hat, nicht darauf an, ob dieses Gesetz auch diese Regelungskomponenten enthält. Nach den Erwägungen im Erk. VfSlg. 6862/1972 reiche sowohl der Umstand, daß die Behörde von Amts wegen vorzugehen hat und das behördliche Vorgehen auch nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen werden kann, als auch der Umstand, daß das Zuwiderhandeln gegen die Vorschriften des Gesetzes strafbar ist, für eine Zurechnung der Regelung zum öffentlichen Recht aus. Diese beiden Regelungskomponenten müßten also nicht kumulativ verwirklicht sein.
Weiters führt die Landesregierung aus, im Hinblick auf die dem vorliegenden Gesetz zugrunde liegende Absicht des Gesetzgebers und die Bedeutung des Gesetzes in der Praxis andererseits sei der wesentliche Inhalt dieses Gesetzes darin zu sehen, daß für die Aufforstung von Nichtwaldflächen ein gesetzlicher Grenzabstand festgelegt und die Nichteinhaltung dieses Grenzabstandes mit Strafe bedroht wird. Diese grundlegende Regelung sei für die Beurteilung dieses Gesetzes als eine dem öffentlichen Recht zuzurechnende Norm ausschlaggebend. Die ausschließliche Festlegung eines einheitlichen Grenzabstandes bei der Aufforstung von Nichtwaldflächen durch Gesetz würde jedoch den Erfordernissen der Praxis nicht gerecht werden. In besonderen Einzelfällen könne nämlich sogar ein Interesse des Anrainers an einer Aufforstung bis zur Grundstücksgrenze bestehen. Dieser Interessenlage würde jedoch die zwingende Verpflichtung zur Einhaltung des gesetzlich festgelegten Grenzabstandes nicht gerecht werden. Der Gesetzgeber habe daher im §2 die Ermächtigung vorgesehen, daß die betreffenden Grundeigentümer im Einzelfall durch schriftliche Vereinbarung eine vom §1 abweichende Regelung treffen könnten.
Die Bestimmung des §3 Abs1 und 2 sei (nur) als eine Nebenregelung zur grundlegenden Vorschrift anzusehen, daß bei der Aufforstung von Nichtwaldflächen ein gewisser Grenzabstand einzuhalten ist und die Nichtbeachtung dieser Norm eine Verwaltungsübertretung darstellt. Der Einschränkung, daß ein behördlicher Beseitigungsauftrag nur auf Antrag des Anrainers und überdies nur dann zulässig ist, wenn seit der Anpflanzung nicht mehr als fünf Jahre verstrichen sind, komme praktisch dieselbe Bedeutung zu wie der Ermächtigung nach §2.
Das hier in Rede stehende Gesetz enthalte neben der grundlegenden Vorschrift, daß bei der Aufforstung von Nichtwaldflächen ein gewisser Grenzabstand einzuhalten ist und die Nichtbeachtung dieser Vorschrift eine Verwaltungsübertretung darstellt, zwei Bestimmungen, die dispositives Recht enthalten (§2 und §3, soweit er einen entsprechenden Antrag des Anrainers innerhalb der festgesetzten Frist als Voraussetzung für einen behördlichen Beseitigungsauftrag festlegt). Eine isolierte Betrachtung dieser Bestimmungen, wie sie der VwGH vornehme, verkenne jedoch den Zusammenhang, in dem diese Bestimmungen mit der grundlegenden Vorschrift dieses Gesetzes stünden. Nur das Gesetz in seiner Gesamtheit könne als Grundlage für seine kompetenzrechtliche Bedeutung herangezogen werden.
