TE Vfgh Beschluss 1985/3/11 V19/83

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Veröffentlicht am 11.03.1985
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Flächenwidmungsplan der Gemeinde Kirchham vom 06.09.79

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung eines Teiles des Flächenwidmungsplanes für die Gemeinde Kirchham vom 6. September 1979; keine Antragslegitimation; zumutbarer Weg über ein Ansuchen um eine Bauplatzbewilligung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Die beiden Antragsteller sind Eigentümer der Liegenschaft EZ ... KG Kogl (OÖ). Sie beantragen gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG die Aufhebung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde Kirchham vom 6. September 1979, insoweit dieser das genannte Grundstück der Bf. betrifft; die Widmung dieses Grundstückes als Grünland sei gesetzwidrig.

Im Antrag wird ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des vorliegenden Individualantrages seien gegeben, weil den Antragstellern kein anderer zumutbarer Weg offen stehe, um die behauptete Gesetzwidrigkeit an den VfGH heranzutragen. Die Antragsteller hätten zwar die theoretische Möglichkeit, gemäß §3 der Oö. Bauordnung bei der bel. Beh. ein Ansuchen um Bauplatzbewilligung für die Liegenschaft einzubringen. Im Hinblick auf die Größe der Liegenschaft von über 6000 Quadratmeter müßte jedoch für ein derartiges Ansuchen der Teilungsplan eines Zivilgeometers beigebracht werden, in welchem die Liegenschaft in entsprechend große Bauplätze unterteilt werde. Die Erstellung eines derartigen Teilungsplanes und die Durchführung eines formellen Bauplatzbewilligungsverfahrens wäre mit hohen Kosten verbunden, wobei schon von vornherein feststehen würde, daß ein derartiges Ansuchen wegen Widerspruches gegen den rechtskräftigen Flächenwidmungsplan abgewiesen werden müßte.

Nachdem der VfGH es den Antragstellern mit Note vom 7. November 1983 freigestellt hat, dazu Stellung zu nehmen, aus welchen Gründen nach Auffassung der Antragsteller die Liegenschaft im Falle eines Ansuchens um Bauplatzbewilligung in "entsprechend große Bauplätze" unterteilt werden müßte, haben die Antragsteller hiezu wie folgt Stellung genommen:

Die Liegenschaft EZ ... KG Kogl bestehe aus einem Grundstück im Ausmaß von 6227 Quadratmeter. Gemäß §4 Abs4 der Oö. Bauordnung dürfe ein Bauplatz in der Regel nicht kleiner als 500 Quadratmeter sein. In der Praxis liege die Größe eines Bauplatzes meist zwischen 500 und 1000 Quadratmeter. Aus der Liegenschaft der Antragsteller könnten daher je nach Größe zwischen 6 und 12 Bauplätze geschaffen werden. Da aber gemäß §4 Abs7 Oö. Bauordnung mehrerer Bauplätze auf einem Grundstück nicht zulässig seien, wäre es für die Antragsteller notwendig, zuerst durch einen Zivilgeometer einen Teilungsplan anfertigen zu lassen, sodaß für jedes der dann neu entstandenen Grundstücke eine Bauplatzgenehmigung beantragt werden könnte. Die Erstellung eines derartigen Teilungsplanes wäre mit Kosten von mindestens 50000 S verbunden. Dazu komme, daß den Antragstellern im Verwaltungsverfahren über das Ansuchen um Bauplatzbewilligung bei Ausschöpfung des Instanzenzuges Kosten von insgesamt 42254,78 S (laut Tarif) für die rechtsfreundliche Vertretung entstehen würden, was für die Antragsteller ebenfalls nicht zumutbar sei.

2. Voraussetzung der Legitimation zur Stellung eines Antrages gemäß Art139 B-VG ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene V im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit in seinen Rechten verletzt worden zu sein, andererseits aber auch, daß die V für den Antragsteller tatsächlich ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Legitimation ist, daß die V in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die V selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die rechtlich geschützten Interessen des Antragstellers nicht nur potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 9084/1981).

3. Es trifft zwar zu, daß die angefochtene V, soweit sie das Grundstück der Antragsteller betrifft, in die Rechtssphäre der Antragsteller unmittelbar eingreift (vgl. die ständige Rechtsprechung des VfGH zur unmittelbaren Anfechtbarkeit von Flächenwidmungsplänen durch den Grundeigentümer, zB VfSlg. 8463/1978 und 8697/1979).

Im vorliegenden Fall steht den Antragstellern aber entgegen ihrer Behauptung ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der V zur Verfügung:

Nach §2 Abs1 der Oö. Bauordnung, LGBl. 35/1976, darf nämlich der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden nur auf Grundflächen bewilligt werden, für die eine Bauplatzbewilligung nach Maßgabe der Bestimmungen der §§3 bis 5 vorliegt oder gleichzeitig mit der Baubewilligung erteilt wird. Ein Ansuchen um eine solche Bauplatzbewilligung hat zwar gemäß §3 Oö. Bauordnung verschiedene Angaben und Beilagen zu enthalten. Planunterlagen und ausführliche Beschreibungen sind jedoch hiefür nicht erforderlich (vgl. VfSlg. 9135/1981). Anläßlich einer solchen Bauplatzbewilligung hätte die Behörde auch zu prüfen, ob dieser Bewilligung ein Flächenwidmungsplan entgegensteht.

Den Antragstellern steht es frei, gegen einen solchen Bescheid nach Erschöpfung des verwaltungsbehördlichen Instanzenzuges Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes zu erheben. Im Verfahren vor diesen Gerichtshöfen kann die Gesetzwidrigkeit des Flächenwidmungsplanes geltend gemacht werden, da dieser gemäß §4 Abs1 Oö. Bauordnung präjudiziell ist. Auf diese Weise kann die von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung des Planes auf seine Gesetzmäßigkeit herbeigeführt werden (VfGH 22. September 1983 V21/79).

Die dagegen von den Antragstellern vorgebrachten Einwände sind aus folgenden Gründen nicht stichhältig:

Der nach Auffassung des VfGH zumutbare Weg über ein Ansuchen um Bauplatzbewilligung zwingt die Antragsteller keineswegs, ihre Liegenschaft zu teilen; es bliebe den Antragstellern unbenommen, ein derartiges Ansuchen hinsichtlich der Liegenschaft, so wie sie ist, zu stellen. Die Oö. Bauordnung schreibt - wie die Antragsteller selbst ausführen - nur eine Mindestgröße für einen Bauplatz vor.

Zu den Einwendungen der Antragsteller betreffend die Kosten eines allfälligen Verwaltungsverfahrens ist zunächst festzustellen, daß für dieses kein Anwaltszwang besteht und sodann darauf hinzuweisen, daß die Antragsteller bei Beschreitung dieses Weges sich in keiner anderen Situation befänden als jene Normunterworfenen, welche im Bereich der individuellen Vollziehung liegende Rechtswidrigkeiten rügen wollten (vgl. die diesbezügliche Rechtsprechung des VfGH bei Individualanträgen im Abgabenrecht, zuletzt VfGH 14. Dezember 1983 G55/82).

Der Weg eines Ansuchens um Bauplatzbewilligung nach der Oö. Bauordnung (s. hiezu VfGH 22. September 1983 V21/79) ist daher den Antragstellern auch unter den Umständen des vorliegenden Falles zumutbar.

4. Da es somit an einer der Voraussetzungen für die Legitimation zur Antragstellung nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG mangelt, ist der Antrag gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V19.1983

Dokumentnummer

JFT_10149689_83V00019_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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