3. a) Der VfGH hat mit dem Erk. VfSlg. 6344/1970 - ergangen vor Inkrafttreten der dem VfGH im zweiten Satz des Art140 Abs3 B-VG durch die Nov. BGBl. 302/1975 eingeräumten Befugnis - den §5 des nö. Gesetzes über Mindestpflanzbestände für Kulturpflanzen von fremden Grundstücken, LGBl. 30/1969, als kompetenzwidrig aufgehoben. Dieses Gesetz wies eine den §§1 bis 3 des hier in Rede stehenden Tir. Gesetzes entsprechende Regelung auf, enthielt allerdings keine Strafbestimmung. Der VfGH führte in dem genannten Erk. aus, nach dem (nö.) Gesetz sei ein behördlicher Eingriff von Amts wegen nicht möglich, sondern es sei für die Auslegung des behördlichen Eingriffes allein ein Antrag, also eine Willensentscheidung des betroffenen Anrainers maßgeblich, wobei jedoch der Verwirklichung dieses Willens im Interesse des Nachbarn Schranken gesetzt seien: Einerseits durch eine zeitliche Begrenzung des Antragsrechtes, andererseits dadurch, daß ein Antrag ausgeschlossen ist, wenn ein an keine inhaltlichen Voraussetzungen gebundenes Übereinkommen über Pflanzabstände vorliegt, die die gesetzlichen Mindestpflanzabstände unterschreiten.
Es sei also in mehrfacher Hinsicht dispositives Recht gegeben: Die Bindung an die gesetzlichen Mindestpflanzabstände werde einerseits durch Verstreichenlassen der Antragsfrist, andererseits durch ein Übereinkommen ausgeschaltet, dessen Zustandekommen und Inhalt völlig in das Belieben der Parteien gestellt sei. Der Inhalt dieser Regelung bestehe also in der Abgrenzung des Interesses einzelner Personen; öffentliche Interessen seien nicht Gegenstand der Norm. Durch eine solche Regelung würden iS des §1 ABGB Privatrechte und Pflichten der Einwohner des Staates unter sich bestimmt; es handle sich nicht um eine Einschränkung der Eigentumsausübung zur Erhaltung und Beförderung des allgemeinen Wohles iS des §364 ABGB, also nicht um eine Eigentumsbeschränkung, die durch Verwaltungsvorschriften statuiert werden könne und die aus dem Begriff des Zivilrechtswesens ausgeschieden erscheine (Hinweis auf VfSlg. 2658/1954, 4605/1963 und 5534/1967).
Im Kompetenzfeststellungserk. VfSlg. 6862/1972 (betreffend den Entwurf eines nö. Gesetzes über die Mindestpflanzabstände von fremdem Grund) zog der VfGH aus dem Umstand, daß die Behörde von Amts wegen vorzugehen habe, es also keines Antrages eines Anrainers bedürfe und das behördliche Vorgehen auch nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen werden könne sowie auch daraus, daß das Zuwiderhandeln gegen die Vorschriften des Gesetzes strafbar sei, die Schlußfolgerung, daß es sich bei der im vorgelegten Entwurf enthaltenen Regelung nicht nur um die Abgrenzung des Interesses einzelner Personen handle, sondern daß öffentliche Interessen im Vordergrund stünden. Dies schließe eine Zuordnung zum Kompetenztatbestand Zivilrechtswesen aus.
b) Der VfGH hat mit dieser Rechtsprechung zusammenfassend zum Ausdruck gebracht, daß einerseits die Gestaltung der Einhaltung von Mindestabständen von Pflanzen in einer Weise, die als Regelung des Verhältnisses der Nachbarn unter sich angesehen werden muß, zum Zivilrechtswesen gehört, daß aber andererseits die Normierung der Einhaltung solcher Mindestabstände dann in die Zuständigkeit der Länder fällt, wenn die Norm - unabhängig vom Verhältnis der Nachbarn - das öffentliche Interesse ohne Bezugnahme auf dieses Verhältnis zur Geltung bringt (vgl. dazu auch VfSlg. 9580/1982, S 416).
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß der einzige Unterschied zwischen der hier zu prüfenden und der im Erk. VfSlg. 6344/1970 als kompetenzwidrig erkannten Regelung, nämlich das Vorhandensein einer Strafbestimmung, für die kompetenzrechtliche Zuordnung der Regelung allein nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Eine derartige Konsequenz einer (als solche der geregelten Materie folgenden) Strafsanktion läßt sich auch aus den oben wiedergegebenen Gründen des Erk. VfSlg. 6862/1972 nicht ableiten; dort hat der VfGH die Existenz einer derartigen Strafnorm (nur) als einen mehrerer Gründe für die Zurechnung der Regelung zum öffentlichen Recht angesehen, hat seine Argumentation aber in erster Linie darauf gestützt, daß es in dem zu prüfenden Gesetzesentwurf keines Antrages des Anrainers bedürfe und daß das behördliche Vorgehen auch nicht durch Parteienvereinbarung ausgeschlossen werden könne.
Der VfGH geht - ebenso wie die Tir. Landesregierung - davon aus, daß nur das Gesetz in seiner Gesamtheit als Grundlage für seine kompetenzrechtliche Beurteilung herangezogen werden kann. Gerade bei dieser Betrachtungsweise zeigt sich aber, daß nach dem Gesamtinhalt des Gesetzes LGBl. 41/1969 jede privatrechtliche Vereinbarung der gesetzlichen Regelung vorgeht und ihrerseits das Verhalten der Behörde bestimmt; das Gesetz normiert im wesentlichen Konsequenzen, die durch die auf privaten Interessen beruhenden Dispositionen einzelner Personen bestimmt werden. Die als solche kompetenzrechtlich (noch) nicht zurechenbare Bestimmung des §1 über die Einhaltung eines bestimmten Mindestabstandes (s. VfSlg. 6862/1972, S 925) gewinnt erst Bedeutung durch die diesbezügliche bescheidmäßige Verpflichtung, zu welcher es aber nur aufgrund eines Antrages des Anrainers kommen kann. Selbst das Strafverfahren hängt weitgehend von der privaten Disposition der Nachbarn ab, wenn es den Bestand einer nach §2 geschlossenen Vereinbarung oder einer Verpflichtung nach §3 voraussetzt. Der in §4 ebenfalls vorgesehenen Möglichkeit eines Strafverfahrens auf Initiative der Behörde hat die Tir. Landesregierung in ihrer Äußerung selbst den entsprechenden Stellenwert eingeräumt, wenn sie ausführt, daß es ohne Vorhandensein eines Antrages nach §3 auch zu keinem Verwaltungsstrafverfahren komme, weil ein solches Verfahren in der Regel nur aufgrund einer Anzeige des betreffenden Grundnachbarn eingeleitet werden würde, da Außenstehenden die Grenzverhältnisse nicht bekannt sein dürften.
4. Aus den obigen Erwägungen folgt, daß das Gesetz LGBl. 41/1969 insgesamt dem Zivilrechtswesen zuzurechnen ist.
Da das "Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens, jedoch mit Ausschluß von Regelungen, die den Grundstücksverkehr für Ausländer verwaltungsbehördlicher Beschränkungen unterwerfen" gemäß Art10 Abs1 Z6 B-VG idF BGBl. Nr. 27/1969 Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung ist, war der Landesgesetzgeber nicht zuständig, eine Regelung zu treffen, wie sie im Gesetz vom 22. Juli 1969 über die Einhaltung eines Grenzabstandes bei Aufforstung und Nichtwaldflächen, LGBl. für das Land Tir. Nr. 41/1969, enthalten ist.
Da somit das ganze Gesetz LGBl. 41/1969 von einem nach der Kompetenzverteilung nicht berufenen Gesetzgebungsorgan erlassen wurde, ist es gemäß dem zweiten Satz des Art140 Abs3 B-VG zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben.
Eine Einstellung des Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich - allfälliger - nicht präjudizieller Gesetzesstellen kommt sohin nicht in Betracht (vgl. hiezu VfSlg. 7949/1976 und 7951/1976).
5. Die Aussprüche über die Kundmachung und die Fristsetzung beruhen auf Art140 Abs5 B-VG, der Ausspruch über die Verneinung des neuerlichen Wirksamwerdens früherer gesetzlicher Bestimmungen stützt sich auf den Abs6 des Art140 B-VG.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da die Voraussetzungen des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984 gegeben sind.
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen, Kompetenz Bund - Länder Landwirtschaftsrecht, Kompetenz Bund - Länder, Landwirtschaftsrecht, VfGH / Präjudizialität, VfGH /Sachentscheidung, VfGH / VerwerfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:G83.1983Dokumentnummer
JFT_10149693_83G00083_00